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Payerne VD, Hafnerei Rapin

Feldflache des Töpfers David Rapin, Fils, aus Payerne, Kanton Waadt, datiert 1825 (Privatbesitz Frankreich, Fotos Besitzerin).

Andreas Heege, Pierre-Yves Tribolet, 2025

In Bearbeitung

Datierte und signierte Keramik aus dem Kanton Waadt gehört zu den grössten Seltenheiten. Eine kleine Feldflache mit polychromem Unterglasur-Pinseldekor ist auf der Rückseite beschriftet „Fait / Par David Rapin / Fils Potier à Payerne / Canton de Vaud / en Suisse le 11eme  / Juillet  / 1825“. Die Schauseite zeigt vermutlich einen mit einer Lanze bewaffneten Soldaten.

Seitenansicht der Feldflasche/Schnapsflache mit schwarzen Pünktchenrauten (Privatbesitz Frankreich, Fotos Besitzerin).

Auf der Schmalseite der Feldflasche sind schwarzbraune Pünktchenrauten gemalt, ein Hinweis, dass der Hafner die Dekorgewohnheiten der Keramik „Heimberger Art“ ebenfalls kannte, obwohl er seine Flasche mit dem technologisch abweichenden „Unterglasur-Pinseldekor“ statt mit Malhorndekor verzierte.

Über eine Töpferfamilie Rapin aus Payerne hatten wir bisher noch keine genaueren Informationen. Sucht man im 19. Jahrhundert so begegnet einem der Hafnergeselle Elie Frédéric Rapin (1808-1870) aus Payerne, der 1840 für fünf Monate bei Hafner Hauser in Nidau gearbeitet hat (Gesellenanmeldung). Sucht man nach dem Namen von Elie Frédéric Rapin im Internet, findet man  eine Familie aus Corcelles pres Payerne mit einem Jean David Rapin (1765-1841) als Vater von Elie Frédéric Rapin. (Stammbaum). Vermutlich ist dies der von uns gesuchte Hafner und Produzent der Feldflasche.

Weitere Informationen zur Hafnerfamilie werden gerne entgegen genommen.

Reber, Burkhard (1848–1926), Genfer Apotheker und Sammler (Sammlung Unil)

Roland Blaettler 2019

1922 erwarb die Universität Lausanne die Sammlung, die der Genfer Apotheker Burkhard Reber seit den späten 1860er-Jahren zusammengetragen hatte. Es handelt sich dabei um eine bemerkenswerte Sammlung von Objekten und Dokumenten zur Geschichte der Pharmazie und Medizin. Die Gruppe der Apothekengefässe aus Keramik, die mehr als 450 Exemplare umfasst und zu den grössten dieser Art in der Schweiz gehört, ist zweifellos einer der Höhepunkte der Sammlung Reber. Sie ist heute in den Magazinen des Musée du Château de Nyon (Musée historique et des porcelaines) untergebracht.

Burkhard Reber (1848–1926) wurde in Benzenschwil (AG) in einer bescheidenen Bauernfamilie geboren. Schon in jungen Jahren interessierte er sich aufgrund seines wachen Geistes und seiner Neugier für Naturwissenschaften, sammelte Fossilien und legte einen kleinen botanischen Garten an. Trotz aller Opfer, die dies mit sich brachte, meldeten seine Eltern ihn in der Sekundarschule in Muri an, wo er einen der Gründer des Schweizer Alpenvereins, den Chemiker Theodor Simmler, kennen lernte, der sein erster Mentor werden sollte. Nach und nach weiteten sich seine Interessen auf Archäologie und Geschichte aus. Im Jahr 1886 entdeckte der junge Burkhard die Überreste einer römischen Villa in der Nähe von Muri, die später von den zuständigen Stellen ordnungsgemäss erforscht wurden. Trotz der Ratschläge seiner Lehrer, die ihn zu einer Karriere als Lehrer drängten, entschied sich der junge Mann, der sich unwiderstehlich von den Naturwissenschaften angezogen fühlte, Apotheker zu werden.

So begann er 1868 eine Lehre in einer Apotheke in Weinfelden, seine Freizeit widmete er der Botanik. Bei seinen aufmerksamen Streifzügen durch die umliegende Region entdeckte er in den Mooren von Heimenlachen (TG) die Überreste einer prähistorischen Siedlung. Dieser Fund brachte ihn in Kontakt mit dem berühmten Zürcher Prähistoriker Ferdinand Keller (1800–1881), mit dem er bis zu seinem Lebensende korrespondierte, und zudem lieferte ihm seine Entdeckung Ausgangsmaterial für seine ersten Veröffentlichungen auf dem Gebiet der Archäologie. Von 1872 bis 1874 hielt sich Reber in Neuchâtel auf, wo er seine propädeutischen Prüfungen ablegte. Nach einem ersten Semester an der Universität Straßburg setzte er sein Studium an der Universität Zürich fort, wo er 1877 das Apothekerdiplom erwarb.

1879 ernannte die Verwaltung des Genfer Kantonsspitals Burkhard Reber zum Leiter der Apotheke, die sie gerade innerhalb des Unternehmens geschaffen hatte. Die bescheidene Entlöhnung, die er bei seinem Dienstantritt erhielt, sollte durch das Versprechen ausgeglichen werden, dass er nach einem Jahr Probezeit befördert würde, sofern der neue Chefapotheker in der Lage sein würde, beim Einkauf von Medikamenten erhebliche Einsparungen zu erzielen. Es wurde ihm sogar eine Stelle an der Universität in Aussicht gestellt. Trotz greifbarer Einsparungen im ersten Jahr seiner Tätigkeit sollten all diese Versprechungen ins Leere laufen. Reber hatte die Kosten gesenkt, indem er einige Präparate selbst herstellte und vor allem zentral einkaufte. Damit schaffte er das alte System der Medikamentenbeschaffung durch Ausschreibungen ab, sehr zum Missfallen der örtlichen Vermittler, Klinikchefs und Apotheker, die davon profitiert hatten und die bald alle möglichen Widerstände gegen seine innovativen Initiativen hervorriefen. So geschehen auch mit seinem Projekt zur Schaffung einer Staatsapotheke für alle Krankenhäuser, das er dem Grossen Rat vorlegte und das für immer in den Schubladen der Staatskanzlei versanden sollte. 1885 machte sich Reber, der von seiner anstrengenden und frustrierenden Tätigkeit erschöpft war, selbstständig und eröffnete eine Apotheke am Boulevard James-Fazy. Obwohl er nun sein eigenes Firmenschild besass, legte er weiterhin Wert auf den wissenschaftlichen Aspekt seines Berufs und nicht auf die kommerzielle Komponente: In seiner Apotheke war kein einziges Werbeplakat zu sehen. Er widmete sich der Forschung und der Veröffentlichung von Publikationen im Bereich der Pharmazie. Gleichzeitig leitete er die internationale Zeitschrift für Pharmazie und Therapie, Le Progrès – Der Fortschritt, die er mitbegründet hatte.

Aufgrund der Empfehlungen des Vierten Internationalen Kongresses für Hygiene und Demografie, der 1882 in Genf stattfand, war Reber massgeblich an der Gründung der Genfer Gesellschaft für Feuerbestattung beteiligt sowie an der Förderung der Einäscherung auf nationaler und internationaler Ebene. Im Jahr 1889 erkrankte er an einer akuten Form der Influenza, die zu schweren Herzkomplikationen führte. Reber musste sich dazu entschliessen, seinen Posten als Redakteur aufzugeben, vier Jahre später gab er auch seine Apotheke auf.

Da ihm seine Ärzte zu längeren Aufenthalten in höheren Lagen rieten, nutzte er die Gelegenheit zu Studienexkursionen im Wallis, wo er weitere archäologische Entdeckungen machte. Nach seiner Ankunft in Genf im Jahr 1879 hatte Reber seine ursprüngliche Neugier für die Frühgeschichte weiter gepflegt und die Region Genf, aber auch das Wallis, die Waadt, Savoyen und den französischen Jura erkundet.

Die wohl markantesten und nachhaltigsten Spuren hinterliess Burkhard Reber auf dem Gebiet der Pharmaziegeschichte, einer Disziplin, die gerade gegen Ende des 19. Jahrhunderts aufkam. Die umfassendste Bibliografie seiner Schriften in den verschiedensten Bereichen findet sich in dem Buch, das Peter Jaroschinsky 1988 über ihn verfasste.

Entsprechend seiner schon als Kind entwickelten Sammelleidenschaft führte sein Interesse an der Geschichte der Pharmazie und Medizin – nach eigenen Angaben ab 1868 (Reber 1905/1, 130) – zu einer Anhäufung alter Gegenstände und Dokumente aus der Pharmazie, aber auch aus den Bereichen Medizin, Physik, Chemie, Botanik und Zoologie. Von seinen Kollegen oft belächelt oder zumindest missverstanden, wird sein leidenschaftliches Engagement als Sammler als das Werk eines Pioniers der Pharmaziegeschichte in die Annalen eingehen.

1893, im selben Jahr in dem er seine Apotheke aufgeben musste, feierte Reber das 25-Jahr-Jubiläum seines Abschlusses in Pharmazie. Zahlreiche Kollegen aus dem In- und Ausland versammelten sich, um ihm eine eigens für diesen Anlass geprägte Gedenkmedaille und ein Glückwunschalbum zu überreichen. Gerührt von dieser Anerkennung entschloss sich der Jubilar, seine Sammlungen mit der Öffentlichkeit zu teilen. Die «Exposition historique de médecine et de pharmacie» wurde vom 26. Dezember 1893 bis zum 9. März 1894 im Musée des arts décoratifs in Genf gezeigt (Reber 1905/1, 133). Die Gazette de Lausanne (26. Dezember 1893, S. 2) präzisierte in ihrem Bericht über die Veranstaltung, dass sie in den Räumlichkeiten der École d’horlogerie stattgefunden hätte und auf die Initiative der Société des arts et métiers zurückzuführen sei. Mit rund 420 Objekten bildete die Abteilung der Apothekengefässe aus Fayence und Porzellan das für den Besucher beeindruckendste Ensemble, wie einige in den Ausstellungsräumen aufgenommene Fotografien zeigen (Reber 1909/1, Abb. nach S. 4, Abb. nach S. 8 – Heger 1908). Die Präsentation umfasste auch 194 Glasflaschen, 37 Mörser, 140 Laborinstrumente aus verschiedenen Materialien, Reise- und Hausapotheken, 800 Exemplare antiker Drogen, mehr als 500 Stiche, zahlreiche Manuskripte und eine reiche Bibliothek mit 800 Bänden aus allen Epochen (Reber 1909/1, 11 und 12).

Wie das Echo in über 50 Zeitungen und Fachzeitschriften der damaligen Zeit im In- und Ausland belegt, waren die von Reber gesammelten Dokumente ein bemerkenswertes Ensemble und eine Pionierleistung für die aufkommende Pharmaziegeschichte (erst 1883 hatte beispielsweise die Direktion des Germanischen Museums in Nürnberg den Grundstein für eine neue Abteilung für Pharmaziegeschichte gelegt). Eine besondere Ehre für Reber war der Besuch seines ehemaligen Lehrers, des Schweizers Friedrich August Flückiger (1828–1894), Professor für Pharmazie an der Universität Straßburg, der trotz seines hohen Alters aus Genf angereist war. Flückiger lieferte einen ausführlichen und lobenden Bericht über die Ausstellung in der Berliner Apotheker-Zeitung, in dem er sich vor allem für die alten Bücher, Manuskripte und andere Bilddokumente interessierte, die der Sammler zusammengetragen hatte. Der Artikel endet mit einer nachdrücklichen und dankbaren Würdigung von Rebers selbstlosem Einsatz für die Förderung der Geschichte der Pharmazie. Der bedeutende Gelehrte äusserte auch den Wunsch, dass die Sammlung eines Tages von den Genfer Behörden übernommen werden möge, um ihren Fortbestand zu sichern (Flückiger 1894, Ausschnitt zitiert in Reber 1905/1, 131).

Einige Objekte aus Rebers Sammlung waren 1896 in den Vitrinen der Schweizerischen Landesausstellung in Genf zu sehen. Eine Auswahl von etwa 120 Stücken wurde 1898 in Düsseldorf im dortigen Kunstgewerbemuseum gezeigt unter dem Titel «Historische Ausstellung. Naturwissenschaft und Medizin». Die Ausstellung wurde im Rahmen der 70. Zusammenkunft der Deutschen Gesellschaft für Naturforscher und Ärzte organisiert (Jaroschinsky 1988, 204–208: Abdruck eines Auszugs aus dem Katalog; die Leihgaben Rebers – fast ausschliesslich Keramikgefässe – tragen die Nummern 844–965). Kurz darauf traten die Organisatoren des Ersten Russischen Medizinkongresses, der 1901 in Moskau stattfinden sollte, an Reber heran, in der Hoffnung, seine Sammlung bei dieser Gelegenheit ausstellen zu können. Der Sammler lehnte die Einladung ab, schickte jedoch ein Album mit grossformatigen Fotografien, die einen Teil seiner Schätze zeigten.

Das Schicksal der Sammlung

Wie man sieht, war die Sammlung nun über die Landesgrenzen hinaus bekannt, und Rebers Position in der Republik wurde weiter gestärkt. Nach seiner Mitgliedschaft im Genfer Stadtrat wurde er 1904–1907 als Abgeordneter in den Grossen Rat gewählt. 1908 wurde er zum Konservator des kantonalen epigraphischen Museums ernannt und 1913 berief ihn die Universität zum Privatdozenten für Archäologie.

Die Genfer Behörden hingegen scheinen sich nicht um das Schicksal seiner Sammlung gekümmert zu haben, sodass Reber, der mit einer zunehmend ungemütlichen finanziellen Situation konfrontiert war, bald in Erwägung zog, sie zum Verkauf anzubieten. Paul Röthlisberger identifizierte in den Akten der Nationalbibliothek einen Verkaufskatalog, der 1907 vom berühmten Zürcher Antiquitätenhändler Heinrich Messikommer herausgegeben worden war, doch das Dokument selbst blieb unauffindbar. In den Archiven des Musée Ariana fanden wir eine Fotokopie der vier einleitenden Seiten des Katalogs, der laut Inventarkarte der Nationalbibliothek offenbar 55 Seiten umfasste. Das Heft mit dem Titel «Katalog hervorragender Sammlungsstücke. Sammlung von Glasgemälden des 13. bis 15. Jahrhunderts, Öfen, Möbel, etc. Das B. Reber’sche Medizin-pharmaceutische Museum in Genf. Auktion Zunfthaus zur Meise durch H. Messikommer» beginnt mit einer Bekanntmachung, dass sich eine Reihe von Objekten aufgrund ihrer Grösse oder weil sie sich noch im Haus des Verkäufers befanden, nicht für einen öffentlichen Verkauf eigneten, Messikommer aber ordnungsgemäss berechtigt war, sie in die Transaktionen aufzunehmen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass dieser Verkauf nie stattgefunden hat. Tatsächlich zeigt eine der Abbildungen auf den Einleitungsseiten eine Auswahl von sieben italienischen Fayencetöpfen, die wir alle in der aktuellen Sammlung wiedergefunden haben (Unil MH-RE-43, Unil MH-RE-44, Unil MH-RE-154, Unil MH-RE-155, Unil MH-RE-156, Unil MH-RE-157 und Unil MH-RE-188).

In den folgenden Jahren unternahm Reber offenbar mehrere Versuche, seine Sammlung unterzubringen. 1913, am Tag ihrer Gründung, beschloss die Société française d’histoire de la pharmacie, eine Subskription für einen möglichen Erwerb der Genfer Sammlung zugunsten des Musée historique de l’École supérieure de pharmacie in Paris zu starten (Bulletin de la Société d’histoire de la pharmacie 3, 1913, 47 – Ibidem, 173–174, 1962, S. 285). Die Subskription war kein grosser Erfolg und das Projekt wurde mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs endgültig aufgegeben. Im Frühjahr 1914 veröffentlichte Reber einen Leserbrief im Journal de Genève unter dem Titel «Collection médico-pharmaceutique» (Ausgabe vom 10. März, S. 4): «In der letzten Zeit haben sich die Zeitungen sehr mit meiner Sammlung beschäftigt […] Herr Dr. Louis Reutter, Privatdozent an unserer Universität, hat freundlicherweise die öffentliche Aufmerksamkeit auf das Thema geweckt. Seine Bemühungen zielen darauf ab, diese 1868 begonnene Sammlung in unseren akademischen Einrichtungen und Museen zu konservieren. Ähnliche Versuche wurden 1893 unternommen, als ich im Musée des arts décoratifs eine öffentliche Ausstellung organisierte, die mehrere Monate dauerte […]» – Es folgen Auszüge aus lobenden Beurteilungen von Genfer Persönlichkeiten und von Professor Flückiger – «Der Wunsch, die Sammlung zu erhalten, hat sich bis heute nicht erfüllt. Auch ich hätte es vorgezogen, wenn diese Sammlung in Genf geblieben wäre. Aber da man heute Schritte unternimmt, um sie in der Schweiz zu erhalten, schliesse ich mich dem mit Genugtuung an. Dass sie doch in der Schweiz bleibt, war mein ständiger Gedanke». Wir wissen noch nichts über die Schritte, auf die Reber anspielt. Laut einem Artikel, den Anne-Françoise Hebeisen anlässlich der Eröffnung des Reber-Saals im Schloss Nyon im Mai 1987 veröffentlichte, hatte der Sammler eine Zeit lang gehofft, seine Sammlung für 100.000 Franken an das Schweizerische Nationalmuseum zu verkaufen, ein Betrag, der für die Züricher Institution offenbar zu hoch war (Gazette de Lausanne vom 8. Mai 1987, S. 19). Die Journalistin gibt nicht an, wann diese Gespräche stattgefunden haben.

Das Schicksal der Sammlung wurde erst 1922 festgelegt, als die Universität Lausanne beschloss, sie mit Unterstützung der Société vaudoise de pharmacie und dank der Bemühungen von Dr. Ernest Wilczek, dem Direktor der École de pharmacie, zu erwerben (Gazette de Lausanne vom 15. Oktober 1922, S. 4). Der Erwerb erfolgte im Rahmen der für das folgende Jahr geplanten Feierlichkeiten zum zweifachen 50-jährigen Bestehen der École de pharmacie und der Société vaudoise de pharmacie. Am 16. Juli 1923 begannen die Feierlichkeiten tatsächlich mit einem Besuch der Sammlung Reber, die nunmehr Eigentum der Universität war und in den Räumlichkeiten des Laboratoriums für Botanik im Palais de Rumine untergebracht war (Feuille d’avis de Lausanne vom 17. Juli 1923, S. 14 und 15 – La Revue vom selben Tag, S. 1). Die Gegenleistung, die der Sammler erhielt, bestand aus einer einmaligen Zahlung von 15.000 Franken und einer jährlichen Lebensrente von 5.500 Franken, die ihm ein von materiellen Sorgen befreites Alter sichern sollte (Jaroschinsky 1988, 50). Burkhard Reber konnte diesen neuen finanziellen Komfort nicht lange geniessen, er verstarb am 9. Juni 1926.

So verschwand eine schillernde Figur, ein neugieriger und vielseitiger Geist, ein integrer und um das Gemeinwohl bemühter Mann des Fortschritts und ein mehr oder weniger strenger Wissenschaftler (vor allem in seinen Arbeiten zur Archäologie)… wie der Verfasser des Nachrufs im Journal de Genève vom 11. Juni 1926 (S. 6) betonte: «Zu vielen seiner Arbeiten haben die Gelehrten zweifellos einige Vorbehalte. Vielleicht fehlte es Reber ein wenig an Methode und kritischem Denken. Nichtsdestotrotz hat er sich in der Geschichtswissenschaft verdient gemacht und wird die Erinnerung an einen ausgezeichneten Mann, einen unermüdlichen Schaffer mit enzyklopädischem Geist, der neugierig auf alle Dinge war, einen Gelehrten, der originell und witzig in seinen Äusserungen, hilfsbereit und der öffentlichen Sache verpflichtet war, hinterlassen».

Relativ schnell stellte die Sammlung im Palais de Rumine ein Platzproblem dar. 1932 wurde die Vereinigung Alt-Lausanne aufgefordert, über die Neugestaltung ihres Museums im Rahmen eines Projekts zur Vergrösserung und Modernisierung der Institution auf dem Gelände der Gefängnisse des alten Bistums nachzudenken. Die Wünsche des Vereins umfassten einen etwa 100 Quadratmeter grossen Raum, der der Heilkunde und Pharmazie in Lausanne gewidmet sein sollte und in dem insbesondere die Sammlung Reber, die sich im Besitz der Universität befand, untergebracht werden sollte (Gazette de Lausanne vom 25. Mai 1932, S. 4). Diese Idee wurde nie verwirklicht und die Sammlung blieb bis 1937 im Palais de Rumine ausgestellt, bevor sie in Depots eingelagert wurde und für ein Vierteljahrhundert in Vergessenheit geriet.

Um die Jahreswende 1962 trat die École de pharmacie an Edgar Pelichet heran, den Konservator des archäologischen und historischen Museums von Nyon, in der Hoffnung, in seiner Institution, die nun als das Waadtländer Keramikmuseum wahrgenommen wurde, einen Heimathafen und einen Ausstellungsort für die Sammlung zu finden. In einem Brief an die Stadtverwaltung von Nyon vom 12. Januar 1962 erklärte Pelichet, dass der Schritt der Universität unter anderem durch «Proteste von Personen, die diese Sammlung kennen» motiviert sei und dass die Sammlung «als einzigartig in Europa gelte». Die wichtige Sammlung würde dem Museum, ohne Kosten für die Stadt, eine zusätzliche Attraktivität verleihen; aus diesem Grund schlug er der Stadtregierung vor, einer Hinterlegung auf unbestimmte Zeit zuzustimmen (Gemeindearchiv der Stadt Nyon, Inv. R.693). Die Sammlung wurde in den folgenden Monaten nach Nyon gebracht, und Pelichet, unterstützt von einem Komitee unter dem Vorsitz von Dr. Joris, einem Zahnarzt in Nyon und Liebhaber der Medizingeschichte, beeilte sich, sie im Rahmen der Ausstellung «Alchimistes, apothicaires et médecins d’autrefois», die vom 16. Juni bis 16. September 1962 im Schloss von Nyon gezeigt wurde, zur Geltung zu bringen (Journal de Genève vom 31. Juli 1962, S. 9; Tribune de Lausanne vom 18. Juni 1962, S. 9). Neben einigen Leihgaben von Privatpersonen wurden vor allem Objekte aus den Beständen des Medizinhistorischen Museums Zürich und der Sammlung Reber gezeigt, darunter eine Auswahl von 169 Keramikgefässen. Die Beschreibungen, Zuordnungen und Datierungen der Keramik sind oft aus der Luft gegriffen (Nyon 1962)!

Laut Lydia Mez, die von 1970 bis 1980 Kuratorin des Pharmazie-Historischen Museums in Basel war, hatte Pelichet Mitte der 1970er-Jahre den Traum, auf der Grundlage der Sammlung Reber ein Westschweizer Apothekenmuseum zu gründen. Er soll sich an einen Schweizer Pharmakonzern gewandt haben, um die Finanzierung des Projekts zu sichern, doch das Projekt geriet schliesslich ins Stocken (Mez 1985, 92). Als 1979 in der Schweiz – in Basel und Lausanne – der Internationale Kongress zur Geschichte der Pharmazie stattfand, bot sich Pelichet eine weitere Gelegenheit, die Sammlung wieder in Erinnerung zu rufen, indem er ihr eine zweite Sonderausstellung widmete, die in vier Räumen des Schlosses untergebracht war und die die Kongressteilnehmer am 19. Juni besuchten (Bericht über den Kongress von Pierre Julien, in: Revue d’histoire de la pharmacie, XXVI, 242, 1979, 191–196, mit zwei Fototafeln, die verschiedene Vitrinen der Ausstellung abbildeten). Die Ausstellung war natürlich von Mai bis Ende August für die breite Öffentlichkeit zugänglich (24 Heures vom 25. Mai 1979, S. 21).

