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Colovrex GE und Ferney-Voltaire (Ain, F), die Töpfereien Knecht

Die Keramik der Töpfereien Knecht in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Im Jahr 1822 kam Henry-Arnold Knecht (1802-1878), aus Wald ZH, als Arbeiter in die Töpferei Braissant in Ferney-Voltaire. Nach der Heirat mit der Tochter des Besitzers, wurde er 1827 dessen Nachfolger (Clément 2000, 77). 1855 erhielt er von den Genfer Behörden eine Niederlassungsbewilligung, die es ihm erlaubte, auf Genfer Territorium eine Zweigniederlassung zu gründen. Sein Sohn Lucien (1837-1890) liess sich in Colovrex nieder, 1872 wurde er Genfer Bürger (Clément 2000, 79). Er übernahm im Jahr 1878 die Leitung der beiden Werkstätten nach dem Tod seines Vaters. Im Schweizerischen Handelsamtsblatt (SHAB) ist Lucien erst am 28. März 1883 als Leiter der Firma «L. Knecht à Colovrex-Bellevue» eingetragen (Bd. 1, 1883, 496), vermutlich weil vor diesem Datum die Genfer Niederlassung als Filiale von Ferney-Voltaire galt.

Im Dezember 1890, einen Tag nach Luciens Tod, schloss sich seine Witwe Marie-Jeanne, geb. Dailledouze (gestorben 1905), mit ihren drei Söhnen Arnold (1862-1921), Stanislas (1863-1941) und Louis (1870-1952) zu einer Kollektivgesellschaft unter dem Namen «Veuve Knecht & ses fils» zusammen. Das Unternehmen hatte seinen Sitz in Colovrex mit einer Niederlassung in Ferney. Das Tätigkeitsfeld umfasste «Keramik und Ofenbau, Drainagerohre und Ziegel» (SHAB, Bd. 9, 1891, 459).

Dieses Unternehmen wurde 1905, nach dem Tod von Marie-Jeanne, aufgelöst, und ihre drei Söhne gründeten eine neue Firma unter dem Namen «Knecht frères». Louis hatte seinen Wohnsitz in Colovrex, Stanislas und Arnold in Ferney (SHAB Bd. 23, 1905, 222). Arnold zog sich 1914 aus dem Geschäft zurück (SHAB, Bd. 32, 1914, 597).

Ab dem 31. Dezember 1926 gingen die beiden Filialen eigene Wege, zumindest in rechtlicher Hinsicht: Der Firmenname «Knecht frères» wurde gelöscht. Stanislas (oder sein Sohn Robert? – siehe Clément 2000, 79) übernahm Ferney und Louis übernahm Colovrex, unter dem Namen «Louis Knecht», Herstellung von «Gebrauchskeramik aller Art, Baukeramik, Schornsteinröhren, Schornsteinkappen und Abflussrohren» (SHAB, Bd. 45, 1927, 211).

Das Genfer Unternehmen ging 1954 in die Hände von Georges Knecht (1906-1982) über (SHAB, Bd. 72, 1954, 2456). Dieser hielt die Produktion praktisch bis zu seinem Tod aufrecht, der Firmenname wurde im Mai 1983 von Amtes wegen gelöscht, «nach Tod und Einstellung des Betriebs» (SHAB, Bd. 101, 1983, 1818).

Was die Werkstatt in Ferney betraf, so wurde sie in den letzten Jahren ihres Bestehens von Robert Knecht (1897-1951), dann von seiner Witwe geführt. Der Betrieb schloss 1958 seine Pforten (Clément 2000, 79).

Die französischen und schweizerischen Werkstätten der Familie Knecht produzierten weitgehend die gleichen Typen – hauptsächlich als engobierte und glasierte Irdenwaren.

Die Familie Knecht aus Colovrex vermarktete ihre Produkte in einem weiten Umkreis, ihr Absatzmarkt reichte von der Genfer Region bis zum Neuenburger Jura und sogar bis in den Kanton Solothurn (nach aktuellem Stand unserer Recherche). Zu den charakteristischsten Gefässtypen aus dem Ende des 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts gehören die «Willkommenskannen» oder vaterländischen Kannen mit applizierten Weinblättern als Auflagendekor und Wappen der Kantone Waadt, Neuenburg und Bern (MHL 0170 MH; MLS 240001; MHPN MH-2015-9; MHPN MH-2015-8; MHPN MH-1998-113; MHPN MH-2014-10; MHPN MH-FA-10018A; MHPN MH-2015-187; MHPN MH-1998-299; MHPN MH-2012-64; MVVE 2411; MVVE 2355).

Das Musée historique et des porcelaines in Nyon bewahrt die einzigen beiden bisher bekannten gemarkten Beispiele: eines mit der gestempelten Blindmarke «Lucien Knecht – Colovrex-Bellevue Genève» (MHPN MH-2015-9), datiert 1893, das andere mit der Marke «Knecht Frères – Colovrex-Bellevue Genève» (MHPN 2014-10), datiert 1905. Die Blindmarke der ersten Kanne würde eher dafür sprechen, dass Luciens Witwe sein Zeichen nach seinem Tod 1890 weiter benutzte. Einige Exemplare des gleichen Typs werden der Werkstatt von Ferney zugeschrieben (Ferney-Voltaire 1984, 294 und 297; Clément 2000, 83).

Ein zweiter Gefässtyp, der zur gleichen Zeit und im gleichen Verbreitungsgebiet sehr beliebt war, ist der zylindrische Milchtopf mit verdicktem und gekehltem Rand und schematischen Verzierungen mit floralen oder geometrischen Motiven (MRVT Nr. 67; MRVT Nr. 68; MRVT BR 4a; MRVT BR 4; MPA 914; MPA Bv 4; MPA Bv 15; MPA Bv 12; MPA Bv 5; MWH H 2523; MWH H 2563; MVVE ; MVB Nr. 1; MPE Nr. 8).

Solche Töpfe sind in Colovrex bis Mitte der 1950er-Jahre bezeugt (De Freire de Andrade und de Chastonay 1956, Abb. 5). Die Sammlung von Georges Amoudruz im Musée d’ethnographie in Genf enthält eine grosse Anzahl von Beispielen, die meisten davon werden Colovrex zugeschrieben. In der gleichen Sammlung befinden sich mehrere Gedenkkrüge der gleichen Form mit Daten zwischen 1914 und 1967 (ETHEU 103619 und ETHEU 103569 beispielsweise).

Gefässe desselben oder eines sehr ähnlichen Typs sind jedoch in vielen anderen Töpfereien bezeugt, vor allem in Renens (VD – MRVT Nr. 26) oder im benachbarten Frankreich (Savoie, Ain – siehe z.B. Lahaussois und Pannequin 1996, 82; Sèvres 1999, 122-126; Clément 2000, 80-81; Dufournet 1979, Abb. 5-9, 16, 17-19, 22). Es sei darauf hingewiesen, dass französische Töpfer diesen Gefässtyp als «Jura-Topf» bezeichneten (Dufournet 1979, 298).

Der Anteil der Hafner Knecht an dieser enormen Anzahl von Gefässen ist kaum identifizierbar, da kein Exemplar, zumindest nach heutigem Kenntnisstand, sicher ihre Handschrift trägt. Gleiches gilt für die Fülle des meist undekorierten Gebrauchsgeschirrs, wie es in der gesamten Westschweiz gefunden wurde (z.B. MM 1014; MM 920; MPE 2938; MHL AA.VL 90 C 690; MVB 380B; MVM M 203). Alle diese Formen wurden sehr wohl von den Knechts hergestellt (siehe eine Preisliste der Firma Knecht für Ferney und Colovrex, mit Zeichnungen der Formen, spätes 19. bis frühes 20: Clément 2000, 82), aber nicht nur von ihnen! In solchen Fällen haben wir auf eine spezifische Zuordnung verzichtet und den Oberbegriff «Keramik aus dem Genferseegebiet» verwendet.

Siehe «Région lémanique, les poteries engobées (Ende 19. bis 20. Jahrhundert)».

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie :

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, Ceramica CH. Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950, t. I: Neuchâtel. Sulgen 2013, 202.

Buttin/Pachoud-Chevrier/Faÿ-Hallé 2007
Anne Buttin/Michèle Pachoud-Chevrier/Antoinette Faÿ-Hallé, La Poterie domestique en Savoie, Annecy 2007.

Clément 2000
Alain Clément, La poterie de Ferney: deux siècles d’artisanat. Yens-sur-Morges/Saint-Gingolph 2000.

De Freire de Andrade et de Chastonay 1956
Nadège de Freire de Andrade et de Philibert Chastonay, La dernière poterie rustique genevoise. Archives suisses d’anthropologie générale, XXI, 1956, 8-141.

Dufournet 1979
Paul Dufournet, Les ateliers frères de poterie de Vanzy (Haute-Savoie) et de Vanchy (Ain). In: Le Monde alpin rhodanien. Revue régional d’ethnologie 1-4. Artisanat et métiers de tradition, 281-316.

Ferney-Voltaire 1984
Ferney-Voltaire. Pages d’histoire. Ferney-Voltaire/Annecy 1984.

Lahaussois et Pannequin 1996
Christine Lahaussois et Béatrice Pannequin, Terres vernissées, sources et traditions. Paris 1996.

Sèvres 1999
L’art de la terre vernissée, du Moyen Age à l’an 2000, cat. d’exposition, Sèvres/Arras, Musée national de céramique/Musée des beaux-arts. Paris 1999.

