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Lithophanie

Lithophanie  aus Deutschland, Thüringen, Porzellanmanufaktur Plaue, Modellnummer PPM 293,  um 1850-1880, Darstellung „Der Grossvater“ nach Friedrich Eduard Meyerheim (1808-1876)

Andreas Heege 2019

Lithophanien in CERAMICA CH

Lithophanien (frei übersetzt «Leuchtende Steine», zeitgenössisch auch «Durchscheinbilder») wurden 1827 und 1828 unabhängig voneinander in Berlin  bzw. Montreuil-sous-Bois bei Paris entwickelt, später aber auch an zahlreichen anderen Orten, z. B. Meissen, gefertigt (Steckelings 1994; Steckelings 2009; Steckelings 2013). Lithophaniescheiben stellte man her, indem man eine spezielle, flüssige Porzellanmasse in eine Gipsform mit dem gewünschten Motiv goss. Die Rückseite der Scheiben zeigen meist schwache lineare Spuren vom egalisierenden Abziehen überzähligen Rohmaterials (z. B. RMC XI.361a). Die Vorderseite zeigt das abgeformte Relief. Aufgrund unterschiedlicher Reliefdicke und der Tatsache, dass Porzellan lichtdurchlässig ist, ergab sich ein fein abgestuftes Leuchtbild, wenn man eine solche Scheibe als Teil eines Lampenschirms einsetzte oder gerahmt vor ein Fenster hängte. Je dicker und dichter die Masse, desto tiefer der Schatten, je dünner, desto transparenter und lichtdurchlässiger war die Scheibe. Befand sich hinter der Scheibe eine flackernde Flamme, war das Bild zusätzlich «animiert».

Dieselbe Technik konnte man auch für die Böden von Porzellanhumpen anwenden, sodass sich hier ebenfalls überraschende Bilder verstecken liessen (z.B. RMC H2015.21).

Die Blütezeit der Lithophanien war die Zeit von etwa 1855 bis 1870. Als Vorlagen dienten meist Gemälde oder Stiche bekannter zeitgenössischer Künstler, wobei religiöse und mythologische Szenen, Porträts berühmter Personen, Genre-, Landschafts- und Architekturszenen, aber auch erotische Szenen vorkommen. Sie spiegeln meist den Zeitgeist des Biedermeier und des Historismus. Bis heute sind über 2 000 Motive bekannt.

Homepage mit zahlreichen Lithophanien

Bibliographie:

Steckelings 1994
Karl-Heinz W. Steckelings, Leuchtender Stein. Über den Werdegang der Lithophanie, in: Photo-Antiquaria 21, 1994, 39-48.

Steckelings 2009
Karl-Heinz W. Steckelings, Leuchtender Stein. Ein Beitrag zur Geschichte des Lichtschirms, der Porzellan-, Papier- und Glas-Lithophanie unter Berücksichtigung verwandter lithophaner Objekte und der Lithophanie, eingeordnet in die historische Entwicklung der jeweiligen Manufakturen, in: Photo-Antiquaria 36, 2009, 4-13.

Steckelings 2013
Karl-Heinz W. Steckelings, Leuchtender Stein – Die Geschichte der Lithophanie vom 18. bis ins 20. Jahrhundert, Dresden 2013.

Lochschablone/Durchstaubschablone

Andreas Heege 2019

Zur Herstellung identischer Dekore oder Muster bediente man sich in den Fayence- und Porzellanmanufakturen Europas sogenannter Loch- oder Durchstaubschablonen (niederländisch auch: Sponse) aus Papier, Ölpapier, Metallfolie oder Pergament. Auf diesen wurde das Motiv vorgezeichnet und dann die Konturen mit einer feinen Nadel eingestochen.

Sponse/Lochschablone aus fester Alufolie, Meissen, Porzellanmanufaktur, 2008

Anschliessend legte man die Sponse auf die zu verzierende Oberfläche und puderte feinen schwarzen Kohlenstaub darüber, der durch die feinen Löcher fiel. Nach Abnahme der Sponse  hatte man dann in Punktlinien ein immer gleich grosses Motiv, das man nur noch ausmalen musste (zur Technik siehe z. B.  Gauvin/Becker 2007,  12-13, 36).