Nach der Ausstellung kehrte die Sammlung in die Lagerräume zurück, geriet aber nicht in Vergessenheit. Die Behörden von Nyon, die sich nun ihrer Bedeutung als Kulturerbe bewusst waren, beschlossen, die Sammlung zu untersuchen und zu inventarisieren. Mit dieser Aufgabe wurde 1981 eine der besten Expertinnen des Landes, Lydia Mez, betraut, die kurz zuvor ihre Stelle am Museum in Basel aufgegeben hatte. Die Idee eines «permanenten Museums zur Geschichte der Pharmazie», das in den Mauern des Schlosses untergebracht werden sollte, tauchte wieder auf (Nouvelle Revue de Lausanne vom 19. Dezember 1986, S. 9). Das ehrgeizige Projekt führte schliesslich zur Einrichtung eines Saals für die Reber-Sammlung, in dem vor allem die schönsten Exemplare von Apothekengefässen aus Keramik in einem eigens dafür restaurierten Möbel gezeigt werden sollten. Der Reber-Saal wurde im Mai 1987 eingeweiht (24 Heures vom 8. und 9. Mai 1987, S. 24 – Jaroschinsky 1988 veröffentlicht drei Ansichten der neuen Einrichtung: Abb. 19–21) und 1999 wieder abgebaut, als das Schloss für die Öffentlichkeit geschlossen wurde, um Platz für die Renovierungsarbeiten zu schaffen, die bis 2006 dauern sollten. Da das neu ausgerichtete Konzept des Museums es leider nicht erlaubte, die Sammlung zu integrieren, befindet sich die Sammlung Reber seither in den Lagerräumen und die Objekte, aus denen sie sich zusammensetzt, werden nur gelegentlich und sehr unvollständig gezeigt. Im Jahr 2013 beispielsweise stellte der Konservator des Schlosses, Vincent Lieber, einen der Schwerpunkte der Reber-Sammlung vor: die sizilianischen Fayencen. Unter dem Titel «Ein sizilianischer Sommer. Alte Majoliken und zeitgenössische Kunst» inszenierte er eine visuelle Welt, in der sich Apothekengefässe aus dem 17. und 18. Jahrhundert, sizilianische und neapolitanische Fliesen aus dem 16. und 19. Jahrhundert aus einer Privatsammlung und Eindrücke aus dem heutigen Sizilien durch die Werke von sechs zeitgenössischen bildenden Künstlern aufeinandertrafen (Lieber und Ryf 2013).

Die Keramik in der Sammlung Reber

Burkhard Reber hat uns keinen Katalog seiner Sammlung hinterlassen, aber er veröffentlichte ausgewählte Stücke in einer Reihe von illustrierten Artikeln, die 1905/06 in der in Genf herausgegebenen Zeitschrift Journal des collectionneurs erschienen, insbesondere im Bereich der Keramik (Reber 1905/2 und /3; Reber 1906/1 bis /3). 1909 fasste er diese Artikel, ergänzt durch einige unveröffentlichte Texte, in einem Heft mit dem Titel «Betrachtungen über meine Antiquitätensammlung aus der Sicht der Geschichte der Medizin, Pharmazie und Naturwissenschaften» (Reber 1909/1) zusammen, während die Wiener Pharmazeutische Post eine komprimierte deutsche Version der gleichen Artikel (Reber 1909/2, 1910/1) sowie einen unveröffentlichten Beitrag über österreichisch-ungarische und spanische Apothekengefässe (Reber 1910/2) veröffentlichte. Im Jahr 1920 erschienen in einer anderen Genfer Zeitschrift, Pages d’art, noch zwei grosszügig illustrierte Artikel, die sich vorwiegend Rebers italienischen Majoliken widmeten (Reber 1920/1 und /2).

Im Allgemeinen und gemessen an unserem heutigen Wissen sind die Zuordnungen und Datierungen, die der Sammler zu seinen Keramiken vornimmt, oft falsch. Reber trifft hier keine Schuld: Seine Kommentare spiegeln lediglich den Stand der Dinge zu seiner Zeit wider, einen Stand, dessen Lückenhaftigkeit er als erster bedauerte: «In der Tat gibt es in der Kunstgeschichte keinen schwierigeren Teil als den der Keramik im Allgemeinen und für viele Länder im Besonderen, vor allem für das Mittelalter und die Antike. Selbst für die relativ moderne Periode fehlen oft exakte Studien oder auch nur einfache Hinweise» (Reber 1905/2, 165). Wenn man seine Veröffentlichungen von 1905/06, 1909 und 1920 vergleicht, sieht man übrigens, dass sich seine Beurteilung ein und desselben Objekts ändern konnte, dass der Sammler sich über die Entwicklung des Wissens offenbar auf dem Laufenden hielt, und das in manchmal sehr speziellen Bereichen.

Rebers Kommentare sind in der Regel äusserst knapp gehalten. Wir wissen praktisch nichts über die Herkunft der Stücke und darüber, wie er sie erworben hat. Die wenigen Ausnahmen betrafen Objekte aus alten Apotheken in der Schweiz und Objekte mit einem Sammlerzeichen, in diesem Fall das des bekannten Budapester Keramikliebhabers und Sammlers Imre Pekár (siehe unten).

Unter die erste Kategorie fallen die Winterthurer Fayencetöpfe aus dem späten 17. Jahrhundert, die zu den wertvollsten Exemplaren der Sammlung zählen. Die drei Apothekengefässe, sehr wahrscheinlich hergestellt in der Werkstatt von David Pfau II (Unil MH-RE-354, Unil MH-RE-355, Unil MH-RE-356), stammen aus einer alten Apotheke in Payerne. Reber war in diesem speziellen Fall relativ gut informiert, da er angibt, dass ein Teil des Mobiliars dieser Apotheke um 1850 auf dem lokalen Markt durch eine Altwarenhändlerin zu Spottpreisen verkauft worden sei. Ein Genfer Antiquitätenhändler habe einen Teil davon aufgekauft, um sie unter anderem an Reber, an das Musée Ariana und das Musée de Genève zu verkaufen (Reber 1906/2, 235). Was die beiden Deckeltöpfe anbetrifft, für die bis heute weder in öffentlichen Sammlungen noch in der Literatur Entsprechungen bekannt sind (Unil MH-RE-351 und Unil MH-RE-352), so sollen sie aus einer alten Apotheke in Moudon stammen.

Neben diesen leicht identifizierbaren Exemplaren enthält die Sammlung mehrere Beispiele aus alten Apotheken des Landes, für die Reber eine Schweizer Herkunft vorschlug. Diese Zuschreibungen bleiben jedoch sehr problematisch, da es keine Möglichkeit gibt, sie mit einer der bislang bekannten Produktionen in Verbindung zu bringen. Der erste Typ besteht aus zwei «pots canon» (Unil MH-RE-337; Unil MH-RE-338) und zwei Apothekengefässen (Unil MH-RE-339; Unil MH-RE-340) die aus einer hochwertigen Produktion stammen, versehen mit einem für das Ende des 18. Jahrhunderts typischen polychromen Blumendekor in Aufglasurmalerei. Diese Serie ist mit zwei Apothekengefässen im Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel zu vergleichen, für die wir zusammen mit Rudolf Schnyder eine Zuschreibung an die Manufaktur von Andreas Dolder in Beromünster (oder Luzern, ab 1780 – Ceramica CH, t. I, pl. 92, No. 5 und 6 – MAHN AA 3337; MAHN AA 3338) vorschlugen. Sowohl für diese beiden Töpfe als auch für die vorliegende Serie schliesst Jacques Bastian eine Zuordnung zu Ostfrankreich aus und tendiert zu einer Schweizer Herstellung. Peter Ducret, der derzeit beste Kenner der Schweizer Fayencen, steht einer solchen Hypothese sehr skeptisch gegenüber. Reber selbst gab an, dass die Objekte aus Sitten stammten (ohne zu sagen, ob er sich auf eine alte Apotheke in Sitten bezog oder ob er sie einfach bei einem Händler in Sitten gekauft hatte – Reber 1906/2, 236). Nachdem er eine lokale Produktion in Betracht gezogen hatte, schlug er vor, die Gruppe einer Manufaktur in Mailand zuzuschreiben (Reber 1909/2), bevor er schliesslich Beromünster erwähnte (Reber 1920/2).

Die Sammlung enthält drei weitere Fayence-Typen, die Reber vage der «Zentralschweiz» zuordnet und die nach heutigem Wissensstand noch rätselhafter sind: Eine Gruppe von fünf Albarelli mit Dekor aus Scharffeuerfarben (Inglasurmalerei) aus einer alten Apotheke in Zofingen (Unil MH-RE-343; Unil MH-RE -347); zwei pots canons von relativ ähnlicher, aber nicht identischer Machart aus einer ehemaligen Apotheke in Aarau, ebenfalls mit Inglasurmalerei verziert (Unil MH-RE-265; Unil MH-RE-350) und schliesslich eine mit Aufglasurmalerei dekorierte Vase aus dem Kanton Aargau (Unil MH-RE-346). Auch in diesen Fällen sehen die Experten keine Verbindung zu französischen oder deutschen Produkten.

Ebenfalls im Bereich der Schweizer Fayence konnte dank Peter Ducret ein bisher völlig unbekannter Objekttyp aus der Produktion der Manufaktur in Zürich-Schooren aus den Jahren 1770 bis 1780 identifiziert werden (Unil MH-RE-24; Unil MH-RE-25).

Wie bereits angekündigt, tragen siebzehn Fayencen auf der Unterseite des Fusses eine Inschrift in schwarzer Tinte, die in der Regel den Namen Imre Pekár, den Begriff «Patika» (ungarisch für «Apotheke»), einen Ortsnamen und seltener das Datum des Erwerbs (zwischen 1904 und 1908) enthält. Ein Beispiel für eine Inschrift von Pekárs Hand findet sich unter Unil MH-RE-434.

Imre Pekár (1838–1923) war ein ungarischer Ingenieur, der durch seinen Beitrag zur Verbesserung des industriellen Mühlenwesens internationale Bekanntheit erlangte. Seine Sammlung von Apothekengefässen, die er etwa zur gleichen Zeit wie Reber aufbaute, war unter ungarischen Keramikliebhabern sehr bekannt. 1922 wurde sie offenbar bei einer öffentlichen Versteigerung im Museum Ernst in Budapest kurz vor seinem Tod aufgelöst, wie aus dem Katalog der Versteigerung der Sammlung von Dr. Urai László im Jahr 2012 hervorgeht, aus der einige Objekte von Pekár stammten (Nagyházi Auktionskatalog, Budapest, Auktion 192, 23. Mai 2012, 48 – abgerufen auf fr. calameo.com/read/002416380d75f7f48a066).

Die Objekte aus Pekárs Sammlung gelangten zwischen 1908 und 1909 in Rebers Besitz, also lange vor der Auflösung im Jahr 1922. Es ist daher gut möglich, dass die beiden Sammler persönliche Kontakte unterhielten, beispielsweise um Stücke auszutauschen. Im Jahr 1909 kündigte Reber in der Wiener Zeitschrift Die Pharmazeutische Post einen Artikel über 40 «kürzlich erworbene» Töpfe an (Reber 1909/2, 25). Der Beitrag erschien bereits 1910 unter dem Titel «Standgefässe alter Apotheken aus Österreich-Ungarn und Spanien» (Reber 1910/2). Die meisten Objekte, die eine Inschrift von Pekárs Hand tragen, werden darin beschrieben oder sogar abgebildet. Die Gruppe aus der ungarischen Sammlung umfasste vor allem Fayencen, die in Ungarn, der Slowakei oder Böhmen hergestellt wurden, sowie zwei Porzellanstücke aus Wien und einige italienische Fayencen, die in Istrien oder Triest gefunden wurden.

Von den etwa 460 inventarisierten Keramikobjekten in der Sammlung von Burkhard Reber haben wir zwölf Porzellan- und etwa 50 Steingutobjekte gefunden, der Rest sind Fayencen. Etwas mehr als die Hälfte dieser Fayencen stammt aus Italien, die französische Produktion ist mit etwa 60 Stücken vertreten und der Rest verteilt sich auf die Schweiz, Deutschland, Spanien, Delft oder Ungarn. Bei gut 40 Objekten war es nicht möglich, eine auch nur annähernd zutreffende geographische Herkunft zu bestimmen, da ihre Formen und ihre rudimentären, nur blau bemalten Verzierungen zu einfach waren.

Die Reber-Sammlung ist sehr uneinheitlich und spiegelt nicht immer die anspruchsvolle Auswahl eines Ästheten oder eines anspruchsvollen Liebhabers alter Keramik wider. Neben einigen bemerkenswerten Exemplaren und einer ansehnlichen Gruppe von Stücken guter Qualität gehören viele Objekte zu den üblichen, sich manchmal wiederholenden und oft «unpersönlichen» Produktionen; hier überwiegt eindeutig der Standpunkt des Pharmaziehistorikers, für den eine alte pharmakologische Inschrift ebenso wichtig sein kann wie der eigentliche Wert einer Töpferware. Sein Blick war nicht der eines Liebhabers schöner Objekte. Man sollte sich auch an Rebers begrenzte finanzielle Mittel erinnern, zu einer Zeit, als einige hochkarätige Produktionen, insbesondere im Bereich der italienischen Majolika, bereits beträchtliche Preise erzielen konnten.

Einige Ankäufe, wie die Gruppe von Stücken, die er von Pekár erworben hatte, sind wahrscheinlich durch das Bestreben motiviert, eine möglichst vollständige geografische Sortierung in seiner Sammlung zusammenzustellen. Andere hingegen scheinen einfach aus einer Gelegenheit heraus entstanden zu sein, wie die Gruppe von etwa 100 Vasen, die 1889 im Tessin erworben wurde (Reber 1906/2, 236 und 237). Davon sind nur noch 22 Exemplare in der heutigen Sammlung vorhanden (Unil MH-RE-122; Unil MH-RE-125; Unil MH-RE-135; Unil MH-RE-136; Unil MH-RE-144; Unil MH-RE-145), darunter viele moderne Kopien von Modellen aus dem 18. Jahrhundert.

Apropos Kopien: Rebers italienisches Kontingent enthält einen beträchtlichen Anteil an modernen Stücken, die in einem alten Stil gestaltet wurden: etwa 60 von insgesamt 220 Stücken. Einige davon sind offensichtliche Fälschungen, insbesondere diejenigen, die ein falsches Datum tragen (z. B. Unil MH-RE-61; Unil MH-RE-152; Unil MH-RE-147; Unil MH-RE-88; Unil MH-RE-93). In den meisten anderen Fällen ist die Qualität der Objekte jedoch nicht so eindeutig: Sie wurden nicht unbedingt entworfen, um den Käufer zu täuschen; diese Imitationen können durchaus dazu gedient haben, eine alte Garnitur wieder aufzufüllen, es sei denn, der eine oder andere Apotheker des 19. Jahrhunderts war bei der Wahl seiner Berufsausstattung einfach dem historistischen Geschmack erlegen.

Etwa zwanzig Fayencen – hauptsächlich italienische – können ins 16. Jahrhundert datiert werden. Das 17. Jahrhundert ist mit etwa 50 Stücken vertreten, während das 18. Jahrhundert mit über 200 Stücken die grösste Gruppe stellt.

Unter den Majoliken aus dem 16. Jahrhundert ist der Albarello aus Faenza mit Porträtmedaillon und Trophäendekor besonders hervorzuheben. Das Apothekengefäss aus Fayence ist eines der wenigen Exemplare dieses relativ häufig vorkommenden Typs, das ein Datum (1555) trägt, was es zu einem Referenzstück für italienische Spezialisten macht (Unil MH-RE-160A). Ebenfalls aus Faenza stammen zwei Albarelli, die ungefähr aus der gleichen Zeit stammen und schöne Beispiele für einen anderen klassischen Typ darstellen, der mit Medaillons mit religiösen Themen und einem «a quartieri»-Motiv verziert ist, in diesem Fall eine Kreuzigung und das Martyrium des heiligen Laurentius (Unil MH-RE-171; Unil MH-RE-172). Obwohl es sich nicht um ein pharmazeutisches Gefäss im eigentlichen Sinne handelt, ist diese interessante Kanne aus der Produktion der «Bianchi» (weisses Fayencegeschirr) von Faenza (Unil MH-RE-244) zu erwähnen, die leider im oberen Teil unvollständig ist, aber mit einem hochwertigen «a compendiario»-Dekor verziert ist, das laut unserer Expertin Raffaella Ausenda an den berühmten «Meister des V-Services» erinnert.

Drei weitere Albarelli gehören zu der umfangreichen Produktion von Apothekengefässen, die der venezianischen Werkstatt von Mastro Domenico in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts zugeschrieben wird, mit ihrem klassischen Dekor aus Medaillons, die Heilige darstellen und sich von einem blauen Hintergrund mit mehrfarbigen Pflanzenmotiven abheben (Unil MH-RE-124; Unil MH-RE-176; Unil MH-RE-177). Ebenfalls aus dem auslaufenden Jahrhundert stammt dieses Gefäss von Castelli, das zu einer bekannten Serie gehört, die in der Literatur gut dokumentiert ist, ausser dass die Apotheke, die den Auftrag erteilt hat, noch nicht ausfindig gemacht werden konnte (Unil MH-RE-26). Aus der gleichen Zeit stammt dieser Albarello, der zur Typologie der auf einem hellblauen Emailhintergrund («a berettino») gemalten Dekor gehört, der hier durch einen gelben und ockerfarbenen Löwenkopf hervorgehoben wird. Sehr wahrscheinlich verweist der Dekor auf ein Apothekenschild (Unil MH-RE-63). Dieser Ornamentstil, der sich durch zweifarbige (hell- und dunkelblaue) Blätterranken auszeichnet, war von Venetien bis Latium weit verbreitet, sodass eine genaue Zuordnung nicht immer möglich ist; in diesem Fall schwankt Raffaella Ausenda zwischen Rom und Pesaro. In einem ähnlichen Stil sind auch zwei Chevrette und ein Albarello mit Wappen zu finden, die wahrscheinlich aus Rom und aus derselben Apotheke stammen (Unil MH-RE-58; Unil MH-RE-59; Unil MH-RE-60).

Der gängige «a berettino»-Stil mit zweifarbigen Blätterrankenmotiven hielt sich bis ins 17. Jahrhundert. Die Sammlung enthält etwa 15 dieser späteren Beispiele, die alle aus Werkstätten in der Region um Rom oder in Mittelitalien stammen (z. B. Unil MH-RE-62; Unil MH-RE-67; Unil MH-RE-66; Unil MH-RE-72).

Eine der interessantesten Objektgruppen sind die sizilianischen Fayencen aus dem 17. und 18. Jahrhundert mit ihren mehrfarbigen Dekoren, die von Malstilen abgeleitet sind, die im 16. Jahrhundert in den berühmtesten Zentren der Halbinsel entwickelt wurden, wie die figürlichen Medaillons auf Trophäenhintergrund (inspiriert von Faenza – wie auf Unil MH-RE-160A – oder Casteldurante) oder die Medaillons auf blauem Grund mit mehrfarbigen, bescheidenen Pflanzenmotiven (inspiriert von Venedig – z. B. Unil MH-RE-124). Der erste Dekortyp wurde insbesondere von den Werkstätten in Palermo übernommen, bevor er in freierer Form von den Fayenceherstellern in Sciacca oder Burgio weitergeführt wurde. Die palermitanische Linie ist in der Sammlung durch fünf Fayencen vertreten, darunter ein erstklassiges Exemplar aus der Werkstatt von Cono Lazzaro, das höchstwahrscheinlich von Andrea Pantaleo bemalt wurde, eine Vase, die auf 1607 datiert ist und das Zeichen der Werkstatt trägt, was sie zu einem der meistzitierten Objekte in der Fachliteratur macht (Unil MH-RE-188). Drei Albarelli aus der konkurrierenden Werkstatt von Filippo Passalacqua zeigen etwas weniger sorgfältig ausgeführte Versionen desselben dekorativen Musters (Unil MH-RE-179; Unil MH-RE-183; Unil MH-RE-186). Die Reber-Sammlung enthält auch Beispiele für sehr spontane Interpretationen derselben Medaillons mit Trophäenhintergrund, wie sie von den Handwerkern in Sciacca und Burgio angeboten wurden (Unil MH-RE-178; Unil MH-RE-181; Unil MH-RE-182; Unil MH-RE-184).

Die aus Venedig stammenden Blumendekore auf blauem Grund, mit oder ohne Medaillons, wurden in Sizilien, in Caltagirone (Unil MH-RE-175; Unil MH-RE-165; Unil MH-RE-211), aber auch in Gerace in Kalabrien (Unil MH-RE-164; Unil MH-212; Unil MH-RE-166; Unil MH-RE-210) übernommen und mit Anpassungen ausgeführt.

In der Sammlung sind natürlich auch Fayencen mit blauem Dekor aus Ligurien, insbesondere aus Savona, vertreten. Sie zählten zu den häufigsten Produktionen im auslaufenden 17. Jahrhundert. Besonders hervorzuheben sind zwei Albarelli und drei Chevrettes mit einer Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit – wahrscheinlich ein Apothekenemblem – aus der Manufaktur Chiodo in Savona (Unil MH-RE-47; Unil MH-RE-50) sowie ein erstklassiges Beispiel für einen Dekor im «orientalisch-naturalistischen» Stil  aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts (Unil MH-RE-77).

Zu den «gängigen» Produkten gehören etwa 25 Beispiele mit einem sehr einfachen blauen Dekor, der an Friese mit eirunden Verzierungen erinnert («a ovuli»-Motiv), eine Art von Gefässen, die zwischen dem späten 17. und dem späten 18. Jahrhundert in den norditalienischen Apotheken weit verbreitet war (z. B. Unil MH-RE-94; Unil MH-RE-115; Unil MH-RE-111).

Unter den Dekoren mit polychromer Aufglasurmalerei sind zwei Gefässe und drei Deckeltöpfe zu erwähnen, ausgeführt von der Manufaktur Finck in Bologna im Auftrag der Apotheke der Erben Beretti Marzi, die im Borghetto von San Francesco in Bologna zwischen 1765 und 1792 nachgewiesen ist (Unil MH-RE-422; Unil MH-RE-417; Unil MH-RE-420).

Unter den französischen Fayencen ist zunächst eine grosse Vase aus Nevers aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts zu erwähnen, von der uns Reber berichtet, dass sie aus einer Apotheke in Carouge stammte (Unil MH-RE-1). Die anderen Töpfe, die diesem grossen Fayence-Zentrum zugeschrieben werden können, sind alle sehr einfach hergestellt und der Dekor besteht in der Regel aus einer Kartusche mit zwei sich kreuzenden blauen Blattzweigen, wobei die Kartusche manchmal als Rahmen für eine pharmazeutische Inschrift dient (z. B. Unil MH-RE-376; Unil MH-RE-279; Unil MH-RE-321; Unil-MH-RE-281; Unil MH-RE-285; Unil MH-RE-233). Die Sammlung enthält etwa dreissig Beispiele dieses Typs, bei denen die Zuordnung zu Nevers nur hypothetisch sein kann, da diese Typologie in ganz Zentralfrankreich und bis in die Franche-Comté weit verbreitet war.

Das interessanteste Objekt aus der französischen Gruppe ist ein Topf aus der Pariser Werkstatt von Louis-François Ollivier, um 1800 (Unil MH-RE-427). In der verzierten Kartusche, die normalerweise eine pharmakologische Inschrift einrahmen würde, liess der Fayencehersteller seinen Namen mit der Angabe «à Paris» malen; diese Besonderheit weist auf den einzigartigen Status dieses Objekts hin. Ollivier war ein sehr erfindungsreicher Keramiker, der ab 1791 mehrere Patente anmeldete. Es ist gut möglich, dass unser Topf mit seinem ungewöhnlichen doppelten Boden ein Prototyp oder ein Demonstrationsobjekt war, das zu Werbezwecken für dieses innovative Modell verwendet wurde.

Unter den wenigen Fayencen aus dem 18. Jahrhundert, die Deutschland zugeschrieben werden können, sind vor allem drei Vasen hervorzuheben, die aus einem bekannten Auftrag der Hanauer Manufaktur für die Frankfurter Apotheke «À la Tête d’Or» stammen (Unil MH-RE-430; Unil MH-RE-431; Unil MH-RE-432). Die anderen zehn Beispiele, die wir der deutschen Gruppe zugeordnet haben, sind wiederum von so einfacher Typologie (mit sehr einfachen, blau bemalten Dekoren), dass es generell unmöglich ist, sie einer bestimmten Manufaktur zuzuordnen.