Cornol JU, Fayencemanufaktur (1760-1824)

Ursule Babey 2019

Die archäologische Erforschung

Über die Fayencemanufaktur in Cornol wussten wir bis zum Beginn des 3. Jahrtausends nur das, was Gustave Amweg, Kunsthistoriker für die Region Jura veröffentlicht hatte (Amweg 1941). 2003 ereignete sich am Rande der ehemaligen Fabrik (heute ein Restaurant) ein Erdrutsch, und wir kamen auf die Idee, den Inhalt der ausplanierten Erdschichten zwischen dem Gebäude und einem davor verlaufenden Bach zu untersuchen. Die Schichten quollen über von Keramikfragmenten jeglicher Art. Die archäologischen Grabungen, die in drei Etappen durchgeführt wurden (2003, 2004, 2007), erbrachten ein Inventar von etwa 100.000 Scherben aus der Abfallhalde der Werkstatt. Sie bildeten die Arbeitsgrundlage für neue Erkenntnisse zur Produktion der Fayencefabrik Cornol-Lion d’Or. Neben der verwendeten technischen Keramik (Brennkapseln, Brennhilfen usw.) brachte die Deponie eine beträchtliche Anzahl von Schrühbränden zum Vorschein, die Rückschlüsse auf Formen und Verzierungen ermöglichten, sowie Fragmente von weisser Fayence, bemalt und unbemalt, Tafelgeschirr mit manganschwarz glasierter Rückseite («à cul noir») oder mit manganviolettem Spritzdekor («moucheté»). Ausserdem gab es Fragmente aus Pfeifenton (Steingut) und Ofenkacheln.

Die Ausgrabung förderte jedoch keine Strukturen zutage, die mit dem Betrieb der Manufaktur in Zusammenhang standen.

Weihwasserbecken mit Rocaillenmotiv und Strahlendekor. Gemodelter Schrühbrand. Höhe: 16,3 cm, um 1760-1770. Ausgrabungen von Cornol-Lion d’Or (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, Pl.40.389.

Fragment eines Tellers mit fassoniertem Rand, gemodelter Schrühbrand. Relief einer Blumengirlande. Durchmesser: ca. 32 cm, spätes 18. oder frühes 19. Jahrhundert. Ausgrabung von Cornol-Lion d’Or. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, Pl. 39.375.

Henkel oder Griff(?) in Form eines plastischen Satyrs , gemodelter Schrühbrand. Höhe: 3 cm, spätes 18. Jahrhundert. Ausgrabung von Cornol-Lion d’Or. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, Pl.26.225.

Die Untersuchung der Abfallhalde wurde durch die Auswertung relevanter Auszüge aus Archiven mehrerer öffentlicher Sammlungen ergänzt. Die historischen Quellen ermöglichten es, die verschiedenen Akteure, die mit der Fayencemanufaktur verbunden waren (Gründer, Besitzer, Produktionsleiter, Töpfer, Maler, Arbeiter, Händler), genauer zu beschreiben wie auch ihre wirtschaftlichen Strategien, ihr soziales Umfeld, ihre Geschäftstätigkeit sowie die Geschäftsübergabe. Anhand einer Beschreibung der Produktionswerkzeuge, nebst einer Erwähnung von gewissen technischen und kommerziellen Aspekten, konnte man Rückschlüsse auf die Produktion selbst ziehen. Schriftliche Unterlagen der Manufaktur sowie das Firmenarchiv fehlen jedoch vollständig.

 

Rasierbecken mit weisser Fayenceglasur, das Cornol, dank eines Vergleichs mit einem Schrühbrandexemplar zugeschrieben werden kann. Der Schrühbrand hat die gleichen Merkmale: Form des Randes, Lage der Haltevertiefung für den Daumen, Form des halbkreisförmigen Ausschnitts für den Hals. Museum der Kulturen, Basel, Inv. VI.4411. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, S. 182, Abb. 128.

Allgemeiner Kontext

Die Geschichte der Keramik aus Cornol beginnt schon Ende des 17. Jahrhunderts. Vermutlich stellten die Töpfer Tafelgeschirr aus lokalen Rohstoffen, wie den blauen Oxford-Mergeln, her, die sich vor etwa 160 Millionen Jahren auf dem Grund eines flachen Meeres bildeten und grosse, äusserst dichte Ablagerungen aus einem homogenen, sehr feinen und kompakten Ton enthielten. Dieser ist in der Ajoie sehr verbreitet und in der letzten Jurafalte auf dem Gebiet von Cornol leicht zugänglich. Die in der Ortschaft bereits etablierte Töpfertradition gab sicherlich den Ausschlag, in Cornol die einzige Fayencemanufaktur im alten Bistum von Basel zu gründen.

Als das Unternehmen 1760 gegründet wurde, dominierte die Stahlindustrie den Wirtschaftssektor. Diese Holzkohle verschlingende Industrie, die für das finanzielle Gleichgewicht des Staates, der die gesamte Betriebs- und Absatzkette kontrollierte, notwendig war, wurde vom Fürstbischof Jakob Christoph Blarer von Wartensee gefördert. Er erkannte all ihre Vorteile und nutzte sie bereits 1575, um die schwankende Wirtschaft des Basler Bistums wieder anzukurbeln. Sie überschattete die Entwicklung anderer holzbasierter Industrien, insbesondere die Keramik-produktion.

Geschichte der Fayencemanufaktur

Georges Humbert Triponez (1727-1767), ein junger Jurist am fürstbischöflichen Hof, war erst 33 Jahre alt und ohne beruflichen Hintergrund in der Keramikherstellung, als er am 25. Juni 1760 die Erlaubnis zur Gründung einer Fayencemanufaktur in Cornol beantragte. Wir wissen nichts über seine Beweggründe: Weder seine Herkunft, noch seine juristische Ausbildung, noch sein Familienkreis haben ihn zu diesem unternehmerischen Abenteuer gedrängt, das im wirtschaftlichen Kontext des Ancien Régime eine avantgardistische Dimension annahm. Tatsächlich gab es damals in der Region noch sehr wenige Unternehmer im modernen Sinne des Wortes.

Die einzige plausible Erklärung für diesen Schritt ist die allgemeine Begeisterung für Fayence in der Mitte des 18. Jahrhunderts in ganz Ostfrankreich, insbesondere in der Region Comté, sowie die Tatsache, dass Triponez in Besançon Jura studierte. Zufällig traf er in der Stadt Pruntrut zwei Fayencler, die einen Standort für die Einrichtung einer Werkstatt suchten. Er beschloss, nicht nur nach einem geeigneten Ort zu suchen, sondern auch gleich selber alles aus dem Nichts aufzubauen. Die Genehmigung wurde ihm problemlos erteilt, man gewährte ihm ein Herstellungsmonopol, das Recht, Rohstoffe zu nutzen und Holz zu kaufen, sowie das Recht, ausländische Spezialisten einzustellen, die sogar von der Ausreisegebühr befreit wurden. Triponez stieg gut ins Keramikgeschäft ein, denn seine Fayencemanufaktur befand sich in der Ajoie, weit entfernt von den Stahlwerken, dem Monopol und dem Haupteinkommen der Staatskasse. Doch diese vielversprechenden Anfänge waren nur von kurzer Dauer. In Wirklichkeit wurde er von der Gemeinde Cornol als Fremder betrachtet, der zudem ausländische Arbeitskräfte ins Dorf brachte. Und neben den endlosen finanziellen Problemen, mit denen er zu kämpfen hatte, war er ständig Opfer von Scherereien, sogar von körperlicher Aggression. 1766 war er gezwungen, sich mit Charles Exchaquet  von Court zusammenzuschliessen, der das Ziel hatte, in seinem Dorf selbst eine Fayencefabrik zu eröffnen. Die Zusammenarbeit fand ein jähes Ende durch den plötzlichen Tod von Triponez im Alter von kaum 40 Jahren. Der durch Schulden belastete Betrieb wurde sukzessive von verschiedenen Gläubigern entweder allein oder in Konsortien übernommen. Bis zum Ende des Ancien Régime wurde das Unternehmen niemals profitabel. Abgesehen von der anfänglichen Unterstützung durch den Fürstbischof erhielt die Fayencemanufaktur keine weitere Hilfe, weder von der Korporation noch von der lokalen Bevölkerung, Letztere entwickelte sogar eine offene Feindseligkeit ihr gegenüber.

Die Französische Revolution und die Eingliederung der Region nach Frankreich war eine harte Zeit für das kleine Unternehmen, das seine Produktion auf Dachziegel umstellte, die zu Beginn des 19. Jahrhunderts in der Region noch sehr wenig verbreitet waren. Ausserdem verschwand die Herstellung von Fayence im ersten Viertel dieses Jahrhunderts vollständig, während die Ziegelproduktion bis 1861 überlebte. In jenem Jahr wurde das Gebäude von einem Gastwirt übernommen, der eine Töpferei mit zwei Öfen einrichtete. Seine Werkstatt produzierte etwa zehn Jahre lang.

Der Umfang der Produktion

Tischgeschirr, Geschirr zum Auftragen und Servieren, Hygienegeschirr und Ofenkacheln, die Produkte von Cornol unterschieden sich in Bezug auf ihre Funktion nicht von zeitgleichen anderen Fayencemanufakturen. Das Unternehmen nutzte alle Marktlücken und Nischenprodukte, die damals in Mode waren, im Rahmen seiner Ressourcen und technischen Möglichkeiten.

Auf der formalen und dekorativen Ebene wurden zahlreiche Stile miteinander vermischt, sie waren Ausdruck der historischen Veränderungen und existenziellen Schwierigkeiten, mit denen die Manufaktur zu kämpfen hatte. Es gab dementsprechend nicht einen «Cornol»-Stil, sondern mehrere.