Dekoration mit Hilfe einer Sponse, Meissen, Zwiebelmuster, 2008

Bibliographie:

Bastian 2003
Jacques Bastian, Strasbourg, faïences et porcelaines : 1721-1784, Strasbourg 2003, 99-105, 121-128

Gauvin/Becker 2007
Henri Gauvin/Jean-Jacques Becker, Cent ans de faïences populaires peintes à Sarreguemines et à Digoin, Sarreguemines 2007.

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 304

Frz.: poncif, poncis, chablon perforé

Anglais : Punched pattern (pierced image transfer paper), pouncing (Pounce – loose graphite or charcoal – is rubbed through a series of small holes punched in a paper pattern to transfer the design to an item to be decorated).

Lüster

Vase (Flügelvase), Spanien, Prov. Valenzia, Manises, um 1880-1900. Fayence, dünne Glasur mit Kupferlüster und blauem Pinseldekor.

Andreas Heege und Pierre-Yves Tribolet, 2023

Lüster in CERAMICA CH

Die Begriffe Lüsterfarbe, Lüster, Lüstermalerei, Lüstrierung (von lat. lustrarebeleuchten, erhellen) bezeichnen u.a. den metallisch schimmernden Überzug von Keramik, besonders Fayencen, Steingut oder Porzellanen.

Die Lüsterfarben auf frühen islamisch/spanischen oder italienischen Majoliken des 9. bis 16. Jahrhunderts sind Emulsionen von Metallsulfaten oder -oxiden, gemischt mit Ocker, die in saurer Lösung auf die beim ersten Brand entstandene Glasur aufgebracht und in einem zweiten reduzierenden Glattbrand (Muffelbrand) bei mäßiger Temperatur aufgeschmolzen wurden. In der kunsthandwerklichen Keramiktechnologie der Gegenwart werden zur Erzeugung flächiger und verlaufender Lüstrierungen Metallnitrat und Metallchloridlösungen vor dem zweiten Brand aufgebracht.

Schale (Dreifussschale), Iran (Persien), um 1200-1220, Fayence (Kashan style, Lüsterware), innen und aussen glasiert, Boden ohne Glasur, rotbraune Lüsterbemalung und Beschriftung mit arabischen Schriftzeichen.

Lüsterkeramik entstand im 9. und 10. Jahrhundert in Mesopotamien und Persien. Eine eigene Produktion im von den Mauren beherrschten Iberien ist erst im 13. Jahrhundert für Málaga und Granada erwiesen. Spätere bedeutende Produktionen von Goldlüsterware stammen aus Manises bei Valencia. Diese wurde über Mallorca als sogenannte Majolika u.a. nach Italien ausgeführt und dort zwischen ca. 1500 und 1570 im Töpferort Deruta nachgeahmt (goldgelbe Lüsterfarben in Kombination mit anderen Scharffeuerfarben). Lüster aus Gubbio (bis ca. 1630) hatte dagegen eine eher kupferrote Färbung.

In England und auf dem Kontinent erfuhr die Lüstrierung ab dem späten 18. Jahrhundert ein Revival, wobei die Technik neu entwickelt werden musste. In den 1900er Jahren ist ausserdem die reiche Produktion von Clément Massier (1844-1917) in Golfe-Juan und Vallauris in Südfrankreich zu erwähnen. Vilmos Zsolnay (1828-1900) in Pécs, Ungarn, verwendete zur gleichen Zeit ebenfalls häufig Lüster.

Französisch: lustre

Englisch: lustre, lustre decoration, lustreware

Bibliographie:

Wikipedia, Stichworte Lüsterfarbe, Lustreware

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique, vocabulaire technique, Paris 2014, 268-273.

Caiger-Smith 1985
Caiger-Smith, A., Lustre Pottery: Technique, Tradition and Innovation in Islam and the Western World, London 1985.

Caroscio 2004 (2007)
Marta Caroscio, Lustreware production in Renaissance Italy and influences from the mediterranean area, in: Medieval ceramics 28, 2004 (2007), 99-115.

John/Baker 1951
John, W.D., and Warren Baker, Old English Lustre Pottery, Newport), n.d. (ca 1951).

Litzow 1984
Karl Litzow, Keramische Technik. Vom Irdengut zum Porzellan, München 1984.