Von den 52 Steingutobjekten der Sammlung sind 42 schweizerischer Herkunft, die hauptsächlich aus den verschiedenen Manufakturen in Nyon und Carouge stammen. Dieser kleine Korpus, der nur acht Formen umfasst, die bislang noch nie veröffentlicht worden waren, stellt eine Referenzgruppe von höchster Bedeutung für die Erforschung der Steinzeugproduktion in der Genferseeregion dar – ein Kapitel, das noch viele Grauzonen birgt …

Von der Manufaktur Dortu & Cie in Nyon ist eine gedeckte, urnenförmige Sockelvase auf einer quadratischen Sockelleiste zu erwähnen, die eindeutig durch ihre Marke gekennzeichnet ist (Unil MH-RE-407). Man beachte übrigens die beiden reliefartigen Griffe in Form von hängenden Ringen, ein wiederkehrendes Motiv der Manufaktur, insbesondere bei der Herstellung von Porzellan. Dieselbe Sockelleiste und der hängende Ring finden sich auch auf einer Chevrette, die ebenfalls mit einer Marke versehen ist (Uni MH-RE-465); hier ist der Flaschenhals mit Auflagendekor in Form eines ausgeschnittenen Blattmotivs zu erwähnen. Dieses Merkmal – in einer anderen Version – sowie der Hängering und der Sockel auf einer quadratischen Sockelleiste sind auf einer anderen, nicht markierten, aber mit einem gemalten Dekor verzierten Chevrette zu finden (Unil MH-RE-300), die wir der gleichen Manufaktur zuordnen. Ein drittes Gefäss, diesmal mit einem Doppelhals und ohne Markierung, weist ein ähnliches Reliefmuster an der Halsbefestigung auf (Unil MH-RE-522). Dieses Gefäss gehört offensichtlich zu einer anderen formalen Familie als die vorherigen Beispiele, wir schreiben es jedoch der gleichen Manufaktur zu, aufgrund eines Vergleichs mit einem Gefäss aus «terre étrusque» – mit einem Henkel und einem einzigen Hals – im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich (Inv. LM-24253). Beide Gefässe haben dieselbe Urnenform, das gleiche Reliefband unter der Schulter und denselben Halstyp. Das Beispiel aus dem Nationalmuseum, das bisher als «Kaffeekanne» bezeichnet wurde, ist unserer Meinung nach ein Apothekengefäss. Wir wussten aus den Geschäftsbüchern der Manufaktur, dass Dortu & Cie diese Art von Gefässen aus «terre étrusque» herstellte, aber wir wussten bislang nicht, wie sie aussehen könnten

Die Sammlung umfasst neun Exemplare von pots canons mit eiförmigem Korpus, ein Modell, das insbesondere in den Beständen des Musée Ariana und des Château de Nyon belegt ist. Drei Beispiele weisen gedruckte Etiketten mit dem Firmennamen der Apotheke Monnier in Nyon auf (Unil MH-RE-438), andere Exemplare sind ohne Etiketten, haben aber noch ihren Originaldeckel (Unil MH-RE-1077). Da kein Beispiel markiert ist, schlagen wir dennoch vor, dieses Modell der Manufaktur Robillard & Cie zuzuschreiben, insbesondere aufgrund der Daten, an denen die Apotheke Monnier aktiv war. Zwei weitere, bisher unveröffentlichte Formen tragen hingegen die Marke Robillard: ein urnenförmiger pot canon (Unil MH-RE-1064) und eine urnenförmige Chevrette (Unil MH-RE-438A).

Wir postulieren auch für den zylindrischen Deckeltopf Unil MH-RE-259 einen Ursprung in Nyon, eine Grundform, die vor allem den Manufakturen von Carouge zugeschrieben wurde. Das Pharmazie-Historische Museum in Basel bewahrt einen Topf desselben Typs mit der Aufschrift «Pom. de Lausanne» auf (Buchners epispastische Salbe, auch Lausanner Salbe genannt), ein Medikament, das offenbar bereits in den frühen 1830er-Jahren in pharmakologischen Abhandlungen auftauchte. Angesichts der Qualität des blauen Pigments wären wir geneigt, dieses Gefäss Robillard oder sogar der Ära Delafléchère zuzuschreiben.

Im Bereich des Steinguts aus Carouge enthält die Sammlung Reber zwei Exemplare eines bekannten Modells eines zylindrischen Topfs (Unil MH-RE-388), von dem das Musée Ariana sechs Exemplare aufbewahrt, die traditionell Carouge zugeschrieben werden. Keines der Objekte aus dieser Serie trägt eine Marke. Die Farbnuancen – insbesondere das zarte Grün – würden uns dazu veranlassen, sie der Manufaktur von Dortu zuzuschreiben. Die gleichen farblichen Merkmale und die Qualität der Schrift veranlassen uns, dasselbe für eine unveröffentlichte Form eines pot canon zu tun (Unil MH-RE-216).

Die Produktion der Manufaktur Baylon wird durch ein klassisches Beispiel eines zylindrischen Deckeltopfs repräsentiert, wie ihn das Musée Ariana in mehreren Exemplaren besitzt (Unil MH-RE-384). Die Sammlung umfasst ausserdem etwa zwanzig zylindrische Töpfe weit verbreiteter Qualität ohne Dekor, die leider alle ihren Deckel verloren haben. Einer von ihnen trägt die Ritzmarke «Baylon»  in kursiver Schrift, nach unserem Wissen ein einmaliges Phänomen (Unil MH-RE-1082). Vier weitere Töpfe haben die gleiche Form, bestehen aber aus einem anderen Material, das weisser und härter als herkömmliches Feinsteinzeug ist: kaolinhaltiges Feinsteinzeug, auch «opakes Porzellan» genannt, eine Innovation, die Antoine Baylon um 1853 in Carouge einführte. Alle vier Gefässe weisen eine blau unterlegte Marke mit der Erwähnung «Porcelaine opaque» und den Buchstaben «B» oder «AB» auf (Unil MH-RE-1042; Unil MH-RE-1044). Antoine Baylon leitete das Familienunternehmen zwischen 1843 und 1866 allein.

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

 Flückiger 1894
Friedrich August Flückiger, Die historische pharmaceutisch-medicinische Sammlung des Apothekers Burkhard Reber in Genf. Apotheker-Zeitung (Berlin) 2/31-35, 1894, 289-293, 297-300, 305-307, 315-317, 325-327.

Heger 1908
Hans Heger, Die historische pharm.-mediz. Sammlung des Apothekers Burkhard Reber in Genf (Tiré à part d’un article paru dans: Apothekenbilder von Nah und Fern, IV. Heft, Vienne, 1908, 65-74). In: Die historische parm.-mediz. Sammlung des Apothekers Burkhard Reber in Genf. Vienne 1910, 4-12.

Jaroschinsky 1988
Peter Jaroschinsky, Burkhard Reber (1848-1926). Ein Vorläufer der schweizerischen Parmaziegeschichte. Quellen und Studien zur Geschichte der Pharmazie 47. Stuttgart 1988.

Lieber et Ryf 2013
Vincent Lieber et Alexia Ryf (éd.), Un été sicilien. Majoliques anciennes et art contemporain, cat. d’exposition, Château de Nyon, 21 juin-27 octobre 2013.

Mez 1985
Lydia Mez, Burkhard Reber: A pharmacist-collector and his collection. Pharmacy in History 27/2, 90-95.

Nyon 1962
Exposition: Alchimistes, médecins, apothicaires d’autrefois. Objets relatifs à l’histoire de la médecine et de la pharmacie et meubles anciens, cat. d’exposition, Château de Nyon, juin-septembre 1962.

Röthlisberger 1977
Paul Röthlisberger, Burkhard Reber, Genf (1848-1926), und sein Beitrag zur Geschichte der Medizin und Pharmazie. Gesnerus. Swiss journal of the history of medicine and sciences 34, 213-231.

Röthlisberger 1979
Paul Röthlisberger, Le pharmacien Burkhard Reber, Genève (1848-1926). Sa vie et son apport à l’histoire de la pharmacie et la médecine. Médecine et hygiène 1338, 2329-2334.

Reber 1905/1
Burkhard Reber, Histoire de la médecine, de la pharmacie et des sciences naturelles. Journal des collectionneurs 11, juin 1905, 129-134.

Reber 1905/2
Burkhard Reber, Vases pharmaceutiques en faïence et majoliques italiennes. Journal des collectionneurs 14, octobre 1905, 165-168.

Reber 1905/3
Burkhard Reber, Vases pharmaceutiques en faïence et majoliques italiennes II. Journal des collectionneurs 15, novembre 1905, 181-184.

Reber 1906/1
Burkhard Reber, Poteries pharmaceutiques de France, Belgique, Allemagne, Autriche, etc. Journal des collectionneurs 18, février 1906, 221-223.

Reber 1906/2
Burkhard Reber, La poterie suisse. Journal des collectionneurs 19, mars 1906, 234-237.

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Burkhard Reber, Suite des faïences, flacons de pharmacie en verre et récipients en bois. Journal des collectionneurs 20, avril 1906, 246-247.

Reber 1909/1
Burkhard Reber, Considérations sur ma collection d’antiquités au point de vue de l’histoire de la médecine, la pharmacie et les sciences naturelles. Genève 1909 (Recueil des tirés à part des articles Reber 1905/1-3 et 1906/1-2, enrichi de quelques textes inédits).

Reber 1909/2
Burkhard Reber, Die Standgefässe der alten Apotheken (Tiré à part d’un article paru dans Die Pharmazeutische Post, Vienne, 42, 1909, 893-901). In: Die historische pharm.-mediz. Sammlung des Apothekers Burkhard Reber in Genf. Vienne 1910, 13-25.

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Burkhard Reber, Einzelheiten aus dem Innern der ehemaligen Apotheken und Laboratorien (Tiré à part d’un article paru dans Die Pharmazeutische Post, 43, 1910, 509-516). In: Die historische pharm.-mediz. Sammlung des Apothekers Burkhard Reber in Genf. Vienne 1910, 27-33.

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Burkhard Reber, Standgefässe alter Apotheken aus Österreich-Ungarn und Spanien (Tiré à part d’un article paru dans Die Pharmazeutische Post, 43, Vienne, 1910, 69-75, 709-714). In: Die historische pharm.-mediz. Sammlung des Apothekers Burkhard Reber in Genf. Vienne 1910, 34-37.

Reber 1913
Burkhard Reber, Quelques objets du Musée Reber. Bulletin de la Société d’histoire de la pharmacie 2 (Paris), 17-20.

Reber 1918
N.N., À propos de l’anniversaire de Burkhard Reber (Tiré à part du journal Le Genevois). Genève 1918.

Reber 1920/1
Burkhard Reber, Quelques pièces de majoliques italiennes et d’autres faïences de ma collection. Pages d’art. Revue mensuelle suisse illustrée, avril 1920, 105-128.

Reber 1920/2
Burkhard Reber, Quelques pièces de majoliques italiennes et d’autres faïences de ma collection. Deuxième série. Pages d’art. Revue mensuelle suisse illustrée, septembre 1920, 275-290.

Reichenbach-Zollikofen BE, Linck-Daepp, Margrit (1897-1983)

Roland Blaettler, 2019

Keramik von Margrit Linck-Daepp in CERAMICA CH

Margrit Linck-Daepp (1897–1983) absolvierte ihre Töpferlehre 1916–1920 in der Werkstatt des Töpfers Johann Gottfried Moser in Heimberg. Nach einem Jahr an der Keramischen Fachschule in Bern bildete sie sich 1922/23 an einer privaten Keramikschule in München weiter.

1927 heiratete Margrit Daepp den Bildhauer Walter Linck (1903–1975). In den Jahren 1924/25 hielt sich das junge Paar in Berlin auf und von 1927 bis 1930 lebten die beiden Künstler in Paris, wo sie die neuen künstlerischen Strömungen kennenlernten und sich davon inspirieren liessen. Sie waren Teil der damaligen jungen Kunstwelt. Nach ihrer Rückkehr in die Schweiz erkannte Margrit Linck ihre Berufung. Das Paar wohnte zunächst in Zürich und später in Wabern BE. Im Jahr 1941 liessen sie sich endgültig in Reichenbach-Zollikofen BE nieder, wo Margrit Linck sich richtiggehend in die Keramikproduktion stürzte (Messerli 2017, 159–221).

Lincks frühe originelle Arbeiten zeugen von ihrem Willen, die bewährte Technik der engobierten Irdenware aus der Berner Tradition kühn zu erneuern, indem sie eine neue Formensprache für Gebrauchskeramik entwickelte (frühe Beispiele siehe L’Œuvre, Vol. 24, 1937, Heft 12, Abb. S. 357–359).

Zunächst formte sie Gebrauchsgegenstände mit grosser gestischer Freiheit (MHL AA.MI.1954; MHL AA.MI.1869; MHL AA.MI.1868; MHL AA.MI.1921), ab 1943 entwarf sie mehr skulpturale und manchmal surrealistisch inspirierte Objekte (MHL AA.MI.2581).

Im Jahr 1957 bezog sie ein zweites Atelier im burgundischen Dorf Saint-Romain, wo sie sich künftig mit der Entwicklung von skulpturalen Objekten beschäftigte. In ihrem Berner Atelier hingegen konzentrierte sich auf die Gestaltung ihrer gedrehten und nachträglich verformten Gefässe aus makellos weisser Fayence, ohne jeglichen Dekor, damit nichts die Wahrnehmung der Form stören konnte (MHL AA.MI.1910).

Linck schöpfte zwar aus der jahrhundertealten Tradition der Töpfer ihres Heimatorts, ihre Arbeit orientierte sich aber stets an der Bewegung der innovativsten zeitgenössischen bildenden Künste, die sie frei in ihre Keramikarbeiten einbrachte. Diese Haltung brachte ihr eine internationale Anerkennung ein, wie sie nur wenige Keramiker erfahren haben. Im Jahr 1949 zeigte die Kunsthalle Bern ihre Keramiken neben den Gemälden von Oskar Dalvit und Joan Miró. Ab den 1950er-Jahren wurde sie eingeladen, ihre Arbeiten in Italien, den USA, Frankreich und vor allem in Deutschland auszustellen.

Nach dem Tod der Künstlerin übernahm ihre Schwiegertochter Regula Linck das Atelier in Reichenbach, wo sie die von Margrit geschaffenen Formen mit weisser Fayence weiter produzierte. Das Unternehmen Linck Keramik ist auch heute noch aktiv und seit 2015 in Worblaufen BE ansässig.

Übersetzung Stephanie Tremp

Internetquellen:

Linck-Keramik

Margrit Linck

Bibliographie: 

Altorfer 1981
Max Altorfer (éd.), Margrit Linck. Keramische Skulpturen – Weisse Vasen. Berne 1981.

Buchs 1988
Hermann Buchs, Vom Heimberger Geschirr zur Thuner Majolika. Thun 1988.

Dictionnaire historique de la Suisse (article Margrit Linck, par Michèle Baeriswil-Descloux – article Walter Linck, par Michael Baumgartner)

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017.

Schnyder 1985
Rudolf Schnyder, Vier Berner Keramiker: Werner Burri, Benno Geiger, Margrit Linck, Jakob Stucki, Ausstellungskatalog im Rahmen der 10. Spiezer Keramik-Ausstellung, Schloss Spiez. Bern 1985.

Wismer/Kries 2021
Beat Wismer/Regula Linck von Kries, Margrit Linck – Vogelfrauen und Vasenkörper – Bird women and vase-shaped bodies, Berlin 2021.

Renens VD, die Töpfereien

Roland Blaettler 2019

Die Gemeinde Renens, im Westen der Waadtländer Hauptstadt gelegen, erlebte ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts eine rasante Entwicklung, die insbesondere durch die Einweihung des grossen Rangierbahnhofs der Westschweizer Eisenbahngesellschaft im Jahr 1876 angekurbelt wurde. Die Keramikindustrie, die vom Vorhandensein eines besonders geeigneten Tons auf dem Gemeindegebiet profitierte, nahm unter den zahlreichen Gewerbebetrieben, die sich in der Gegend ansiedelten, einen nicht zu unterschätzenden Platz ein.

Ein Artikel in der Feuille d’avis de Lausanne vom 16. Januar 1895 (S. 5) zählt nicht weniger als drei Töpfereien auf, die zu diesem Zeitpunkt aktiv waren: die Töpferei Bouchet mit acht Angestellten, die als die älteste beschrieben wird; die Töpferei Jaccard mit etwa 20 Angestellten und die von Emile Mercier, die sich in den Räumen seiner ehemaligen Kunstdüngerfabrik befand und etwa 25 Mitarbeiter beschäftigte. Die Produktion dieser Werkstätten, die sich auf rohe unbehandelte sowie engobierte und glasierte Irdenware beschränkte, beschrieb der Journalist kurz und bündig mit folgenden Worten: «[Die Töpfereien] liefern Alltagsgeschirr, Blumenvasen, Rohre und Kaminhüte, und besser noch, sie konkurrieren in der Herstellung von Kunstkeramik.»

Nebenbei bemerkt, figurieren diese drei Betriebe auf der «Tableau des mesures de poterie cuite adoptées par la Fédération des ouvriers tourneurs de la région de Genève, Ferney, Renens, Annecy et zones environnantes et de Messieurs les patrons soussignés» (Masstabelle für gebrannte Töpferwaren, die von der Föderation der Töpfer der Region Genf, Ferney, Renens, Annecy und der umliegenden Gebiete und von den unterzeichneten Arbeitgebern übernommen wurde (Ferney-Voltaire 1984, 264–265), was beweist, dass ihre Basisproduktion aus diesen Töpferwaren für den täglichen Gebrauch bestand – manchmal auch «Alltagsgeschirr» genannt (siehe weiter unten zu Jaccard) –, die wir unter dem Oberbegriff «engobierte Töpferwaren der Genferseeregion» einordnen, da wir nicht in der Lage sind, sie dem einen oder anderen Hersteller zuzuordnen (siehe das Kapitel «Les poteries engobées de la région lémanique»).

Renens VD, Töpferei Bouchet, um 1881–?

Joseph Bouchet lässt sich spätestens seit 1881 in Renens nachweisen. In diesem Jahr berichtete ein Leser der Feuille d’avis de Lausanne kurz über seinen Besuch in einer Fabrik für «Gebrauchskeramik», die sich in der Nähe des Bahnhofs von Renens niedergelassen hatte und deren Besitzer ein gewisser J. Bouchet war (Ausgabe vom 16. September 1881, 5). Im folgenden Jahr erschienen in der Lausanner Presse mehrere Werbeanzeigen, in denen für die «Töpferei» geworben wurde, die von Joseph Bouchet, einem «ehemaligen Arbeiter in Fernex-Voltaire [sic]», betrieben wurde (Feuille d’avis de Lausanne vom 7. Februar 1882, 1; La Revue vom 6. Juli 1882, 4). Im selben Jahr erhielt die Töpferei einen Preis 2. Klasse auf der Gartenbauausstellung in Morges (Nouvelliste vaudois vom 14. Juni 1882, 3).

1929 erschien ein kurzer Überblick zur Geschichte der Töpfereien in Renens, verfasst von einem gewissen Herrn Grivat, einem Schulinspektor. In diesem Text beschrieb er die Pionierrolle von Joseph Bouchet mit den folgenden Worten:

«Der Ton von Renens […] hat einen althergebrachten Ruf; es gab eine Zeit, in der die Ziegeleien von Renens, die entweder Privatpersonen oder der Gemeinde gehörten, ihre Produkte bis in die Deutschschweiz verschickten. Nach unglücklichen Umständen wurden diese Ziegeleien dank dem Südfranzosen Joseph Bouchet, einem ehemaligen Töpfereiarbeiter der grossen berühmten Fabriken von Ferney, in Töpfereien umgewandelt […]  Es war 1884, als Bouchet, ein guter Beobachter, geleitet von seiner langen Erfahrung, die zündende Idee hatte, dass eine gut etablierte Töpferei an einem Ort wie Renens erfolgreich sein müsste […] Bouchet kaufte ein kleines Landgut, dessen Gebäude er umbaute und selbst seinen Ofen hineinbaute […] Alles lief zum Besten in der neuen Töpferei, die ein Dutzend Arbeiter beschäftigte, als im zweiten Jahr ihres Bestehens ihr Gründer plötzlich an den Folgen eines Unfalls starb […]» (M. Grivat, «Industrie du pays: Poterie», in: Feuille d’avis du district de la Vallée vom 21. November 1929, 7–8).

Grivat irrt sich in der zeitlichen Abfolge: Bouchet starb tatsächlich früh, nämlich am 14. Januar 1883 (Feuille d’avis de Lausanne vom 15. Januar, S. 4). Bereits am 17. Januar wurde sein Sohn Paul im Schweizerischen Handelsamtsblatt [SHAB] als Chef der Töpferei Paul Bouchet eingetragen (Bd. 1, 1883, 69). Nach unserem derzeitigen Wissensstand wissen wir nicht, bis zu welchem Zeitpunkt der Betrieb fortgeführt wurde. Sicher scheint nur zu sein, dass die Töpferei 1895 noch existierte.

Renens VD, Töpferei Jean Debord, um 1885–1893

Eine zweite Töpferei entstand offenbar um 1885 in Renens. Am 2. März dieses Jahres wurde der aus dem Puy-de-Dôme stammende Jean Debord als Chef der Firma J. Debord eingetragen, die jedoch als «Handelsbetrieb für Töpferwaren» bezeichnet wurde (SHAB, Bd. 3, 1885, 182). Es ist denkbar, dass Debord sich zunächst auf den Handel mit Töpferwaren beschränkte, da er selbst nicht alle für die Herstellung erforderlichen Mittel besass. Am 4. Februar 1886 berichtete das Schweizerische Handelsamtsblatt, dass Debord sich mit Charles Nigg aus Gersau (Kanton Schwyz) zusammengetan hatte, um eine Kollektivgesellschaft namens «Nigg & Debord» zu gründen, die sich dieses Mal der Herstellung von Töpferwaren widmete (SHAB, Bd. 4, 1886, 90).

Das Unternehmen erhielt bei der Gartenbauausstellung in Lausanne von 1888 (La Revue vom 22. September 1888, 2) einen Preis 2. Klasse. Die Gesellschaft wurde am 12. September 1889 aufgelöst und Debord führte seine Geschäfte allein weiter (SHAB, Bd. 7, 1889, 783). In der Feuille d’avis de Lausanne vom 5. März 1890 veröffentlichte er die folgende Ankündigung: «Ich informiere meine alte Kundschaft, dass ich unter dem Firmennamen Jean Debord, in der Nähe des Bahnhofs von Renens, weiterhin alle Arten von Töpferwaren und Blumenvasen herstelle. Ich empfehle mich all jenen, die vielleicht geglaubt haben, dass das Haus nicht mehr existiert. – Jean Debord, Nachfolger von Nigg und Debord». Das Unternehmen wurde schliesslich am 4. Juli 1893 gelöscht, «infolge Geschäftsaufgabe des Inhabers» (SHAB, Bd. 11, 1893, 656). Jean Debord starb 1907. In der Todesanzeige wurde er als «Vorarbeiter in der grossen Töpferei» bezeichnet (Feuille d’avis de Lausanne vom 26. Januar 1907, 16).

Töpferei Samuel Jaccard, um 1890–1907

Ab Anfang 1890 druckte die regionale Presse Werbeanzeigen ab, in denen die Qualität der Töpferwaren von Samuel Jaccard in Renens angepriesen wurde. Beispielsweise in der Feuille d’avis de Lausanne vom 7. März 1890, S. 3, wo die Rede ist von der «Töpferfabrik S. Jaccard, vormals betrieben von den Herren Nig [sic] et Debord». Diese Angabe mag seltsam erscheinen, da wir wissen, dass Debord seine Geschäfte nach der Trennung von seinem Geschäftspartner fortsetzte. Die einzige plausible Erklärung wäre, dass Debord seine Einrichtungen an eine andere Adresse verlegt hatte und Jaccard in die ehemaligen Räumlichkeiten von «Nigg & Debord» einzog. Dies würde auch die Verwirrung erklären, die in der Öffentlichkeit zu herrschen schien, wie aus der von Debord am 5. März 1890 veröffentlichten Bekanntgabe hervorgeht.

Samuel Jaccard (1860-1922) wurde am 16. Januar 1891 im Schweizerischen Handelsamtsblatt als Chef des Unternehmens mit der Erwähnung «Art der Industrie: Töpferwaren aller Art» eingetragen (Bd. 9, 1891, 50). Im September 1891 gewann er auf der Gartenbauausstellung in Montreux einen Preis der II. Klasse für seine Blumentöpfe (Gazette de Lausanne vom 24. September 1891, 2). In der Anzeige, die Jaccard im folgenden Jahr in der Presse veröffentlichte, waren beide Seiten der in Montreux gewonnenen Medaille abgebildet. Neben der «Haushalts- und Gartenkeramik» werden in der Anzeige auch andere Spezialitäten wie Kaminhüte, mechanisch hergestellte Rohre und Schornsteinrohre erwähnt (z. B. in der Gazette de Lausanne vom 24. Oktober 1892, 4).

In der Feuille d’avis de Lausanne vom 1. Februar 1892, S. 3, veröffentlichte Jaccard folgende Mitteilung: Um der Verwirrung ein Ende zu setzen, informiert der Unterzeichnende die Öffentlichkeit darüber, dass er nichts mit dem auf den 2. Februar durch öffentlichen Anschlag angekündigten juristischen Verkauf der Töpferei zu tun hat. – S. Jaccard». Es ist möglich, dass der Zwangsverkauf in Wirklichkeit die Töpferei Debord betraf und die Öffentlichkeit die beiden Einrichtungen weiterhin verwechselte.

In Zusammenhang mit der von der Lausanner Gartenbaugesellschaft im Mai 1893 organisierten Ausstellung erwähnte die Gazette de Lausanne die Teilnahme der Töpferei Jaccard, «[…] die in der Region immer mehr geschätzt wird» (Ausgabe vom 29. Mai 1893, 3). In einer ihrer Rezensionen zur Kantonalen Ausstellung in Yverdon 1894 führt L’Estafette aus, dass «[…] diese Art Töpferwaren von den Herren S. Jaccard und Mercier vertreten wird. Der Ruf dieser Häuser, von denen das erste schon lange besteht, ist nicht mehr zu übertreffen. Hier stehen abgestuft und in Pyramiden Vasen in allen Formen und Grössen; Übertöpfe, Blumenkästen, Körbe, die einen glasiert, die anderen roh. Alle sind mit feinen von Hand modellierten Motiven verziert» (Ausgabe vom 7. August 1894, 1). Beide Betriebe wurden mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.