 

Kleiner Fayenceteller mit flachem geradem Rand und blauer Inglasurmalerei ohne schwarze Einfassungslinien («qualité non contournée»). Durchmesser: 19,6 cm, Anfang 19. Jahrhundert. Ausgrabung von Cornol-Lion d’Or. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37, Pl. 57.484.

Flacher, Fayenceteller mit gekehltem, fassoniertem Rand, Inglasurmalerei mit Einfassungslinien «en qualité contournée». Manganviolett gemalter Blumenstrauss im Spiegel, bestehend aus Nelken und Glockenblumen, und vier verschiedenen Blumenzweigen auf der Fahne. Überfeuerter und reduzierend gebrannter Fehlbrand. Durchmesser: 26 cm, um 1760-1770. Ausgrabungen von Cornol-Lion d’Or. (Foto: OCC-SAP, B. Migy). Ref. CAJ 37.

Einige intakte Stücke aus Schweizer Museen konnten mit den gefundenen Fehlbränden in Verbindung gebracht werden, darunter eine Suppenschüssel, die früher Lenzburg zugeschrieben wurde, und eine Reihe von flachen Tellern mit vielpassigem Rand, die auf der Rückseite mit einem «C» gemarkt sind.

Es war nicht möglich, die bei der Ausgrabung gefundenen Gegenstände mit den Namen von Handwerkern, die im Archiv gefunden wurden, in Verbindung zu bringen, da keine signierten Gegenstände vorlagen. Einzig ein Reisepass für Fayenceverkäufer, der den Stempel der Fayencemanufaktur aus dem Jahr 1770 trug, ermöglichte es, die mit einem «C» gekennzeichneten Stücke mit Jean-Baptiste Snamenatzky, Fayencler und damaliger Direktor und Pächter der Fayencemanufaktur, in Verbindung zu bringen. Sehr wahrscheinlich stammte Snamenatzky aus einem osteuropäischen Land. Seine Anwesenheit in Cornol ist von April 1769 bis zu seinem Tod 1795 bezeugt. Verheiratet war mit einer Bürgerin von Bassecourt, mit der er sieben Kinder hatte, darunter drei Söhne, die ebenfalls später Fayence herstellten.

Fayenceteller mit Nelkendekor und blauer Pinselmarke «C» auf der Rückseite, Inglasurmalerei. Das «C» für Cornol nimmt einen grossen Teil des Siegels der Manufaktur ein. Die Motive mit der Nelke und den Glockenblumen ähneln Dekoren, die unter den Fragmenten der Ausgrabung des Lion d’or gefunden wurden. Um 1770. Museum der Kulturen, Basel, inv. VI.3385. (Photo : OCC-SAP, B. Migy). Réf. CAJ 37, p. 194, Fig. 144.

 

Siegel aus rotem Siegellack mit dem Wappen der Fayencemanufaktur von Cornol. In der Mitte steht der Buchstabe C in Blumenform, umringt von stilisierten Zweigen und der Inschrift: «FAYANCERIE DE CORNOL 1770». Durchmesser: 2,8 cm. Archiv des ehemaligen Bistums Basel, Pruntrut, GHFAM 4, Reisepass vom 7. April 1770. Ref. CAJ 37, S. 134, Abbildungen 63 und 64.

 

Bibliographie :

Amweg Gustave, Les arts dans le Jura bernois et à Bienne. II. Arts appliqués. Chez l’auteur, Porrentruy 1941.

Babey Ursule, Johann Jacob Frey. Le faïencier qui aimait trop la porcelaine – deux essais d’implantation dans le Jura méridional. Revue des Amis suisses de la céramique 123, 2010, 29-49.

Babey Ursule, Archéologie et histoire de la terre cuite en Ajoie, Jura, Suisse (1750-1900). Les exemples de la manufacture de faïence de Cornol et du centre potier de Bonfol. Office de la culture et Société jurassienne d’Emulation. Cahier d’archéologie jurassienne CAJ 37. Porrentruy 2016.  Pour se procurer un exemplaire : https://www.jura.ch/fr/Autorites/Archeologie-2017/Publications/Les-cahiers-d-archeologie-jurassienne-CAJ.html

Couvet NE

Keramik aus Couvet?
Fayencen, «covets» (Glutbecken) und andere Irdenwaren

Roland Blaettler, 2013

Die Geschichte der Keramik von Couvet (Val-de-Travers) gab mangels solider Quellen gegen Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts Anlass zu zahlreichen Spekulationen. Die wohl gewagteste Hypothese postulierte die Existenz einer Produktion von Faïence in Couvet bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dies würde die Beherrschung einer relativ komplexen Technologie voraussetzen, die sicherlich einer gewissen Anzahl von Kachelofenbauern im Neuenburgerland und vielleicht sogar im Val-de-Travers bekannt war.

Die Fayence von Couvet  – Die Idee wurde 1892 von Charles Alfred Michel und Alfred Godet in einem kurzen, gemeinsam verfassten Artikel lanciert, der im Musée neuchâtelois erschien (Michel und Godet 1892). In ihrem Text ziehen die beiden Autoren vorsichtig den Schluss, dass es eine solche Fabrikation gab, sie versuchen auch, sie etwas näher zu beschreiben. Ein eher schwieriges Unterfangen, denn, so sagen sie, «die Stücke […] von Couvet weisen eine augenfällige Analogie auf zu denen aus den Fabriken im Elsass, in Delft oder Marseille». Der Artikel ist mit einer Keramik aus dem Neuenburger Museum für Kunst und Geschichte illustriert, die wir heute der Region Lunéville zuordnen (MAHN AA 1887), sowie mit einer Kaffeekanne aus der Durlacher Manufaktur in Deutschland (MAHN AA 1709).

Die Fayencen aus den Sammlungen des Musée d’art et d’histoire und des Musée régional du Val-de-Travers, die gemäss den alten Museumsinventaren Couvet mehr oder weniger sicher zugeschrieben werden, sind erstaunlich vielfältig: Es gibt eindeutig belegte Exemplare aus Ostfrankreich (Lunéville und Region, Épinal oder Rambervillers, in den Vogesen), Süddeutschland, Delft und sogar feine luxemburgische Steingutstücke! (MAHN AA 1928; MAHN AA 1887; MAHN AA 2127; MAHN AA 2130; MRVT Nr. 1; MAHN AA 1721; MAHN AA 1311; MAHN AA 2134; MAHN AA 2135; MAHN AA 2137; MAHN AA 2129; MRVT Nr. 56; MAHN AA 1904; MAHN AA 1927 und 1920; MAHN AA 1709; MRVT Nr. 90; MRVT Nr. 92; MAHN AA 1998-15; MRVT Nr. 73; MRVT Nr. 45; MAHN AA 1926; MRVT Nr. 49; MRVT Nr. 2655c; MAHN AA 1905 und 1906; MRVT Nr. 95; MRVT Nr. 94; MRVT Nr. 34; MRVT Nr. 35; MRVT Nr. 31 und 36; MRVT Nr. 71; MRVT Nr. 72; MAHN AA 2133; MAHN AA 1513; MAHN AA 1908 und 1914).

In den meisten Fällen zeugen diese Beispiele von einem erprobten Know-how und einer soliden Kenntnis der Technik. Es können keineswegs Stücke sein, die beispielsweise von einem Kachelofenbauer stammen, der in auftragsarmen Zeiten nebenbei noch Geschirr produzierte. Vielmehr handelt es sich bei den genannten Fayencen in der Regel um eine vorindustrielle Produktion, die ein gewisses Mass an Personal und Einrichtungen erforderte, Bedingungen, die sicherlich Spuren im lokalen Bauerbe oder in Archivdokumenten hinterlassen hätten.

Unter den Couvet zugeschriebenen Fayencen findet man eine umfangreiche und vollkommen geschlossene Gruppe von Schalen, Tassen, Untertassen, Tellern und Kaffeekannen, dekoriert mit mehrfarbiger oder violetter monochromer Inglasurmalerei. Besonders gut vertreten ist ein violetter monochromer Dekor, der ein kleines Haus zeigt, flankiert von zwei Bäumen mit Laub in Schwämmeldekor, fast schon ein Emblem der «faïence de Couvet» (z.B. MAHN AA 1998-15; MRVT Nr. 73; MRVT Nr. 94; MRVT Nr. 34; MRVT Nr. 35). Allein das Musée régional du Val-de-Travers besitzt etwa fünfzig Exemplare davon. Durch ihre Formen, die Handschrift ihrer Maler und einige ihrer Dekore sind diese Fayencen jedoch eindeutig Teil der Produktion der Durlacher Fayencemanufaktur in Baden-Württemberg (Durlach 1975). Der süddeutsche Keramikspezialist René Simmermacher legt aufgrund neuerer Forschungen hingegen nahe, dass einige dieser Fayencen der Manufaktur Mosbach (Baden-Württemberg), einem stark von Durlach geprägten Betrieb, zugeschrieben werden können (insbesondere MRVT Nr. 56; MAHN AA 1904; MAHN AA 1998-15; MRVT Nr. 73; MRVT Nr. 94).

Eine derart ausgeprägte Präsenz dieser Art von Fayence im Neuenburgerland und insbesondere im Val-de-Travers ist natürlich überraschend. Sicherlich hat Durlach seine Produkte in die Schweiz exportiert, aber vor allem in die süddeutschen Grenzregionen. In diesem Fall, und insbesondere auch in Bezug auf den «Häuschen»-Dekor aus dem ersten Drittel des 19. Jahrhunderts, kann man nur von einem besonderen Umstand ausgehen: Etwa ein Handelsaustausch im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Uhren oder die Durchreise eines deutschen Wanderhändlers?