Watson 2004
Oliver Watson, Ceramics from islamic lands, London 2004.

Weiß 1991
Gustav Weiß, Keramik-Lexikon. Praktisches Wissen griffbereit, Berlin 1991, bes. 193.

 

Majolika

Majolika ist  wie die Fayence eine Irdenware mit deckender Blei-Zinnglasur. Sie repräsentiert in den Niederlanden und in Deutschland einen älteren Abschnitt der Produktion dieser Keramikart. Dabei trägt die Schauseite eine deckende Fayenceglasur (oft mit Inglasurmalerei), während die Rückseite nur mit einer Bleiglasur versehen wurde. Bei Keramik, die als Fayence bezeichnet werden soll, tragen beide Keramikseiten eine deckende Fayenceglasur, dies ist ab etwa der Mitte des 17. Jahrhunderts der Fall. Majolika wurde mit Inglasurmalerei versehen und weist immer ein zweistufiges Brennverfahren auf (Schrühbrand und Glattbrand).

Im Fall von Fabriken der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, wie z. B. in Aedermannsdorf oder in Thun, wird mit «Majolika» andererseits fälschlicherweise eine buntglasierte Irdenware mit oft historisierenden Renaissancedekors bezeichnet.

Die sog. «Thuner Majolika» ist tatsächlich eine polychrom bemalte und glasierte Irdenware. Dasselbe Sprachphänomen lässt sich im späten 19. Jahrhundert auch bei zahlreichen anderen, wesentlich bedeutenderen Keramikfabriken in Deutschland, England oder Frankreich beobachten (http://majolicasociety.com/; Decker 2000;  Forest/Lacquemant 2000; Reilly 1995, 269). Auch dort handelt es sich regelhaft nicht um Keramik mit einer Blei-Zinnglasur.

Bibliographie

Bartels 1999
Michiel Bartels, Steden in Scherven, Zwolle 1999, 201-236

Blondel 2001
Nicole Blondel, Céramique: vocabulaire technique, Paris 2001, 72-74.

Decker 2000
Émile Decker, Majolique et faïence artistiques à a fin du XIXe siècle, in: Dominique Forest/Karine Lacquemant, Massier – l’introduction de la céramique artistique sur la Côte d’Azur : 7 mai – 27 septembre 2000, Musée Magnelli, musée de la céramique, Vallauris, Paris 2000, 35-43.

Forest/Lacquemant 2000
Dominique Forest/Karine Lacquemant, Massier – l’introduction de la céramique artistique sur la Côte d’Azur : 7 mai – 27 septembre 2000, Musée Magnelli, musée de la céramique, Vallauris, Paris 2000.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016, 271-288.

Karmason/Stacke 2002
Marilyn G. Karmason/Joan Stacke, Majolica : a complete history and illustrated survey / by Marilyn G. Karmason with Joan B. Stacke, New York 2002.

 

 

Malengobe

Malen mit  dem Malhörnchen mit roter Malengobe , Horezu, Rumänien, 2006

Dünnflüssiger, weiss oder rot brennender oder mit Metalloxyden eingefärbter Ton (schwarz, gelb, blau, grün), der dem Dekorieren von Irdenware mit Pinsel oder Malhorn dient. Die Malengobe kann auf den lederharten Scherben oder auf eine weisse bzw. farbige Grundengobe aufgetragen werden. Über der Engobe liegt normalerweise eine  farblose oder farbige Glasur (gelb, grün).

Frz.: Engobe à peindre

Engl.: slip-painting

Malerei

Alle Dekortechniken bei denen Farben oder Malengoben mit unterschiedlichen Gerätschaften (Pinsel, Malhörnchen etc.) auf lederharte, geschrühte oder glattgebrannte Gefässe oder Keramikobjekte aufgetragen werden. Siehe: Aufglasurmalerei (synonym Muffelmalerei), Scharffeuermalerei, Inglasurmalerei, Unterglasurmalerei, Unterglasur-Pinseldekor.

Frz.: Peinture

Engl.: Painting

 

Malhörnchen

Malhörnchen aus Horezu, Rumänien

Andreas Heege, 2019

Zur Herstellung des Malhorndekors verwendete man Malhörnchen. Im einfachsten Fall bestehen sie aus einem Kuhhorn in dessen Spitze man einen Federkiel einsetzte.