Die Töpfereien von Renens nahmen auch an der Kantonalen Ausstellung von Vevey im Jahr 1901 teil: «M. S. Jaccard und die Fabrique de poterie [siehe unten] bieten eine sehr interessante Ausstellung ihrer Produkte, die vom Blumentopf in allen Grössen in der bekannten, klassischen Form bis zu monumentalen Amphoren, komplizierten Kaminhüten, ja sogar verzierten Platten und glasierten Blumenvasen gehen. Diese Serie Töpferwaren verdient Beachtung und eine eingehende Prüfung» (J. Marti, À travers les groupes – Industrie du bâtiment, Groupe I. In: Exposition cantonale de Vevey. Journal officiel illustré, Nr. 19, 10. November 1901, 218).

Die einzigen Exemplare, die wir mit Sicherheit Jaccard zuschreiben können, da sie eine gestempelte Marke «S JACCARD / RENENS» tragen, sind Teller, Platten, Tassen und Untertassen, die anlässlich der Feierlichkeiten zum 100-jährigen Bestehen des Kantons Waadt im Jahr 1903 hergestellt wurden. Neben den üblichen Gedenkinschriften besteht ihr Dekor aus einem gemodelten und applizierten Reliefschild mit dem Wappen der Gemeinde Cully (MCAHL HIS 11-6; MCAHL HIS 11-1; MCAHL HIS 11-2).

In einem Artikel, der die in dieser Ortschaft geplanten Feierlichkeiten ankündigte, lobte der Nouvelliste vaudois vom 13. Februar 1903 (S. 2) das Festkomitee der Gemeinde für die Hundertjahrfeier dafür, dass es «die originelle und ausgezeichnete Idee hatte, sich an Herrn S. Jaccard zu wenden, um für das Bankett ein ‹Hundertjahrfeier-Geschirr› herstellen zu lassen, Teller und Tassen mit den Wappen der Stadt Cully, des Kantons Waadt und der Eidgenossenschaft auf grünem Grund, die einen sehr schönen Effekt haben. Dieses Geschirr, das später zum Selbstkostenpreis verkauft wird, bleibt in den Familien als Erinnerung an das Fest». Es ist anzumerken, dass die Wappen des Kantons und der Eidgenossenschaft nicht auf den erfassten Gegenständen zu finden sind. Der Chronist hat sich wahrscheinlich geirrt, es sei denn, die Bestellung führte zu mehreren Versionen.

Es ist klar, dass diese Art von Produkten mit ihren mehrfarbigen Auflagendekoren eine ausgefeiltere Technik voraussetzte als die üblichen «Haushalts»-Töpferwaren, aber wir glauben gerne, dass die oben erwähnten «Kunstwerke» und «feinen von Hand modellierten Motive» ambitionierter ausgesehen haben müssen. Bisher konnten wir noch keine Exemplare dieser hochwertigen Kategorie identifizieren.

1904 beauftragte die Vereinigung des Schlosses Chillon Jaccard mit der Herstellung von 23 Faksimiles eines Kruges aus dem 13. Jahrhundert, der 1903 anhand von im Schlossgraben gefundenen Fragmenten rekonstruiert worden war (MCAHL PM 2561, nicht in diesem Inventar). Die Vereinigung versuchte, diese Reproduktionen, eine Art Vorläufer der heute weit verbreiteten Museumsderivate, im Bazar de Chillon und im Bazar vaudois in Lausanne zum Preis von 3,50 Franken zu vermarkten, offenbar ohne grossen Erfolg (Huguenin 2010, 48, Abb. 53 – Das Lausanner Kantonsmuseum für Archäologie und Geschichte bewahrt zwei Exemplare, PM 2562 und PM 4182, die nicht im vorliegenden Inventar aufgeführt sind). Eine ähnliche Reproduktion, die jedoch wahrscheinlich jüngeren Datums ist, haben wir in der Sammlung der ehemaligen Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-près-Renens gefunden (CEPV 5.B.5).

Im Schweizerischen Handelsamtsblatt wird der Firmenname «S. Jaccard» (merkwürdigerweise mit Wohnsitz in Lausanne) am 13. November 1907 gelöscht, «infolge des Verkaufs des Geschäfts» (Bd. 25, 1907, 1974). Zwei Tage später registrierte das gleiche offizielle Organ die Löschung der Fabrique de poterie de Renens S. A. und die Gründung einer neuen Gesellschaft, der Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. (SHAB, Bd. 25, 1907, 1975).

Als die Gazette de Lausanne vom 7. Mai 1908 (S. 3) einige Monate später auf diese Umwälzungen in der lokalen Industrielandschaft zurückkam, berichtete sie, dass an der Spitze des neuen Unternehmens die Eigentümer «der Töpfereien Pasquier-Castella und Jaccard, die derzeit fusioniert sind», standen. Der Indicateur vaudois erwähnte in seiner Ausgabe für das Jahr 1908 die «Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. (Fusion der ehemaligen Fabriken Pasquier-Castella und S. Jaccard)».

Jaccards Unternehmen wurde daher mit dem von Pasquier-Castella (siehe unten) zusammengelegt, bevor es von der «grossen Ziegelei» übernommen wurde. Was Samuel Jaccard betrifft, so scheint er sich nach der Abtretung seines Geschäfts anderen Aktivitäten zugewandt zu haben, insbesondere im Immobilienbereich. Im Indicateur vaudois von 1908 wird sein Privatwohnsitz noch in Renens angegeben, von 1909 bis 1917 dann in Lausanne in einem Gebäude an der Avenue du Mont-Blanc Nummer 12. Dieses gehörte offenbar der Immobiliengesellschaft Belles-Roches und Jaccard wird als «Geschäftsführer» gemeldet. Im Juni 1908 wurde er zum Verwalter derselben Gesellschaft ernannt (SHAB, Bd. 26, 1908, 1082). In den folgenden Jahren fand man ihn in Verbindung mit verschiedenen in Lausanne ansässigen Immobiliengesellschaften, wie der Société de Sainte Luce, der er vorstand und die anlässlich ihrer Generalversammlung vom 22. Januar 1923 seinen Tod zur Kenntnis nahm (SHAB, Bd. 41, 1923, 244). Samuel Jaccard starb am 26. Mai 1922 in Paris (Feuille d’avis de Lausanne vom 29. Mai 1922, 22).

Die Keramikfabrik von Renens, 1892–1907

Émile Mercier, 1892–1898

Charles Lévy-Schwob, 1898–1900

Aktiengesellschaft, 1900–1907, Geschäftsführer Charles Lévy-Schwob (1900–1906) und Paul Pasquier-Castella (1906

Émile Mercier (geboren 1843 in Amsterdam, gestorben vor 1914 – Feuille d’avis de Lausanne vom 8. August 1884, 4) war der Sohn des Diplomaten Philippe Charles-Louis Mercier (1805–1869) und von Emma Doerr. Im Jahr 1863 heiratete er Suzanne Bugnion (1841–1914), die Enkelin von Charles-Timothée, dem Gründer der Bugnion-Bank in Lausanne, einem Institut, das bis zu seiner Übernahme im Jahr 1965 durch den Schweizerischen Bankverein bestand. Mercier war von 1864 bis 1874 Honorarkonsul der Schweiz in Hamburg, ein Amt, das er in einem sehr jungen Alter angetreten hatte (Nouvelliste vaudois vom 19. März 1874, 4 – vom 4. Juli 1891,4).

Mitbegründer und Direktor der Société vaudoise d’engrais chimiques S. A., die 1882 gegründet wurde und 1886 mit einer ähnlichen Gesellschaft in Freiburg unter dem Namen Fabrique d’engrais chimiques de Fribourg et Renens fusionierte; Mercier wurde zum zweiten Direktor ernannt, der für die Niederlassung in Renens verantwortlich war (SHAB, Bd. 1, 1883, 119 – Bd. 4, 1886, 833). Im Jahr 1892 stellte das Unternehmen den Betrieb der Fabrik in Renens ein und Mercier gab seine Direktorenfunktion auf, blieb jedoch Mitglied des Verwaltungsrats (SHAB, Bd. 10, 1892, 1121).

Im selben Jahr wurde er als Firmenchef und Besitzer der «Fabrique de poterie de Renens – Émile Mercier» registriert (SHAB, Bd. 10, 1892, 532). Es scheint, dass Mercier einen Teil der Einrichtungen der ehemaligen Düngemittelfabrik gekauft hatte, um dort sein neues Unternehmen zu errichten: «[Er] hat die Räumlichkeiten der ehemaligen Kunstdüngerfabrik in eine grosse Fabrik umgewandelt, die 25 Arbeiter beschäftigte und ausserdem 18 Wohnungen zu ihrer Nutzung umfasste» (Feuille d’avis de Lausanne vom 16. Januar 1895, 5). Als kluger Industrieller, der jedoch nicht speziell auf diesen neuen Tätigkeitsbereich vorbereitet war, verstand er es, die junge Töpferei auf den Weg des Erfolgs zu bringen. Die Werbeanzeigen, die ab 1894 in der regionalen Presse erschienen, warben vor allem für «ein grosses Sortiment an Kaminhüten mit den dazugehörigen Ofenrohren», das offensichtlich einen der Schwerpunkte im Sortiment der Fabrik darstellte (Feuille d’avis de Lausanne vom 9. Juni 1894, 5).

In einem Artikel über die Kantonale Ausstellung von Yverdon im Jahr 1894, beschreibt der Korrespondent der Gazette de Lausanne auch die Keramikabteilung und geht dabei vor allem auf die Ausstellungen der Töpfer Samuel Jaccard und Émile Mercier aus Renens ein: «Es gibt dort Dinge von sehr unterschiedlichem Wert und Geschmack: Auf der einen Seite die Ofenrohre mit den grossen Hauben, die heute stark verbreitet sind, auf der anderen Seite alle Gegenstände, die der Kultur oder der Verzierung eines Gartens dienen können: gewöhnliche Blumentöpfe, einfache oder verzierte Übertöpfe, Hängetöpfe für Hängepflanzen, Wasserbecken und auch Haushaltskeramik. Einige dieser Töpfe sind mit aufgelegten Blumen und Blättern verziert. Unter den schlichten Gegenständen habe ich im Sortiment von Herrn Mercier eine Pflanzschale im Stil Louis XVI mit zwei Übertöpfen gesehen, deren Design originell ist […]» (Ausgabe vom 2. Oktober 1894, 1–2, Unterschrift S. F.).

Im Rahmen der 6. Schweizerischen Landwirtschaftsausstellung, die 1895 in Bern stattfand, erhielt die Töpferei von Mercier eine Vermeil-Medaille für ihre Kaminhüte und Blumenvasen (Nouvelliste vaudois vom 4. Oktober 1895, 4). Die Feuille d’avis de Lausanne vom 20. September 1895 (S. 11) berichtete ausführlich über die Beteiligung der Fabrik (so ausführlich, dass man sich fragt, ob der Artikel nicht ein Auftragstext war): «[…] Mercier hat die ehemalige Kunstdüngerfabrik in eine Keramikfabrik umgewandelt, dabei profitierte er vom Standort und von den aussergewöhnlichen Eigenschaften des Tons auf dem Gelände. Es handelt sich um einen neuen Industriezweig, der wichtige Dienste leisten wird und sich dank der Beharrlichkeit von Herrn Mercier schnell entwickelt. […] Unter [den ausgestellten Produkten] bemerken wir Kaminhüte aus Ton, die sich durch ihre gute Verarbeitung, ihre Eleganz, ihre Festigkeit und ihren sehr günstigen Preis auszeichnen, der uns vom Bezug des Artikels im Ausland befreit. Der Kaminhut aus Ton […] ersetzt sehr vorteilhaft die Schornsteinkappen aus Metall, die leicht von den Destillationsprodukten der Brennstoffe und der Feuchtigkeit angegriffen werden […] Herr Mercier stellt gleichzeitig eine sehr vollständige Kollektion verschiedener Blumenvasen aus, die eine sehr regelmässige Form haben, sehr solide sind und dank der Perfektion, die bei der Verarbeitung des Rohmaterials und der Brennmethode erreicht wurde, nur ein geringes Gewicht aufweisen […]».

Im folgenden Jahr war die Fabrik auf der Landesausstellung in Genf mit «Töpferwaren aller Art und Spezialitäten von Kaminhüten aus Ton» vertreten (Offzieller Katalog der Aussteller. Genf 1896, 410, Ausstellernummer 4177 – Gazette de Lausanne vom 24. September 1896, 3). Das Unternehmen erhielt eine weitere Auszeichnung: eine Silbermedaille, die insbesondere und einmal mehr die Ausstellung von Kaminhüten belohnte (Feuille d’avis de Lausanne vom 23. September 1896, 8).

Der Firmenname «Fabrique de poterie de Renens, Émile Mercier» wurde im Juni 1898 gelöscht, da die Anlagen, die Bilanz und die Aktivitäten von Mercier von der Firma «Fabrique de poterie de Renens, Charles Lévy-Schwob» übernommen wurden (SHAB, Bd. 16, 1898, 713). Mercier wird in dem Unternehmen als Verwaltungsratsdelegierter wieder auftauchen, als dieses in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wird (siehe unten).

Henri, d. h. Charles Lévy-Schwob (1866–1933), der neue Besitzer der Töpferei, war ein aus Belfort (Franche-Comté) stammender Geschäftsmann. Bevor er sich der Keramikindustrie widmete, besass er in Morges einen Stoffladen und war in der Konfektion tätig, so 1883 im örtlichen Handelsregister eingetragen (SHAB, Bd. 14, 1896, 603).

1899 musste sich der neue Besitzer der Töpferei von Renens mit der ersten sozialen Bewegung auseinandersetzen, die jemals in der lokalen Keramikindustrie verzeichnet wurde, einem Streik, der am 19. Mai von den Drehern der Fabrik ausgerufen wurde und schliesslich nur drei Tage dauerte (La Revue vom 20. Mai 1899, 1). Die Feuille d’avis de Lausanne notierte lediglich, dass «[…] der Konflikt durch zwei Punkte von untergeordneter Bedeutung ausgelöst worden war, die zur allgemeinen Zufriedenheit geregelt wurden» (Ausgabe vom 22. Mai 1899, 7). Der Kommentar in der Feuille d’avis de Vevey stellte hingegen fest, dass «[…] dieser Vorfall angeblich darauf zurückzuführen sei, dass diese wichtige Fabrik den Besitzer gewechselt habe und das Führungspersonal nicht die Sympathien der Arbeiter hätte» (Ausgabe vom 19. Mai, 6).

Ein Jahr nach dem Vorfall wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt am 18. Mai 1900 die Gründung einer Aktiengesellschaft unter dem Namen «Fabrique de poterie de Renens S.A.» eingetragen, deren Statuten auf den 16. Mai 1900 datiert waren. Die Ziele der Gesellschaft waren einerseits die Herstellung von «gewöhnlicher Töpferware und Blumenvasen, Lüftungsrohren aus Ton, Kaminhüten, Rohren usw.» und andererseits «die Übernahme des Betriebs der in Renens unter der Firma ‚Charles Lévy-Schwob‘ bestehenden Töpferei» (SHAB, Bd. 18, 1900, 748). Die Aktiengesellschaft hatte das Unternehmen lediglich aufgekauft (La Revue vom 29. Mai 1900, 1). Die Löschung des Firmennamens «Fabrique de poterie de Renens, Charles Lévy-Schwob» erfolgte am 19. Mai (SHAB, Bd. 18, 1900, 748). Das Kapital der neuen Gesellschaft wurde auf 200 000 Franken festgelegt und in 400 Inhaberaktien aufgeteilt. Charles Lévy-Schwob wurde zum Direktor und Émile Mercier zum geschäftsführenden Direktor ernannt, eine Funktion, die er mindestens bis 1903 innehaben sollte.

Die Töpferei arbeitete also ohne Unterbruch und unter demselben Direktor weiter. Sie stellte ihre Produkte 1901 auf der Kantonalen Ausstellung in Vevey vor (siehe oben unter Jaccard-Töpferei), nämlich «Urnen mit eleganten Formen, Blumenvasen, Kapitelle für Kamine, künstlerische Töpferwaren mit Blumen im Auflagendekor und Landschaften» (La Revue vom 24. Juli 1901, 1). Die Sendung wurde nur mit einer Silbermedaille ausgezeichnet.

In einem Brief, der in La Revue vom 27. September 1901 veröffentlicht wurde (S. 4) wetterte Charles Lévy-Schwob gegen diese Auszeichnung, die er für unzureichend hielt: «Wir haben bereits zwei Silbermedaillen erhalten, eine davon an der Landesausstellung in Genf […] Seitdem haben wir unsere Produkte verbessert, unsere Produktion und unsere Verkäufe haben sich verdoppelt, und hier werden wir durch die Kantonale Ausstellung in Vevey auf eine neue Silbermedaille herabgesetzt, die nach derjenigen von Genf nur von einem Rückschritt zeugen kann, den uns zu beschuldigen ungerecht wäre.» Der Direktor der «wichtigsten Töpferfabrik des Kantons» führte die schlechte Bewertung darauf zurück, dass sein Unternehmen in der Sektion «Bauwesen» der Ausstellung klassifiziert worden war, obwohl Bauelemente wie Kaminhüte nur ein Sechstel der ausgestellten Waren ausmachten. Folglich waren seine Produkte von Ingenieuren beurteilt worden, die nicht unbedingt die geeignetste Jury darstellten. Lévy-Schwob lehnte die Medaille ab und zitierte aus den Basler Nachrichten vom 21. August 1901: «La fabrique de poterie de Renens stellte schöne Platten und Vasen im Stil der Thuner Keramik aus. Eine handgedrehte Urne, etwa einen halben Meter hoch, gereicht dieser Einrichtung zur grössten Ehre».

Bisher haben wir nur ein einziges Objekt gefunden, das eindeutig aus der sogenannten «grossen Töpferei» stammt: eine Schüssel, die an die Waadtländer Hundertjahrfeier von 1903 erinnert und im Museum von Orbe aufbewahrt wird, mit der besonders hochtrabenden Marke «Fabrique poterie de Renens Société anonyme» (MO Nr. 1).

Der Töpfer war sichtlich stolz auf sein Werk, das im Vergleich zu den vagen, aber lobenden Beschreibungen, die Chronisten anlässlich verschiedener Ausstellungen lieferten, immer noch eine relativ bescheidene Leistung ist.

Das Jahr 1901 war durch einen weiteren Streik der Töpferarbeiter gekennzeichnet, der in den beiden Töpfereien von Renens (Töpferei S. Jaccard und Société anonyme) ausbrach, die «etwa siebzig Arbeiter beschäftigten, die meisten von ihnen Franzosen, die sich aber mit ihren Familien in Renens niedergelassen hatten» (Tribune de Lausanne vom 7. Mai 1901, 2). Tatsächlich betraf die Bewegung vor allem die Dreher, die in gewisser Weise die Aristokratie der Arbeiterschaft darstellten und besonders gut organisiert waren. Die Streikenden forderten eine Lohnerhöhung und eine Verkürzung der Arbeitszeit. Nach drei Wochen einigte sich Jaccard mit seinen Streikenden, während der Konflikt bei Lévy-Schwob weitergehen sollte (Feuille d’avis de Lausanne vom 23. Mai 1901, 11). Es dauerte fast zwei Jahre, bis die Differenzen innerhalb der «grossen Töpferei» beigelegt waren, wie die Arbeiterpresse feststellte: «Nach zwei Jahren Widerstand hat Herr Lévy, Direktor der Töpferei von Renens, die Dreher zum neuen Tarif wieder eingestellt […], einem Tarif, der in den anderen Fabriken von Renens [Jaccard und Poterie moderne, siehe unten] bezahlt wurde. Nach einer Streikbewegung im Mai 1901 wurde das ganze Dreherpersonal entlassen und durch mechanische Arbeit ersetzt. […] Nach diesem langen Kampf sind die Dreher siegreich, und ihren Sieg errangen sie über das Kapital und über den Maschinismus, der in diesem Zweig nicht die Ergebnisse gebracht hat, die unsere Geldgeber davon erwarteten» (Le Grutli vom 3. Juli 1903, 6).

Im selben Jahr 1903 durchlief die «grosse Töpferei» eine weitere Reorganisation. Am 16. April erweiterte die Fabrique de Poterie de Renens S. A. ihre Statuten um einen Zusatz, der besagte, dass «die Gesellschaft die Fabrik selbst betreiben oder durch Pächter betreiben lassen kann» (SHAB, Bd. 21, 1903, 757). Zwei Wochen später erklärte Charles Lévy-Schwob, dass er auf seinen Posten als Direktor verzichte, während Émile Mercier an seiner Stelle als geschäftsführender Direktor bestätigt wurde (SHAB, Bd. 21, 1903, 853).

Aber Lévy-Schwob verliess die Töpferei de facto nicht. Am 28. März des folgenden Jahres wurde er als Chef der Firma «Fabrique de poterie, Charles Lévy-Schwob» eingetragen (SHAB, Bd. 22, 1904, 553). Angesichts der obigen Ausführungen kann man davon ausgehen, dass er seine Tätigkeit wieder aufnahm – oder fortsetzte –, indem er das Gebäude und die technische Infrastruktur, die der Firma Fabrique de poterie S. A. gehörten, mietete.

Lévy-Schwob arbeitete noch bis Januar 1906. Der Firmenname wurde am 25. Januar «nach Verkauf des Geschäfts» gelöscht. Am selben Tag wurde Paul Pasquier- Castella aus Bulle, wohnhaft in Lausanne, als Chef der Firma «Fabrique de poterie, P. Pasquier-Castella» in Renens registriert (SHAB, Bd. 24, 1906, 161).

Charles Lévy-Schwob schaltete seinerseits ab März Werbeanzeigen, um sein «Bureau commercial et immobilier» mit Sitz in Grand-Pont 4 und Grand-Saint-Jean 18 in Lausanne zu bewerben, ein Unternehmen, das sich mit dem Kauf, Verkauf und der Verwaltung von Immobilien beschäftigte (siehe z. B. Feuille d’avis de Lausanne vom 3. März 1906, 9). Von 1912 bis 1919 tat er sich auch als Präsident der israelitischen Gemeinde von Lausanne hervor. Ausserdem blieb Lévy-Schwob dem Unternehmen in Renens als Vizepräsident des Verwaltungsrats der Briqueterie, Tuilerie et Poterie de Renens bis zu seinem Tod am 26. November 1933 verbunden (Gazette de Lausanne vom 28. November 1933, Todesanzeige auf S. 7).

1907 druckte der Indicateur vaudois unter der Rubrik der in Renens ansässigen Töpfereien einen Werbekasten mit der Bezeichnung «Fabrique de poterie P. Pasquier-Castella – poterie commune, vases à fleurs, capes, boisseaux, drains – Poteries artistiques de Mlle Nora Gross» (S. 389). Pasquier – der neue Mieter der Fabrique de poterie de Renens S. A. – begnügte sich also nicht damit, die traditionellen Produkte der Einrichtung fortzuführen, sondern war auch innovativ, indem er versuchte, eine echte künstlerische Linie einzuführen, die von einer unabhängigen Designerin entworfen wurde. Die obige Insertion ist jedoch die einzige Erwähnung, die wir von dieser Zusammenarbeit gefunden haben. Das Experiment war wahrscheinlich nur von kurzer Dauer, und wir haben keine Objekte identifiziert, die davon zeugen könnten (siehe auch den Text zu «Nora Gross»).

In seiner sehr kurzen Karriere als selbstständiger Unternehmer ging Pasquier-Castella eine weitere künstlerische Zusammenarbeit ein, die eine deutlichere Spur hinterliess: «Seit kurzem hat sich ein Arbeiter, der in den Fabriken von Rambervillers und auch bei Massier in Golfe-Juan Erfahrungen gesammelt hat, in Renens niedergelassen. Er betreibt seinen Brennofen in der Töpferei Pasquier-Castella, in den Räumen, in denen früher Kunstdünger hergestellt wurde […] Die Töpferwaren sind im Glattbrand hergestellt, das heisst, Produkte aus Steinzeug […] mindestens dreimal gebrannt […] und bei einer Temperatur von etwa 1300 Grad. […] Der Arbeiter heisst M. Beyer. Er kommt aus Strassburg […] Hier ein metallisierendes Blau, es sieht aus wie ein riesiger, alle Schattierungen von Azur ausstrahlender Rosenkäfer [sic]. Am anderen Ende ein mattes Aquamarin mit unvorhergesehenen Flammungen. Dazwischen die Palette der gesprenkelten, gefleckten, gestreiften, rosafarbenen, lilafarbenen, schwarzen […] Dekore» (D., «Une leçon d’art», in: Gazette de Lausanne vom 20. November 1906, 3).

Der erwähnte Keramiker war Paul Beyer (1873–1945), einer der grossen Namen der französischen Kunstkeramik in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Sein Aufenthalt in Renens von 1906 bis1907 war vor allem geprägt durch seine Steinzeugarbeiten, eine Keramikart, die hierzulande völlig neu war. In begeisterten Zeitungsartikeln wurde die fast mystische Atmosphäre beschrieben, in der die langen Brennvorgänge bei hohen Temperaturen stattfanden, wobei man auch erfuhr, dass Beyer selbst einen von ihm erfundenen Töpferofen mit doppelter Einfeuerung in den Räumlichkeiten von Pasquier gebaut hatte (Cd., «Art domestique», in: Journal de Genève vom 14. September 1907, 5).

Die Steinzeugarbeiten, die Beyer ab 1906 in Renens herstellte, wurden in Lausanne (u. a. in den Räumen der Gazette de Lausanne), Genf (im Rahmen des Maison d’art de la Corraterie – Journal de Genève vom 26. April 1907, 4, und vom 14. September 1907, 5) und in der Kunstgewerbeschule in Zürich (Journal de Genève vom 20. Februar 1907, 1) ausgestellt. Das Musée des arts industriels in Genf und das Kunstgewerbemuseum in Zürich sollen mehrere Exemplare erworben haben. In Genf bewahrt das Musée Ariana eine Vase auf, die 1906 oder 1907 vom damaligen Musée des arts industriels im Maison d’art erworben wurde (MAG AR 05458); die Genfer Institution besitzt ausserdem elf Exemplare, die später in der Schweiz erworben wurden und die ebenfalls auf die Waadtländer Episode in der Karriere des Keramikers zurückgehen könnten (MAG AR 05457; AR 05539; AR 06939; AR 11332 bis AR 11339). In Zürich befinden sich acht Stücke von Beyer im Inventar des Museums für Gestaltung (ZHdK KGS-06744 à -06749, -06751 et -6903). Auch das Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel bewahrt eine Vase von Beyer auf, die 1909 auf dem örtlichen Grand Bazar erworben wurde. Das alte Inventar des Museums gibt an, dass das Objekt 1906 in der Werkstatt von Paul Pasquier-Castella hergestellt wurde (MAHN AA 1046).

Auch das Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel bewahrt eine Vase von Beyer auf, die 1909 auf dem örtlichen Grand Bazar erworben wurde. Das alte Inventar des Museums gibt an, dass das Objekt 1906 in der Werkstatt von Paul Pasquier-Castella hergestellt wurde (MAHN AA 1046).

Nebenbei sei bemerkt, dass einige Stücke im Musée Ariana – darunter die Vase, die für die Ausstellung von Beyer im Maison d’art erworben wurde – und die Vase aus Neuchâtel kein Steinzeug sind, sondern mit Glanzglasuren überzogene Fayencen, ein wenig in der Manier des Keramikers Massier. Im Fall des Genfer Beispiels heisst es im alten Inventar des Musée des arts industriels tatsächlich «faïence dure, imitation de grès» (harte Fayence, Nachahmung von Steinzeug). Es scheint also, dass der Keramiker eine Zwischenphase durchlaufen musste, bevor er echtes Steinzeug herstellen konnte, es sei denn, er experimentierte mit beiden Techniken parallel.

Am 14. März 1907 wurde Pasquier zum Sekretär des Verwaltungsrats und Émile Paccaud zum Präsidenten der Fabrique de poterie de Renens S. A. ernannt (SHAB, Bd. 25, 1907, 475). Eine tiefgreifende Umgestaltung des Betriebs stand an: Die Aktionäre der Aktiengesellschaft wurden zu einer ausserordentlichen Generalversammlung am 16. Oktober eingeladen, auf der eine Änderung der Statuten, die «Abtretung der Immobilien, Anlagen und Werkzeuge» sowie die Frage des Aktienumtauschs auf der Tagesordnung standen (Feuille d’avis de Lausanne vom 28. September 1907, 24).

Konkret und in Übereinstimmung mit der im Schweizerischen Handelsamtsblatt vom 15. November eingetragenen Information hatte die Generalversammlung beschlossen, die Aktiengesellschaft aufzulösen und ihre Liquidation drei Verwaltungsratsmitgliedern anzuvertrauen: Émile Paccaud, Charles Lévy-Schwob und Paul Pasquier (SHAB, Bd. 25, 1907, 1975 – La Revue vom 21. November 1907, 2). Die Liquidation wurde erst im März 1917 mit der endgültigen Löschung der Firma Fabrique de poterie de Renens S. A. vollendet.

Am selben 15. November 1907 verkündete das SHAB die am 30. Oktober erfolgte Gründung einer neuen Gesellschaft unter dem Namen «Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A.» dotiert mit einem Kapital von 600 000 Franken, aufgeteilt in 1200 Aktien. Es wurde festgelegt, dass die Gesellschaft «…] sich nach Bedarf die notwendigen Immobilien, Einrichtungen und Materialien beschaffen und diejenigen, die überflüssig werden, liquidieren[a] wird, wenn dies Vorteile bringen würde». Der Präsident des Verwaltungsrats war Émile Paccaud, der Sekretär Aloys Fonjallaz, Gemeindepräsident von Cully, der Verwaltungsratsdelegierte Auguste Ludowici aus Genf. Die Leitung des Unternehmens wurde Paul Pasquier anvertraut (SHAB, Bd. 25, 1907, 1975).

Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. (1907–1923), nachher Briqueterie, tuilerie et poterie de Renens S. A. (1923–1969)

Im folgenden Frühjahr berichtete die Gazette de Lausanne mit folgenden Worten über das Ereignis: «In Renens-Gare wurde eine Aktiengesellschaft mit einem Kapital von 600 000 Franken gegründet, um in kurzer Zeit eine grosse Ziegelbrennerei zu errichten. An der Spitze dieser neuen Gesellschaft stehen die Eigentümer der Töpfereien Pasquier-Castella und Jaccard, die derzeit fusioniert sind. Die neue Fabrik wird südlich der Töpferei Pasquier, ehemals Lévy-Schwob, entstehen. Die Erdarbeiten haben bereits begonnen, und man beabsichtigt, die neue Fabrik bereits im nächsten Winter in Betrieb zu nehmen» (Ausgabe vom 7. Mai 1908, 2).

Dieser kurze Artikel beleuchtet die Modalitäten der «Fusion» der ehemaligen Unternehmen: Anscheinend erwarb die Fabrique de poterie de Renens S. A. die Töpferei Jaccard (oder zumindest ihren Geschäftswert); in einem zweiten Schritt wurde die alte Aktiengesellschaft aufgelöst und die Verantwortlichen gründeten eine neue Gesellschaft, ebenfalls in der Form einer S. A. und mit dem Ziel, eine Fabrik aus dem Nichts zu errichten. Die Ausrüstung und das Gebäude der Töpferfabrik wurden wahrscheinlich auf die neue Einheit übertragen, die anscheinend bereits im Winter 1908 ihre Arbeit aufnahm. Von Oktober bis Dezember 1908 veröffentlichte die Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. eine Anzeige über den Verkauf einer Fabrik in Renens, «mit Keramiköfen, Grundstück ad libitum»; dabei handelte es sich um das Gebäude der früheren Aktiengesellschaft (z. B. SHAB, Bd. 26, 1908, 2172).

Bis zur Fertigstellung der neuen Anlagen wurde die Produktion offenbar in der alten «grossen Töpferei» fortgesetzt, denn Le Grütli vom 30. Oktober 1908 (S. 2) berichtet über einen Streik der Dreher und Lackierer der Poterie et briqueterie de Renens, die die gleichen Löhne wie in der Poterie moderne verlangten (siehe unten).

Mit der Gründung der neuen Gesellschaft wurde deutlich, dass sich das Unternehmen nun auf einer höheren Stufe bewegte, sowohl in Bezug auf das Kapital als auch auf die Produktionsmittel. Die angekündigten Produkte umfassten immer noch gewöhnliche Töpferwaren und Blumenvasen, doch der Schwerpunkt sollte nun auf «Baukeramik» liegen, insbesondere auf Dachziegel, Backsteine und Rohre.

Paul Pasquier-Castella blieb bis 1909 in der Geschäftsleitung; im Indicateur vaudois gab er fortan den Beruf des Vertreters an. Die Fabrique de poterie et briqueterie de Renens S. A. änderte im Jahr 1923 ihren Firmennamen in Briqueterie, tuilerie et poterie de Renens S. A., eine Umbenennung, die ihre immer stärkere Ausrichtung auf die industrielle Herstellung von Bauelementen widerspiegelte (SHAB, Bd. 41, 1923, 556).

Eine ganzseitige illustrierte Anzeige, erschienen im Indicateur pratique du commerce et de l’industrie du canton de Vaud im Jahr 1931 (S. X), zeigt deutlich, wie gross die neuen Anlagen geworden waren, die nun wie ein moderner Industriekomplex aussahen, der ordnungsgemäss an das Eisenbahn- und Strassennetz angeschlossen war. Das gleiche Jahrbuch enthält ähnlich illustrierte Anzeigen von drei weiteren grossen Ziegelindustrien des Kantons: Dutoit & Cie in Yvonand (unpag. vor S. I); Barraud & Cie in Bussigny, Chavornay, Éclépens und Yverdon (S. III); Morandi Frères in Corcelles-près-Payerne (S. VI).

Das Unternehmen wurde 1966 in «Briqueterie Renens S. A.» umbenannt mit Verlegung des Firmensitzes nach Crissier (SHAB, Bd. 84, 1966, 3109). Zu diesem Zeitpunkt stellte das Unternehmen hauptsächlich Materialien auf der Basis von Zement, Sandstein oder mit Silizium angereichertem Beton her.

1972 wird der Firmenname in BTR Matériaux S. A. umbenannt.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise et genevoise, ainsi que les annuaires du canton de Vaud (consultés sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne et sur le site letempsarchives.ch)
La Feuille officielle suisse du commerce, dès 1883 (consultée sur le site e-periodica.ch)

Bibliographie:

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Huguenin 2010
Claire Huguenin (éd.), Patrimoines en stock. Les collections de Chillon. Une exposition du Musée cantonal d’archéologie et d’histoire de Lausanne en collaboration avec la Fondation du château de Chillon, Espace Arlaud, Lausanne et Château de Chillon. Lausanne 2010.

Rüschlikon ZH, Fayencemanufaktur Abegg (1836-1842)

Roland Blaettler, Andreas Heege 2019

In Rüschlikon, nahe bei Kilchberg-Schooren, produzierten ab den 1830er-Jahren zwei Fayencemanufakturen, aber wohl in einem geringeren Umfang als die von Scheller bzw. Nägeli in Kilchberg-Schooren. Die Manufaktur von Jakob Fehr war von 1832 bis 1866 aktiv, die der Gebrüder Abegg von 1836 bis 1842 (Matter 2012, 17).

 Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon

Die grosse Produktion der vier Manufakturen am Zürichsee bietet besonders in Hinblick auf die Unterscheidung ihrer einfachen, fast identischen Grundformen noch viele Probleme. Die komplexeren Formen der Suppenschüsseln zeigen dagegen formale Eigenheiten, die erlauben, sie verschiedenen Fabriken zuzuweisen. So ist es Rudolf Schnyder überzeugend gelungen, typische Formen der zwei wichtigsten Manufakturen Nägeli (HMO 8689; AF Nr. 28) und Scheller zu definieren (AF Nr. 25; AF Nr. 73; HMO 8149) (Schnyder 1990). Diese erste Unterscheidung nach formalen Kriterien erlaubt zwar, die Dekore auf den Erzeugnissen der beiden sich konkurrenzierenden Unternehmen zu vergleichen, nicht aber endgültig dem einen oder andern Betrieb zuzuweisen. Die Dekorfrage bleibt problematisch, weil man weiss, dass die Maler einmal in dieser, einmal in jener Fabrik arbeiteten.

Schnyder hat auch auf Formen von Suppenschüsseln hingewiesen, die als Modelle von Fehr oder Abegg in Rüschlikon in Frage kommen; doch sind deren Erzeugnisse seltener und die Zuweisungen noch weitgehend hypothetisch (KMM 225; MBS 1944.93; HMO 8141; SFM 113; SFM 111; SFM 112; AF Nr. 74).

Bei den Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon haben wir auf Vergleiche und vertiefte Studien zu jedem Objekt verzichtet. Eine präzisere Zuordnung haben wir nur in Fällen vorgenommen, die klar erscheinen, vermerken aber auch von Rudolf Schnyder gemachte Vorschläge zu Produkten von Rüschlikon. Der Begriff «Kilchberg» bezieht sich auf Stücke, die Nägeli im Schooren oder Scheller im Böndler vor seinem 1835 erfolgten Umzug nach Schooren produzierten. «Kilchberg-Schooren» aber bezeichnet Objekte von Nägeli oder Scheller von nach 1835. Es ist durchaus möglich, dass es unter den hier «Kilchberg» und «Kilchberg-Schooren» zugewiesenen Fayencen auch Exemplare gibt, die, wenn wir einmal klarer sehen sollten, sich dereinst als Erzeugnisse von Rüschlikon erweisen.

 Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz (1500–1950), Sulgen 2014, 42–43

Matter 2012
Annamaria Matter, Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren. Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763–1906. Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43. Zürich 2012.

Schnyder 1990
Rudolf Schnyder, Schweizer Biedermeier-Fayencen, Schooren und Matzendorf. Sammlung Gubi Leemann. Bern 1990.

Rüschlikon ZH, Fayencemanufaktur Fehr (1832-1866)

Roland Blaettler, Andreas Heege 2019

In Rüschlikon, nahe bei Kilchberg-Schooren, produzierten ab den 1830er-Jahren zwei Fayencemanufakturen, aber wohl in einem geringeren Umfang als die von Scheller bzw. Nägeli in Kilchberg-Schooren. Die Manufaktur von Jakob Fehr war von 1832 bis 1866 aktiv, die der Gebrüder Abegg von 1836 bis 1842 (Matter 2012, 17).

 Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon

Die grosse Produktion der vier Manufakturen am Zürichsee bietet besonders in Hinblick auf die Unterscheidung ihrer einfachen, fast identischen Grundformen noch viele Probleme. Die komplexeren Formen der Suppenschüsseln zeigen dagegen formale Eigenheiten, die erlauben, sie verschiedenen Fabriken zuzuweisen. So ist es Rudolf Schnyder überzeugend gelungen, typische Formen der zwei wichtigsten Manufakturen Nägeli (HMO 8689; AF Nr. 28) und Scheller zu definieren (AF Nr. 25; AF Nr. 73; HMO 8149) (Schnyder 1990). Diese erste Unterscheidung nach formalen Kriterien erlaubt zwar, die Dekore auf den Erzeugnissen der beiden sich konkurrenzierenden Unternehmen zu vergleichen, nicht aber endgültig dem einen oder andern Betrieb zuzuweisen. Die Dekorfrage bleibt problematisch, weil man weiss, dass die Maler einmal in dieser, einmal in jener Fabrik arbeiteten.

Schnyder hat auch auf Formen von Suppenschüsseln hingewiesen, die als Modelle von Fehr oder Abegg in Rüschlikon in Frage kommen; doch sind deren Erzeugnisse seltener und die Zuweisungen noch weitgehend hypothetisch (KMM 225; MBS 1944.93; HMO 8141; SFM 113; SFM 111; SFM 112; AF Nr. 74).

Bei den Fayencen aus Kilchberg und Rüschlikon haben wir auf Vergleiche und vertiefte Studien zu jedem Objekt verzichtet. Eine präzisere Zuordnung haben wir nur in Fällen vorgenommen, die klar erscheinen, vermerken aber auch von Rudolf Schnyder gemachte Vorschläge zu Produkten von Rüschlikon. Der Begriff «Kilchberg» bezieht sich auf Stücke, die Nägeli im Schooren oder Scheller im Böndler vor seinem 1835 erfolgten Umzug nach Schooren produzierten. «Kilchberg-Schooren» aber bezeichnet Objekte von Nägeli oder Scheller von nach 1835. Es ist durchaus möglich, dass es unter den hier «Kilchberg» und «Kilchberg-Schooren» zugewiesenen Fayencen auch Exemplare gibt, die, wenn wir einmal klarer sehen sollten, sich dereinst als Erzeugnisse von Rüschlikon erweisen.

 Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz (1500–1950), Sulgen 2014, 42–43

Matter 2012
Annamaria Matter, Die archäologische Untersuchung in der ehemaligen Porzellanmanufaktur Kilchberg-Schooren. Keramikproduktion am linken Zürichseeufer 1763–1906. Monographien der Kantonsarchäologie Zürich 43. Zürich 2012.

Schnyder 1990
Rudolf Schnyder, Schweizer Biedermeier-Fayencen, Schooren und Matzendorf. Sammlung Gubi Leemann. Bern 1990.

Schaffhausen SH, Ziegler´sche Tonwarenfabrik (1828-1973)

Schaffhausen, Zieglersche Tonwarenfabrik  1861, auf beiden Seiten des Rheins

Keramik der  Tonwarenfabrik in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019

Eine umfassende, kulturhistorische und auf die überlieferten Objekte abgestützte Geschichte der Ziegler’schen Tonwarenfabrik in Schaffhausen existiert bis heute nicht und kann an dieser Stelle auch nicht vorgelegt werden. Unsere derzeitigen Kenntnisse, die durch die Bombardierung und den Brand der Fabrik und des Fabrikarchivs im Jahr 1944 extrem rudimentär sind, können sich nur auf veröffentlichte biographische Daten aus der Familie (Ziegler-Ziegler 1888), sowie wissenschaftliche Arbeiten von Karl Frei (1926 und 1951, Fortsetzung 1952), Siegfried Ducret (1953)  und Barbara Messerli-Bolliger (1991 und 1993) stützen. 1993 begleitete ein kleiner Katalog eine Sonderausstellung im Museum Allerheiligen in Schaffhausen (Ziegler-Keramik 1993). 2014 wurde noch einmal ein Teil der Keramiksammlung des Museums in der Ausstellung „geschaffen – gebraucht – gesammelt. Schaffhauser Keramik“ gezeigt. Leider erschien dazu kein Katalog.

Eckdaten der Firmengeschichte

1828 Jakob Ziegler (1775-1863) aus Winterthur pachtete die städtische Ziegelhütte in Schaffhausen und erstellte auf dem rechten Rheinufer ein erstes Firmengebäude. Beginn der Produktion chemischer Gefässe und Leitungsröhren, vor allem für seine chemische Fabrik in Winterthur.

1829  Lehensbrief der Stadt als Ziegelbrenner.

1831 Kauf des Steinbruchs der Gemeinde Flurlingen auf der linken Rheinseite. Bau einer Wasserkraft und eines Zulaufkanals vom Rhein, dabei 1833 Durchbruch des „Rheinfelsens“. Bau von Betriebsgebäuden und Gebäudeerweiterungen bis 1836. Darin auch Unterbringung einer Baumwollweberei. Masse- und Glasuraufbereitung mit Hilfe der Wasserkraft.

1839 Verlegung der Kochgeschirr- und Fayenceproduktion  in die Gebäude auf der linken Rheinseite nach Schliessung der Weberei. Nach der Heirat mit Fanny Pellis aus Lausanne Führung des Doppelnamens Ziegler-Pellis.

Firmengebäude auf der linken Rheinseite, wohl um 1840.

1843 Brand eines Teiles der linksrheinischen Fabrikgebäude, anschliessend Wiederaufbau. Teilnahme an der 1. Schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellung in St. Gallen (Ausstellung von Schmelztiegeln)

1846 Teilnahme an der 1. Industrieausstellung des  Kantons Zürich (Tonröhren, Backsteine, Architekturteile, braunes Kochgeschirr, Vasen, Urnen, Medaillen)

1848 Teilnahme an der 2. Schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellung in Bern. Goldmedaille für Tonwaren.

1850 Kauf der städtischen Ziegelhütte auf dem  rechten Rheinufer.

1851 Beschickung der 1. Weltausstellung in London, Ausstellung eines neugotischen Taufsteins.

1854  Teilnahme an der 2. Industrieausstellung des  Kantons Zürich.

1857 Teilnahme an der 3. Schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellung in Bern. Bronzemedaille. Gezeigt werden u.a. Arbeiten, die in Zusammenarbeit mit dem Künstler Johann Jacob Oechslin entstanden sind.

1860 Bau des Rheinsteges, der die Firmenteile auf beiden Rheinufern verbindet. Teilnahme an der Industrieausstellung in Uster.

1863 Nach dem Tod von Jakob Ziegler Übernahme der Firma  durch seinen Sohn Johannes Ziegler-Ernst (1809-1868). Ausbau der Wasserkraft.

1866 Bau einer Seiltransmisson über den Rhein zum Antrieb der rechtsrheinischen Fabrik. Ausbau der Maschinenarbeit. Bau eines neuen Fabrikgebäudes und modernen Brennofens auf der linken Rheinseite.

1868 Tod von Johannes Ziegler-Ernst. Verwaltung der Fabrik durch Friedrich Zollinger.

1870 Beschickung an einer Ausstellung in Kassel, 1. Preis.

1873 Teilnahme an der Weltausstellung in Wien, als einziger nennenswerter Vertreter der keramischen Industrie bzw. des Hafnerhandwerks in der Schweiz (Katalog für die schweizerische Abtheilung der Wiener Welt-Ausstellung 1873, IX. Gruppe, Stein-, Thon- und Glas-Industrie, Ausstellernummer 517). Ausstellungsobjekte: Tonröhren mit porenfreien Wandungen für Kanalisation und Wasserleitungen, Röhren für Drainage, ein Sortiment feines braunes Kochgeschirr, ein Sortiment Blumenvasen und Hängelampen, ein Sortiment glasierte Falzziegel für flache Dächer. Ergebnis: Verdienst-Medaille.

1874 Hermann Ziegler-Frauler (1848-1913) tritt in die Fabrik ein und wirkt dort bis 1910.

1875/76 Stilllegung der alten Ziegelhütte und Bau einer Steinzeugfabrik (Röhrenfabrik) auf dem rechten Rheinufer zwischen der Eisenbahnlinie und den alten Fabrikgebäuden

1876 Eduard Ziegler-Ziegler (1852-1935) tritt in die Fabrik ein.

1877 Bau eines neuen grossen Ofens. Einführung eines ununterbrochenen Fabrikbetriebs.

1878 Teilnahme an der Weltausstellung in Paris, Silbermedaille.

1880 Rückkehr der Geschirrproduktion auf die rechte Rheinseite.

1883 Teilnahme an der 1. Schweizerischen Landesausstellung in Zürich. Auszeichnung für Geschirr und Röhren.

1890 Gründung der mechanischen Ziegel- und Röhrenfabrik (später Schweizerische Steinzeugröhrenfabrik).

1894 Ausstellung in Zürich, goldenes Ehrendiplom.

1896 2. Landesausstellung in Genf, Goldmedaille.

1899 Abtrennung der Röhrenfabrik (Mechanische Ton- und Röhrenfabrik) von der Geschirrfabrikation.

1907 Eintritt von Eduard Ziegler-Studer in die Firma (1879-1944).

1912 Brand der rechtsrheinischen Fabrik und Neubau. Stilllegung des  Betriebs „Rheinfels“ auf dem linken Rheinufer (Abbruch der Fabrikgebäude zwischen 1920 und 1928).

1914 Aussteller auf der Schweizerischen Landesausstellung in Bern, Goldmedaille (siehe Bild aus der Zeitschrift „Die Schweiz“).

1915 Umwandlung der Kollektivgesellschaft Eduard Ziegler und Sohn in eine Aktiengesellschaft.

1916-1918 Durch den 1. Weltkrieg bedingte Produktionsprobleme

1918 Verkauf der linksrheinischen Liegenschaften samt Wasserkraft und Unterhaltspflicht für den Rheinsteg. Teilnahme an der Schweizerischen Mustermesse in Basel.

1921 Teilnahme an der Kantonalen Gartenbauausstellung Imthurneum (Vasen).

1923 Ausstellung in der Tonhalle Zürich.

1930 Teilnahme an der Schweizerischen Mustermesse Basel.

1935 Teilnahme an der Schweizerischen Mustermesse Basel, Schweizer Woche Luzern, Comptoir Suisse In Lausanne.

1938 Werner Ziegler-Egger (5. Generation) tritt in die Firma ein.

1939 Teinahme an der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich

1941 Rolf Ziegler (5. Generation) tritt in die Firma ein. Teilweise Umstellung des Brennbetriebes auf Elektrizität.

1944, 1. April Zerstörung von 2/3 der Firmengebäude und des Firmenarchivs durch den irrtümlichen Brandbombenabwurf amerikanischer Bomber.

1945-1946 Wiederaufbau

1947 Umstellung von Weichsteingut (Kalksteingut) auf Hartsteingut (Feldspatsteingut)

1949 Einrichtung einer Kunstabteilung unter Gustav Spörri (1902-1976; Strübin 2013), die dieser bis 1964 als künstlerischer Leiter führt.

1953 Firmenjubiläum 125 Jahre Tonwarenfabrik Ziegler AG.

1957 Aufgabe des beliebten „Bauerndekors“.

1957-1964 Teilnahme an der Frankfurter Messe.

1964 Beschluss einer ausserordentlichen GV der Aktiengesellschaft, die Keramikproduktion ab Januar 1965 schrittweise zurückzufahren.

1973 Definitive Stilllegung der Keramikproduktion.

 

Über das Aussehen der frühen Produkte der 1830er-Jahre von Schaffhausen, wissen wir so gut wie nichts. Jakob Ziegler-Pellis präsentierte aber unter der Ausstellernummer 691 zwei Terrinen im Stil «à la Dufour» auf der 2.  Schweizerischen Industrieausstellung in Bern im Jahr 1848 (Messerli Bolliger 1991, 28). Dies ist das einzige bekannte Exemplar (MHV 2869), das zugleich die damalige Fabrikmarke zeigt.  Deutlich wird auch, dass man in Schaffhausen Geschirr mit Manganglasur fertigte, in einer Qualität, die der Manufakturen am Zürichsee  in Kilchberg-Schooren (Nägeli, Scheller, später Staub) durchaus entsprach. Über die weiteren Ausstellungsstücke von 1848, u.a. Kopien von Basaltware („Wedgwoodgeschirr“ ) und einem umfangreichen Spektrum an Geschirr mit Manganglasur (u.a. auch Kaffeemaschinen mit keramischem Filter) berichtete Karl Frei  (1951) ausführlich, gestützt auf den technischen Ausstellungsbericht von Dr. Ludwig Stantz (1801—1871) : „Von Herrn Ziegler-Pellis waren ausgestellt in beinahe siebzig Artikeln braunglasierte, im Model geformte, steingutähnliche, mit geschmackvollen Perlenbördchen verzierte Koch- und Tafelgeschirre, ferner Nachbildungen der schwarzen englischen Wedgewood- Basalt-Geschirre. Die ersten Waren haben durch Eleganz der Form, verbunden mit deren Tauglichkeit zum praktischen Gebrauche, durch den Glanz und die Gleichmässigkeit der Glasur, den schönen hellen Klang und durch ihre Mannigfaltigkeit den allgemeinen Beifall gewonnen. Dieser Industriezweig, ein ziemlich neuer, ist ganz geeignet, jedem Töpfer zum Vorbild zu dienen. Die Geschirre des Herrn Ziegler sind nicht viel theurer als die gemeinen, meist sehr hässlichen und plumpen Töpferwaren und können, die Farbe allein abgerechnet, in den meisten Fällen die Fayence ersetzen.“ Für seine Produkte erhielt Ziegler eine Goldmedaille.

Auf der 3.  Schweizerischen Industrieausstellung in Bern im Jahr 1857, war Ziegler nach Ausstellungsbeteiligungen an den Weltausstellungen in London 1851 und Paris 1855, allerdings weniger erfolgreich (Frei 1952). Karl Frei analysierte 1952 den Jurybericht:

„An den Geschirren der Mechanischen Tonwarenfabrik in Schaffhausen wird gelobt, dass ihre Glasuren sehr glatt und gut geflossen, die Masse gut verarbeitet und die Form gefällig sei. Bei aller Anerkennung für das Bestreben der Fabrik, diese unbedingt guten Geschirre in den Handel zu bringen, müsse aber doch gesagt werden, dass sie wohl kaum die weissen Fayencen und Steingutwaren werde verdrängen können, da die braune Glasur der grossen Terrinen, Platten und Tassen dem entgegenwirke.“

Von besonderer Bedeutung für unsere Kenntnisse des Produktionsspektrums ist die Tatsache, dass aufgrund der frühen Forschungen von Karl Frei (1926) im Schweizerischen Nationalmuseum Negative von drei Preislisten bzw. Musterbüchern der Fabrik erhalten geblieben sind, deren exakte Datierung sich jedoch in der Diskussion befindet. Eine illustrierte Preisliste für Kanalisations- und Abtrittröhren  bzw. Abtritttrichter und spezielle Dachziegel (Dachlichter, Guggerli)  aus der Zeit um 1860 befindet sich im Stadtarchiv Schaffhausen (Ziegler-Keramik 1993, 28).

Karl Frei schrieb 1926, S. 101–104:

„Aus den Zeiten von J. Ziegler-Pellis existiert ein „Preis Corrent von den Thonwaarenfabriken von J. Ziegler-Pellis bei Schaffhausen“, in welchem neben bildlichen Darstellungen, die „Mechanisch gepresste, steinhart gebrannte, circa 4 Fuss lange Teichel aus Thon zu Brunnenleitungen“, sowie „Hartgebrannte circa 2 Fuss lange Röhren für Heizungen, für Abtrittscanäle, nebst Einmündungen und Kaminhüten, Drainröhren von 1 Fuss Länge“, „Dachlichter“ und „Guggerli“ zeigen, die Preise der Artikel und „Erläuterungen und nähere Bestimmungen“ zu den „Teicheln“ neuen und alten Systems. Im Kopf des Prospekts liest man ausserdem, dass die Fabrik neben „Teichel zu Brunnenleitungen, Röhren zu Abtritten, Kaminen, glasierten Falzplatten, Dachlichtern, feuerfesten Steinen, Ornamenten“ auch „feines braunes Kochgeschirr, weisses, blaues, gelbes und gemaltes Fayance, Blumenlampen, Vasen, Briefbeschwerer, Büsten, Statueten etc.“ verfertigte.

 

Die Röhren der Zieglerschen Produktion tragen eingestempelte Marken (Bänteli/Bürgin 2017, Bd. 2, Abb. 499,  Foto Kantonsarchäologie Schaffhausen)

Endlich existiert noch ein französisch abgefasster Prospekt, der nach einem Bleistiftvermerk jedenfalls vor 1862 zu datieren ist und die Preisliste samt den Abbildungen der Fabrikate der linksrheinischen Geschirrfabrik enthält. Es gibt da, wir verdeutschen: Teller verschiedener Art (1-3), Bartbecken (4, Rasierschüsseln), Kindersaugfläschchen, Kasserolen und sog. Dreifüsse (14, 15), Kaffeekannen und -Maschinen (17, 18, 31, 77), Henkel-, Ohren- und Glockentassen (26, 29, 30), Bettflaschen (5), Wasserbecken (23, 24), Schreibzeuge (27, 93), Sulzformen (31-38), Brot- und Fruchtkörbchen (26, 41, 42), diverse Braten-, Marinier-, Ragout- und andere Platten (21, 62), Seifenschalen (87, 88), Milchkrüge „forme bernoise et zurichoise“ (49-51, 53), unglasierte, poröse Wasserflaschen (54, „Alcarasa“), Kinderkochherde (61), Bratplatten (62, „Poêlon à frire et à queue“), Salat- und Suppenschüsseln (65, 66, 67, 71, 72, 103), Salz- und Pfeffergeschirre (68-70), Zuckerbüchsen (76), Teekannen (52), Briefbeschwerer mit figürlichem Schmuck (79-83, liegender Löwe und Hund, liegendes Kind und Pferd, liegende Sphinx), Kindergeschirr und Blumengefässe (84, 85, 101, 102) usw. Die Gegenstände kommen entweder als braunes Kochgeschirr (Fayences brunes à cuire [Kommentar Andreas Heege: wohl manganglasiertes Geschirr?]) oder, zu erhöhten Preisen in weisser, blauer und gelber Fayence in den Handel, die Briefbeschwerer und Blumengefässe unglasiert. Ausser dem einfach blau, weiss, gelb oder braun glasierten Fayencegeschirr, mit welchem die Fabrik den Schaffhauser Landhafnern Konkurrenz machte, wird in den Prospekten noch von bemalten Fayencen gesprochen, ohne dass es uns aber möglich wäre, davon eine Probe im Bilde zu geben. Es soll sich meist um einfache Dekors mit einer farbigen Rose und ähnlichem gehandelt haben.

Nach dem „Preis-Corrent“ von 1862/65 verkaufte die Zieglersche Tonwarenfabrik folgende Sachen: „Für Bauten: Architektonische Verzierungen, als Capitäle, Gesimse, Gurte, Friese, Consolen, Füllungen, Rosetten, Baluster etc. — Für Kirchen: Taufsteine in gothischem und modernem Styl. — Zu Decoration von Gärten, Balcons, Portalen, Salons etc.: Vasen und Urnen in grosser Abwechslung der Formen und Verzierungen, Hängelampen, Blumenbecher, Blumentöpfe, Blumenkübel, Frucht- und Wandkörbe, Briefbeschwerer, Büsten, Gruppen, Statuetten, Medaillons etc. — Für Küchen und Vorrathskammern : Braun glasiertes Kochgeschirr in gefälligen Formen und billigen Preisen. Fayence in weiss, blau und gelber Glasur, glatt und bemalt, Beizehäfen, Oel- und Wasserkrüge, grosse Schüsseln und Töpfe mit Wasserschluss für Fleisch und Butter. — Für chemische Fabriken, Färbereien etc. : Farbschüsseln in allen Grössen, Possierschalen, Abdampf- und Reibschalen mit Pistill, Retorten mit Tubus und Deckel für Chlorbereitung, Zinnsalzschüsseln, Säuremass, Trichter bis 4 Zoll Diameter.“ Mit Abbildungen figurieren im Preisverzeichnis von 1862/65 die Teuchel zu Brunnenleitungen, Drainröhren, Röhren für Rauchleitungen, die Dachlichter, Eirstplatten, glasierten Falz- und unglasierten Geländerziegel, die geschliffenen und farbigen Bodenplatten, Gewölbesteine und Rabattenziegel und Teile zu sanitären Anlagen.

Ähnlich in dem 32 seitigen lithographierten „Preis – Corrent“ von 1869. Hier sieht man überdies Bilder der Vasen, Etageren, Wandkörbchen, Hängelampen, Briefbeschwerer, Taufsteine und architektonischen Verzierungen, welche man in der rechtsrheinischen Fabrik herstellte.“

1879 verfertigte die Fabrik nach Jaennicke 1879, S. 911:  „Geschirre, bleiglasiert von dunkelschokoladebrauner Farbe und schöne Terracotta-Statuetten und Gruppen …“

Die jüngere Firmengeschichte des späten 19. und des 20. Jahrhunderts ist bisher nicht detailliert aufgearbeitet worden. Einzig zu dem bedeutenden Keramiker Gustav Spörri (1902-1976), der von 1949 bis 1964 die kunstkeramische Abteilung leitete, existiert eine monographische Bearbeitung (Strübin 2013).

 

Preisliste um 1860

Musterbuch vor 1862 (Messerli-Bolliger 1991: später als 1863)

Musterbuch 1862/1865 (Messerli-Bolliger 1991: 1865 oder später)

Musterbuch 1869/1872

Fotos der Tonwarenfabrik

Marken der Fabrik

Bibliographie

Bänteli/Bürgin 2017
Kurt Bänteli/Katharina Bürgin, Schaffhausen im Mittelalter – Baugeschichte 1045-1550 und archäologisch-historischer Stadtkataster des baulichen Erbes 1045-1900 (Schaffhauser Archäologie 11), Schaffhausen 2017, besonders Bd. 2, Abb. 499.

Ducret 1953
Siegfried Ducret, 125 Jahre Tonwarenfabrik Ziegler A.G. Schaffhausen, in: Keramikfreunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 24, 1953, 16-19.

Frei 1926
Karl Frei, Ein Portraitmedaillon des ersten schweizerischen Bundespräsidenten Jonas Furrer aus der Tonwarenfabrik J. Ziegler-Pellis in Schaffhausen: modelliert von Johann Jakob Oechslin, in: Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums 35, 1926, 85-105.

Frei 1951
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil I, in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 20, 1951, 4-7.

Frei 1952
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil II., in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 21, 1952, 3-6.

Jaennicke 1879
Friedrich Jaennicke, Grundriss der Keramik in Bezug auf das Kunstgewerbe, Stuttgart 1879.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert, zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 5-100.

Messerli Bolliger 1993
Barbara E. Messerli Bolliger, Keramik in der Schweiz. Von den Anfängen bis heute, Zürich 1993, 145-149.

Strübin 2013
Markus Strübin, Begegnungen mit Gustav Spörri 1902-76. Hommage an einen beinahe in Vergessenheit geratenen Schweizer Keramik-Künstler, Allschwil 2013.

Ziegler-Keramik 1993
Museum zu Allerheiligen (Hrsg.), Ziegler-Keramik. Ziegler’sche Thonwarenfabrik AG Schaffhausen (1828-1973), Schaffhausen 1993.

Ziegler-Ziegler 1888
Eduard Ziegler-Ziegler, Jakob Ziegler-Pellis von Winterthur. Eine Skizze seines Lebens für die Familie bestimmt. Mit dem Bildnisse Jakob Zieglers und einer Stammtafel, Winterthur 1888.

Schramberg, Baden-Württemberg, Deutschland

Objekte in CERAMICA CH

Andreas Heege 2019

Wichtige Konkurrenten der schweizerischen Fayence- und Steingutproduktion waren verschiedene südwestdeutsche Manufakturen. Diese hatten angesichts der unzureichenden schweizerischen Produktionsverhältnisse, zumindest in der Deutschschweiz in den 1820er- bis 1840er-Jahren so etwas wie ein «Monopol», stand ihren Produkten doch wohl nur eine begrenzte lokale Herstellung gegenüber. Es handelt sich um die badischen Manufakturen Zell am Harmersbach (ab 1794, wechselnde Besitzer, bis heute in Produktion), Hornberg (1817–1912, heute Duravit Sanitärkeramik) sowie das württembergische Schramberg (1820–1882, ab 1829 unter Uechtritz & Faist firmierend) und zahlreiche weitere kleine Produktionsorte im süddeutschen Raum (Zu den genannten Produktionsorten: Kybalová 1990, 121–126; Simmermacher 2002; Kronberger-Frentzen 1964; Schüly 2000. Zu Hornberg vgl. auch: Hitzfeld 1970. Zu Zell am Harmersbach vgl. auch: Spindler 2005; Sandfuchs 1989). Die teilweise wohl überragende Konkurrenz spiegelt sich auch in den Berichten zu den bernischen Industriemessen von 1848 bzw. 1857 (Frei 1951; Frei 1952).

Die wichtigsten Steingutmanufakturen nördlich der Schweiz (nach Brandl 1993, 22 verändert).

Zu Schramberg (1820-1883) gibt es ganz aktuell eine monographische Aufarbeitung der Firmengeschichte, ihrer Produkte und ihrer Marken (Staffhorst 2020 – ISBN 978-3-9821496-0-8); vgl. bisher: Waller 1872, 109–111; Singer 1918, 45–47; Kronberger-Frenzen 1964, 65-76; Preger 1977; Heege 2013).

Zu Schramberg unter Villeroy und Boch: vgl. Thomas 1976, 42–43; Thomas 1977, 29, ausserdem: Brinkmann/Brinkmann 2016. Vgl. auch: www.porcelainmarksandmore.com).

Das 200jährige Firmenjubiläum, der heute nicht mehr produzierenden Schramberger Majolikafabrik würdigt  Buchholz 2020.

Perioden der Firmengeschichte

Faist’sche Steingutfabrik (1820 bis 1829)
Steingut- und Majolikafabrik Uechtritz & Faist (1829 bis 1883)
Villeroy & Boch, Niederlassung Schramberg (1883 bis 1912)
Schramberger Majolikafabrik (1912 bis 1989, ab 1918 G.m.b.H.

Von besonderer Bedeutung ist die Tatsache, dass für Schramberg sowohl zwei Musterbücher als auch Preislisten aus den 1850er-Jahren existieren, die einen guten Eindruck von der Produktion vermitteln.  Schramberg ist wie Zell am Harmersbach und Hornberg bekannt für seine Umdruckdekore.

Musterbuch I Schramberg, Baden-Württemberg , Deutschland

Musterbuch Schramberg II – Tafeln und Texte

Musterbuch Schramberg II – Preislisten

Musterbuch Schramberg II – Publikation, Baden-Württemberg, Deutschland

Musterbücher und Preislisten im Besitz des Stadtmuseums Schramberg

Musterbuch Schramberg III – ca. 1871-1883

Musterbuch Schramberg IV – V&B – 1886, Nachtrag

Musterbuch Schramberg V – V&B – 1890. Teil 1

Musterbuch Schramberg V – V&B – 1890. Teil 2

Musterbuch Schramberg V – V&B – 1890. Teil 3

Musterbuch Schramberg VI – V&B, 1892, Nachtrag

Musterbuch/Preisverzeichnis  Schramberg VII – V&B – 1898

Musterbuch Schramberg VIII – V&B – 1901, Teil 1

Musterbuch Schramberg VIII – V&B – 1901, Teil 2

Sehenswerte Ausstellung zur Firmengeschichte und den Schramberger Keramikprodukten: Stadtmuseum Schramberg.

Bibliographie

Brandl 1993
Andrea Brandl, Aschacher Steingut. Die Steingutfabrik (1829-1861) des Schweinfurter Industriellen Wilhelm Sattler (Schweinfurter Museumsschriften 55), Schweinfurt 1993.

Brinkmann/Brinkmann 2016
Karl-Eugen Brinkmann/Margitta Brinkmann, Schramberg 1857-1912. Eine Keramikfabrik an der Schwelle zur Hochindustrie, Dillingen 2016 (ohne ISBN).

Buchholz 2020
Günter Buchholz, Schramberger Majolikafabrik. Die Steingutfabrik – Grundstein der wirtschaftlichen Entwicklung unserer Stadt, Messkirch 2020.

Bühler/Schmidt 1967
Carl Bühler/Eckhard Schmidt, Vom Steingut Geschirr zur Sanitär Keramik. 150 Jahre im Dienste der Keramik, Hornberg 1967.

Frei 1951
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil I, in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 20, 1951, 4-7.

Frei 1952
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil II., in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 21, 1952, 3-6.

Heege 2013
Andreas Heege, Ein unbekanntes Musterbuch der ersten königlich württembergischen Steingutmanufaktur Schramberg (Uechtritz&Faist) aus der Zeit nach 1855 in: Harald Siebenmorgen, Blick nach Westen. Keramik in Baden und im Elsass. 45. Internationales Symposium Keramikforschung Badisches Landesmuseum Karlsruhe 24.8.-28.9.2012, Karlsruhe 2013, 107-115.

Hitzfeld 1970
Karlleopold Hitzfeld, Hornberg an der Schwarzwaldbahn. Vergangenheit und Gegenwart der Stadt des Hornberger Schiessens, Hornberg 1970.

Kronberger-Frentzen 1964
Hanna Kronberger-Frentzen, Altes Bildergeschirr. Bilderdruck auf Steingut aus süddeutschen und saarländischcen Manufakturen, Tübingen 1964.

Kybalová 1990
Jana Kybalová, Steingut, Prag 1990.

Preger 1977
Max Preger, Schramberger Bildergeschirr, in: Schwäbische Heimat, 1977, Heft 4, 311-319.

Sandfuchs 1989
Bertram Sandfuchs, Zeller Keramik seit 1794: Ausstellung „Zeller Keramik“ zum 850jährigen Stadtjubiläum, 7. Mai – 17. Septemberg 1989, Zell 1989.

Schüly 2000
Maria Schüly, Antikisches Geschirr aus dem Schwarzwald. Die Steingutmanufaktur in Zell, Hornberg und Schramberg, in: Martin Flashar, Europa à la Grecque. Vasen machen Mode, München 2000, 124-129.

Simmermacher 2002
René Simmermacher, Gebrauchskeramik in Südbaden, Karlsruhe 2002.

Singer 1918
F. X. Singer, Schwarzwaldbuch. Ein Volksbuch für Heimatkunde und Heimatpflege (zunächst) in Stadt und Bezirk Oberndorf, Oberndorf 1918.

Spindler 2005
Konrad Spindler, Ein Grubeninhalt der Zeit kurz nach 1900 aus Riezlern, Gem. Mittelberg, im Kleinen Walsertal, Vorarlberg – Keramik, Glas und Metall, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 149, 2005, 67-106.

Staffhorst 2020
Andreas Staffhorst, Schramberger Steingut 1820-1882 (Schriftenreihe des Stadtarchivs und Stadtmuseums Schramberg 30), Schramberg 2020.

Thomas 1976
Thérèse Thomas, Villeroy & Boch. Keramik vom Barock bis zur Neuen Sachlichkeit. Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Mettlach 1976.

Thomas 1977
Thérèse Thomas, Villeroy&Boch 1748-1930. Keramik aus der Produktion zweier Jahrhunderte, Amsterdam 1977.

Waller 1872
German Waller, Chronik der Stadt und ehemaligen Herrschaft Schramberg sowie Ortsbeschreibung von Schramberg, Wolfach 1872.

Schüpbach BE, Töpferei Kohler

Schüpbach, um 1928. 1 Standort der ersten Töpferei im Keller des Gasthof Kreuz, 1869-1879. 2 Töpferei von 1879-1926. 3 Neuerbaute Töpferei Kohler von 1927 bis heute. Nördlich der Brücke über die Emme liegen die Dorfteile „Bord“ und „Fuhren“.

Andreas Heege, Andreas Kistler, 2023
Unter intensiver Nutzung der Seminararbeit von Fanny Ruesch (1984) und aufgrund von Erzählungen und Informationen von Ueli Kohler

Keramik der Töpferei  Kohler in CERAMICA CH

Einleitung – Die Töpfer in der Gemeinde Signau

Schüpbach im Emmental ist ein Teil der heutigen Gemeinde Signau im Kanton Bern. Als Töpferort lag Schüpbach immer etwas im Schatten von Langnau, wo seit Beginn des 17. Jahrhunderts eine grössere Anzahl von Werkstätten der Töpferfamilie Herrmann existierte.

Ein erster Töpfer in der Gemeinde Signau lässt sich 1798 nachweisen, als ein Johannes Schüpbach aus Schüpbach (1750-?) mit dem Wohnort Signau im Helvetischen Bürgerregister verzeichnet wird (Rohrbach 1999, Bd. 2, S. 701). Wo er seine Werkstatt hatte, wissen wir nicht. Archivalisch lässt sich belegen, dass zwischen 1835 und 1848 in Signau ein Töpfer mit Namen Christian Herrmann (1793-1851) arbeitete, der aus Langnau stammte. Auch hier sind die Lage der Werkstatt und das Produktionsspektrum unbekannt (Heege/Kistler 2017, 90-91). Gleiches gilt für den Töpfer Jakob Ryser, für den Nachweise zwischen 1851 und 1864 vorliegen (StAB Bez Signau B19 und B20). Nach Informationen von Ulrich Kohler, existierte die Töpferei Ryser in Signau , im Moserhaus (Dorfstrasse 58), bis 1920. Familienmitglieder arbeiteten später bei Oswald Kohler und einzelne Teile der Werkstatt-Ausstattung wurden von Kohlers übernommen.

Die ersten nachweisbaren Töpfer auf dem Gemeindeteilgebiet von Schüpbach waren die Töpfer Johann Liechti (1856 und 1860) und Carl Liechti (1860 und 1861, StAB Bez Signau B20).

Lage der 2022/2023 abgebrochenen Töpferei in Schüpbach-Fuhren bzw. Port/Bord, Kartengrundlage Swisstopo, Zeitreise, Datierung 1893.

Zumindest für Letzteren wird als Wohnort Schüpbach-Fuhren bzw. Schüpbach-Fuhren, Port (Bord) angegeben. Damit hätte die Töpferei auf der Nordseite der Emme Richtung Langnau gelegen. Einer der Töpfer Liechti war der Lehrmeister für Niklaus Kohler (s.u.).

Für den Standort Schüpbachfuren finden sich auch noch Angaben zum Töpfer Johannes Lüthi (1859 und 1860, StAB Bez Signau B20). Vielleicht existierten in diesem Ortsteil von Schüpbach kurzfristig also zwei Töpfereibetriebe, über deren weiteres Schicksal wir nichts wissen.

Der Hafner Johannes Lüthi wurde am 2.2.1834 geboren (alle folgenden Informationen von Daniel Dähler, Wynigen, herzlichen Dank!). Seine Eltern Johannes Lüthi (Heimatort Lauperswil) und Anna Barbara Riser (Heimatort Sumiswald) lebten damals in Bowil (KR Grosshöchstetten, 10/94). Administriert wurde Johannes 1850 in Signau (KR Lauperswil 21/58). Er heiratete am 1. Juli 1858 in Laufen ZH Anna Gisel (1830-?) aus Wilchingen SH (KR Lauperswil 21/58). Beim Hochzeitseintrag wird als Beruf „Hafner in Wilchingen“ (Kanton Schaffhausen) angegeben.  Am 24.10.1858 tauften sie dort ihre erste Tochter Elisabeth (KR Lauperswil 17/93). Das zweite Kind Johann Willibald tauften sie dann aber am 9. Dezember 1859 in Signau BE, dabei wird  Johannes als „Hafner auf der Schüpbachfuhren“ bezeichnet (KR Lauperswil 171/110). Hier blieb Johannes aber nur kurz. Am 13. Juli 1860 verkaufte Niklaus Schärer, der Zimmermann im Wächterhäusli zu Wynigen die Töpferei seines verstorbenen Sohnes Jakob Schärer in Wynigen, Neumattweg 11,  „DAS VON IHM SELBST NEU AUFGEBAUTE WOHNHAUS MIT HAFNEREI, aussenher Wynigendorf,  … mit dem Recht zum halben Wasser, von dem dabei auslaufenden Brunnen. Dazu das Erdreich, worauf das Gebäude steht, samt dem Garten vor demselben, alles ca. ¼ Jucharte haltend …“  an Johannes Lüthi, Heimatort Lauperswil, als Hafner wohnhaft in Schüpbach bei Signau (Grundbuch Wynigen 15/322). Mit dem Kauf eines Hafnerhauses in Wynigen wurde Lüthi offenbar nicht glücklich, denn er verkaufte es bereits am 16. Dezember 1861 wieder an die Gebrüder Jakob und Ludwig Althaus von der Schwarzenegg, Hafner in Langnau (Grundbuch Wynigen 15/554). Er selbst ging offenbar mit seiner Familie zurück nach Wilchingen SH, wo der „Hafner zu Wilchingen“ am 3. Januar 1864 eine Tochter mit Namen Anna taufen liess (KR Lauperswil 17/166).

Für das südlich gelegene Dorf Schüpbach selbst haben wir erste Töpfernachweise aus den Jahren 1865 und 1866 (Töpfer Lehmann, StAB Bez Signau B20), 1867 und 1868 (Töpfer Gottlieb Wüthrich, StAB Bez Signau B20) und 1868 und 1869 (Töpfer Christian Bieri,  StAB Bez Signau B20). Für keine dieser Töpfereien kennen wir die Bestandszeit oder das Grundstück). Einer dieser Betriebe mag, nach den Erinnerungen von Familie Kohler, an der heutigen Hauptstrasse 17 in Schüpbach gelegen haben.

Töpfermeister Fr. Dällenbach (1864-1937) lässt sich aufgrund von Archivalien und Zeitungsinformationen zwischen 1898 und 1937 sicher nachweisen (StAB Bez Signau B 754, B 755). Seine Töpferei lag nach Aussage von Familie Kohler „Im Schachen“, Schachenweg 5.

Töpfer Jakob Berchtold erscheint zwischen 1902 und 1908 in Zeitungsannoncen und Quellen (StAB Bez Signau B 755). Diese Töpferei lag nach Aussagen von Familie Kohler an der Eggiwilstrasse 43 und soll um 1935 die Produktion eingestellt haben (Ruesch 1984, 1) .

Die Töpferei Kohler in Schüpbach

Niklaus und Marianne Kohler und ihre Kinder, Schüpbach, vor 1922 (Foto Ulrich Kohler, Schüpbach).

Niklaus Kohler (1843-1927), der nach familiärer Überlieferung seine Töpferei 1869 in Schüpbach einrichtete, scheint aufgrund von beschäftigten Gesellen nur 1891 und 1904/1905 in den Quellen auf (StAB Bez Signau B 753, B 755), jedoch ist die familiäre Überlieferung aufgrund der Arbeit von Fanny Ruesch (Ruesch 1984) wesentlich dichter.

Stammbaum Kohler-Gerber-Aebi

Familie Kohler ist in Landiswil BE heimatberechtigt (Burgerrodel Landiswil, 4, 21). Niklaus Kohler (1843-1927, Burgerrodel Landiswil 5, 616) , der erste Töpfer, wurde in Langnau als Sohn eines Ziegenhirten in ärmlichen Verhältnissen geboren und wuchs dort auf. Er machte nach Familienüberlieferung seine Lehre bei Töpfer Liechti in Schüpbach (also wohl Schüpbach-Fuhren), nachdem er bereits vorher eine Lehre als Bierbrauer im Gasthof „Löwen“ in Langnau absolviert hatte.

Er liess sich vor 1869 in Schüpbach nieder und richtete seine Töpferei zunächst in einem Kellerraum des heutigen Gasthauses „Kreuz“ in Schüpbach, Eggiwilstrasse 1, ein (Ruesch 1984, 9). Am 6.7.1866 heiratete er Marianne Salzmann aus Signau, die in der Gegend als „Heilerin“ bekannt war. Nach Familienerinnerungen hat sie im Betrieb nicht als Malerin mitgearbeitet. Etwa 10 Jahre blieb die Töpferei an diesem Ort. Die Familie lebte im gleichen Haus. Um 1879 erwarb Niklaus Kohler in der Nachbarschaft am Schüpbachkanal eine ehemalige Gerberei (ehemals Eggiwilstrasse 81, heute Eggiwilstrasse 11).

Töpferei Eggiwilstrasse 11, gezeichnet von Oswald Kohler, 1929.

Ausser der Werkstatt gehörte ein kleiner Stall mit Scheune zur Einrichtung des Hauses. Im Nachbarhaus, auf der anderen Seite des Schüpbachkanals (ehemals Eggiwilstrasse 80, heute Eggiwilstrasse 9), war zu diesem Zeitpunkt eine Glätte- bzw. Glasurmühle untergebracht. Von dort bezog Niklaus Kohler seine Glasuren. Den Ton grub Niklaus Kohler zu diesem Zeitpunkt auf dem Gebiet der Gemeinde Eggiwil beim „Gäumenhüsi“. Die anfallenden Fehlbrände habe man normalerweise in der Emme versenkt.

Im Haus Eggiwilstrasse 11 lebten im frühen 20. Jahrhundert zeitweilig vier Parteien, neben den Familien von Niklaus und Oswald Kohler u.a. auch die Familie Adolf Gerber und Marie Kohler. Das grösste Problem dieser Liegenschaft war ein sehr hoher Grundwasserstand, der offenbar immer wieder auch den Brennofen und seine Basis beeinflusste und zu erheblichen Verlusten beim Brenngut führte. Pläne den Ofen anzuheben, wurden letztlich nicht realisiert.

Aus der ersten Zeit der Töpferei haben sich auch vier signierte und teilweise datierte Malhörnchen erhalten.

Möglicherweise stammen aus der Zeit von Niklaus Kohler auch ein Sieb und ein Schmalztopf mit Stülpdeckel.

Im Besitz der Töpferfamilie Kohler hat sich ein grosser Teller erhalten, der im Blumendekor (Veilchen und Tulpen) und in der Tatsache, dass eine weisse Grundengobe über einer dunkelbraunen Grundengobe liegt, noch Anklänge an Heimberger Traditionen der 1860er- bis späten 1870er-Jahre zeigt. Allerdings ist die Rückseite in einem ungewöhnlichen Gelbgrün glasiert, sodass die Datierung des Stücks (1880er-/1890er-Jahre?) nicht leicht fällt. Aufgrund einer Familientradition wird dieses Stück Oswald Kohler, sen. (1886-1955) zugeschrieben, müsste aus chronologischen Gründen aber eher in der Zeit von Niklaus Kohler entstanden sein. Zudem erinnert der ausgestreckte Arm der Helvetia an das zwischen 1850 und 1874 übliche Münzbild der sitzenden Helvetia mit ausgestrecktem Arm und nicht an jenes der stehenden Helvetia mit Speer und Schild, das seit 1874/1875 geprägt wurde. Die Zeit der Pfahlbaubegeisterung lag ebenfalls in den 1870er-Jahren.

Niklaus Kohler und Marianne Salzmann bekamen elf Kindern, von denen nur Oswald Kohler (1886-1955) in die Fussstapfen seines Vaters trat. Eine unverheiratete Schwester arbeitete in der Töpferei mit. Oswalds Schwester Marie (1882-1935) heiratete am 11. Mai 1904 den Töpfergesellen Adolf Gerber (1879-1951) von Hasle. Oswald Kohler (1886-1955) machte seine Lehre im Betrieb seines Vaters und besuchte nie eine Berufsschule. Einzige Weiterbildung war der Besuch der Zeichenkurse durch den Kunstgewerbelehrer Paul Wyss, der sich sehr um die Neubelebung des Töpferhandwerks bemühte.

Ab November 1909  bildete Paul Wyss auch in Langnau  die Hafner und Keramikmalerinnen weiter (Zeichenkurs). In einem biographischen Abriss zu seinem 60. Geburtstag wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass Hafner aus Langnau, Schüpbach, Grünenmatt und Oberburg an seinen Kursen teilnahmen (Messerli 2017, 93).

Intelligenzblatt der Stadt Bern  16. und 25. August 1910.

Leider werden keine Namen genannt, doch dürfen wir auch aufgrund der späteren Kontakte und Produkte davon ausgehen, dass es sich u.a. um Mitarbeiterinnen, Kinder, Gesellen oder Meister der Töpfereien Gerber in Hasle, Gerber in Grünen bei Sumiswald, Kohler in Schüpbach, Mosimann in Oberburg sowie Röthlisberger, Aegerter und Werthmüller in Langnau gehandelt haben dürfte (vgl. Heege/Kistler 2017, Hafnertabelle).

1909 übernahm Oswald Kohler (1886–1955)  zusammen mit seinem Schwager Adolf Gerber (1879–1951) die Werkstatt in Schüpbach pachtweise. Jedoch trennte man sich vermutlich auch aus räumlichen Gründen bereits 1911 wieder und Adolf Gerber übernahm die Werkstatt Langnau, Güterstrasse 3.

Aus der gemeinsamen Zeit von 1909 bis 1911 haben sich immerhin einige wenige Keramikobjekte erhalten, die auch den Einfluss von Paul Wyss sehr schön verdeutlichen.

 

Herausragend ist eine 1910 datierte und gemarkte Kanne, die sich heute in der Sammlung Werner Gut (KunstGut), Triengen befindet.

Undatierter Entwurf, Archiv Töpferei Kohler.

 
Undatierter Entwurf, Archiv Töpferei Kohler.

Aus der gemeinsamen Zeit von Adolf Gerber und Oswald Kohler (1909 bis 1911) haben sich immerhin einige wenige Keramikobjekte erhalten.

Unsignierter Teller wohl aus der Werkstatt Kohler/Gerber, 1909-1911, dazu eine Skizze aus dem Archiv der Töpferei Kohler.

Perlrollstempel aus Messing. In der Werkstatt Adolf Gerber in Hasle bzw. in Langnau und in der Werkstattgemeinschaft Gerber/Kohler dekorierte man damit Standringe der Bodenunterseite und selten umlaufende Grate der Schauseite (siehe oben).

Die Spuren von Paul Wyss sind im Schaffen von Oswald Kohler, sen. gut zu verfolgen und durch verschiedene in der Töpferei erhaltene Entwurfszeichnungen dokumentiert. Welche Entwürfe dabei tatsächlich von Wyss stammen und welche von Oswald Kohler oder Adolf Gerber, ist mangels Signaturen unklar. Denkbar sind auch Nachschöpfungen nach Ideen oder Vorbildern von Paul Wyss.

Vorlagen aus der Zeit um 1909 wurden noch 1998 für die Dekoration verwendet (Archiv Töpferei Kohler).

Die Zeit des ersten Weltkrieges war eine Krisenzeit für die Werkstatt Kohler, da Oswald Kohler, wiederholte Male zum Kriegsdienst und der Grenzbesetzung eingezogen wurde und die Werkstatt ohne Gesellen keinen Verdienst abwarf. Bertha Lüthi (1884-1933), die Ehefrau von Oswald Kohler, hatte grosse Schwierigkeiten die Familie mit zwei kleinen Kindern (Hans, geboren 1909 und Oswald, geboren 1914) durchzubringen. Im Jahr 1920 übernahm Oswald Kohler den Betrieb von seinem Vater Niklaus. Von 1925 bis 1933 war Oswald neben Johann Röthlisberger aus Langnau, Adolf Schweizer aus Steffisburg und Franz Aebi aus Hasle Beisitzer im Vorstand des Bernischen Töpfermeisterverbandes (SHAB 48, 1930, 2401; 53, 1934, 60). Präsident und Vizepräsident waren zu diesem Zeitpunkt Gottfried und Fritz Hänni aus Heimberg. Oswald grub seinen Ton ebenfalls in der Gemeinde Eggiwil in der „Mosmatt“.

Hafnerei Kohler, Eggiwilstrasse 15, 1927. Vor dem Haus stehen Niklaus Kohler, Franz Kohler, Hans Kohler und Bertha Kohler-Lüthi mit der Tochter Erna Kohler auf dem Arm.

Nun wurden Pläne geschmiedet, eine neue Werkstatt zu bauen. 1926 nahm man auf dem heutigen Grundstück Eggiwilstrasse 15 einen Neubau in Angriff, der 1927 fertiggestellt war. Die Werkstatt befand sich im Erdgeschoss, darüber die Wohnräume, eine Stallteil mit Kuh- und Schweinestall war angebaut. Die Wohnung im Obergeschoss war über eine Treppe auf der Gebäuderückseite erreichbar. Das Gebäude war teilunterkellert. Im Keller befand sich das Tonlager und die Tonaufbereitung. In der Aufteilung entsprach das Haus typischen Töpferhäusern, wie wir sie auch aus Heimberg und Steffisburg kennen. Auf der Strassenseite richtete man einen kleinen Verkaufsladen ein. Die Masse des Verkaufs lief jedoch über Zwischenhändler und Hausierer, die oft Ware zweiter Wahl mitnahmen.

Oswald Kohler schaffte zu einem unbekannten Zeitpunkt für sich einen Markenstempel an, der im Original erhalten ist, dessen Gebrauch  aber bislang nur auf sehr wenigen Keramiken auch wirklich nachgewiesen werden konnte.

 

Besonders charakteristisch sind für die Hafnerei Kohler in dieser Zeit die mit der Schablone aufgemalten Bären auf Milchtöpfen, Terrinen und Tabaktöpfen.

 

Oswald Kohlers Ehefrau Bertha Lüthi (1884-1933) starb bereits 1933. Er heiratete später Ida Ramseier (1905-1987), die nach Berthas Tod als Haushälterin in die Familie gekommen war.

Nach 1920 arbeitete die Hafnerei Kohler möglichst ohne externes Personal, während alle Kinder aus erster Ehe (Hans, Oswald, Franz, Erna, und Bertha) zumindest vorübergehend in irgendeiner Form im Betrieb tätig waren. Hans wurde später Landwirt. Die beiden jüngsten Söhne aus der zweiten Ehe mit Ida Ramseier (1905-1987), Niklaus (1942-?) und Rudolf (1947-?), wurden Mechaniker bzw. kaufmännischer Angestellter.

Datierte Keramiken sind aus den 1930er-Jahren quasi nicht erhalten.

Im Oktober 1935 beteiligte sich die Hafnerei Kohler auch an dem zum zweiten Mal stattfindenden Chachelimärit im Bernischen Gewerbemuseum.

1935 wurde aus der Liquidation der Töpferei Karl Hodel, Steffisburg-Station, Alte Bernstrasse 135 (1907-1936) die erste elektrische Töpferscheibe für den Betrieb angeschafft. Im Laufe der Zeit kamen zwei weitere elektrische Scheiben hinzu.

1938 wurde die Töpferei Oswald Kohler auch im Schweizerischen Handelsamtsblatt verzeichnet (SHAB  56, 1938, 2357).

1938 errichtete man auf der Nordseite einen zusätzlichen Schuppen für eine Tonaufbereitung. Sämtliche Maschinen und Geräte hatte man von der in Konkurs gegangenen Töpfergenossenschaft in Steffisburg zum Preis von Fr.  5.000 (Neupreis Fr. 13.000) kaufen können. Diese Anlage blieb bis 2013 in Betrieb (Film zur Tonaufbereitung ab Minute 0:23 bis 3:05).

Tonaufbereitung, Zustand vor 1984 (aus Ruesch 1984).

Vor dem Kauf der Trommelmühle war die Tonaufbereitung bei Kohlers sehr mühsam. Bis Ende der 1920er-Jahre wurde der Ton in der Werkstatt nur mit Muskelkraft aufbereitet. Man schichtete zwei qualitativ verschiedene Tonsorten aufeinander und trat mit Holzschuhen an den Füssen die Tonmasse solange, bis sie hinreichend gemischt war. Danach wurden Tonbrocken auf einen im Keller stehenden Tisch geschlagen um Luft zu entfernen. Anschliessend wurde der Ton aufgeschichtet und mit einer Sichel in schmale Scheiben geschnitten und gröbere Verunreinigungen (Steine und Wurzeln) herausgelesen. Anschliessend wurde der Ton im Erdgeschoss von Hand durch eine „Lättwalze“ gedreht. Dabei konnten die letzten Steinchen herausgelesen werden. Der fertige Ton wurde im Tonkeller gelagert, wo er „reifen“ konnte. Vor der eigentlichen Verwendung wurde er noch einmal angefeuchtet, durchgeknetet (entlüftet) und nach Augenmass portioniert. In späteren Jahren wurden die Tonmengen je Objekt möglichst genau ausgewogen, um die Arbeit beim Abdrehen zu reduzieren.

Vor 1938 wurde wiederholt auch Ton gebrauchsfertig zugekauft. 1949 mischte man 2/3 blaugrauen Ton aus der Gegend von Sumiswald BE mit 1/3 rotem Ton aus Herbligen BE. Ab 1980 verwendete man selbtstabgebauten blauen Ton aus Eggiwil BE „Hindten Grosstannen“ (70%) und roten, kalkfreien Ton aus Dättnau ZH (20%). Daneben wurden in kleineren Mengen je 5% Schlämmsand mit hohem Kalkanteil (Verhinderung von Glasurrissen) , Glimmermehl (Leukophyllit, Rissfestigkeit bei hohen Temperaturen)  und Tonabfälle zugesetzt.

Vor dem zweiten Weltkrieg kaufte man die Glasuren überwiegend in Meissen, später wich man auf Lieferanten aus der Tschechoslowakei aus. In den 1980er-Jahren existierten fünf verschiedene Glasurrezepte, die alle einen transparenten Überzug ergaben. Die vorbereitete, teilweise selbst in einer speziellen Trommelmühle gemahlene Glasur, wurde in Fässern aufbewahrt. Die Glasur wurde in der Regel angegossen, seltener wurden kleinere Gefässe getaucht oder die Glasur wurde mit der Spritzpistole aufgetragen.

Aufgrund der Kriegskonjunktur während des zweiten Weltkriegs waren die Absatzmöglichkeiten gesichert. Zugleich waren die Töchter zu Malerinnen herangewachsen, sodass die Malstube zusätzlichen Platz benötigte.  1943 erweiterte man daher die Töpferei durch einen rückwärtigen Flügelanbau auf etwa die doppelte Grundfläche.

Grundriss Kellergeschoss, vor 1984 (Fanny Ruesch 1984).

Grundriss Erdgeschoss, vor 1984 (Fanny Ruesch 1984).

Im Keller entstand ein Lager, die Werkstatt wurde in diesen neuen Trakt verlegt. Gebrannt wurde nach wie vor in einem für die Region typischen rechteckigen, stehenden Holzbrandöfen. Der Kohler’sche Ofen fasste etwa 5 m3. In der untersten eingesetzten Ofenlage befanden sich meist Blumentöpfe, bessere Ware darüber. Ein Brand verbrauchte vier Ster Holz und dauerte 14 Stunden. Gebrannt habe man vor allem bei Bise, wegen Flugaschebildung aber nie bei Föhn. Vor allem um Ascheverunreinigungen zu vermeiden, wurden Flachformen wie Teller und Röstiplatten im Ofen vertikal (gerollt) eingesetzt.

Im Gegensatz zu Ihrem Vater Oswald lernten die beiden Söhne Oswald, jun. (1914-2003) und Franz (1921-1998) nach ihrer betriebsinternen Lehre bzw. Ausbildungskursen an der Keramikfachschule in Bern auch andere Hafnereibetriebe kennen.

Prüfungsstück als Dreher von Oswald, jun., in der Keramikfachschule in Bern im Wintersemester 1932/33  von einem/einer anderen Keramikmaler/Keramikmalerin bemalt.

Oswald arbeitete in den 1930er-Jahren für längere Zeit bei Robert Gottfried Hänni (1900-1947) in Steffisburg, Alte Bernstrasse 161, wo er das Malen mit dem Malhorn erlernte. Diese Fertigkeit gab er schliesslich an seine Schwestern Bertha und Erna weiter. Erna bildete sich auch für kurze Zeit in der Keramikfachschule in Bern weiter und wurde von der Porzellanmalerin Frau Fischer, die oft im Betrieb arbeitete (nicht als Angestellte) in ihren Maltechniken und den Dekoren beeinflusst.

Von Franz Kohler haben sich Arbeiten mit einem gehackten Dekor aus dem zweiten Lehrjahr 1938 erhalten. Diese Art der Oberflächenstrukturierung wurde im Betrieb bis in die 1970er-Jahre gefertigt.

Das Prüfungsstück von Franz Kohler aus dem Jahr 1940, wirkt fast schon wie Keramiken aus den 1950er-Jahren.

Franz Kohler kam 1944 für eine kurze Zeit nach Luzern, wohl zur Kunstkeramik A.G. Die dortige Weiterbildung musste er jedoch wegen einer Gelbsucht seines Vaters bald wieder abbrechen. Eine Zeit lang arbeitete er auch in der Töpferei Willy Lanz in Gwatt bei Thun, wo er vor allem den Brand im Elektroofen kennenlernen sollte. Anschliessend arbeitete er einige Zeit in der Werkstatt Meister in Dübendorf, wo er die maschinelle Herstellung von Tellern und die Nutzung einer Spritzkabine erlernte (Ruesch 1984, 7). Ausserdem arbeitete er von Oktober 1945 bis Februar 1946 bei der Firma Albert Hans „Hans-Keramik“ (gegründet 1945), wo er die Herstellung von Gipsformen erlernte. Er heiratete 1948 in Signau Martha Liechti (1923-2018) mit der er eine erste Wohnung über dem Werkstattanbau von 1943 bezog. Martha Kohler-Liechti war gelernte Schneiderin und hatte vor der Heirat keinen Bezug zur Keramikherstellung. Im Betrieb war ihre wesentliche Aufgabe der Verkauf über den Laden.

Zum 1.4.1946 übernahmen Oswald und Franz Kohler die Werkstatt von ihrem Vater zur Miete und gründeten die Firma „Gebrüder Kohler“. Diese Geschäftsübergabe wurde auch im Schweizerischen Handelsamtsblatt eingetragen (SHAB 64, 1946, 1850). Oswald Kohler, sen. besorgte weiterhin das Brennen, Oswald Kohler, jun. das Drehen und Franz leitete den Aussendienst, die Schreibarbeiten und die Tonaufbereitung.

1946 wurde schliesslich ein erster BBC-Elektro-Brennofen angeschafft, der bis 2013 in Betrieb war. 1947 wurde die Werkstatt um eine Spritzkabine erweitert und 1952 schaffte man sich als erstes Auto einen Mercedes an, um vor allem die Kundenbetreuung optimieren zu können.

Aus dieser Zeit um 1946 haben sich einige wenige Werkstattfotos erhalten.

1946, Oswald Kohler, jun. beim Drehen von Vasen.

1946, Bertha und Erna Kohler in der Malstube beim Dekorieren von Keramik.

Zum 80. Jubiläum der Werkstattgründung erschien ein schön bebilderter Bericht über die Hafnerei Kohler in der Zeitschrift „Der Hochwächter“ (Schnellmann 1949).

Ausserdem wurde beschriftete Jubiläumskeramik gefertigt, die uns einen Eindruck von der Produktion des Jahres 1949 vermittelt („Ordinäres“ mit Asternmuster, „Sgraffito“ mit Hammerschlagglasur)

Wohl zu diesem Zweck wurden verschiedene informative Fotos gemacht und teilweise gedruckt:

1949, Oswald Kohler, jun. beim Drehen.

1949, Oswald Kohler, jun. und Lehrling Willy Wüthrich beim Henkeln. Die Henkelstränge werden mit der Henkelpresse ausgestossen, eine Schablone gibt den gewünschten Querschnitt vor.

1949, Franz Kohler trägt Zierkeramik zum Trocknen vors Haus.

1949, Franz Kohler beim Engobieren der lederharten Keramik mit Hilfe einer hölzernen Schöpfkelle.

1949, Erna Kohler (später Erna Schröter-Kohler) bemalt eine vorgeritzte Terrine im Stil Alt-Langnau mit dem Malhörnchen. Vor ihr auf dem Tisch Pinsel und diverse Malengoben.

1949, Oswald Kohler, sen. nimmt den Elektro-Brennofen aus (man beachte die „gerollten“, vertikal eingesetzten Platten). Noch in den 1980er-Jahren wurden bei Kohlers bestimmte Geschirrtypen nur einmal gebrannt, d.h. es wurde auf einen Schrühbrand verzichtet. Gebrannt wurde aus Kostengründen mit Nachtstrom. Für den Glasurbrand wurden Temperaturen von 960 bis 970 Grad Celsius angestrebt.

1955 überschrieb Oswald Kohler, sen. den Betrieb testamentarisch an seinen Sohn Franz, da Oswald, jun. kinderlos geblieben war. Oswald wechselte daraufhin die Arbeitsstelle und trat in die Firma Rössler in Ersigen ein.

Die Gesellschaft „Gebrüder Kohler“ wurde zum 1. Januar 1956 aufgehoben und neuer, alleiniger Besitzer wurde Franz Kohler  (SHAB 74, 1956, 474). Oswald, jun.  kehrte allerdings 1959 in den Betrieb zurück und arbeitete dort bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1979. Noch 1980 baute Franz Kohler selbst Ton in der Gemeinde Eggiwil auf dem Platz „Hindten Grosstannen“ ab. Eine Zeit lang war Franz Kohler auch Mitglied des Vorstandes des bernischen Töpfermeisterverbandes.  Eine seiner Hauptarbeiten in der Töpferei waren die administrativen Aufgaben (Buchführung, Auftragseingang und Auslieferung der Ware, Betreuung des Lagers, Brennen der Keramik, Materialbeschaffung und Tonaufbereitung). Die in der Werkstatt beschäftigten Familienmitglieder bzw. angestellte Dreher besorgten bei den von Ihnen hergestellten Stücken jeweils alle anfallenden Arbeiten inkl. Abdrehen, Henkeln, Engobieren und Glasieren. Engobieren mit der Spritzpistole durch die Lehrtöchter kam ebenfalls vor.

Bei den Malerinnen bestand der Grundsatz, dass alle möglichst alle Arbeiten ausführen können sollten. In der Realität gab es jedoch durchaus Unterschiede, welche Malerin welche Dekortechniken oder Motive lieber ausführte. verschiedene charakteristische Gerätschaften haben sich in der Malstube erhalten:

Geräte für die Herstellung des Dekors „Alt-Langnau“, Kritzer, gezähnte Rollrädchen für die Herstellung des typischen Langnauer „Springfederdekors“ und Malhörnchen. Die ebenfalls benötigten Pinsel fehlen auf diesem Bild.

Die Kinder von Franz Kohler und Martha Kohler-Liechti, Ulrich „Ueli“ (1949-), Dora (1951-), Werner (1955-) und Eduard (1960-) haben alle eine keramische Ausbildung genossen. Ulrich wurde allerdings erst in einer Zweitausbildung Töpfer und übernahm anschliessend von seinem Vater Franz ab 1987 die Irdenware-Töpferei.  Werner machte seine Keramikerausbildung im Betrieb, orientierte sich später aber anders,  Eduard besuchte die Keramische Fachschule in Bern und spezialisierte sich nach Auslandsaufenthalten, u.a. in Frankreich, auf die Steinzeugproduktion. Dora wurde im eigenen Betrieb zur Keramikmalerin ausgebildet und arbeitete später in der Keramikfabrik Kohler in Biel. Sie lebt heute als Bäuerin.

Die Produkte der Werkstatt

Nach der Aussage von Oswald Kohler, sen. und Franz Kohler zerfällt die Entwicklung der Produktion bei Kohlers in zwei grosse Abschnitte. Bis in die Zeit nach dem 2. Weltkrieg dominiert mengenmässig die Herstellung von einfachem, wenig verziertem Gebrauchsgeschirr, das zudem fast nie gemarkt war. Dementsprechend gibt es quasi keine museale Überlieferung, die erkannt und der Hafnerei Kohler zugeschrieben werden könnte.

Eine grosse, in der Werkstatt benutzte Glasur- oder Engobeschüssel dürfte aufgrund des Horizontalstreifendekors noch aus der Werkstattzeit von Niklaus Kohler vor 1920 stammen.

Nur aufgrund eines gemarkten Milchtopfes wissen wir, dass diese Art schablonendekorierte Keramik wohl in den 1920er/1930er-Jahren in Schüpbach entstand. Die ungemarkte Suppenschüssel wurde aus der Hafnerei Kohler ins Museum in Trubschachen gegeben.

Zwischen den 1930er-Jahren und etwa 1970 fertigte die Werkstatt sog. „ordinäres Geschirr“, das auf drei einfache Arten mit dem Pinsel verziert wurde: Mit Rosen, Astern und einem „Kränzli“.

1930-1970: Variationen mit dem Motiv „Aster“ und „Kränzli“.

 

Die weisse, auch als „Blaurandgeschirr“ bezeichnete Keramik, bildete in den 1940er-/1950er-Jahren das Hauptangebot für einfache Haushalte – meist Milchkrüge und Gemüseplatten – und wurde noch 2023 von Ulrich Kohler gefertigt.

Gefertigt wurden um 1983 mit diesem Dekor: Milchtöpfe (1/4-4 Liter), Gemüseplatten und Tassen mit Untertassen.

Motiv „Berna“, Produktionszeit etwa 1940-1980 (Entwurf Oswald Kohler, jun.).

Motiv „Edelweissrand“, Produktionszeit etwa 1940-1980 (auch in rot).

Aufgrund seiner Erfahrungen als Geselle in Steffisburg übernahm Oswald Kohler, jun. für die Hafnerei auch weiss, blau, rot und braun engobiertes Geschirr, das etwa ab den 1940er-Jahren hergestellt und noch um 1980 produziert wurde. Keramik mit blauer Grundengobe und Edelweissdekor lieferte man vor allem an Souvenirläden im Berner Oberland.

Zwischen etwa 1945 und 1960 wurde das sog. „Gerzensee-Geschirr“ mit einem aufwändigen Pinseldekor gefertigt. Es war nach einem wichtigen Kunden aus Gerzensee benannt. Es erinnert mit seiner eher creme- bis elfenbeinfarbigen Grundengobe und dem feinen Pinseldekor an Dekore wie „Alt-Beromünster“ der Luzerner Keramik.

Nach dem 2. Weltkrieg fand sukzessive eine Verlagerung in Richtung auf „Sonntags-“ und „Ziergeschirr“ statt. Die Werkstattbeschreibung von 1949 (Schnellmann 1949) vermittelt einen kleinen Eindruck von der damaligen Produktion.

Seit den späten 1940er-Jahren gab es Ziergeschirr das mit „Neapelgelb“ (Ritz- und Malhorndekor) und „Hammerschlag“ (Ritzdekor) bezeichnet und später vom Geschirr „Alt-Langnau“ verdrängt wurde.

Dekor „Neapelgelb“.

Beim „Neapelgelb“ wurde der gelbe Farbton mit der zweiten Engobe erzielt, beim „Hammerschlag“ die kräftiggelbe Farbe durch den Zusatz von Eisenhammerschlag aus der Dorfschmiede zur Glasur. Auch „Hammerschlag“ hatte meist eine dunkle Grundengobe unter einer weissen Engobe.

Dekor „Hammerschlag“, kräftig gelbe Glasur über einem geritzten Muster, datiert 1948.

Dekor „Hammerschlag“, kräftig gelbe Glasur über einer doppelten Grundengobe – weiss über schwarz – mit einem geritzten Muster, datiert 1958.

Vor allem Keramik mit dem Muster „Alt-Langnau“ war jahrzehntelang besonders gefragt. Dies war die aufwendigste Art von Keramik, die von der Töpferei Kohler hergestellt wurde. Im Prinzip handelt es sich um traditionelle Langnauer Pflanzenmotive der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, deren Grundelemente die Tulpe, die Rosette und das Herzchen sind. Kombiniert wurden Blätter und Knospen. Die Muster wurden auf konzentrische Ornamentbänder verteilt oder als kompaktes Blumenbouquet im Mittelteil von Tellern und Platten gemalt (siehe Musterbücher).

Eine Röstiplatte mit dem Muster „Alt-Langnau“ entsteht (2013)

Die Musterbücher der Hafnerei Kohler

Auf Wandtellern konnte der Dekor „Alt-Langnau“ auch mit moralisierenden oder lustigen Sprüchen kombiniert werden. Die Wiederbelebung der alten Langnauer Muster geht auf die gemeinsamen Bemühungen von Adolf Gerber, Oswald Kohler, sen. und den Kunstgewerbelehrer Paul Wyss zurück.

Entwürfe für Trachtenteller mit Randdekor „Alt-Langnau“, nach 1950.

Für die Töpferei Kohler hatte diese Keramikgattung nach dem zweiten Weltkrieg eine erhebliche wirtschaftliche Bedeutung und sicherte grosse Teile des Umsatzes. Daher reagierten Kohlers auch empfindlich als 1984 unter Mitwirkung des Keramikers Heinz Gerber im Langnauer Töpferhus Herrmann eine neue Töpferei eingerichtet wurde, die vor allem im «Alt-Langnauer» Stil fertigte und sich in der Presse als „Retter der einheimischen Töpferkunst und Pionier in diesem Bereich der Keramikherstellung“ positionierte, nachdem man vorher versucht hatte einen der Kohlerschen Söhne als technischen Leiter der neuen Töpferei abzuwerben (Ruesch 1984, 78).

Zwei signierte Teller aus dem Regionalmuseum in Langnau erinnern im Dekor sehr an Stücke, die ab 1984 im Töpferhaus Herrmann in Langnau entstanden. Bei der Signatur „O. Kohler“ kann es sich daher nur um Oswald Kohler, jun. (1914-2003) handeln.

1983 wurden folgende Gefässformen mit dem Muster „Alt-Langnau“ verziert: Mostkrug, Tabaktopf mit Deckel, Würstli-Hafen mit Henkeln und Deckel, Röhrenkrug, Milchkrug, Teekanne, Crèmier, Suppenschüssel, Saladier, Henkelschale, Leberschüssel, Gemüseplatte, Crème-Schale, Fruchtknopfdose, Bicher-Schüsseli, Suppenbols, Bols-Tassli (mit oder ohne Ohren), Käsli-Dose, Konfektdose mit Henkel und Deckel, Nidel-Näpfli, Honigdose mit Deckel, Becher, Tassen, Schale mit Untertasse, Mocca-Tasse, Suppenteller mit oder ohne Rand, Fleischteller, Dessertteller, Nipp-Schäli, Güetzi-Teller, Wandteller, Röstiplatte (Dm. 18, 21, 27 cm), Tortenplatte, Cakeplatte, Butterteller.

Neben dem Muster Alt-Langnau wurden, um der Konkurrenz des Porzellans zu begegnen, für eine begrenzte Zeit zwischen etwa 1940 und 1960 sogar Fayencegeschirre mit Pinseldekor hergestellt.

Selbstverständlich wurden auf Kundenwunsch auch Wappenteller oder Ereigniskeramik für Sportanlässe oder Schützenfeste etc. hergestellt, die verschiedene Grundengoben oder Dekorarten aufweisen konnten. Beim sog. „Schwarzgrauen“ Geschirr wurde die schwarzbraune Grundengobe zusätzlich mit einer grauen Engobe überschüttet oder später überspritzt. Dieser Dekor wurde noch bis etwa im Jahr 2000 hergestellt.

Aufgrund seiner Erfahrungen als Geselle in Steffisburg übernahm Oswald Kohler, jun. für die Hafnerei auch weiss, blau, rot und braun engobiertes Geschirr, das etwa ab den 1940er-Jahren hergestellt und noch um 1980 produziert wurde. Von der durch die Heimberger Keramik beeinflussten Ware mit schwarzbrauner oder roter Grundengobe und Malhorndekor produzierte man anfänglich nur Einzelstücke, während in den 1980er-Jahren auch ganze Service von den Kunden erworben wurden.

Keramik „Güggelbrun“.

Keramik „Schwarz-Weiss“, ca. 1955-1970.

Diese Ware wurde aufgrund eines von Oswald Kohler, jun. entworfenen Musters mit einem Hahn in der Werkstatt als „Güggelbrun“ bzw. als „Plattenrot“ bezeichnet. Mit dieser Dekorvariante bemalte man um 1983 folgende Geschirrformen: Milchkrüge (1/4-2 Liter), Kaffeekanne, Crèmier, Teekanne, Tasse mit Untertasse, Würstli-Hafen, Suppenschüssel, Saladier, Zuckerdose, Suppenteller, Fleischteller, Dessertteller, Röstiplatte (18, 21, 24, 27 cm Dm.), Tortenplatte, Cakeplatte, Butterteller.

Keramik „Plattenrot.

In den 1950er-Jahren wurde noch eine weitere Dekorvariante hergestellt, die sog. „Klinkerware“. Bei dieser wurde derselbe Ton aufbereitet aber sehr fein abgesiebt. Die Aussenseite wurde mit roter oder dunkelbrauner Sinterengobe mit der Spritzpistole überspritzt, das Gefässinnere glasiert. Der Dekor wurde anschliessend eingekratzt, sodass die hellere Scherbenfarbe in der dunkleren Sinterengobe den Dekor ergab. In dieser Dekortechnik wurden Vasen und Blumenampeln hergestellt.

Eine weitere, als „Lättbrun“ bezeichnete Keramik trug keine Grundengobe und in der Regel nur eine sehr einfache Malhorndekoration bzw. weisse dicke Punkte (Tropfen) unter der Glasur. Die auf der Tonfarbe basierende Malengobe wurde im Betrieb als „Lättfarbe“ bezeichnet. 1983 stellte man mit dieser Dekorvariante folgende Gefässtypen her: Milchtöpfe (1/4-4 Liter), Rahmhäfeli, Tassen und Untertassen, Dessertteller, Fleischteller, Suppenteller, Butterteller, Wandteller und Röstiplatten. Daneben gab es auch einfache Milch- und Löcherbecken (Siebe) mit weissem Horizontalstreifendekor. Bauchigere Teigschüsseln bekamen innen einen Beguss aus weisser Engobe und einen schwarzen Randstrich.

In der Spätzeit der Werkstatt unter Ueli Kohler entstand noch der neue Dekor „Jubilé“ (ab 1994).

Daneben gab es ab etwa dem Jahr 2000 das Muster „Fleurs“ (blau auf weiss) und das Muster „Margritten“ (auf hellgrün).

Seit Niklaus Kohler (Schnellmann 1949, 266) wurden immer wieder auch kleine Tierfiguren als Spielzeuge für Kinder mit zweiteiligen Gipsformen gepresst. Die mühsame Herstellung , an die sich auch Ueli Kohler noch gut erinnert, war eine typische Arbeit für die Töpferkinder, um das Taschengeld aufzubessern.

Leider wurden die Figuren nicht signiert, sodass sich die der Töpferei Kohler nur schwer von denen der übrigen Hersteller in der Region Heimberg bzw. Langnau unterscheiden lassen. Eine grössere Anzahl an Original- und Arbeitsformen aus Gips existiert heute noch in der Werkstatt, sodass identische Tiere und Dragoner auch 2023 immer noch hergestellt werden können.

Der Absatz

Der Verkauf der Ware erfolgte noch bis in die Zeit nach dem zweiten Weltkrieg mehrheitlich über Zwischenhändler und Hausierer (oft Ware zweiter Wahl) und in geringerem Umfang über den eigenen kleinen Laden. Die Kunden wurden zu Fuss oder mit dem Fahrrad besucht. Die bestellte Ware wurde regelhaft per Bahn verschickt. Ab 1950 besuchte Franz Kohler die Kunden mit einem betriebseigenen Auto. Mit Ware zweiter Wahl ging man bis 1982 auch an die Blapbach-Chilbi um diese Keramik mit „Zwirbele“ (eine Art Glücksrad) unter das Volk zu bringen. In den 1980er-Jahren hatte daneben der eigene Laden an Bedeutung gewonnen, gleichzeitig gab es jedoch immer noch einzelne grössere Abnehmer als Wiederverkäufer. Zum Kundenkreis gehörten in den 1980er-Jahren auch immer noch Vereine, die Wandteller, Krüge, Becher etc. als Siegespreise oder als Anerkennung für treue Mitglieder in Auftrag gaben. Auch von privater Seite oder von Firmen wurden regelmässig Hochzeits- und Jubiläumsgeschenke bestellt.

Nebenerwerb

Niklaus und Oswald Kohler und ihre Familien waren Selbstversorger auf einem kleinen Stück Land (Kuhweide und Kartoffelacker) und mit einer Gartenparzelle (Gemüse). Es gab meist 1-2 Kühe, einige Schweine und Ziegen. Im Laden wurden ausserdem Glaswaren und zugekauftes Geschirr (Rössler, Ersigen) verkauft. Die Aufbereitung von Ton und der Weiterverkauf können ebenfalls zum Nebenerwerb des Betriebs gerechnet werden.

Die Hafnerei von Ueli Kohler im Film

 

Hinweis: Ueli Kohler kann auf Bestellung (Eggiwilstrasse 11, 3535 Schüpbach BE, 034 497 12 08) auch heute immer noch alle Keramiktypen der Töpferei Kohler anfertigen und liefern. Sein Bruder Eduard fertigt in seiner Töpferei Steinzeug, das vor Ort gekauft oder bestellt werden kann (Eggiwilstrasse 15, 3535 Schüpbach BE, 034 497 21 67).

Bibliographie:

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Rohrbach 1999
Lewis Bunker Rohrbach, Men of Bern: The 1798 Bürgerverzeichnisse of Canton Bern, Switzerland, Rockport 1999.

Ruesch 1984
Fanny Ruesch, Töpferei Kohler, Eggiwilstrasse, 3535 Schüpbach i.E. – Ethnologisches Seminar der Universität Basel, Ethnographische Feldarbeit: Berner Töpferei 15. August – 2. September 1983, Basel 1984.

Schnellmann 1949
Paul Werner Schnellmann, Besuch in einer ländlichen Töpferei, in: Der Hochwächter. Blätter für heimatliche Art und Kunst 5, 1949, 254-266.

 

 

 

 

Schwander, Adèle Luise, Bern, Keramikmalerin (1880-1949)

Schüssel mit Grifflappen nach Langnauer Vorbild, gestaltet von Adèle Schwander, ausgeführt von Bendicht Loder-Walder, 1908. Privatbesitz Schweiz, Foto Christoph Messerli (Messerli 2009, Abb. 80).

Keramik von Adèle Luise Schwander,  in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2023

Adèle Luise Schwander wurde am 21. Mai 1880 geboren. Ihre Eltern waren vermutlich der Kirchberger Kolonialwarenhändler Johann Gottfried Schwander und Adele Schwander-Landsmann. Sie starb am 4. Januar 1949. Sie war Bürgerin von Aarberg BE und wirkte als Kunstgewerblerin und Malerin (vgl. Messerli-Bolliger 1988, S. 47, Anmerkung 34 und 35). Schwander zählte zu den ersten Schülerinnen der Keramischen Fachschule Bern (nachweisbar in der Schülerliste WS 1910/11, Kunstgewerbe, aber bereits vorher im kunstgewerblichen Praktikum bei Lehrer Huttenlocher). In diesem Semester traf sie auf Frieda Lauterburg, Emil Loder und Elisabeth Strasser (Messerli 2009, Schülerliste) . Aufgrund eines Artikels aus dem Jahr 1906 ist davon auszugehen, dass Adèle Schwander auch Elisabeth Eberhardt gekannt hat, die in ihrer Frühphase ganz ähnlich dekoriert hat (Messerli 2009, 72 Anm. 281).

Sie schöpfte ihre Kreativität, wie Frieda Lauterburg (1877- 1943) aus Langnau und Anna Müller (1892-1968) aus Grosshöchstetten aus dem reichen Dekor- und Formenschatz der traditionellen Langnauer und Heimberger Keramik des 18. und 19. Jahrhunderts.

Schweizerische Technikerzeitung 1906.

Es verblüfft daher nicht, wenn Teile ihrer Arbeiten bereits 1906 in einer Druckbeilage der Schweizerischen Techniker-Zeitung als „Neue Bauernmajolika“ bezeichnet wurden.

1905 In der Presse begegnet sie ein erstes Mal im Zusammenhang mit der Weihnachtsausstellung des Gewerbemuseums in Bern, allerdings zeigt sie dort 1905 Lederarbeiten und keine Keramik (Der Bund, Band 56, Nummer 603, 21. Dezember 1905 Ausgabe 02)

Der Bund, Band 59, Nummer 148, 27. März 1908 Ausgabe 02, identisch Bieler Tagblatt, Nummer 75, 28. März 1908 und Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern, Band 55, Nummer 27, 1. April 1908.

Tagblatt der Stadt Thun, Band 32, Nummer 63, 14. März 1908

1908: Als „Kunstschülerin der Keramischen Fachschule Bern“ wurde ihr „Heimberger Geschirr“ im März 1908 im Kantonalen Gewerbemuseum Bern ausgestellt (Tschabold 1969, 25). Die Besprechung im Thuner Tagblatt war überaus positiv.

Keramik von Adele Schwander und Bendicht Loder-Walder in der Sammlung Stiftung Schloss Thun.

Keramik von Adèle Schwander, hergestellt in der Werkstatt von Bendicht Loder-Walder, Heimberg.

Bei Loder-Walder arbeitete sie wohl als (selbständige?) Keramikmalerin und fertigte auch Vasen nach Entwürfen von Nora Gross. Die wenigen bekannten Keramiken von ihr sind alle signiert.

Der Bund, Band 61, Nummer 224, 15. Mai 1910.

1910 Vermutlich konnte Adèle Schwander von ihren kunsthandwerklichen Arbeiten nicht leben, denn im Mai 1910 warb sie um Schüler für Öl-, Aquarell- und Pastellmalerei. Zu diesem Zeitpunkt war sie in Bern,  Junkerngasse 37 wohnhaft.

1910 An der Ausstellung „Kunstindustrien im Kanton Bern“ im Gewerbemuseum im Dezember 1910 nahm Adèle Schwander mit Stick- und Näharbeiten teil (Intelligenzblatt für die Stadt Bern, 15. Dezember 1910; auch Der Bund, Band 62, Nummer 29, 18. Januar 1911 Ausgabe 02).

Der Bund, Band 75, Nummer 334, 8. August 1924.

1924 In der Presse erscheint Adèle Schwander erst wieder 1924. Sie beteiligte sich an der „Kantonalbernischen Ausstellung für Gewerbe und Industrie“ (KABA) in Burgdorf mit Keramik, die aber in den Pressenotizen nicht genauer beschrieben, sondern nur anerkennend erwähnt wird. Möglicherweise befasste sie sich mit Porzellanmalerei. In diese Richtung deuten vielleicht auch ein weitere Berichte:


Der Bund, Band 75, Nummer 337, 10. August 1924.

Das Bieler Tagblatt (Bieler Tagblatt, Nummer 199, 26. August 1924) schrieb von einem „rassigen Kinderservice“. Der BUND berichtete im September:  „… Welche Wunderdinge birgt doch der Zierschrank hinter seinen Glasfenstern: Täßchen, Krüge, Vasen, Porzellanfiguren in den apartesten Formen, kunstvoll bemalt von Marie Nil, Selma Robin , R. Hänni, Adele Schwander, Grety Sutter u. a. Das Terrakotta-Kinderköpfchen von Margaritha Mermuth spricht zu jedem Mutterherzen…“. (Der Bund, Band 75, Nummer 392, 14. September 1924).

1924 Im November berichtete der BUND über eine Ausstellung kunstgewerblicher Arbeiten in Bern (Der Bund, Band 75, Nummer 502, 23. November 1924):“…die Porzellane und Fayencen von Adele Schwander besitzen die habliche, gefällige Einfachheit des Heimatschutzes …“.

1925 Die NZZ schrieb am 13. Oktober: „Die Räume der Kunsthalle [Bern] sind mit den Werken unserer in der Gesellschaft Schweiz. Malerinnen und Bildhauerinnen vereinigten Künstlerinnen geschmückt. Mit sicherer Hand hat die Jury Akzente von eindringlicher Kraft gesetzt… Auch in der Keramik sind große Fortschritte festzustellen. Ich erinnere nur an die schöngeformten Schalen und Teller von G. Meister-Zingg, an Clara Vogelsangs technisch vollendete Krüge und Schalen. Von Adele Schwander sind hübsche und brauchbare Tassen und Schalen da…“

Zwischen 1925 und 1949 schweigen die Quellen.

1949, 4. Januar, die ledige Adèle Louise Schwander verstarb in Münsingen (Der Bund, Band 100, Nummer 22, 14. Januar 1949). Es fand sich kein Nachruf.

Bibliographie:

Messerli 2009
Christoph Messerli, Von der Souvenir- zur Studiokeramik. Die Berner Keramik im 19. und 20. Jahrhundert. Lizentiatsarbeit, Institut für Kunstgeschichte des Universität Bern, Bern 2009, bes. 71-73.

Messerli-Bolliger 1988
Barbara E. Messerli-Bolliger, Die Lenzburger Keramikerin Elisabeth Eberhardt 1875-1966, in: Lenzburger Neujahrsbläter 59, 1988, 20-81.

Tschabold 1969
Alfred Tschabold, 100 Jahre Gewerbemuseum in Bern. Zeittafel zu seiner Geschichte 1869 bis 1969, Bern 1969.