Die Glutbecken «les covets»

In den Neuenburger Sammlungen befinden sich vier Beispiele von Glutbecken aus glasierter Irdenware, die eindeutig aus einer einzigen Werkstatt stammen, deren Standort noch zu bestimmen ist (MLS 270307; Valangin Nr. 5; MRVT Nr. 98; MLS 270308).

Die Museumsinventare liefern uns keine nützlichen Informationen über ihre Herkunft, auch wenn die lokale Tradition vorgibt, dass diese «covets», wie sie in der Regionalsprache genannt werden, ihren Ursprung in Couvet haben. Nach einer immer noch weit verbreiteten, aber von Linguisten ernsthaft in Frage gestellten Interpretation leitet sich der Ortsname sogar von dem Namen «covet» ab, als Beweis dient das alte Wappen von Couvet aus dem Jahr 1890 mit drei brennenden Glutbecken. Der Ortsname – Covès in seiner ältesten Form – ist bereits im 14. Jahrhundert bezeugt, «lange bevor dort Glutbecken produziert werden konnten», wie William Pierrehumbert zu Recht betont (Pierrehumbert 1926, 155).

Es besteht kein Zweifel, dass der Bezirk Couvet im 18. und 19. Jahrhundert eine der grössten Konzentrationen von Töpfern im Kanton aufwies: Im Jahr 1817 zählte man siebzehn Töpfereien (Montandon 1921, 219). Wie Léon Montandon bereits 1921 feststellte, gibt es jedoch keine Hinweise darauf, dass sie «covets« produzierten.

Ein möglicher Ursprung der Glutbecken könnte Bonfol im Jura sein, ein Produktionszentrum, das zumindest seit dem 17. Jahrhundert für seine feuerfeste Keramik weit und breit bekannt war. Im Jahr 1809 hatte Bonfol etwa dreissig Töpfer, die ihre Waren auf den Märkten in den Freibergen, in La Chaux-de-Fonds und Neuenburg verkauften, ganz zu schweigen von den Absatzmärkten in der Deutschschweiz (Amweg 1941, 344-347). Aus technologischer oder sogar stilistischer Sicht könnten diese Objekte Bonfols Produktion zugeordnet werden (Babey 2003). Das Problem liegt aber darin, dass bis heute kein Objekt dieser Art in der Ajoie oder im übrigen Jura gefunden wurde, auch nicht in Sammlungen oder unter Ausgrabungsobjekten (Mitteilung von Ursule Babey). Die Frage nach der Herkunft der Neuenburger «covets» bleibt daher problematisch.

Die Töpferei in Champs Girard – Zwischen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts sind Töpfer der Familien Borel und Petitpierre am Ort mit dem Flurnamen Champs Girard, auf den Höhen von Couvet, nachgewiesen. Der letzte bekannte Töpfer, Jules Petitpierre (1839-1913), praktizierte dort offenbar die Technik der engobierten Irdenware, manchmal «unbeholfen verziert, im Stil von Porrentruy». Die Dekore aus mehrfarbigen Engoben wurden mit dem Malhorn aufgetragen «wie in Heimberg» (Michel et Godet 1892, 59; Petitpierre 1965).

Der Brennofen in Champs Girard wurde 1942 im Zuge einer Restaurierung des Gebäudes abgebrochen. Die damals vor Ort gefundenen Gegenstände waren Töpfe, Schüsseln und Deckeltöpfe (vom Typ der «toupines», also Schmalztöpfe, die insbesondere von der Familie Knecht in Colovrex hergestellt wurden) dunkelbraun oder beige engobiert (Petitpierre 1965, Schwarz-Weiss-Fotografie, S. 5)

Das Neuenburger Museum für Kunst und Geschichte besitzt drei Objekte (MAHN AA 2065; MAHN AA 3289; MAHN AA 1784), die in den alten Inventaren der Töpferei von Champs Girard zugeschrieben werden und die Werke des Grossvaters von Jules Petitpierre, Henri-Louis Borel-Vaucher, sein könnten.

Vollständiger Text in: Blaettler/Ducret/Schnyder 2013, 35-36, 60, 194 – Letzte Aktualisierung: März 2019

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

Amweg 1941
Gustave Amweg, Les arts dans le Jura bernois et à Bienne, t. II: Arts appliqués, Porrentruy 1941.

Babey 2003
Ursule Babey, Produits céramiques modernes. Ensemble de Porrentruy, Grand’Fin, Porrentruy 2003.

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013.

Durlach 1975
Durlacher Fayencen, 1723–1847, Ausstellungskatalog, Badisches Landesmuseum Karlsruhe, Karlsruhe 1975.

Michel et Godet 1892
Charles Alfred Michel et Alfred Godet, Les faïences du Val-de-Travers, in: Musée neuchâtelois, 1892, 55-61.

Montandon 1921
Léon Montandon, Potiers de terre neuchâtelois, in: Musée neuchâtelois, 8, 1921, 217-220.

Petitpierre 1965
André Petitpierre, La poterie de Couvet, in: Feuillet Dubied, 9, 1965, 4-5.

Pierrehumbert 1926
William Pierrehumbert, Dictionnaire historique du parler neuchâtelois et suisse romand,  Neuchâtel 1926.

 

Couvet NE, Töpferei in Champs Girard

Roland Blaettler, 2013

Zwischen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts sind Töpfer der Familien Borel und Petitpierre am Ort mit dem Flurnamen Champs Girard, auf den Höhen von Couvet, nachgewiesen. Der letzte bekannte Töpfer, Jules Petitpierre (1839-1913), praktizierte dort offenbar die Technik der engobierten Irdenware, manchmal «unbeholfen verziert, im Stil von Porrentruy». Die Dekore aus mehrfarbigen Engoben wurden mit dem Malhorn aufgetragen «wie in Heimberg» (Michel et Godet 1892, 59; Petitpierre 1965).

Der Brennofen in Champs Girard wurde 1942 im Zuge einer Restaurierung des Gebäudes abgebrochen. Die damals vor Ort gefundenen Gegenstände waren Töpfe, Schüsseln und Deckeltöpfe (vom Typ der «toupines», also Schmalztöpfe, die insbesondere von der Familie Knecht in Colovrex hergestellt wurden) dunkelbraun oder beige engobiert (Petitpierre 1965, Schwarz-Weiss-Fotografie, S. 5).

Das Neuenburger Museum für Kunst und Geschichte besitzt drei Objekte (MAHN AA 2065; MAHN AA 3289; MAHN AA 1784), die in den alten Inventaren der Töpferei von Champs Girard zugeschrieben werden und die Werke des Grossvaters von Jules Petitpierre, Henri-Louis Borel-Vaucher, sein könnten.

Vollständiger Text in: Blaettler/Ducret/Schnyder 2013, 194 – Letzte Aktualisierung: März 2019

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013.

Michel et Godet 1892
Charles Alfred Michel et Alfred Godet, Les faïences du Val-de-Travers, in: Musée neuchâtelois, 1892, 55-61.

Petitpierre 1965
André Petitpierre, La poterie de Couvet, in: Feuillet Dubied, 9, 1965, 4-5.

 

Dübendorf-Stettbach, Meister & Co., Kunsttöpferei (1920-1961)

Heinrich Meister 1894-1972 (Foto Archiv Meister & Co., Christine Hobi)

100 Jahre Meister-Keramik

Richard Kölliker 2020 (Ergänzungen nach SHAB durch Andreas Heege)

Meister-Keramik in CERAMICA CH

Heinrich (auch Heinz oder Heinz-Tobias) Meister (*7. Juli 1894 in Binningen bei Basel; † 11. April 1972 in Dübendorf), wuchs in Münster im Elsass auf. Seine Matura legte er in Colmar ab. Ab 1912 verfolgte er ein Architekturstudium an der ETH Zürich. Dort lernte er seinen späteren Geschäftspartner, Josef Kövessi aus Debrecen (Ungarn), kennen, der Staatswissenschaften studierte und eine Dissertation über die Tonwarenindustrie in der Schweiz verfasste (Kövessi 1923). 1919 brach Heinrich Meister das Studium ab und begann in der Kunsttöpferei Albert Wächter-Reusser in Feldmeilen bei Zürich ein keramisches Praktikum, wobei seine Arbeit im Entwerfen und Bemalen von Keramik bestand. Josef Kövessi arbeitete bereits dort und lernte laut Arbeitszeugnis bis zum März 1920 alle wichtigen keramischen Arbeiten. Die erhaltenen Objekte von Albert Wächter im Schweizerischen Nationalmuseum belegen, dass die Werkstatt zeittypische Formen und Dekore herstellte, wie sie zeitgleich auch in der Region Heimberg-Steffisburg gefertigt wurden. Dies sind die Vorbilder, die Heinrich Meister und Josef Kövessi bei ihrer kurzen keramischen Ausbildung kennenlernten.