Malhörnchen aus der Hafnerei Röthlisberger in Langnau, 20. Jh.

Sehr oft begegnen aber auch keramische Malhörnchen. Sie haben oberseitig ein Einfüllloch und an der Vorderseite eine kleinere Öffnung für einen Federkiel. Seitliche Dellen können die Handhabung verbessern. Je nach Dickflüssigkeit der Malengobe muss die Einfüllöffnung mit dem Daumen verschlossen werden, um den Engobefluss zu regulieren. In der Schweiz ist die Rückseite der Malhörnchen oft mit einem eingeritzten Datum und/oder den Initialen der Besitzerin (Ausmacherin) oder des Hafners beschriftet.

Heimberger Hafner 1917

Bodenfunde von keramischen Malhörnchen gehen bis in den Beginn der Herstellung von Malhorndekoren in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zurück. Die derzeit ältesten, absolut datierten Objekte stammen aus den Werraware-Töpfereien von Enkhuizen NL  (zwischen 1602 und 1613, Ostkamp/Venhuis 2009, Abb. 41) bzw. Hannoversch-Münden D (vor 1612, Stephan 1992, Abb. 45).

Zweikammeriges Malhörnchen der Renaissance im Museum im Burghof Springe (Inv. 1993/1914, Leiber 2012, Kat. 52)

Malhörnchen können für mehrfarbige oder parallele Aufträge auch zwei oder mehrere Kammern und Ausflussöffnungen haben, z. B. bei der sog. „Weserware“ der Renaissance in Deutschland, die zwischen ca. 1550 /1570 und 1630/1640 gefertigt wurde. Fragmente von zwei solchen Malhörnchen (Fundort Völksen) verwahrt das Burghofmuseum in Springe.

 

Museum Bonfol, Kanton Jura, mehrkammeriges Malhorn für die Herstellung von Marmorierungsdekoren.

Auch zur Herstellung von Marmorierungen oder „Katzenaugen – Cat’s eye“ und „Regenwürmern – earthworms“ bei den bunten „dipped wares – lathe-turned refined utilitarian earthenware with slip-decoration“ aus dem englischen Staffordshire fanden mehrkammerige Malhörnchen oder Malbüchsen Verwendung (vgl.  Carpentier/Rickardt 2001, Fig. 21-31). In Bonfol, Kanton Jura und in der französischen Region Savoyen (Buttin/Pachoud-Chevrier 2007, 56) verwendete man mehrkammerige Malbüchsen  aus Keramik bei der Herstellung mehrfarbiger Marmorierungen.

Eine industrielle Weiterentwicklung der Malhörnchen stellen die sog.«blowing bottles» aus Staffordshire in England dar (vgl. Carpentier/Rickardt 2001, Fig. 13). Heute werden vor allem für sehr feine Malhorndekore eher Malbällchen aus Kunststoff mit Glas-, Metall- oder Kunststoffspitzen verwendet.

Frz.: barolet (im Elsass auch „cochonnet“)

Engl.: slip trailer, slip cup,  quill box, multi-chambered slip pot

Bibliographie:

Buttin/Pachoud-Chevrier 2007
Anne Buttin/Michèle Pachoud-Chevrier, La Poterie domestique en Savoie, Annecy 2007.

Carpentier/Rickard 2001
Donald Carpentier/Jonathan Rickard, Slip Decoration in the Age of Industrialization, in: Ceramics in America, 2001, 115-134.

Leiber 2012
Christian Leiber, Aus dem Pottland in die Welt. Eine historische Töpferregion zwischen Weser und Leine, Holzminden 2012, 215 Kat. 52.

Ostkamp/Venhuis 2009
Sebastiaan Ostkamp/Sjek Venhuis, „tot soulagemente van de schamele gemeente“ – Het Werra-aardewerk uit de werkplaats van Dierck Claaesz Spiegel in Enkhuizen opnieuw bekeken (1602-1613), in: Hemmy Clevis/Hans van Gangelen, Werra Keramiek uit Enkhuizen opnieuw bekeken – Studies aangeboden aan Jan Thijssen, Zwolle 2009, 11-96.

Röhrich/Meinel 1975
Lutz Röhrich/Gertraud Meinel, Töpferei im Elsass dargestellt am Beispiel von zwei Familienbetrieben in Oberbetschdorf und Soufflenheim (Veröffentlichung des Alemannischen Instituts Freiburg i. Br. 36), Bühl 1975, bes. 69-75.

Stephan 1992
Hans-Georg Stephan, Keramik der Renaissance im Oberweserraum und an der unteren Werra (Zeitschrift für Archäologie des Mittelalters, Beiheft 7), Köln 1992, Abb. 45.

 

Malhorndekor

Heimberger Teller mit Malhorndekor und akzentuierendem Ritzdekor, 1792.

Malhorndekor in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019

Malhorndekor wird mit dem Malhorn (Rinderhorn oder Malhörnchen aus Keramik) auf den lederharten, engobierten oder geschrühten Scherben aufgetragen und anschliessend überglasiert. Als Malfarbe verwendet man weiss brennende oder farbige bzw. mit Metallionen eingefärbte Malschlicker oder Malengoben. Malhorndekor kann ein oder mehrfarbig sein.

Je nach Flüssigkeit der Malengobe ergeben sich entweder kaum fühlbare oder quasi reliefartige Farbaufträge. Vor allem bei sehr dünnflüssigen Aufträgen oder bei der Bemalung eines sehr feuchten Untergrundes ist oft eine optische Differenzierung von den glatteren Aufträgen des Pinseldekors kaum möglich. Bei beiden Dekortypen ist eine sehr leichtflüssige Grundengobe bzw. Bemalung notwendig, um durch die mehrfarbige Bemalung im Spiegel eine Marmorierung entstehen zu lassen. Eine zusätzliche  optische Variation erzielt man durch unterschiedliche Glasurfarben (meist transparent, gelb oder grün).

Malhorndekor wird oft mit anderen Dekortechniken kombiniert (Laufdekor, Borstenzugdekor, Springfederdekor, Spritzdekor, Ritzdekor). Malhorndekor entsteht in Mitteleuropa um die Mitte des 16. Jahrhunderts und wird bis heute in vielen handwerklich arbeitenden Töpferein gefertigt.

Film zum Malhorndekor in der Werkstatt von Ulrich Kohler in Schüpbach BE (ab Minute 7:34)

Film zum Malen mit dem Malhorn in Horezu Rumänien (ab Minute 2:10)

Französisch:  décor aux barbotines argileuses,  décor à la corne, décor au barolet

Englisch: slip-trailed decoration, slip trailing

Bibliographie:

Stephan 1980
Hans-Georg Stephan, Zur Typologie und Chronologie von Keramik des 17. Jahrhunderts im Oberweserraum, in: Wingolf Lehnemann, Töpferei in Nordwestdeutschland (Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutschland, Heft 3), Münster 1980, 69-124.

Stephan 1981
Hans-Georg Stephan, Werrakeramik und Weserware. Zentren der Renaissancekeramik im Werraland und an der Oberweser, in: Hans-Peter Mielke, Keramik an Weser, Werra und Fulda (Schriften des Mindener Museums 1), Minden 1981, 69-90.

Stephan 1987
Hans-Georg Stephan, Die bemalte Irdenware der Renaissance in Mitteleuropa (Forschungshefte herausgegeben vom Bayerischen Nationalmuseum 12), München 1987.

Manganglasur

Andreas Heege, Roland Blaettler, 2019

Manganglasur in CERAMICA CH

Manganglasur weist eine dunkelbraune bis schwarzbraune Färbung auf, die durch Eisenmanganverbindungen in der Glasurmischung hervorgerufen wird. Manganglasur kann sowohl auf weisser Grundengobe als auch auf roter oder schwarzbrauner Grundengobe vorkommen oder ohne Grundengobe direkt auf den Scherben aufgetragen sein.

Vor allem die  schweizerische Manufakturware des 19. Jahrhunderts weist sehr gute, glatt aufgeschmolzene, spiegelnde  Manganglasuren, regelhaft ohne Grundengobe auf. Dabei handelt es sich oft um Tee- und Kaffeegeschirr, Pudding- oder Backformen und Teller bzw. Terrinen.  Da diese Manufakturwaren sehr oft nicht gemarkt sind oder nur Zahlen für die Grösse aufweisen, kann keine exakte Herkunft angegeben werden. Aufgrund verschiedener Kriterien (Bodenfunde, Schriftquellen, gemarkte Stücke)  gehen wir davon aus, dass eine Produktion in Kilchberg-Schooren – Fabriken Nägeli, Staub und Scheller –  (Matter 2012), Schaffhausen (Zieglersche Tonwarenfabrik), Aedermannsdorf oder z. B. der Keramikfabrik Pfau&Hanhart in Winterthur erfolgte.  Produktionsnachweise gibt es auch für Bern aufgrund von Bodenfunden (Heege 2010, Abb. 56). Mit weiteren Herstellern ist zu rechnen.

Manganglasiertes Geschirr wurde wohl auch in den Manufakturen der Westschweiz gefertigt. Sog. «Braune Ware» wurde in Nyon – Steingutfabrik – hergestellt. Diese Art von Produkten gab es möglicherweise schon in der Zeit des François Bonnard (1845-1859). In der Gazette de Genève vom 11. Mai 1847 (S. 4) steht ein seltsames Inserat wo in Nyon eine keramische Fabrik zum Mieten angeboten wird, im Rahmen einer Aktiengesellschaft, «pour fabriquer de la faïence blanche et brune, terre à feu (Kochgeschirr) façon de Paris». In einem Leserbrief (Gazette de Lausanne, 25. März 1879, S. 2) erfährt man, dass François Bonnard nicht nur Steingut fabrizierte, sondern dass er auch eine spezielle Produktion eingeführt hatte, die «terre à cuire brune avec vernis brillant». Diese Braunware wurde in der folgenden Periode weitergeführt – oder erst eingeführt? – (Bonnard & Gonin, 1859-1860). Im Notizbüchlein des Frédéric Gonin ist von verschiedenen Experimenten die Rede, u.a. in Bezug auf braunes und gelbes Kochgeschirr. In der darauffolgenden Periode der Aktiengesellschaft (Manufacture de poteries S. A., ab 1860) laufen diese Spezialitäten weiter (Artikel in der Gazette de Lausanne vom 3. August 1861, S. 2). An der Landesausstellung 1883 präsentierte die Manufaktur «vaisselle blanche» und «terres à cuire brunes» (Katalog).

Ein einziges gesichertes Stück (MHPN 1997-34) besitzt eine Blindmarke «NYON». Diese Marke wurde in der Période Delafléchère (1833-1845) eingeführt, dann von Bonnard möglicherweise weitergenutzt (seine Produktion ist zurzeit schwer zu identifizieren), in der Periode Bonnard & Gonin wird sie mit Sicherheit – wenn auch sporadisch – verwendet. Die Aktiengesellschaft verzichtete meistens auf die Marke, benützte aber regelmässig Zahlen-Blindmarken (Grössenmarken). Die braune Terrine müsste zur Bonnard & Gonin-Periode gehören (also 1859-1860), oder zur AG-Periode (1860-1870).

Neben der genannten Manufakturware gibt es erkennbar schlechter standardisierte Fabrikate mit Manganglasur, die eine handwerkliche Parallelproduktion durch lokale Töpfereien nahelegen (generell zum Thema Heege 2016, 157-161).

Manganglasierte Geschirre in England („Jackfield ware“ aus Shropshire und Nord-Staffordshire) haben ältere Wurzeln in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts und waren vor allem im späten 18. Jahrhundert sehr beliebt (Stellingwerf  2019, 45).  Manganglasur gibt es auch auf frühen Meissener Produkten und z. B. in der Bayreuther, Ansbacher und Crailsheimer Produktion des 18. Jahrhunderts (Miller/Ziffer 1994; Harbermann/Arnold 2006; Piereth/Ulrichs 2010).

Frz.: Glaçure au manganèse

Engl.: manganese glaze, earthenware with iron-manganese black lead-glaze („Jackfield-type ware“)

Bibliographie:

Blättler 2017
Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses (1500-1950), vol. III/1, Vaud, Sulgen 2017, 296-297

Harbermann/Arnold 2006
Sylvia Harbermann/Waltraud Arnold, Bayreuther Fayencen. Sammlung Burkhardt. Bestandskatalog, 2. erweiterte Auflage, Bayreuth 2006.