Dübendorf-Stettbach, die Hafnerei-Liegenschaft in den 1950er-Jahren (Foto Archiv Meister & Co., Christine Hobi)

Heinrich Meister und sein Kollege Kövessi gründeten schliesslich mit Unterstützung des Onkels Albert Meister 1920 in Stettbach, einem Ortsteil von Dübendorf zunächst etwas informell den eigenen Betrieb «Meister & Kövessi, Werkstätte für Kunst & Kunstgewerbe», nachdem der Onkel eine Liegenschaft mit einem passenden Haus und Werkstattgebäude sowie einer Turbine zur Stromerzeugung gekauft hatte. In der Liegenschaft hatten sich bereits vorher eine Hafnerei, eine Sägerei und eine Drechslerei befunden. Heinrich Meister bezeichnete in späteren Jahren Josef Kövessi als den “eigentlichen Gründer” der Firma. Er war der Fachmann für Keramik, während Heinrich Meister als Geschäftsführer, Kassierer, Korrespondent und Keramikentwerfer fungierte. Kurzfristig war auch der elsässische Töpfermeister Alphons Braun am Aufbau der Werkstatt beteiligt. Dessen Steinzeugfabrik in Thayngen war kurz vorher eingegangen, sodass Meister und Kövessi günstig Material und Maschinen erwerben konnten. In die Töpferei wurde ein mit Holz und Kohle zu befeuernder, grosser Muffelofen eingebaut, den man begehen konnte. Dessen Steuerung bereitete am Anfang erhebliche Schwierigkeiten. Er wurde 1925 durch einen topmodernen elektrischen Brennofen ersetzt, jedoch nicht abgebrochen, sondern noch eine zeitlang wegen seiner Grösse parallel weiterbenutzt. Auch die korrekte Einstellung der Glasuren war am Anfang offenbar schwierig.  Ab Mitte 1920 lief die Produktion an. Töpfermeister Braun schied nach gerichtlichen Auseinandersetzungen schon vor der offiziellen Firmengründung wieder aus.

Unter dem 1. Januar 1921 wurde Heinrich Meister, zusammen mit seinem Onkel, offiziell im Schweizerischen Handelsamtsblatt als Kunstkeramik-Werkstatt «Meister & Co.» gemeldet (SHAB 39, No. 29; S. 221 vom 30.1.1921). Das Firmenlogo hiess jedoch «A. Meister, Werkstätte für Kunstkeramik».

Mustermesse Basel 1922, Stand von Meister & Co. in der Gruppe XII, Kunstgewerbe  (Foto Archiv Meister&Co., Christine Hobi).

Bereits im Produktionsjahr 1921 finden wir Heinrich Meister auf der Mustermesse in Basel, wo er die Kollektion vorstellte.

Werbung für die MUBA, Zeitschrift “Die Tat, 5. März 1943”.

Meister & Co. stellten während der ganzen Zeit Ihres Bestehens regelmässig auf der MUBA aus (Offizielle Kataloge der MUBA).

Keramikmalerin Gertrud Meister-Zingg (1898-1984) im Malatelier in den 1930er-Jahren (Foto Archiv Meister & Co., Christine Hobi).

Nach einer ersten Bewerbung und Teilzeitarbeit im Jahr 1922 stiess ab März 1923 die Keramikmalerin Gertrud Zingg (*2. August 1898 in Bern; † 2. März 1984 in Uster) aus Bern zur Werkstattmannschaft dazu. Sie hatte von Wintersemester 1914/1915 bis Wintersemester 1918/1919 an der Gewerbeschule in Bern, u. a. bei Jakob Hermanns, die Ausbildung zur Keramikerin gemacht (vgl. Schülertabelle in Messerli 2017, 228-229). Heinrich Meister und sie heirateten im August 1924. In Stettbach leitete Gertrud Zingg die Malabteilung. 1927 wurde die Tochter Christine geboren, die ab 1947 eine Lehre als Keramikmalerin im elterlichen Betrieb absolvierte.

Benno Geiger (1903-1979) als Mitarbeiter in der Werkstatt Meister (Foto Archiv Meister & Co., Christine Hobi).

Einer der ersten Töpferlehrlinge im Betrieb war von 1920-1922 Benno Geiger aus Engelberg (1903–1979). Von 1923-1925 arbeitete er als Geselle in der Werkstatt.  Von 1935 bis 1948 leitete er schliesslich die kunstkeramische Abteilung der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf und übernahm von 1941 bis 1969 die Leitung der Keramischen Fachschule in Bern.

Am 1. Januar 1924 kam es zur Umfirmierung der Kunstkeramikwerkstatt «Meister & Co.» (SHAB 43, No. 117, S. 901, vom 23. Mai 1925). Mitgesellschafterin wurde bis zu ihrem Tod im Jahr 1948 Heinrichs Mutter, die Witwe Wilhelmine Meister, geb. Stehlin (SHAB 66, No. 235, S. 2711, 7.10.1948). Josef Kövessi stieg 1925 aus der Firma aus und ging zurück nach Ungarn, da es Meinungsverschiedenheiten über den einzuschlagenden Kurs der Werkstatt gegeben hatte. Onkel Albert Meister wanderte dagegen von 1926 bis 1930 nach Brasilien aus und gründete schliesslich in Zurzach eine Kolonialwarenhandlung.

1925 Die NZZ schrieb am 13. Oktober: “Die Räume der Kunsthalle [Bern] sind mit den Werken unserer in der Gesellschaft Schweiz. Malerinnen und Bildhauerinnen vereinigten Künstlerinnen geschmückt. Mit sicherer Hand hat die Jury Akzente von eindringlicher Kraft gesetzt… Auch in der Keramik sind große Fortschritte festzustellen. Ich erinnere nur an die schöngeformten Schalen und Teller von G. Meister-Zingg, an Clara Vogelsangs technisch vollendete Krüge und Schalen. Von Adele Schwander sind hübsche und brauchbare Tassen und Schalen da…”

1926 erfolgte die Aufnahme von Heinrich und Gertrud Meister in den Schweizerischen Werkbund (SWB). Heinrich Meister wurde Mitglied im Vorstand der Sektion Zürich. Gertrud Meister-Zingg war zudem Mitglied in der Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen (GSMBK).

1927 erfolgten erste Exporte nach Deutschland, Frankreich und in die USA. Zu diesem Zeitpunkt machte man überwiegend Fayenceglasuren und daneben wenig Engobeware und viele Terracotten, meist in Form grosser Gartenvasen und modellierter Blumentöpfe. Daneben fertigte man Kleinplastiken und Tiere, Gartenfiguren und grosse Kübel in gesintertem Klinkerton sowie Keramik mit den zeittypischen Laufglasuren, einfarbigen Kunstglasuren, Craquelé, Matt- und Alkaliglasuren. Heinrich Meister reagierte mit den Entwürfen seiner Werkstatt auch erfolgreich auf die »Neue Sachlichkeit» und die zunehmend modern werdende Ornamentlosigkeit der Keramik.

1927 beteiligten sich Meisters an der Ausstellung “Céramiques Suisses” im Musée d’Art et d’Histoire in Genf.

In den Dreissigerjahren gab es eine erste Blütezeit der Firma. Die Firma war auch an weiteren Messen, u.a. in Frankfurt präsent und kooperierte eng mit dem Zürcher Heimatwerk. 1931 beteiligte sich die Firma Meister&Co. an der Firma Wullschleger&Co. mit Sitz in Olten, deren Arbeitsbereich der Handel mit Möbeln, Gold- und Silberwaren, Keramik, Tapeten und Stoffen war. Offenbar versuchte man auf diesem Wege einen zusätzlichen Absatzkanal zu entwickeln (SHAB 49, No. 215, 2001 vom 16.9.1931). Auch das Wiedererwachen des «Heimatstils» in den späten 1930er-Jahren als Reaktion auf die Neue Sachlichkeit ging an der Werkstatt und ihren Keramiken nicht vorbei, da die Kunden solche Produkte wünschten. Keramik im Heimatstil war vor allem auch bei US-amerikanischen Auslandsschweizern sehr beliebt. Man fertigte Gefässe mit Alpenblumen, Vögeln, Fischen, Zirkus, Sennenleben, Tessinerhäusern, Engadinerhäusern, Sprüchen, Sportdarstellungen etc. Heinrich Meister sprach später von einem «Rück- und Sündenfall». 1939 waren Meister&Co. auch auf der Landesausstellung in Zürich vertreten.

Ab etwa 1930 bis 1959 amtierte Heinrich Meister auch als Präsident des Verbandes Schweizerischer Töpfermeister und Tonwarenfabrikanten, der 1959 von der Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Keramiker (ASK) abgelöst wurde, zu dessen Gründungsmitgliedern Heinrich Meister zählte.

Werbepostkarte Meister Keramik, um 1950.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zu einem erneuten Aufschwung des Betriebs, auch da die Kontakte in die USA wieder aufgenommen werden konnten. Allerdings verlangten die amerikanischen, wie die deutschen, schwedischen und kanadischen Kunden jedes Jahr einen neue, exklusive Kollektion, was eine grosse Herausforderung an Entwerfer und Produktion darstellte. Bis zu 20 Mitarbeitende waren nach dem Krieg beschäftigt. Viele Absolventinnen und Absolventen der Keramischen Fachschulen der Schweiz waren über einen kürzeren oder längeren Zeitraum im Betrieb tätig, so z.B. Annina Vital (später Heimtöpferei Chur) und Margret Loder-Rettenmund (später Luzerner Keramik). Am 2. Internationalen Keramischen Kongress in Zürich 1950 hielt Heinrich Meister eines der Hauptreferate über die Geschichte der Schweizer Keramik.

Heinrich Meister und Gertrud Meister-Zingg in den 1950er-Jahren (Foto Archiv Meister&Co., Christine Hobi).

Ende der 1950er Jahre beschäftigte sich Heinrich Meister mit dem Plan, anstelle des Betriebs eine Einrichtung der praktischen Erwachsenenbildung als Zweig der Migros-Klubschule einzurichten. Die Pläne zerschlugen sich und 1961 erfolgte altershalber und wegen nachlassender Nachfrage die Schliessung des Betriebs (Tages-Anzeiger, Zürich, 3. Januar 1962).

Heinrich und Gertrud Meister-Zingg gehören zur «zweiten Generation der modernen Schweizer Keramiker», die sich durch ein vielfältiges Experimentieren mit Formen, Farben und Dekoren auszeichnete. Als Quereinsteiger wurde Heinrich Meister zu einem international anerkannten «Modeschöpfer» der Keramik. Er kreierte Formen von seltener Originalität und Frische. Zu den gebräuchlichsten Erzeugnissen gehörten Vasen, Lampenkörper für die Inneneinrichtung und Gebrauchskeramiken wie Schalen, Krüge etc. Gertrud modellierte nebst ihrer Malertätigkeit viel Figürliches.

Eine Auswahl an Meister-Keramiken wird im Schweizerischen Nationalmuseum und im Museum für Gestaltung Zürich aufbewahrt.

Ausstellungen mit und über Heinrich Meister:

Maria Weese und Heinz Meister, Keramische Ausstellung, 6. Juli bis 10. August 1924, Kunstgewerbemuseum Zürich

Schweizerische Landesausstellung “Landi”, Keramischer Pavillon, 1939, Zürich

«Den Meister zeigen» – Objekte aus der Sammlung Erika Munz und historische Dokumente aus dem Geschäfts- und Familienarchiv Meister. 26. September bis 18. Oktober 2014, Reformiertes Kirchgemeindezentrum, Dübendorf.

Meister Keramiken – eine kleine Fotosammlung

Bibliographie:

Richard Kölliker, Vom Geschäft mit der schönen Form. Meister & Cie. – Kunstkeramische Werkstätte Dübendorf-Stettbach, 1920 bis 1961. Heimatbuch Dübendorf, Jahrbuch 68, 2014, 25-50.

Richard Kölliker, Meister-Keramik – Heinrich und Gertrud Meister-Zingg und ihre Kunstkeramik Werkstatt in Dübendorf-Stettbach 1920–1961. Privatdruck, Schaffhausen 2014.

Josef Kövessi, Die Tonwarenindustrie in der Schweiz. Diss., Universität Zürich, 1923.

Kupper, Roland, Auf der Suche nach der modernen Form: Meister-Keramik 1920-1961. Sammler-Anzeiger – Gazette des Collectionneurs 35, Nr. 4, 2015, 4.

Erwin Kunz, Aus der Vergangenheit der ehemaligen Töpferei Meister in Stettbach. Neujahrsblatt Zürich 11, Zürich 1966, S. 7-16.

Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik
von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017.

Wegleitungen des Kunstgewerbemuseums der Stadt Zürich, Nr. 55, Keramische Ausstellung Weese, E. Maria und Heinz Meister, Zürich 1924.

Eberhardt, Elisabeth, Lenzburg (1875-1966)

Elisabeth Eberhardt (* 5.2.1875 Lenzburg, † 2.10.1966 Lenzburg), undatierte Aufnahme. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Keramik von Elisabeth Eberhardt in CERAMICA CH

Elisabeth Eberhardt (* 5.2.1875 Lenzburg, † 2.10.1966 Lenzburg) war neben Nora Gross (1871-1929), eine der ersten kunstgewerblich ausgebildeten Keramikerinnen der Schweiz. Korrekterweise müsste man sie  als Keramikdesignerin und Keramikmalerin bezeichnen, denn sie konnte mangels Ausbildung nicht selber drehen und war in diesem Bereich auf zusätzliche professionelle Hilfe angewiesen. Nach zeichnerischen Entwürfen oder ihren direkten Anweisungen an die Dreher an der Scheibe entstanden ihre Keramikformen. Dekore und später vor allem die Glasuren waren ihre ganz eigenständigen Entwürfe.

Alles was wir heute über Elisabeth Eberhardt wissen, hat Barbara Messerli-Boliger (1987 und 2010) erforscht und veröffentlicht (u.a. ein Katalog aller bis 1987 bekannten Keramiken).

Margaritha Elisabeth Eberhardt wurde am 5. Februar 1875 als jüngstes von drei Kindern des Lenzburger Kaufmanns  Fritz Eberhardt und seiner Frau Helene Landolt geboren.  Über  ihre Schul- und Ausbildungszeit wissen wir fast nichts. Warum sie sich 1903, erst im Alter von 28 Jahren “einem eigenen grossen Wunsche folgend”, entschied, in Steffisburg in einer Töpferei zu arbeiten, entzieht sich unserer Kenntnis.

Ohrenschale, signiert “E.E.”, Privatbesitz Schweiz.

Aufgrund einer signierten Kanne können wir annehmen, dass sie in der Töpferei von Karl Loder-Eyer (1871-1915) Keramik dekorierte und auch mit ihren Initialen “EE.” signieren durfte.

Ausweis für die Bernische Handwerker&Kunstgewerbeschule, Sommersemester 1906. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Der Arbeitsbeginn in Steffisburg fällt mit dem Beginn ihrer kunsthandwerklichen Ausbildung an der Bernischen Handwerker- & Kunstgewerbeschule zusammen, die sie von 1903 bis 1906 besuchte.  Ob sie dabei auch die 1905 gegründete keramische Fachklasse oder “nur” die allgemeinen Kunstgewerbekurse besuchte, ist unbekannt.  In Bern hatte sie vermutlich auch Zeichenunterricht bei dem Kunstgewerbelehrer Paul Wyss, der dort von 1900 bis 1918 wirkte und erheblichen Einfluss auf das  Design der Keramiker in Langnau, Heimberg und Steffisburg gewann.

Schweizerische Techniker-Zeitung 1906.

Es verblüfft daher nicht, wenn Teile ihrer Arbeiten 1906 in einer Druckbeilage der Schweizerischen Techniker-Zeitung als “Neue Bauernmajolika” bezeichnet werden. Auch die wenigen museal überlieferten frühen Keramiken von Elisabeth Eberhardt zeigen, dass sie bis etwa 1913/1915 noch ganz im Stil der Keramikfachschule Geschirr und Vasen mit der regionaltypischen Malhornmalerei und Ritzdekoration versah (Messerli-Bolliger 1987, Katalog 2-14). Abstrahiert-florale und geometrische Dekore zieren ihre Objekte.

Entwurfszeichnungen von Elisabeth Eberhardt, datiert “Thun Sommer 1908”. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

Nach der Ausbildung und weiteren Arbeitsjahren in der Region Heimberg-Steffisburg (belegt durch 1908 datierte und mit “Thun” bezeichnete Keramikentwürfe) versuchte sie sich zunächst mit einer eigenen Werkstatt (an unbekanntem Ort) selbständig zu machen. Als dieser Versuch zu einem unbekannten Zeitpunkt scheiterte, stellte sie ihre Keramiken zunächst in einer Hafnerei in Langnau her (unbekannt bei welchem Hafner, vielleicht bei Adolf Gerber, der 1911 seine neue Töpferei eingerichtet hatte), bevor sie spätestens ab 1914 in der Töpferei von Karl Wespi in Aarau an der Entfelderstrasse, einen eigenen  Arbeitsplatz einrichten konnte. Als Dreher arbeitete dort für sie Alfred Müller und ab etwa 1923 bis zur Schliessung des Betriebes 1928/29 Karl Müller.

Wissen und Leben, Bd. 11, 1912-1913, 374

1912 besprach Nora Gross die Arbeiten von Elisabeth Eberhardt, die im Kunstgewerbemuseum Aarau ausgestellt waren, sehr positiv.

Das Werk : Architektur und Kunst = L’oeuvre : architecture et art, Band 1 (1914), Heft 2, 26.

1913/1914 gestaltete sie Keramik für die Ausstellung “Der gedeckte Tisch” im Kunstgewerbemuseum in Zürich.

1913 nahm sie mit Keramik am Salon d’automne  in Paris teil, wo ihr Geschirr lobend besprochen wurde “… erfreulich sind die bäuerlichen Fayencen von Frau Eberhardt …”.  Wahrscheinlich waren die ausgestellten Keramiken also immer noch mit dem Malhorn dekoriert.

Heimkunst 1913, 8 (Text Alfred Bauer).

1913 Von März bis Juni finden sich ihre Produkte auch auf einer Keramikausstellung des Kunstgewerbemuseums Zürich., wo sie von Alfred Bauer aber eher neutral besprochen werden (Besprechung der Ausstellung in der NZZ).

Arbeiten von Elisabeth Eberhardt, 1916 in Franziska Anner, Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz, Chur 1916, Taf.  37.

Der Umbruch zur reinen Form, ausschliesslich mit farbigen Glasuren und Laufglasuren verziert, setzte aufgrund datierter und erhaltener Stücke offenbar zwischen 1913 und 1915 ein und war wie das oben stehende Ensemblebild zeigt, um 1916 bereits abgeschlossen. Seit 1915 gehörte Elisabeth Eberhardt als eine der ersten Frauen dem Schweizerischen Werkbund an und vor 1928 auch der Gesellschaft Schweizerischer Malerinnen und Bildhauerinnen (GSMB), Sektion Zürich (seit 1928 Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen , GSMBK).

Zeitgenössische Aufnahmen ihrer Keramiken. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch.

1917 beteiligte sie sich an der XIII. Schweizerischen Kunstausstellung in Zürich, Abteilung für angewandte Kunst (Das Werk, Bd. 4, 1917, XIX).

1918 waren Arbeiten von ihr neben denen von J. Hermanns und Nora Gross auf der Schweizerischen Werkbund-Ausstellung in Zürich zu sehen (Die Schweiz : schweizerische illustrierte Zeitschrift, Band 22, 1918, 394).

1920 wurden Arbeiten in der Zeitschrift “Das Werk, S. 240” veröffentlicht.

1923 werden Arbeiten von ihr in der Zeitschrift “Das Werk” veröffentlicht und von Emmy Fischer sehr positiv besprochen.

1925 Teilnahme an der Aargauer Industrie- und Gewerbeausstellung in Baden (Kauf von Objekten durch das  Gewerbemuseum Aarau, heute Museen Aargau).