Heege 2010
Andreas Heege, Keramik um 1800. Das historisch datierte Küchen- und Tischgeschirr von Bern, Brunngasshalde, Bern 2010.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Matter 2012
Annamaria Matter, Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren. Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763-1906 (Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43), Zürich 2012.

Miller/Ziffer 1994
Albrecht Miller/Alfred Ziffer, Bayreuther Fayencen: Bestandkatalog (Kataloge der Kunstsammlungen, Bayerische Verwaltung der staatlichen Schlösser, Gärten und Seen), München 1994.

Piereth/Ulrichs 2010
Uta Piereth/Friederike Ulrichs, Museum Deutscher Fayencen in Schloss Höchstädt, München 2010.

Stellingwerf 2019
Wytze Stellingwerf, The Patriot behind the pot. A historical and archaeological study of ceramics, glassware and politics in the Dutch household of the Revolutionary Era: 1780-1815, Zwolle 2019.

Marken

Herstellermarke (Pinselmarke) der bündnerischen Keramikerin Annina Vital, Chur

Marken (Fabrikmarken, Herstellermarken) sind primär Zeichen zur eindeutigen Kennzeichnung des Herstellers, der Manufaktur oder Fabrik. Marken sind meist ein Zeichen für eine hochqualitätvolle bzw. eine industrielle Produktion, in Europa auch für eine junge Zeitstellung (18. bis 20. Jahrhundert) des Keramikobjektes. Marken kommen bei allen Keramikgattungen oder Waren vor (Irdenware, Fayence, Steingut, Steinzeug und Porzellan).

Die Marken können sehr unterschiedlich gestaltet sein:

Pinselmarke (gemalte Marke), gemalt mit dem Pinsel, oft handelt es sich um Buchstaben, Namen, Symbole oder Wappen.

Malhornmarke, gemalte Marke, gemalt mit dem Malhorn (Schlickermalerei), mit dem meist auch die Verzierung des Objektes hergestellt wurde.

Ritzmarke, direkt in den weichen Ton oder in ein Farbfeld geritzt.

Bleistiftmarke, mit einem Bleistift (oder Rötelstift)auf den gebrannten Scherben, meist den Boden oder die Innenseite von Figuren geschrieben; öfters auch keine Herstellermarke sondern Preisnotiz.

Blindmarke (auch Pressmarke), mit einem Gerät eingestempelt, eingedrückt, eingepresst. Zu den Blindmarken gehören auch die Marken der deutschen Mineralbrunnen (Brunnenmarke).

Blindmarke, mitgegossen, beim Guss in eine Form oder beim Eindrehen in eine Form entstandene, eingetiefte Marke, die sich oft nur schwer von einer eingestempelten Blindmarke unterscheiden lässt.

Reliefmarke, in der Form positiv mitgegossen oder aufgelegt, u.a. sog. „Diamond-marks“ oder „Registry-marks

Stempelmarke, mit einem Gummistempel meist farbig (schwarz, rot, grün, blau) aufgestempelt. Gelegentlich schwer von Marken, die in Umdrucktechnik hergestellt wurden (Druckmarken) zu unterscheiden.

Gummistempel zur Aufbringung von Stempelmarken der „Faïencerie du Midi, Varages, Frankreich“. 

  

Druckmarken, im Umdruckverfahren bzw. Siebdruckverfahren hergestellt. Zwischen Stempelmarken und Druckmarken lässt sich optisch oft nicht eindeutig unterscheiden, weshalb im Zweifelsfall der Begriff „Stempelmarke“ verwendet wird.

Schablonenmarke, wurde mit Hilfe einer Schablone aus Papier-, Metallfolie oder Blech meist unter der Glasur und mit Hilfe eines Pinsels oder einer Spritzpistole aufgetragen.

Papiermarken (Papieretiketten), meist gedruckt und dann sekundär, nach dem Brand, nur aufgeklebt.

Es gibt aber auch untergeordnete Gruppen von Marken mit abweichenden Funktionen:

Zuordnungsmarken, das sind Blindmarken  in Form von Zahlen, Buchstaben, Strichen, auf Deckel und Unterteil von Töpfen, Terrinen und Dosen, die eine leichtere Objektzuordnung nach dem Brand erlauben, z. B. bei Keramik aus Bäriswil BE oder St. Antönien GR.

Datierungsmarken (Jahresmarken, Monatsmarken, oft Buchstaben oder Zahlenkombinationen)

Dekormarken (Dekornamen, Dekornummern), in England auch staatlich registrierte Dekornummern (registration numbers, Rd. marks), die sich datieren lassen.

Formmarken (Formnamen, Formnummern, auch Modellmarke, Modellnummer, Typmarke, Typnummer), diese kennzeichnen in Manufakturen oder grösseren, modernen Töpfereibetrieben einzelne keramische Formen oder Typen entsprechend existierender Typlisten (Verkaufslisten, Bestelllisten, Preislisten, Händlerlisten).

– Marken des Arbeiters/Ausformers oder der Arbeiterin/Ausformerin (oft Zahlenmarken), diese dienen firmenintern zur Abrechnung der im Stücklohn bezahlten Arbeiter und zur Qualitätskontrolle.


Malermarke (Malerinnenmarke), Marken der Keramikmalerin/Dekorateurin oder des Keramikmalers/Dekorateurs, auch in diesem Fall dürfte es sich um Marken handeln, die für die firmeninterne Abrechnung relevant waren.

Händlermarken, Marken dekorierender Haushaltswarengeschäfte, die oft ungemarkte „Weissware“  im Kundenauftrag veredelten oder von Keramikgrosshändlern, für die teilweise gezielt produziert wurde.

– Massemarken, oft Zahlenmarken zur Unterscheidung spezifischer keramischer Massen (zur Zeit kein gesichertes Beispiel).

Grössenmarken, geritzt oder eingedrückt (Ritzmarken, Blindmarken), Grössennummern, meist Zahlenmarken zur Kennzeichnung der Grösse eines bestimmten Gefässtyps, wie man das oft in Warenkatalogen der Hersteller findet. Bei diesen einfachen Marken ist jedoch  gelegentlich nicht ausgeschlossen, dass es sich auch um Arbeiter- oder Drehermarken handeln könnte, die zur Abrechnung der im Stücklohn gedrehten Ware gedient haben können.

– Grössenmarken (Volumenmarken) finden sich klassischerweise bei den Farbtöpfen von Christian Lötscher  aus St. Antönien  (in diesem Fall handelt es sich um das neuschweizerische Mass mit einem Volumen von 1,5 Litern) oder ab dem ersten Weltkrieg auch bei den grossen Steinzeug-Vorratstöpfen aus dem deutschen Westerwald (Literangaben).

Besitzermarken, sekundär eingeritzte Marken, meist Buchstaben oder Buchstabenkombinationen, die zur Eigentumskennzeichnung dienten.

Es gibt zahlreiche analoge und digitale Verzeichnisse zu Keramikmarken (siehe Links und Bibliographie).

Engl.: Marks, pottery marks

Frz.: Marques

Bibliographie (Auswahl):

Graesse/Jaennicke 1997
Johann Georg Theodor Graesse/Friedrich Jaennicke, Führer für Sammler von Porzellan und Fayence. Umfassendes Verzeichnis der auf älterem und neuerem Porzellan, Fayence, Steinzeug, Steingut usw. befindlichen Marken, München / Berlin, 28. Auflage, 1997.

Tardy 1949
Poteries et faïences françaises, 1ère, 2ème parties et 3ème parties, 3ème édition, Paris 1971.

Tardy 1983
Les poteries-faïences-porcelaines européennes ; caractéristiques et marques, 1ère et 2ème parties, Paris 1983

Zühlsdorff 1994
Dieter Zühlsdorff, Keramik-Marken Lexikon. Porzellan- und Keramik Report 1885-1935 Europa (Festland), Stuttgart 1994 (2. Auflage ).

Links (Auswahl): 

Italien-Markenlisten

Langenthal-Porzellan-Marken

Mineralwasserkrüge/Mineralwasserflaschen

Porzellanmarken

Stein Marks (Marken auf Humpen – 19./20. Jh.)

Schweiz – Marken, Signaturen, Hafner