Keramik mit farbigen Laufglasuren im Museum Burghalde, Lenzburg. Foto Hans Weber, Museum Bellerive Zürich und Gewerbemuseum Winterthur.

1928 Ausstellung von Keramik an der “Saffa” (Schweizer Ausstellung für Frauenarbeit) in Bern. Eine Besprechung durch Maria Weese und Doris Wild hebt ihre Schalen und Vasen hervor, “… denen edle, fein abgestufte Glasuren den Reiz verleihen …”  (Weese/Wild 1928, 28).

1928-1929 hatte sie einen Arbeitsplatz in der Hafnerei von Hans Brunner (1917-1982) Lenzburg, Burghalde.  Nach Auseinandersetzungen über abtropfende Glasuren verlegte sie ihren Arbeitsplatz in die Werkstatt ihrer früheren Dreher Alfred und vor allem Karl Müller, der von 1928 bis 1984 in Unterkulm eine Töpferei führte.  Spätestens 1931/1932 arbeitete sie jedoch wieder bei Brunner in Lenzburg, wo auch Walter Gebauer (1907-1998) für sie drehte (Orelli-Messerli 2010). Zwischen 1934 und 1938/39 war sie wieder in Unterkulm im Wynental, wo sie in einem kleinen Raum ungestört arbeiten und ihre Glasurfarben immer wieder prüfen und perfektionieren konnte.

1937 Nach einer langen Zeit ohne weitere Ausstellung finden wir Elisabeth Eberhardt 1937 erneut an einer Ausstellung der Gesellschaft Schweizer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen in Bern. Ab 1938/39 arbeitete sie bis 1951 wieder in der Hafnerei Brunner in Lenzburg, wo sie für 5 Fr. im Monat eine lange Werkbank gemietet hatte.

1945, d.h. in ihrem 70. Lebensjahr, wurde sie von der Lenzburger Bibliotheksgesellschaft zum Martini-Essen und einer Künstlerehrung eingeladen und eine kleine Ausstellung alter und neuer Werke gezeigt.

Wirtschaftlich lebte Elisabeth Eberhardt, trotz eines kleinen, treuen Abnehmerkreises, wohl in sehr bescheidenen Verhältnissen, zu denen möglicherweise auch ererbte Finanzmittel beitrugen.

Mit ihrem zwischen etwa 1913 und 1922 entstandenen, sehr eigenständigen, auf Formen und Glasuren fokussierten Werk gehörte Elisabeth Eberhardt  zur schweizerischen Keramik-Avantgarde, jenseits floralem Jugendstil, Art déco und Heimatstil. Dieser Art Keramik blieb sie bis zur Aufgabe der Keramikproduktion im Alter von 76 Jahren treu. Zur künstlerischen Bedeutung von Elisabeth Eberhardt vgl. auch Daniela Ball 2005.

Neuerwerbungen Museum Burghalde Lenzburg im Jahr 2018. Foto © Museum Burghalde Lenzburg. www.museumburghalde.ch. Foto der Marke Auktionshaus Zofingen, 59. Auktion 1980, Los 900.

Marken und Signaturen

Elisabeth Eberhardt signierte ihre Keramiken in der Frühzeit mit den Buchstaben “EE..“.

Ausserdem gab es mindestens eine Blindmarke in Form eines Wappenschildes, halb Schweizerwappen, halb Wappen Lenzburg (Messerli Bolliger 1987, Katalog 2).

Hinzu kamen auch Signaturen mit ihrem vollen Namen “E. Eberhardt”, auch in Kombination mit einer weiteren, leicht abgeänderten Blindmarke mit dem Wappen von Lenzburg (Beispiel EAA Inv. 0344).

Informationen zu Elisabeth Eberhardt in “Antik und rar”.

Archivalien und zahlreiche Keramiken von Elisabeth Eberhardt verwahrt das Museum Burghalde in Lenzburg.

Keramik von Elisabeth Eberhardt in der ZHdK-Kunstgewerbesammlung

Bibliographie:

Attenhofer 1967
Ed. Attenhofer, Elisabeth Eberhardt, Keramikerin (1875-1966). Lenzburger Neujahrsblätter 1967.

Ball 2005
Daniela Ball, “Form ohne Ornament”? : Schweizer Keramik im Spiegel der Kulturdebatten der Zwischenkriegszeit.  Kunst + Architektur in der Schweiz 56, 2005, 38-45.

Fischer 1923
Emmy Fischer, Zu den Töpfereien von Elisabeth Eberhardt, in: Das Werk: Architektur und Kunst = L’oeuvre: architecture et art 10, 1923.

Messerli-Bolliger 1987
Barbara E. Messerli-Bolliger, Die Lenzburger Keramikerin Elisabeth Eberhardt 1875-1966, in: Museum Burghalde Lenzburg (Hrsg.), Keramik der Region,  Lenzburg 1987, 20-81.

Orelli-Messerli 2010
Barbara von Orelli-Messerli, Elisabeth Eberhardt (1875-1966) und Walter Gebauer (1907-1998): Eine keramische Begegnung als verpasste Chance?, in: Ralph Mennicken (Hrsg.), Keramische Begegnungen: Sachsen – Schlesien – Böhmen. Beiträge zum 42. Internationalen Symposium Keramikforschung des Arbeitskreises für Keramikforschung in Görlitz (D). Rareren 2010, 188-194.

Weese/Wild 1928
Maria Weese/Doris Wild, Die Schweizer Frau in Kunstgewerbe
und bildender Kunst. Schriften zur «SAFFA». Zürich und Leipzig 1928.

Embrach ZH, Landert Keramik AG

Landert-Keramik in CERAMICA CH

Embrach im Kanton Zürich hatte im späten 19. und im 20. Jahrhundert zwei bedeutende Keramikbetriebe: Die Geschirrfabrik und Kunsttöpferei Zangger und die Firma Landert-Keramik. Beide Firmen haben bisher keine umfassendere wirtschaftsgeschichtliche Bearbeitung erfahren (bislang nur: Stromer 1999, 162-163) und museale Objekte sind rare Ausnahmen.

Die Firma Landert-Keramik startete 1908 in sehr kleinen Verhältnissen mit eigenen Töpferei-Experimenten. Heinrich Landert (? – 1950) richtete im Keller seines Wohnhauses eine Töpferei und einen Brennofen ein. Das Töpferhandwerk hatte er zuvor in der Kunsttöpferei von Gottlieb Zangger erlernt. 1909 gründete er eine eigene Firma und baute eine kleine, einfache Werkstatt. Das Schweizerische Handelsamtsblatt (SHAB) verzeichnete seine Firma zum ersten Mal am 29.10.1917 (SHAB 35,1917, 1732 No. 256). Heinrich Landert wurde als Inhaber einer Mechanischen Töpferei in Unterembrach angegeben.

Die Belegschaft bestand zunächst aus ihm selbst und seinem Bruder Emil (?-1948) sowie Kindern, die als Hilfsarbeiter fungierten. Bis zum Ersten Weltkrieg vergrösserte sich der Betrieb auf fünf bis sechs Angestellte. Die Werkstatt erhielt einen neuen Töpferofen und auch eine Blumentopfpresse. Der verwendete Ton kam aus eigenen Gruben im Bilg, bei der Wagenbrechi und bei Riederen (Rorbas).

Zwischen 1920 und 1934 lässt sich eine Filialfabrikation in Winterthur belegen (SHAB 38, 1920, 217 No. 32; 52, 1934, 2738, No. 232).

Um 1930 brachten die neu eingeführten elektrischen Brennöfen eine wesentliche Verbesserung der Produktion, die damals überwiegend aus Gebrauchsgeschirr, Buttertöpfen und Milchentrahmern bestand. Landert bot auch an, elektrische Brennöfen zu bauen. Der Betrieb war so erfolgreich, dass 1938 ein Elektrotunnelofen gebaut werden konnte. Der Zweite Weltkrieg reduzierte die Konkurrenz und führte zu einer nennenswerten Binnenkonjunktur, die es Landert erlaubte zwischen 1941und 1945 den Betrieb mehrfach auszubauen. Damals betrug der Höchststand der Mitarbeiter über 70.

1941 liess sich Landert einen Milchentrahmer patentieren (SHAB 60, 1941, 280, No. 29), der sich in Museumssammlungen Graubündens relativ oft findet.

1943 wurde eine Fürsorgestiftung für das Personal eingerichtet (Präsident Heinrich Landert,  sen.) und am 8. Juli eine erste Firmenmarke im Handelsamtsblatt eingetragen.

Nach dem Tod von Heinrich (I) Landert, sen. wurde die Firma im Jahr 1950 (SHAB  68, 1950. 2857, No. 61) in eine Kommanditgesellschaft umgewandelt (Landert & Co.). Heinrich (II) Landert (? – 1982) und Walter Landert waren neben weiteren Familienmitgliedern Kommanditisten. 1960 wird Heinrich(III) Landert, zusätzlicher unbeschränkt haftender Gesellschafter (SHAB 78, 1960, 202 No. 171).

Die Kommanditgesellschaft wurde zum Jahreswechsel 1977/1978 in die Aktiengesellschaft “Töpferei Landert AG” umgewandelt (SHAB 96, 1978, 2765, No. 207).

1982 starb Heinrich (II) Landert und sein Bruder Martin wurde Vicepräsident der AG (SHAB 100, 1982, 4121, No. 301.

In den 1970er- bis 1990er-Jahren fand die Firma eine Nische in der Produktion von Haushaltskeramik, vor allem  Fonduegeschirr, das mit grossem Aufwand in Handarbeit verziert wurde. Ab 1969 kaufte die Luzerner Keramik  von der Firma Heinrich Landert in Embrach auch geschrühte, ungemarkte Rohware in Form von Caquelons hinzu, die dann mit dem Luzerner Dekor 210 verziert wurden, um vollständige Fondue-Sets in guter Qualität anbieten zu können (Auskunft Margret Loder, Ebikon). Franz und Margret Loder hatten Heinrich (III) Landert in der Keramikfachschule in Bern kennengelernt und blieben ein Leben lang befreundet. Die Luzerner Keramik arbeitete nachweislich bereits um 1945 erstmals mit der Landert-Keramik bei einem Kanne Becher-Set für den Männerchor zusammen:

1996 befand sich die “Töpferei Landert AG” in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Daher kam es 1997 zu einer Neugründung einer Aktiengesellschaft  “Landert Keramik AG” durch Christoph und Hanspeter Landert (SHAB 115, 1997, 721 No. 21.

Im selben Jahr erfolgte die Auslagerung der Geschirrproduktion in die Slowakei. 2005 kam es zu einer Wiederaufnahme der Produktion in Embrach mit Arbeitskräften der  Arbeitsstätte Hardundgut. Von der sozialen Einrichtung arbeiteten bis 2009 Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen, unterstützt von vier Sozialpädagogen, im Betrieb. Im Februar 2010 wurde die Produktion definitiv beendet und die Aktiengesellschaft verkauft (18.03.2010).

Bislang ist das museal überlieferte und bekannte Gefässspektrum von Landert-Keramik sehr klein. Auf die zahlreichen Milchentrahmer, die auch die Marke “LANDERT EMBRACH-STATION mit der Armbrust” tragen, wurde oben ja schon hingewiesen. Die Marke „Armbrust“ wurde ab 1917 durch Swiss Label eingeführt und ab 1931 vom Verband für Inlandsproduktion verwendet (SHAB 49, 1931, 1086). Ab diesem Zeitpunkt finden wir sie wohl auch bei Landert-Keramik. Sie erlaubt uns die Zuweisung einer weiteren Geschirrgruppe zur Embracher Produktion.

  

Die sehr charakteristischen Dekore sind entweder mit einem Gummistempel aufgestempelt oder mit Schablone und Spritzpistole aufgebracht.

Der Dekor ist so charakteristisch, dass auch ungemarkte Stücke eindeutig zugeschrieben werden können.

Alle jüngeren Objekte tragen die erst 1943 neu eingeführte Marke, u.a. diese Art der Doppelgrifftöpfe, die als Vorratsgefässe gedient haben.

Keramiken aus der Landert-Produktion ohne genaue Datierung.

Landert, Embrach im Verzeichnis Schweizer Keramiksignaturen

Filme zur Keramik in Embrach

Bibliographie:

Markus Stromer, Geschichte der Gemeinde Embrach, Bd. 2., Das 19. und 20. Jahrhundert, Embrach 1999, 162-163.

Eysins VD, Töpferei Paul Gerber (1900–1977)

Keramik aus Eysins in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Nach einer zweijährigen Ausbildung an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-près-Renens, zwischen 1916 und 1918, perfektionierte sich Paul Gerber (1900–1977) im Bereich Drehen und Formen in Langenthal, Steffisburg und im Jura. Danach arbeitete er als Dreher in der Fayencemanufaktur von Charolles (Saône-et-Loire). Im Juli 1921 schloss er sich den Poteries du Sornin in Saint-Maurice-lès-Châteauneuf (Saône-et-Loire) an. Diese im April 1920 gegründete Töpferbetrieb befand sich unter der Leitung von Maurice Dagot, dessen Schwester Berthe Paul Gerber im August 1923 heiratete.

Das junge Unternehmen war ständig mit ernsthaften finanziellen Problemen konfrontiert, da es nicht in der Lage war, sich gegenüber der Konkurrenz, insbesondere der Faïencerie de Charolles, zu behaupten. Im November 1923 beschlossen die Aktionäre, die Produktion auszusetzen und nur noch die im Lager vorhandenen Schrühbrände zu dekorieren. Gerber fand einen Platz als Modelleur bzw. Dreher in der Steingutfabrik Hippolyte Boulenger & Cie in Montereau (Yonne). Zwischen dem 1. Februar 1924 und dem 30. November 1925 bekleidete er die Position des technischen Direktors in der Faïencerie von Charles Briand in Charolles (Duroy – siehe Quellen).

Die Auflösung der Firma Poteries du Sornin wurde im Januar 1924 bekannt gegeben. Die Gebäude und das Grundstück fanden 1925 neue Besitzer, während Gerber die Bestände an undekorierten Waren erwarb. Er versuchte, erneut eine Produktion aufzunehmen, wahrscheinlich indem er die alten Anlagen anmietete. Das Abenteuer war von kurzer Dauer: Die Öfen von Sornin wurden im April/Mai 1926 für immer stillgelegt. Ab 20. Mai 1926 hielt sich Gerber in Chauvigny-sur-Vienne auf, in der Region Poitou, wo er eine Stelle in der Porzellanfabrik von Fernand Deshoulières gefunden hatte (Duroy – siehe Quellen).

Nach seiner Rückkehr in die Schweiz im Jahr 1928 wurde er in einer provisorischen Anstellung zum stellvertretenden Fachlehrer an der Schweizerischen Keramikschule ernannt (Le Droit du Peuple vom 17. April 1928, 5). Seine Tätigkeit dauerte offenbar bis 1930/31, wird er doch von 1929 bis 1931 im Annuaire vaudois als «maître» (Meister/Fachlehrer) in der Rubrik zur Schule erwähnt. Gemäss der von seinem Enkel Christian Gerber erstellten Biografie zog er 1930 nach Ferney-Voltaire, bevor er sich in Carouge niederliess. Im Schweizerischen Handelsamtsblatt ist er am 19. September 1931 als Leiter der Firma «Paul Gerber – Commerce et fabrication de produits céramiques» mit Sitz in der Rue Jacques-Dalphin 48 in Carouge eingetragen (SHAB, Bd. 49, 1931, 2057).

Dieser Firmenname wurde einige Monate später, im Juni 1932, aus dem Register gestrichen, da der Zweck der Firma erloschen war (SHAB, Bd. 50, 1932, 1634). Es ist unwahrscheinlich, dass Gerber in so kurzer Zeit eine Produktion hätte aufnehmen können. Hatte er sich darauf beschränkt, die Produkte anderer Töpfer zu vermarkten? Nach einem kurzen Verbleib in Aubonne, wo er 1933/34, wiederum nach Angaben von Christian Gerber, einen Töpferladen betrieb, liess er sich in Nyon nieder. In Zusammenarbeit mit Robert Knecht, dem Besitzer der Töpferei Knecht in Ferney-Voltaire (Ain), eröffnete er dort unter dem Namen «Knecht et Gerber» ein neues Geschäft, das auf den Verkauf von Keramik, Fayence, Porzellan und Glaswaren spezialisiert war. Das Geschäft befand sich in der rue de Rive 43 (SHAB, Bd. 52, 1934, 2307). Knecht versuchte sehr wahrscheinlich, seinen Absatzmarkt auf die Schweiz auszuweiten, und vermutlich verbargen sich in der oben erwähnten kurzen Geschäftsperiode in Carouge die gleichen Beweggründe.

Nach diesem Lebensabschnitt, reich an vielfältigen und oft komplizierten Episoden, stellten Paul Gerber und seine Familie 1936 in Eysins, nicht weit von Nyon, endlich ihre Koffer ab. Die Löschung des Firmennamens «Knecht et Gerber» von Nyon wurde am 17. August 1938 registriert, wobei die Aktiva und Passiva von der «Poterie d’Eysins Paul Gerber» übernommen wurden, die am selben Tag offiziell eingetragen wurde (SHAB, Bd. 56, 1938, 1912). So konnte sich Paul Gerber schliesslich in Eysins in einer eigenen Werkstatt, ausgestattet mit einem nach seinen Wünschen gestalteten Holzofen, niederlassen.

Umgeben von einigen wenigen Mitarbeitern, darunter seinem Sohn Edmond, entwickelte er eine Produktion von engobierter Irdenware und Fayencen, die von seinem gesammelten Wissen zeugt, insbesondere auf dem Gebiet der Beschaffenheit der Glasuren und der Formgebung. Wirtschaftliche Zwänge drängten ihn oft, sich auf die laufende Produktion zu konzentrieren (MHPN MH-2000-127; MHPN MH-1993-22), zum Nachteil seiner kreativeren Ader, für die er offensichtliche Veranlagungen hatte (MHPN MH-2000-71; MHPN MH-2000-173A). Wie viele andere Töpfer der damaligen Zeit bediente Gerber auch den Markt für Gedenkgegenstände (ML 2020-28-1; MHPN MH-FA-4615; MHPN MH-FA-4662; MHPN MH-1993-14; MHPN MH-2000-62) und touristische Souvenirs (MHPN MH-1993-13). Zu seinen Stammkunden zählten die Genfer Floristen und Konditoren, Lebensmittelgeschäfte auf dem Land und sogar Kaufhäuser. Selbst bei grossen Serien blieb Gerber den streng handwerklichen Herstellungsverfahren treu, die er praktisch bis zum Tode fortführte.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen :

Collection de documents rassemblés par Christian Gerber sur le site www.notrehistoire.ch (critère de recherche «Paul Gerber»)

Daniel Duroy, Les faïences du Sornin (http://pjpmartin.free.fr/Chf15/Chf15_DD.pdf, consulté en mai 2019)

La Feuille officielle suisse du commerce (consultée sur le site e-periodica.ch)

La presse et les annuaires vaudois, consultés sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne