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Le Locle NE, Olivier Mathey, Atelier für Porzellan- und Fayencemalerei

Keramik von Olivier Mathey in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Das Historische Museum in Le Locle und das Kunsthistorische Museum in Neuenburg verwahren zwei Werke von Olivier Mathey, der in Le Locle als Keramikmaler tätig war: eine Untertasse aus Steingut mit Farbpalette, datiert 1874 (MHLo 0163 MH), und einen Porzellanteller ebenfalls mit Farbpalette (MAHN AA 5357 – Genava 28, 1980, Abb. 28, S. 282).

Auch das Musée Ariana in Genf besitzt eine Porzellantasse und eine Untertasse mit emailliertem Dekor (Medaillon mit weiblichem Porträt und Girlandenfries im Stil Ludwigs XVI.), signiert und datiert «Olivier Mathey – Le Locle – 1877» (MAG AR 6079).

Bei unseren Recherchen stiessen wir auf einen Auguste Olivier Mathey, Chemiker und amtlich beeidigter Edelmetallprüfer im Amt für Edelmetallkontrolle in Le Locle. Er war aber auch bekannt als Autor mehrerer weltbekannter Publikationen zum Thema «Vergoldung und Versilberung nach der elektrochemischen Methode», die vor allem in der Uhrmacherei angewandt wurde. Die Publikationen erschienen in den Jahren 1855 bis 1890. In den 1870er-Jahren hielt er auch Vorträge vor der Neuenburger Gesellschaft für Naturwissenschaften über Versuche mit Malerei auf Glasur. 1873 präsentierte er beispielsweise, vor derselben Gesellschaft, eine kurze Abhandlung über Malerei auf Glasuren, insbesondere im keramischen Bereich, illustriert mit einigen Beispielen von polychromer Inglasurmalerei auf Fayence (Bulletin de la Société des sciences naturelles de Neuchâtel, t. IX, 376-380). Mathey verwies auch auf Arbeiten seiner Schüler, was darauf schliessen lässt, dass er in Le Locle eine Schule für Keramik- und Emailmalerei gegründet hatte.

Bibliographie:

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013, 496.

Lentigny FR, Fabrik für Feinkeramik (1945-1953) und Porzellan (1954-1961)

Alfred Gasser (Foto aus dem Reisepass vom 12.12.1951).
Archiv von M. Gonzalez Gasser. Photo: M. Maggetti.

Marino Maggetti, 2021

Das Langenthaler Porzellan und die Firma Rössler in Matzendorf sind den meisten ein Begriff – aber eine Porzellanmanufaktur im tiefsten Kanton Freiburg? Tatsächlich gab es eine solche Manufaktur von 1954 bis 19611.

Alfred Henri Gasser (1918–20112) war das zweite Kind von Ernst Gasser (1887–1972) und Emma, geborene Gonet (1889–1978). Sein Vater, der aus einer Dynastie von Ziegelmachern aus Rüschegg (Kanton Bern) stammte, war von 1918 bis zur Schliessung des Betriebs im Jahr 1931 der technische Leiter der Ziegelei und Brikettfabrik in Lentigny3. Die örtlichen Lehmvorkommen, die bereits in den Jahren 1865 oder 1869 abgebaut wurden, waren zu diesem Zeitpunkt erschöpft. Ernst Gasser baute eine neue Fabrik in Corbières, verlegte die Maschinen dorthin und nahm 1932 die Produktion auf.

Über Alfred Gassers beruflichen Werdegang ist wenig bekannt, da beim Brand seiner Fabrik im Jahr 1962 nicht nur alles, was sich in den Räumlichkeiten befand (Maschinen, Produktion usw.), sondern auch das Firmenarchiv zerstört wurde. Der Familientradition zufolge soll er an der Schweizer Keramikschule in Chavannes-près-Renens (VD) ein Diplom erworben haben. Anschliessend schuf er sich während des Zweiten Weltkriegs ein kleines Vermögen durch den Abbau des Torfmoors von Lentigny, das er 1941 erworben hatte. Der Torf ersetzte ausländische Kohle zum Heizen der Häuser und wurde zum Antrieb von gasbetriebenen Fahrzeugen verwendet. Mit diesem Geld gründete er 19454 in den grossflächigen Räumen der ehemaligen Ziegelei und Brikettfabrik in Lentigny eine Töpfermanufaktur, der er den Namen «Industrie de céramique fine» (ICF)5 gab.

Abb. 1 Beispiele aus der Produktion von Alfred Gasser zwischen 1945 und 1953: Kaffeekanne, Irdenware, braune Engobe auf Innen- und Aussenseite, transparente Bleiglasur. Blindmarke LENTIGNY. Höhe 16 cm. Privatbesitz; Dose aus Fayence, gemalter Dekor. Blindmarke ICF LENTIGNY. 12,7 x 8,7 x 6,7 cm. Aus privater Sammlung.  Fotos: M. Maggetti.

Gasser stellte Irdenware, Fayencen6 und sogar Keramik für industrielle Zwecke7 her. Der Ton wurde mit Lastwagen aus der Gegend von Hauteville8 angeliefert. Die Produktion umfasste Alltagsgeschirr (Dosen, Kaffeekannen, Aschenbecher als Werbemittel, Krüge für Brennereien, Likörflaschen, runde und rechteckige Platten, Milchkannen, Tassen, Blumenvasen) und künstlerische Keramiken (Abb. 1). Der Scherben weist eine ziegelrote Farbe auf. Die Irdenware ist oft mit einer weisslichen Engobe überzogen, ihre bleihaltigen, transparenten Glasuren sind in einem monochromen Braunton gehalten. Eine kleine Gruppe von Objekten zeigt schwarz gemalte Dekore, feine Verzierungen mit Gold sind jedoch häufig. Die Fayencen sind mit Spritzdekoren (mit opaken, einfarbigen Glasuren in Blau, Grün oder Violett) oder sehr einfachen gemalten Dekoren versehen, vor allem grüne und rote Blumenmotive (Abb. 1). Die Unterglasur-Blindmarke LENTIGNY oder ICF LENTIGNY ist sehr selten.

Abb. 2 Porzellan von Alfred Gasser (1954–1961). Krug, polychromer Dekor. Unterglasur-Stempelmarke LENTIGNY SWITZERLAND 55. Höhe 16,6 cm. Aus privater Sammlung. Foto M. Maggetti.

1953–19549 wandelte Alfred sein Unternehmen in eine Porzellanmanufaktur um, die einzige in der Westschweiz. Diese Umstellung erfolgte aus wirtschaftlichen Erwägungen, da diese Art von Keramik in Mode war, zudem hygienisch und wesentlich stossfester als herkömmliche Töpferware. Der höhere Preis von Porzellan war nicht mehr so ausschlaggebend, denn um 1950–1960 konnte sich die Mehrheit der Bevölkerung einen solchen Luxus leisten. Alfred sah einen zusätzlichen Absatzmarkt in der Elektroindustrie (Schalter, Sicherungen, Isolatoren), in Laboratorien (Laborporzellan) und anderen industriellen Anwendungen. Der 30 Meter lange Ofen wurde von Fachleuten aus Deutschland installiert. Es waren auch deutsche Arbeiter, die ihm bei der Aufnahme der Produktion halfen. Im oberen Stockwerk der Fabrik wurden diesen und anderen Arbeitern elf Zimmer zur Verfügung gestellt. Doch die Arbeitskräfte bestanden nicht nur aus diesen Fachkräften, sondern auch aus Alfreds vier Kindern, die von ihrem Vater immer wieder hartnäckig angehalten wurden, ihm zu helfen. Die verwendete Tonpaste war die klassische Mischung für Hartporzellan, wie es in Langenthal hergestellt wurde: 50 Prozent tschechisches Kaolin, 25 Prozent weisser Sand und 25 Prozent Kalifeldspat. Die Produktion umfasste eine breite Palette von Gegenständen10: Babyteller, Preisteller, Erinnerungsstücke, Bonbonnièren, Aschenbecher, Eierbecher, Sahnekännchen für Restaurants, Krüge, Schnapsflaschen, kleine Krüge, Wappenschalen, Fischplatten, Milchkannen (Inhalt 1, 1,5 und 2 Liter), Salzstreuer, Tassen und Vasen (Abb. 2–4).

Abb. 3 Porzellan von Alfred Gasser (1954–1961). Ein Salzstreuer, ein Eierbecher mit Golddekor und ein Sahnekrug für ein Restaurant, verschiedene Arten von kleinen Vasen. Stempelmarken LENTIGNY oder LENTIGNY SWITZERLAND. Höhe des Sahnekrugs 5,5 cm. Aus privater Sammlung. Foto M. Maggetti

Bedeutende Freiburger Betriebe wie die Schokoladenfabrik Villars gaben grosse Bestellungen für die Weihnachtsfeiertage auf. Andere Aufträge kamen von den Sport-, Wirtschafts- und Kunstvereinen des Kantons. Die Produkte der Manufaktur wurden entweder von Unternehmen aus der Region oder durch Vertreterbesuche von Dorf zu Dorf vertrieben11 Bereits 1955 stellte die «Manufacture de porcelaine, Lentigny» ihre Waren auf der 39. Schweizer Mustermesse in Basel aus12. Laut Aussagen seiner Kinder geriet Alfred Gasser zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Die beiden anderen Schweizer Porzellanfabriken waren sicherlich nicht sehr glücklich über die Existenz einer Konkurrentin in der Westschweiz. Gerüchten zufolge soll Langenthal sogar Arbeiter geschickt haben, um Sabotage zu betreiben. Die Produktion wurde 196113 eingestellt. In der Folgezeit wurde ein Teil der Räumlichkeiten für die Aufzucht von Küken oder die Mast von Kälbern genutzt14. Am 12. August 1962 brannte die Fabrik nieder15. In den 1970er-Jahren beherbergten die wiederaufgebauten Gebäude einen prominenten Mieter: den Freiburger Autorennfahrer Jo Siffert, der hier seine Rennwagen lagerte und seine Motoren testete16. Sein Mechaniker André Marti betrieb in den angrenzenden Räumlichkeiten eine Garage.

Abb. 4 Porzellan von Alfred Gasser (1954–1961). Teller mit Aufglasur-Dekorproben (in Polychromie und russbrauner Monochromie, zentrales schwarzes Medaillon schlecht lesbar). Unterglasur-Stempelmarke LENTIGNY SWITZERLAND 55. Durchmesser 19,8 cm. Aus privater Sammlung.  Foto M. Maggetti.

Die Dekore des Porzellans sind vielfältig. Hervorzuheben sind transparente farblose oder blaue Glasuren, Glanzglasuren in verschiedenen Farben, Unterglasurdekore, florale Farbabzüge und feine Goldverzierungen. Eine Stempelmarke ist auf fast allen Objekten zu sehen. Sie wurde mit Chromgrün auf den unteren Teil des Schrühbrands angebracht, der oft von der Glasur bedeckt war.

Abb. 5 Tabelle der bislang erfassten Marken des Lentigny-Porzellans. Sieben mit Stempel gesetzte Marken und eine Blindmarke (unten rechts). Fotos M. Maggetti.

Die Markenvielfalt ist erstaunlich gross, wenn man die kurze Dauer der Herstellung bedenkt: LENTIGNY, LENTIGNY 59, LENTIGNY SWITZERLAND (mit oder ohne horizontalem Strich unter SWITZERLAND), LENTIGNY SWITZERLAND 54, LENTIGNY SWITZERLAND 55 und Porzellan LENTIGNY 61 (Abb. 5). Nur ein Objekt trägt die eingetiefte Marke LENTIGNY.

Das Werk von Alfred Gasser ist leider in Vergessenheit geraten. Seine Objekte sind weder in den Sammlungen der Schweizer Museen noch im Inventar CERAMICA CH zu finden. Dieser kurze Artikel soll die Neugier der Mitglieder unserer Gesellschaft wecken und die Aufmerksamkeit der Sammler auf diesen so wenig bekannten Freiburger lenken. Der Autor dieser Zeilen hat sich vorgenommen, einen Katalog der Werke von Alfred Gasser zu erstellen. Er wäre sehr dankbar, wenn er auf Keramiken von Alfred Gasser aufmerksam gemacht würde17.

Ich möchte der Schwester von Alfred Gasser, Nelly Anna Tschanz Gasser, den beiden Töchtern von Alfred, Madeleine Gonzalez Gasser und Elisabeth Boscacci Gasser, sowie seiner Nichte Claudine Buchs Gasser meinen herzlichen Dank für ihren herzlichen Empfang in diesen Zeiten der Pandemie und die wertvollen Informationen aussprechen, die sie mir über das Leben und die keramische Tätigkeit ihres berühmten Verwandten gegeben haben. Mein Dank gilt auch Patrick Dietsche für seine bibliografischen Recherchen, Roland Blaettler für seine kritische Lektüre des Textes und Daniel Diezi für das sorgfältige Layout.

Online-Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis der Keramikfreunde der Schweiz, 2021.

Übersetzung Stephanie Tremp

Anmerkungen:

  1. Rolle 2006. L’article de Kim de Gottrau «Tuiles, porcelaines … et même poulets» (La Liberté, 21.8.2019, contient des précieux renseignements sur la tuilerie et les entreprises céramiques d’Alfred Gasser.
  2. Maggetti/Galetti 2020, 68, avaient, en se basant sur la communication orale de ses enfants du 17.9.2020, mis 2014. Depuis lors, nos recherches ont retrouvé l’avis mortuaire de La Liberté du 14.10.2011, selon lequel Alfred Gasser s’est endormi le vendredi 14 octobre 2011, dans sa 94e année.
  3. La tuilerie portait le nom du proche village de Lentigny, malgré son implantation sur le sol de la commune d’Autigny.
  4. La plaquette qu’Alfred Gasser avait fait graver et fixer sur une machine nous renseigne sur le début de ses activités céramiques à Lentigny: «Batteuse à pâte/pour la manufacture de porcelaine dure (1420°C)/a été en usage de/1953 à 1961/Vestige de la fabrique de céramique ici à Lentigny/1945-1961.» Cette batteuse se trouve aujourd’hui dans le jardin de la maison qu’habitait la famille Gasser.
  5. La Liberté, 9.10.1953: «La fabrique de céramique de Lentigny» (signé E. M.): «C’est dans les locaux spacieux […] qu’a pris naissance […] l’Industrie de céramique fine (ICF)». Selon cet article, la manufacture aurait été créée vers 1948, ce qui est faux (cf. note 4). Le nom de cette manufacture apparaît aussi dans les annonces publicitaires (La Liberté 23.5.1947, 21.7.1948, 24.9.1948).
  6. Rappelons qu’une faïence est une terre cuite recouverte d’une glaçure plombifère opaque et stannifère.
  7. Annonce publicitaire dans La Liberté, 23.5.1947: «Les isolateurs pour parcs électriques, garantis en matière extrêmement dure, d’une durée illimitée, résistant à toutes les intempéries, sont fabriqués et livrés par Industrie de céramique fine, Lentigny-Fribourg. Téléphone 3.71.24. Conditions spéciales pour dépositaire.»
  8. Probablement le gisement Le Rux qu’exploitait la tuilerie de Corbières, dirigée par son père Ernst (Maggetti/Galetti 2020, 69).
  9. La Liberté, 18 et 19.12.1954: «Une manufacture de porcelaine à Lentigny» (signé E. M.) nous dévoile qu’Alfred Gasser avait commencé la transformation de sa manufacture en 1953 et que ces travaux avaient duré une année. La production de porcelaine a donc démarré en 1954 et non pas en 1953 comme indiqué sur la plaquette de la batteuse à pâte (cf. note 4).
  10. L’article de La Liberté du 26.10.1955: «Une visite à la manufacture de porcelaine de Lentigny» (signé E. M.) en énumère quelques-uns.
  11. note 1 (La Liberté).
  12. La Liberté, 18.4.1955: «À Bâle. La 39e Foire suisse d’échantillons a ouvert ses portes» (signé F. B.).
  13. La Liberté, 13.8.1862, «Un gros incendie à Lentigny»; Freiburger Nachrichten, 13.8.1962, «Brand»; La Sentinelle, 13.8.1962, «Incendie d’une ancienne fabrique».
  14. notes 1 et 13.
  15. note 13. Les dégâts étaient estimés à 250 000 francs. Le Nouvelliste valaisan («Incendie») et le Journal de Sierre et du Valais Central (sous la rubrique «En quelques lignes») rapportèrent ce sinistre le 13.8.1962 respectivement le 14.8.1962.
  16. note 1 (La Liberté).
  17. Si possible avec photo à l’adresse courriel suivante: marino.maggetti@unifr.ch.

Bibliographie :

Marino Maggetti / Giulio Galetti (2020): Dachziegel der freiburgischen Ziegeleien Düdingen, Le Mouret und Corbières – chemische, geologische und historische Aspekte. In: Bulletin de la Société fribourgeoise des Sciences Naturelles, 109, 40-104.

Marino Maggetti (2021): Alfred Henri Gasser- manufactures de céramique fine (1945-1953) et de porcelaine  (1954-1961) à Lentigny. Bulletin Keramikfreunde der Schweiz 97, 2021, 5-12.

Rolle, Marianne (2006): Lentigny. In: Dictionnaire historique de la Suisse.

Luzern-Ebikon, Kunstkeramik Luzern A.G. (1925-1996)

Andreas Heege und Margret Loder, 2022

Luzerner Keramik in CERAMICA CH

Markentafeln Kunstkeramik Luzern A.G.

Firmengeschichte-Kurzversion

17. Februar 1890 Emil Loder (1890-1971) wird in Brenzikofen, Kanton Bern geboren.

28. Dezember 1900 Emil Loder kommt nach dem Tod des Vaters als Verdingkind zusammen mit seinen beiden Brüdern Ernst und Walter, zu seinem Vetter Karl Loder-Eyer, einem Töpfer in Steffisburg.

Werkstatt von Karl Loder-Eyer in Steffisburg.

10. Mai 1906 Emil Loder wird Lehrling bei Karl Loder-Eyer.

Arbeiten der Töpferschule in Steffisburg 1907/1908.

Er besucht ab 1906 die neu gegründete Töpferschule in Steffisburg.

1909–1911 Besuch der Keramikfachklasse der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bern, Ausbildung zum Keramikfachlehrer.

1912–1915 «Gesellenwanderung» von Emil Loder. Arbeit u.a. in der Kunstkeramischen Werkstatt von Friedrich Festersen (1880–1915) in Berlin. In dieser Zeit und den anschliessenden Jahren füllt sich ein Skizzenbuch mit Keramikformen und Dekorentwürfen (heute im Staatsarchiv Luzern, PA 1421/PLA 202, Firmenarchiv Kunstkeramik Luzern).

11. Mai 1915 Tod von Karl Loder-Eyer, Rückkehr von Emil Loder nach Steffisburg am 20. September 1915. Emil erbt mit seinen zwei Brüdern die Werkstatt, verkauft sie jedoch an die Witwe Anna Loder-Eyer, die die Töpferei unmittelbar anschliessend an eine Genossenschaft, die spätere DESA in Steffisburg, weiterverkaufte.

Ende 1915 Emil Loder tritt (als Geschäftsführer?) in die Keramikmanufaktur Wanzenried ein.

11. Dezember 1918 Emil Loder und Adolf Schweizer kaufen zu gleichen Teilen die Manufaktur Wanzenried (Gesellschaft Loder & Schweizer). Dort produzieren Sie bis Ende 1924 gemeinsam charakteristische Engobewaren mit Dekoren des Jugendstils und des Art Déco (Fotoalbum der Produkte; heute im Staatsarchiv Luzern, PA 1421/PLA 202, Firmenarchiv Kunstkeramik Luzern).

Emil Loder und Frieda Schenk.

1922 Emil Loder lernt Frieda Schenk (1900-1972), die Tochter des Hafners und Bienenzüchters Karl Schenk aus Heimberg kennen.

1924 Emil Loder plant und realisiert (1925) die Übernahme der Genossenschaft Keramik Luzern «KeraLuz». Dabei kauft er nur die Werkstatt nebst Gerätschaften, nicht jedoch das Grundstück.

1. März 1925 Auflösung der Steffisburger Kollektivgesellschaft «Loder & Schweizer, Kunstkeramik».

13. März 1925 Emil Loder heiratet Frieda Schenk. Das Paar lässt sich am 16. April 1925 in Luzern nieder. 1926, 1927, 1928 und 1932 Geburt einer Tochter und dreier Söhne.

30. März 1925 Firma «Loder-Schenk Kunstkeramik» wird mit der Adresse Maihofstrasse 30 offiziell in das Schweizerische Handelsamtsblatt eingetragen. Produktionsbeginn in der Töpferei der „Genossenschaft Keramik Luzern“ aber schon am 1. Februar 1925. Töpferei mit elektrisch angetriebenen Töpferscheiben und einem holzbefeuerten Töpferofen und einem kleineren Muffelofen. Anschaffung einer Spritzkabine für Engoben und Glasuren schon 1925. Frieda Loder kümmert sich im Betrieb um die Buchhaltung, den Messestand auf der MUBA, und zusammen mit dem Mitarbeiter Thaddäus Rigert, um den Warenversand.

Das Hafnereigebäude in den Anfangsjahren um 1925/1930.

1925-1927 Beschickung der Mustermesse in Basel zur Gewinnung von Grosskunden, meist bedeutenden Haushaltswarengeschäften in Basel, Bern und Zürich. Für die neue Produktion werden auch neue Form- und Dekorentwürfe gezeichnet (Musterblätter, um 1925).

1928 zum Eidgenössischen Turnfest in Luzern fertigt die Kunstkeramik Ehrengaben und Festkeramik. Die typische Vereins-, Wettbewerbs-, Firmen-, Werbungs- oder Jubiläumskeramik bzw. Keramik mit Familienwappen entwickelt sich zu einem der wichtigen Produktionsstränge der Kunstkeramik Luzern.

Eine reisende Vertreterin macht die Produkte mit Hilfe von Zeichnungen (erstes handgezeichnetes Werbeheft, ca. 1930/1932) und Fotos (erstes Fotoalbum, ca. 1931/1932) bekannt und nimmt Bestellungen entgegen. Das Produktionsspektrum dieser Jahre ist ein unmittelbarer Spiegel der schweizerischen Kulturdebatte zwischen Traditionalismus, Bodenständigkeit und Heimatstil auf der einen und Modernismus auf der anderen Seite.

Dem Fotoalbum von 1931/1932 und existierenden Entwurfszeichnungen kann man entnehmen, dass die Kunstkeramik Luzern sich in dieser Zeit auch intensiv mit der Langnauer Keramik des 18. und  frühen 19. Jahrhunderts auseinandersetzt  und auf diese Weise zur Gestaltung des Stils “Alt-Langnau” (siehe Hafnerei Adolf Gerber in Langnau) beiträgt.

25. Mai bis 29. Juni 1930 Teilnahme an der Jubiläumsausstellung «25 Jahre Keramische Fachschule Bern».

1931 Planungen für den Bau einer Erschliessungsstrasse (Hünenbergstrasse) tangieren den Standort der Töpferei.

1932 erste gedruckte Werbebroschüre, die die Keramik aus der Produktion zwischen 1927 und 1932 versammelt. Beginnende Zusammenarbeit der Kunstkeramik mit lokalen Künstlern: Emil Wiederkehr (1898–1963), Leopold Häfliger (1906–1974), Marc Piccard (1905–1989), Josef Alois Zurkirchen (1912–1996) und Plinio Barzaghi-Cattaneo (1868–1929).

1932 Herstellung der Festkeramik für die Centenarfeier «Luzern 600 Jahre in der Eidgenossenschaft» nach einem Entwurf des Luzerner Architekten August am Rhyn (1898–1953).

1931/1932 Beginn des Aufbaus eines neuen, systematischeren Formen- und Preiskataloges zunächst wohl nur für die interne Firmenorganisation. Erhalten haben sich zwei darauf aufbauende jüngere Formenkataloge mit Fotos und teilweise Preisangaben (um 1945, mit Preisnachträgen bis 1953).

Vor 1933: Es existiert in der Werkstatt ein zweiter, kleinerer Muffelofen.

19. Dezember 1933 Umwandlung der Einzelfirma «Loder-Schenk, Kunstkeramik» in die Aktiengesellschaft «Kunstkeramik A.G. Luzern». Hintergrund waren zwingend notwendige Um- und Erweiterungsbauten, die auch durch stadtluzernische Erschliessungsarbeiten im Bereich des Rankhofs ausgelöst wurden und die Emil Loder nicht alleine finanzieren konnte. Emil Loder und Frieda Loder-Schenk blieben mit 30% am Aktienkapital der Firma beteiligt.

Ab 1934/1935 vermehrt auch Herstellung religiöser Kleinkunst. 1934 produzierte die Luzerner Keramik zur Jahrtausendfeier des Klosters Einsiedeln in unbekannter Stückzahl Einsiedler Madonnen als Wallfahrtsandenken.

Auftragsarbeiten für das «Orchester des Kaufmännischen Vereins Luzern», Entwurf Emil Wiederkehr (1898–1963), 1934.

Zusammenarbeit mit Emil Wiederkehr (1898‒1963, Goldschmied, Plastiker und Medailleur, Lehrer an der luzernischen Kunstgewerbeschule).

Entwürfe für den Dekor Beromünster, um 1934-1940.

1934–1936: Verstärkung der traditionell-bodenständigen Tendenzen in der Keramikproduktion, vor allem mit Blumenmalereien, dem Entwurf des Dekors «Beromünster» und zahlreichen Erinnerungs-, Wettbewerbs- und Vereinskeramiken.

Um 1935 Verlegung des Ladengeschäftes vom Hirschenplatz in Luzern in die «Passage zum Stein».

1936 Um- und Ausbau der Werkstatt Maihofstrasse 30.

November/Dezember 1936 Anschaffung eines elektrischen Brennofens (Volumen 0,5 m3) der Firma Salvis A.G., Emmenbrücke.

1937 Der neue Dekor «Beromünster» wird intensiv in der Presse besprochen und als «traditionelles heimatliches Kunsthandwerk» gefeiert.

1938 Teilnahme an der MUBA. Neue Werbepostkarte.

1939 Grossveranstaltung «Luzern im Blumenschmuck» mit zahlreichen Vasen der Luzerner Keramik.

1939 Grossveranstaltung «Eidgenössische Schützenfest» in Luzern (16. Juni bis 3. Juli 1939). Die Kunstkeramik A.G. fertigte das offizielle Festgeschirr «Brettmeisterkrug und Schöppli».

1939 Erhöhung des Aktienkapitals auf 50.000 Fr.

27.11.1941 die Kunstkeramik A.G. wird dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellt. Zu diesem Zeitpunkt wurden angeblich sieben männliche und (nur!) drei weibliche Personen beschäftigt, wobei die Zahlen möglicherweise auch aus Teilzeitpensen zusammengerechnet sind. Die Kunstkeramik A.G. erhielt am 29.1.1942 eine Fabrikordnung, die die Arbeitszeiten regelte (8 ¾ Stunden je Tag, 6-Tage-Woche).

1942 Emil Loder prognostiziert, dass die Kunstkeramik A.G. aufgrund rechtzeitigen Rohmaterialeinkaufs noch vor Kriegsausbruch wohl noch 2,5 Jahre produzieren könne.

Herbst 1942/Frühjahr 1943 Erweiterung der Werkstatt um einen Lagerraum, ein Büro und zusätzliche Fläche im Malsaal. Vermutlich gleichzeitig wird ein zweiter elektrischer Brennofen angeschafft.

Standbilder der Kunstkeramik A.G. Luzern auf der Mustermesse Basel (MUBA), 1944, 1946 und 1947. Die Bilder dokumentieren die Dominanz des Dekors Beromünster.

1940-1950: In der Produktion übertrifft der Dekor Beromünster alle anderen Sparten, wie weiterhin produzierte Schützenfestkannen im Stil Alt-Langnau, Vereinskeramiken, Likörflaschen mit dem Dekor «Landschaften nach Zürcher Vorbild», plastische Arbeiten und Aktfiguren.

Kunstkeramik A.G. Luzern, verschiedene plastische Arbeiten 1945‒1950. 1 Raffael Raffaelli (1917‒1977). 2‒4 Paul Kyburz (1913‒1994. 5 Rolf Brem (1926‒2014). 6 Hans Huggler-Wyss (1877‒1947).

Gleichzeitig gab es eine künstlerische Zusammenarbeit mit Meinrad «Mädi» Zünd (1916–1998), Raffael Raffaelli (1917–1977), Paul Kyburz (1913–1994), Rolf Brem (1926–2014) und Hans Huggler-Wyss (1877–1947). Nach 1951 wurden Figuren wie auch die religiöse Plastik auf der MUBA nicht mehr angeboten. Die Vereins-, Wettbewerbs- und Militärerinnerungskeramik wurde bruchlos weiterproduziert.

Um 1944/1945 dekorative Neuentwicklungen (z. B. Dekor Apfelblüte, Dekor Wiesenblumen, Dekor Ritzpflanze).

Um 1945 Beginn der Planungen für einen Firmenneubau.

13. Juni 1946 Erhöhung des Aktienkapitals auf 100.000 Fr.

6./8. Oktober 1947 Erhöhung des Aktienkapitals auf 150.000 Fr. und Verlegung des Firmensitzes nach Ebikon, wo man einen Bauplatz gefunden hatte.

26. Juni 1948 Präsentation des Firmenneubaus des Luzerner Architekten Anton Mozzatti (1902–1965) in der Presse. Die Firma befand sich nun in Ebikon bei Luzern, Luzernerstrasse 71.

1944-1947 Paul Loder (1927–1977), der älteste Sohn von Emil Loder und Frieda Schenk, absolvierte eine Ausbildung zum Töpfer (Dreher) an der «Ecole suisse de céramique» in Chavannes-Renens VD. Parallel zur Arbeit im neuen Betrieb besuchte er in Luzern noch die Handelsschule. Von Dezember 1951 bis August 1952 bildete er sich in Beesel, nördlich von Maastricht, in den Niederlanden weiter. Paul reorganisierte im väterlichen Betrieb den Ablauf, von der Bestellung bis zur Auslieferung.

Standbilder der Kunstkeramik A.G. Luzern auf der Mustermesse Basel (MUBA), 1950 und 1951. Die Bilder dokumentieren das allmähliche Auslaufen des Dekors Beromünster, bei traditioneller Kontinuität.

Die existierende Produktion wurde zu seiner Zeit in Form und Dekor fortgesetzt. Neue künstlerische Ideen wurden von den Malerinnen und Malern erwartet (Dekor Wiesenblumen, Dekor Ritzpflanze).

Oktober 1949: Ausstellung der Luzerner Keramik im Kammermusiksaal des Kongresshauses in Zürich-Seebach in Kontrast mit Porzellan aus Rosenthal, Nymphenburg, Meissen, Copeland, Herend und Langenthal.

1948–1951 Franz Loder (1932–2001) der jüngste Sohn von Emil Loder und Frieda Schenk, schrieb sich ab 1948 ebenfalls in der Keramikfachschule in Chavannes-près-Renens VD ein. Zum Frühjahrssemester 1949 wechselte er an die Keramische Fachschule in Bern, die er Anfang 1951 als Keramikmaler erfolgreich abschloss, um anschliessend in den elterlichen Betrieb einzutreten. In Bern wurde er von den beiden bedeutenden bernischen Keramikern Benno Geiger und von Werner Burri ausgebildet, was die Anfänge seiner eigenen Arbeiten und Entwürfe erkennbar prägen sollte.

In der Fachschule lernte Franz Margret Rettenmund (1932– ) kennen und lieben.

1948–1951 Margret Rettenmund (1932– ) aus Langnau im Emmental, absolvierte an der Keramikfachschule in Bern die Ausbildung zur Keramikmalerin. Während der Fachschulzeit absolvierte sie ein längeres Praktikum in der Töpferei Stucki-Moser in Wichtrach im Kanton Bern. Es folgten ein kurzes Praktikum in der Keramikfabrik Aedermannsdorf, und dann zwischen dem 30. April 1951 und 28. März 1952 ein Arbeitsjahr in der Töpferei Meister in Stettbach-Dübendorf bei Zürich unter Gertrud Meister-Zingg. Anschliessend folgte vom 15. April 1952 bis 31. Januar 1953 ein knappes Arbeitsjahr als Keramikmalerin bei Fritz Iseli in Münsingen. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt als Au-Pair-Mädchen in Paris, folgte schliesslich eine Anstellung bei Jakob Stucki in Langnau. Die Arbeit in Langnau hinterliess deutliche Spuren in Margret Loders frühen Kreationen, da die farbige Schlickermalerei ihr persönlich mehr entsprach als der feine Pinseldekor der Fayencemalerei.

1951 Produktion der keramischen Wandbilder von Alfred Sidler für das neue Telephongebäude in Luzern in der Kunstkeramik.

Ab 1951: Franz Loder belebte mit seinen neuen Kreationen die traditionelle Kollektion. Dabei führte er neue Dekore ein, die auch auf älteren Formen angebracht wurden und schuf auch neue Form/Dekorkombinationen. Franz steuerte spätestens ab 1952/1953 zunehmend das Erscheinungsbild der Luzerner Keramik. Franz Aus- und Umbau des Sortiments waren sehr erwünscht, da vorher im Betrieb eine Art stilistisch-künstlerischer Stagnation bestand. Der alte Formenkatalog von Emil Loder wurde nur noch für eine kurze Zeit anfangs der 1950er-Jahre weitergeführt und dann zugunsten einer Werkstattkartei mit allen neuen Entwürfen aufgegeben.

Die Investitionen wurden auf der MUBA 1954 mit der Schweizerischen Werkbund Auszeichnung «Die gute Form» belohnt.

Dezember 1952: Franz Loder und Margret Rettenmund zeigen zum ersten Mal gemeinsam ihre Kreationen und Dekore im Weihnachts-Schaufenster der Firma Manz & Co. in Langnau.

Zwischen 1952/1953 und 1975: Die übliche Vereins-, Jubiläums-, Wettkampf- und Preiskeramik wurde mit abnehmenden Mengen ganz im vorhergehenden Stil weiter produziert.

Standbilder der Kunstkeramik A.G. Luzern auf der Mustermesse Basel (MUBA), 1954, 1956 und 1957. Die Bilder dokumentieren das durch Franz Loder und Margret Rettemund-Loder radikal veränderte Produktionssortiment.

Zwischen 1953 und 1961 spielten für die Keramik der Kunstkeramik A.G. zusätzliche Akzentuierungen durch Ritzlinien eine grosse Rolle. Mediterran anmutende Gesichter von Frauen, Meerwesen und Landschaften bzw. Städtebildern gehören ebenfalls in diesen Kontext.

1953 bis 1970er-Jahre: Der Luzerner Künstler Hans Erni (1909–2015) arbeitet immer wieder in der Kunstkeramik. Für ihn wurden gezielt Keramiken, Schalen und Vasen gedreht und engobiert, die er dann ritzte, bemalte und signierte. Sie tragen keine Marken der Kunstkeramik A.G.

Am 1. November 1954 trat Margret Rettenmund als Keramikmalerin in den Betrieb der Kunstkeramik A.G. in Luzern ein. Neben den Arbeiten und den Ausbildungsgrundlagen von Geiger und Burri waren für Franz Loder und Margret Rettenmund Weiterbildungskurse des Keramikers Mario Mascarin (1901–1966) eine wichtige Orientierungshilfe, um in den Folgejahren ihren eigenen Weg und Stil zu finden. Auf die Frage was Franz Loder von seinen Lehrmeistern gelernt habe sagte er einmal: «Vom Geiger den Leichtsinn, von Burri den Starrsinn und von Mascarin das Mass». Die Beziehungen zu Mario Mascarin führten 1955 auch zu einer ersten internationalen Ausstellungsteilnahme von Franz Loder und Margret Rettenmund. Sie stellten am XIII Concorso Nazionale della Ceramica in Faenza aus und erhielten eine Silbermedaille.

Briefkopf der Firma, verwendet im Jahr 1956.

1956 brannte die Kunstkeramik ein grosses Keramikwandbild von Hedwig Aregger-Marazzi (1909–1986).

Dezember 1956: Franz Loder und Margret Rettenmund waren neben Mario Mascarin, Edouard Chappallaz, Benno Geiger, Fritz Portner, Hanni Krebs-Nencki, Elisabeth Langsch, Bruno Platten, Pierette Favarger, Jakob Stucki und Philippe Lambercy auf der Ausstellung «Moderne schweizerische Keramikkünstler» im Gewerbemuseum in Bern vertreten.

Ab etwa 1956 wurde eine neue, dreizeilige Firmenmarke eingeführt, mit der die Masse der Keramik gestempelt wurde: «LUZERNER KERAMIK HANDARBEIT».

Zwischen 1956 und 1967: Franz Loder malte seine ausdrucksstarke Serie der schwarzen Vögel, Fische und Katzen. Hier wurden grosse matte Flächen mit einer glänzenden Binnenzeichnung versehen. Zusätzlich fertigte er Dekore, die mit dem Verhältnis von matt und glänzend spielten und deren besondere Schwierigkeit in der Regelmässigkeit der Glasurtropfenverteilung lag.

27. Mai 1957: Franz Loder und Margret Rettenmund heirateten in Luzern. In den folgenden Jahren werden die Kinder Andreas, Christian, Kathrin und Annelies geboren, während gleichzeitig die gemeinsame Arbeit in der Werkstatt weiterlief.

Nach 1952/1953 bzw. 1957: Allmählicher Übergang in der wirtschaftlichen Betriebsführung von Frieda Loder-Schenk an Franz Loder und dann an Margret und Franz. Spätestens ab 1965/66 fungierte Franz Loder als Betriebsleiter.

Zwischen 1952/1953 und 1974 sicherten die MUBA-Bestellungen verschiedener grosser Haushaltswarengeschäfte der Schweiz und Kunstgewerbe-Boutiquen den Löwenanteil der Produktion der Kunstkeramik A.G. Zu erwähnen sind hier, neben anderen, vor allem die Geschäfte Séquin an der Bahnhofstrasse in Zürich, Füglistaller an der Freiestrasse in Basel und Steiger in Bern.

Ab den späten 1950er-Jahren bis in die frühen 1970er-Jahre entwickelte sich ein lukrativer Exporthandel nach Amerika über die beiden Einkäufer Amberg & Hirt, die vor allem für die Firma Hudson & Rissmann aus Los Angeles. tätig waren. Einmal im Jahr schickten die Amerikaner einer Farbkarte, nach der die Keramik für die kommende Saison möglichst dekoriert und bemalt werden sollte.

1959: Franz Loder bzw. die Kunstkeramik A.G. erhielten auf der MUBA erneut die Auszeichnung «Die gute Form» für drei der ausgestellten Keramiken. Dies dürfte mit ein Grund gewesen sein, weshalb Franz Loder von der Eidgenössischen Kommission für Angewandte Kunst des Departements des Inneren zur Beschickung zweier Ausstellungen in Gmunden in Österreich und Ostende in Belgien ausgewählt wurde.

Herbst 1959: Auf Initiative von Mario Mascarin schlossen sich verschiedene Keramiker zur «ASK – Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Keramiker» zusammen. Franz und Margret Loder waren Gründungsmitglieder. So verwundert es nicht, dass wir Franz Loder auch als Aussteller auf der ersten ASK-Ausstellung 1960 in Solothurn, dem XIX Concorso Nazionale della Ceramica 1961 in Faenza, der Exposition internationale de la céramique contemporaine Prag 1962, oder 1965 in der grossen ASK-Helmhaus-Ausstellung in Zürich, sowie der Sonderausstellung «3000 Jahre Keramik» im Kunstgewerbemuseum Zürich finden.

Nach 1960: Paul Loder verlies die Kunstkeramik A.G. und wurde Designer bei Kristallglas Häfeli in Sarnen und später in der Glashütte Hergiswil.

Nach 1960: Der Laden in Luzern entwickelte sich nach Margret Loders Vorstellungen allmählich zu einem Geschäft für gehobenen Haushaltsbedarf und Innendekoration, in dem die selbst hergestellte Keramik einen deutlichen Anteil hatte.

1961 beteiligte sich die Kunstkeramik A.G. auch einmal an der Frankfurter Messe.

1965 bis 1973: Franz Loder fertigt Gefässe aus einem stark schamottierten, schwarzbraun eingefärbten Manganton mit Matt- oder Chromglasuren.

1964 bis 1996: Neben die schwarz-weiss, schwarz oder chromgrün, matt oder glänzend glasierten Keramiken von Franz Loder trat erstmals der von Margret Loder entworfene, kobaltblaue Dekor 210. Dabei wurde blaue Glasur mit breitem Pinsel auf eine weisse Schmelzglasur aufgetragen und mit normalen Fayencefarben mit feineren Pinselstrichen akzentuiert. In den fröhlich-naiven oder floral-dekorativen Motiven vielfältig variiert, bildete der Dekor 210, in den Varianten blau, braun und braun-rot bis 1996 eine der sich gut verkaufenden Kontinuitätslinien der Kunstkeramik A.G.

1967 wurden Keramiken von Franz Loder auf der Hannover Messe ausgestellt. Hierbei handelte es sich um eine neue Serie scharfkantig abgedrehter Formen mit schwarzen, glänzenden Glasuren, auch in Kombination mit Mattglasuren. Diese Serie wurde bis 1974 produziert und auch weiss und mattblau glasiert.

10. Mai 1967 Anstelle des mittlerweile 77 Jahre alten Emil Loder wurde Franz Loder offiziell Geschäftsleiter und Mitglied des Verwaltungsrates der Kunstkeramik A.G., zu dessen Vizepräsident er schliesslich im Mai 1970 aufstieg.

Ab spätestens 1968/1969 entwickelte Franz Loder eine eigenständige, exklusive Dekorserie mit roten Rosen. Daneben fertigte er aber immer noch grosse Vasen mit chromhaltigen Glasuren.

Ab 1969: Von der Firma Heini Landert in Embrach kaufte man auch geschrühte Rohware in Form von Caquelons hinzu, die dann mit dem Dekor 210 verziert wurden, um vollständige Fondue-Sets in guter Qualität anbieten zu können.

Messestände MUBA 1970 und 1974.

Die frühen 1970er-Jahre waren für die Kunstkeramik A.G. eine Zeit des Umbruchs. Emil Loder starb am 27.12.1971 in Luzern. Frieda Loder folgte ihm bereits am 18.3.1972. Die wirtschaftlich eher problemlosen Jahre gingen für die Kunstkeramik A.G. ab 1970 allmählich zu Ende. Hierfür gab es mehrere Gründe: Die Ölkrise, die sich ändernde MUBA und Bleilässigkeit der Glasur. Parallel zum Wertverfall des Dollars zwischen 1971 und dem Ende der Ölkrise 1973/1974 (Wertverlust ca. 25–30%) kam es zu einer deutlichen Abnahme amerikanischer Touristen in Luzern, so dass das Ladengeschäft erhebliche Einbussen erlitt. Gleichzeitig wurde der Import in die USA für die dortigen Abnehmer finanziell uninteressant und wurde schliesslich eingestellt.

1974 wechselte die Kunstkeramik A.G. von der MUBA zur kleineren, zweimal jährlich in Bern und Zürich stattfindenden Ornaris-Messe, zu deren Mitbegründern sie zählte. Der Wechsel war erfolgreich und brachte neue Kunden und eine grössere räumliche Nähe zu zahlreichen Abnehmern.

1970er-1980er-Jahre: Zahlreiche Kindertellerserien, u.a. auch von der Keramikmalerin Elsbeth Birnstiel-Marti, die sehr erfolgreich waren.

1975 neues Werkstatt-Signet neben der dreizeiligen Blindmarke und individuelle Stempelmarken für Margret und Franz Loder.

1972 bis 1975 wegen Problemen mit Bleilässigkeit allmähliche Umstellung auf einen zweiten Produktionsstrang mit Steinzeug aus importiertem französischem Ton. Es folgten Experimente mit Reduktionsbränden, Steinzeug- und Tenmokuglasuren.

Beeindruckend sind sowohl die celadonartigen, an asiatische Vorbilder erinnernden Glasuren, als auch die kupferroten Reduktionsbrände oder die Experimente mit Glasuren auf der Basis von Nephelinsyenit. Daneben wurde aber weiterhin Irdenware, aber mit anderen Fayenceglasuren (Schmelzglasuren) hergestellt.

1976 Es entstand der von Franz Loder auch selbst gemalte, kobaltblaue Dekor 241 auf Steinzeug. Erste Ausstellung mit Steinzeug-Verkaufsprodukten in Luzern.

1981 bis 1990: Entwicklung und Produktion der «Naturblatt-Serie» auf Steinzeug durch Franz Loder.

3. bis 17. Oktober 1982: Aus Anlass des 50. Geburtstages von Margret und Franz Loder zeigte die Werkgalerie Steinemann, Rippertschwand-Neuenkirch eine Einzelausstellung mit Luzerner Keramik. In der Presseorientierung findet sich der Hinweis auf 17 Mitarbeiter und die Bedeutung des Drehers Charles Cavin für die Werkstatt (Arbeitszeitraum ca. 1955–1985). Franz Loders Thema zur Ausstellung waren «Experimente mit Steinzeugglasuren». Margret Loder zeigte modellierte Einzelstücke, Narren und Hampelmänner, Figürliches, Stehendes und Hängendes. Dazu gehörten auch erste Frauenfiguren, bei denen es sich durchweg um Einzelobjekte handelte.

1984: Nur in diesem Jahr experimentierte Franz Loder auch mit sehr schwierigen weissen und schwarz eingefärbten Porzellanmassen.

Die zweite Hälfte der 1980er- und die frühen 1990er-Jahre füllten Steinzeugkeramiken mit blauen und braunen Glasuren und Bildern oder Beschriftungsfeldern, die durch Wachsreserven von der Glasur freigehalten wurden.

1985–1991: Figurenserie von Margret Loder mit limitierter Auflage mit jährlich einer neuen Figur. Als erste Figuren entstanden 1985 «Flora» und 1986 «Bella». Beide reisten 1987 zusammen mit einer dritten Einzelfigur und einer Steinzeugvase von Franz Loder zu einer Ausstellung nach Peking-Nanchang, die vom Musée Ariana beschickt wurde.

Zwischen 1985 und 1992: Franz Loder fertigte eine Gefässformenserie aus Steinzeug, die charakteristische ausgeschnittene Füsschen oder ansonsten ungewöhnliche Standvorrichtungen aufwies. Zwischen 1989 und 1992 trugen diese Schüsseln, Schalen und Schälchen sowie gleichzeitige Duftlämpchen und technisch aufwendig gearbeitete Teekannen kräftige rote, blaue oder türkisfarbene, streifenförmige Tauchglasuren über einer schwarzen Basisglasur.

 

1990-1996: Den zunehmenden Schwierigkeiten ihre hochpreisigen Produkte auf einem kleiner werdenden, schweizerischen Markt abzusetzen, setzten Franz und Margret Jahr für Jahr neue Formen und Dekore entgegen und zwar sowohl im Bereich des Steinzeugs als auch im Bereich der bunt bemalten Fayenceglasuren. In immer schnellerer Kadenz folgten für jede Ornaris-Messe neue Dekorserien oder Gefässformen, neben den mehr touristisch-schweizerisch bzw. figürlich-traditionell angehauchten Dekoren mit Edelweiss und Kühen (Dekor «Flüela», «Vroni und Lotti») oder dem frechen, schwarz-bunten Kuhdekor «Fläckli-Swiss», vor allem die dezent-zeitgemässen bunten Pinseldekore «Flambée» und «Fil» oder 1995 noch «Saturn» und «Sky». Für den sehr gelungenen, dezent zurückhaltenden Dekor «Fil» auf Steinzeug erhielt die Kunstkeramik A.G. auf der Ornarismesse im Herbst 1993 einen von zehn Preisen unter 650 Ausstellern.

1991 erhielt die Kunstkeramik A.G. noch einmal einen Grossauftrag für das 71. Eidgenössische Turnfest in Luzern.

Ab 1990: Mit Hilfe einer Plattenwalze und bemalt von Margret Loder entstanden nicht nur Engel und Weihnachtskrippen sondern im Laufe der nächsten Jahre ein ganzer Alpaufzug mit Heidi und dem Geissenpeter, einem Käseträger und Milchmädchen, Kühen, Schweinen und Ziegen, ein Jodler-Chörli, Volksmusiker und Volkstanz, Schwingern und Schwingerkönigen mit Muni und auf dieselbe Art auch Katzen, Fische, Schnecken, Vögel und Gartenzwerge.

1. Juli 1994: Kathrin Loder, die schon vorher ganz wesentlich das Büro der Kunstkeramik geleitet hatte, übernahm vollständig die Geschäftsführungsposition von Franz Loder. Die Anzahl der Firmenangestellten betrug zu diesem Zeitpunkt, die zwei Lehrlinge einberechnet, nur noch zwölf Personen.

1995 entwarf Franz Loder mit dem schlichten, aber beeindruckenden Dekor «Return» ein letztes Mal eine ganze Geschirrserie. Zusätzlich versuchte die Kunstkeramik in den Jahren 1995 und 1996 durch die Veranstaltung von Keramikkursen für Kinder und Erwachsene lokal neue Kunden zu gewinnen.

Margret und Franz Loder, 1995.

28. Mai 1996: Nach mehreren Jahren ohne Gewinn beschloss die Generalversammlung der Kunstkeramik AG die Schliessung der Produktion zum 31. August 1996, 71 Jahre nach der Gründung in Luzern und 48 Jahre nach dem Umzug nach Ebikon.

25.9.1997: Auf der Generalversammlung wurden die Liquidierung der A.G. und der Verkauf der Liegenschaft festgelegt. Franz und Margret Loder gingen in Pension, für alle Mitarbeiter wurden neue Stellen gefunden.

Luzern, Bauscher, Gebrüder

Keramik der Gebrüder Bauscher, Luzern in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2021

Laut Schweizerischem Handelsamtsblatt (SHAB) 28, 1910, Nr. 53, gründen die Gebrüder August und Konrad Bauscher eine Kollektivgesellschaft mit Sitz in Luzern, behufs Vertrieb der Fabrikate der Porzellanfabrik Weiden, Gebrüder Bauscher G.m.b.H., Einzelprokura für Walter Bosshardt, Natur des Geschäftes: Hoteleinrichtungen.

Vermutlich bestand jedoch bereits vorher eine nicht eingetragene Filiale, da es Zeitungsanzeigen aus dem Jahr 1907 gibt.

Weitere Pressenotizen:

 

SHAB 35, 1917, Nr. 68, 17. 3.1917: Verlegung des Geschäftslokals in die Industriestrasse 17 in Luzern.

SHAB 37, 1919, Nr. 48, 21. Februar 1919: Firma wegen Ableben beider Gesellschafter aufgelöst. Übergang der Aktiven und Passiven auf die Firma Bosshardt & Co in Luzern.

Luzern, Keramik Luzern, Genossenschaft (1920-1925)

Die Töpferei im Rankhof, Maihofstrasse 30, Luzern, um 1925-1935. Die strassenseitige Fassade trägt noch den schwach lesbaren Schriftzug “Keramische Werkstätte Rank” (aus dem Firmenarchiv der Kunstkeramik AG Luzern, jetzt im Staatsarchiv Luzern).

Keramik Luzern, Genossenschaft, Keramik in CERAMICA CH

Andreas Heege, Margret Loder, 2021

Mit Datum 1. Januar 1918 bildeten Bernard von Euw von Schwyz, Hans Schmid-Brunner von Waltenschwil und Julius Reber von Sempach, die alle drei in Luzern wohnten, die Kollektivgesellschaft «Euw, Schmid & Cie, Keramische Werkstätte». Das Geschäftslokal befand sich im Rankhof, Maihofstrasse 30 (SHAB 36, 1918, 454, 18.3.1918). Die Keramische Werkstätte war auf dem Grundstück jedoch in einer 1870 errichteten Schreinerwerkstatt mit Leimküche der Familie Vinzenz Peter, nur eingemietet (Stadtarchiv Luzern Häuserchronik, B3.31/A1.28 & B1.500/1870). Der etwas ungewöhnliche «hantelförmige» Werkstattbau hatte 1916 bereits einen angebauten Schuppen in Leichtbauweise und ein vorgelagertes Holzlager.  Mit Baubewilligung vom 17. Oktober 1916 liess Architekt Bernhard von Euw, wohl in Hinblick auf die Firmengründung, in der Werkstatt einen «Brennofen für den Betrieb einer keramischen Werkstätte» einbauen (Stadtarchiv Luzern, Häuserchronik, B3.31/A1.70-B1.103/1916). Hierbei handelt es sich nach den Bauzeichnungen um einen im Querschnitt rechteckigen, stehenden Töpferofen mit vertikalem Zug für Holzbefeuerung, wie er damals in der Schweiz Stand der Technik war. Nach einer weiteren Baugenehmigung vom 7. März 1918 wurde das Werkstattgebäude für die jetzt neu gegründete «Keramische Werkstätte» um einen Trockenraum aufgestockt und verbreitert (Stadtarchiv Luzern, Häuserchronik B3.31/A1.20&B1.35/1918). Wer dort ab diesem Zeitpunkt als Mitarbeiter oder technischer Leiter Keramik produzierte, ist unbekannt. Es lässt sich jedoch belegen, dass die Firma am 16. März 1918 im Tagblatt der Stadt Thun (42, Nummer 63) einen Freidreher auf elektr. Friktionsscheibe“ suchte, also offenbar Personal aus der Töpfereiregion Heimberg-Steffisburg rekrutieren wollte. Die Kollektivgesellschaft «Euw, Schmid & Cie, Keramische Werkstätte» wurde bereits am 1.6.1920 wieder liquidiert und die Firma inklusive Werkstatt an die Genossenschaft «Keramik Luzern» verkauft (SHAB 38, 1920, 2358, 9.12.1920). Produkte der Keramischen Werkstätte Luzern sind nicht bekannt, eine Firmenmarke wurde offenbar nicht eingetragen.

Die Genossenschaft «Keramik Luzern» war eine Neugründung mit teilweise denselben handelnden Personen. Die Statuten der Genossenschaft datieren vom 3. April 1920. Zweck der Genossenschaft sollte es sein «…das alte Schweizer keramische Kunsthandwerk wieder wachzurufen und zu neuer Blüte zu bringen, dies sowohl in künstlerischer als technischer Hinsicht…». Präsident des Verwaltungsrates wurde Hans Bossard (Privatier), Vizepräsident Theodor Fischer (Antiquar). Weitere Mitglieder des Vorstandes waren Bernard von Euw (Architekt) und Hans Schmid (Kaufmann). Nicht zum Verwaltungsrat gehörte der Kaufmann Oskar Gloggner aus Luzern. Die Produktion und das Geschäftslokal befanden sich weiterhin in der Maihofstrasse 30 (SHAB 38, 1920, 1682a, 17.6.1920. So auch in den «Neuen Zürcher Nachrichten» 16, Nummer 285, 18.10.1920). Bernard von Euw und Hans Schmid blieben nur bis zum 30. März 1921 im Verwaltungsrat. Sie wurden durch den in Zürich lebenden Antiquar Ernst Villiger aus Zofingen ersetzt (SHAB 39, 1921, 774).

Bereits im Jahr 1924 kam es zu ersten Verkaufsverhandlungen mit Emil Loder aus Steffisburg, die im Frühjahr 1925 erfolgreich abgeschlossen wurden. Unter dem Datum des 30. März 1925 wurde die Firma «Loder-Schenk Kunstkeramik» mit der Adresse Maihofstrasse 30 in das Schweizerische Handelsamtsblatt eingetragen (SHAB 43, 1925, 563). Die Generalversammlung der Genossenschaft «Keramik Luzern» beschloss am 12. Mai 1925 die Liquidation der Firma und bestimmte Hans Bossard zum Ausführenden. Die Firma wurde am 22. September 1926 schliesslich aus dem Handelsregister gelöscht (SHAB 43, 1925, 932; 44, 1926, 1701).

Mit Datum vom 16. Juni 1921 wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt unter Nr. 49844 die Fabrikmarke «KERALUZ» (für die Genossenschaft Keramik Luzern) eingetragen  (SHAB 39, 1921, 1417, 16.6.1921. Die Marke wurde erst am 6. Januar 1942 wegen Nichterneuerung wieder gelöscht: SHAB 60, 1942, No. 11, S. 123). Sie findet sich in gleicher Form auch auf erhaltenem Geschäftspapier.

Briefkopf der Genossenschaft “Keramik Luzern” zwischen etwa 1921 und 1925 (aus dem Firmenarchiv der Kunstkeramik AG Luzern, jetzt im Staatsarchiv Luzern).

Ohne diese Marke wüssten wir über die Produktion der «Keramik Luzern» so gut wie nichts. Im Historischen Museum in Luzern werden heute vier Vasen und ein Teller verwahrt, die die eingestempelte Blindmarke «KERALUZ» tragen (ca. 15–16 x 7,5–8 mm).

Drei Gefässe stammen aus der Sammlung Rochat und zwei fanden sich auf dem Estrich des Nachfolgebetriebes der «Kunstkeramik A.G. Luzern» in Ebikon (HMLU 11732.187, 11732.215, 11732.785 und HMLU 13865.193 und 13865.211).

Das Ungewöhnliche bei vier dieser Gefässe ist die Tatsache, dass sie mit einem blauen oder kupferfarbenen Lüster bemalt wurden, der dreimal auf einer Fayenceglasur und einmal auf einer engobierten und glasierten Irdenware aufgetragen wurde. Weder zur Zeit von Emil Loder & Adolf Schweizer in Steffisburg (1919-1925) noch in den unmittelbar anschliessenden Jahren ab 1925 in Luzern lassen sich für Emil Loder und die Kunstkeramik AG Luzern Lüsterdekore nachweisen. Vieles spricht also dafür, dass es sich bei diesen Stücken um Produkte der “Keramik Luzern” handelt, obwohl Emil Loder den Firmennamen KERALUZ in seinem ersten Geschäftspapier beibehielt  und zwischen 1932 und 1938 in seinem Betrieb eine abweichend gestaltete, einzeilige Blindmarke «KERALUZ» verwendet wurde.

Briefpapier der Kunstkeramik AG Luzern, nach dem Kauf der Keramik Luzern 1925. Man beachte den Schriftzug KERALUZ, der die Kontinuität zwischen den beiden Betrieben signalisiert.

Einzig in der Gruppe XV «Dekoratives und Kunstgewerbe» auf der Kantonalen Gewerbeausstellung des Jahres 1924 mit dem Titel «Luzernische Qualitätsarbeit aus alter und neuer Zeit» (28.Juni bis 3. August 1924) lässt sich die «Keramik Luzern» mit Aussteller Nummer 210 ansonsten noch nachweisen.

Zwei Lichtdrucktafeln im Ausstellungskatalog (Schwendimann 1924) belegen, dass die Firma auch grosse Wappenteller herstellte.

Quellen:

Staatsarchiv Luzern, A 1044/12348 von Euw, Schmid & Cie. \ Luzern, 1918-1920;
A 1044/8248 Genossenschaft Keramik \ Luzern, 1923-1928.

Stadtarchiv Luzern: Bauanträge 1916 und 1918.

Bibliographie:

Schwendimann 1924
Johannes Schwendimann, Luzernische Qualitätsarbeit aus alter und neuer Zeit. Katalog d. Kantonalen Gewerbe-Ausstellung 1924, Luzern 1924.

Maastricht NL

Keramik aus Maastricht in CERAMICA CH

Keramik aus Maastricht: Dies ist eine Bezeichnung für die Keramik einer Reihe bedeutender, industrieller Keramikfirmen, die ab ca. 1835 Porzellan, Steingut und Irdenwaren in Maastricht hergestellt haben:

N.A. Bosch (1853-1866)
Petrus Regout (1834-1899)
Société Céramique (1863-1958)
Mosa (1883-1996)
De Sphinx, Sphinx-Céramique en Koninklijke Sphinx (1899-1969)
Jema (1945-1984)

Bibliographie:

Knotter 2016
Ad Knotter, Keramiekstad – Maastricht en de aardewerkindustrie in de negentiende en twintigste eeuw, Zwolle 2016.

Meulman 2006
H. Meulman, Boerenbont uit Maastrichtse fabrieken, Petrus Regout, Lochem 2006.

Polling 1980
A. Polling, Maastrichtse ceramiek merken en dateringen : P. Regout (De Sphinx), N.A. Bosch, Claimont en Chainaye, Société Céramique, Guillaume Lambert, L. Regout (Mosa), F. Regout, Lochem 1980.

Matzendorf-Aedermannsdorf SO, Fayencemanufaktur (1798–1883)

Matzendorfer Keramik in CERAMICA CH

Aktuell: Jonathan Frey, Erkennungsmerkmale von Matzendorfer Fayencen

Roland Blaettler 2019 (Ergänzungen 2022/23)

Einführung

Der Kanton Solothurn hatte in Matzendorf/Aedermannsdorf eine Ende des 18. Jahrhunderts gegründete und bis zum Beginn des 21. Jahrhunderts tätige Fayence- und Steingutmanufaktur. In der Geschichte der Schweiz gibt es nur wenige Produktionszentren, die vergleichbar lange in Betrieb waren.

Die solothurnischen Museumssammlungen tragen dieser geschichtlichen Sonderstellung Rechnung. Sie spiegeln nicht nur das wider, was für uns heute die Produktion von Matzendorf/Aedermannsdorf ausmacht, sondern auch ihre bewegte und durchs ganze 20. Jahrhundert mit umstrittenen Zuschreibungen an dieses solothurnische Zentrum belastete Geschichte. Seit Beginn dieses Jahrhunderts schrieben Sammler und Antiquare Fayencen Matzendorf zu, in denen wir heute Erzeugnisse der verschiedenen Fayencemanufakturen in und um Kilchberg am Zürichsee sehen. Die Zuweisung solcher Fayencen an Matzendorf erhielt offizielle Unterstützung durch die 1927 erschienene, erste dem Thema gewidmete Arbeit von Fernand Schwab. Später hat Maria Felchlin auch Fayencen und Steingut ostfranzösischer Herkunft für Matzendorf in Anspruch genommen. Diese durch interpretatorische «Annexionen» erfolgte Ausweitung der Produktion von Matzendorf blieb nicht ohne Folgen für die Sammeltätigkeit im Kanton.

In Institutionen mit kulturgeschichtlichem Sammlungsauftrag wie dem Museum Blumenstein in Solothurn, dem Historischen Museum Olten oder dem Heimatmuseum Alt-Falkenstein ist die Produktion von Matzendorf, und was seinerzeit als solche betrachtet wurde, ein wichtiger Teil der Keramiksammlung: etwa 25 Prozent in Olten, 70 Prozent in Solothurn und auf Schloss Falkenstein. Was die Sammlungen in Matzendorf selbst, die Sammlung Maria Felchlin und das Keramikmuseum angeht, so sind diese ganz dem Problem Matzendorf gewidmet, wobei die erste eine getreue Illustration der Theorien von Maria Felchlin ist, der wohl markantesten Persönlichkeit in der Geschichtsschreibung der Solothurner Manufaktur.

Bei der zentralen Rolle, welche die Frage Matzendorf für die Entwicklungen der solothurnischen Sammlungen gespielt hat, scheint es uns richtig, zuerst zurückzublicken auf die Geschichte der Manufaktur und die Geschichte der Interpretation ihrer wahren und vermeintlichen Erzeugnisse durch die Verfasser, die sich des Themas annahmen, vor allem Fernand Schwab, Maria Felchlin und Albert Vogt.

Zur Geschichte der Manufaktur Matzendorf

Wie der Historiker Albert Vogt präzisierte, lag die Manufaktur, die gemeinhin Matzendorf heisst, in Wirklichkeit auf dem Gebiet der Nachbargemeinde Aedermannsdorf (Vogt et al. 2000, 12–13). Diese lange Zeit nicht beachtete Ungenauigkeit wurde erst mit der 1883 an Stelle der alten Fabrik gegründeten, neuen Aktiengesellschaft korrigiert: der “Tonwarenfabrik Aedermannsdorf”.

Die eigentliche Geschichtsschreibung der Manufaktur beginnt 1927 mit dem grossen Werk von Fernand Schwab, “Die industrielle Entwicklung des Kantons Solothurn”, das bis heute Grundlage für die solothurnische Wirtschaftsgeschichte ist. Das Kapitel über die Manufaktur Matzendorf ist der erste wichtige, auf Archivstudien beruhende Beitrag zur Gründung und Entwicklung des Unternehmens (Schwab 1927, 459–477).

Maria Felchlin (1899–1987), Ärztin in ihrer Geburtsstadt Olten, profilierte sich als engagierte Kämpferin für die Emanzipation der Frau, spielte im Kulturleben ihrer Stadt eine Rolle und setzte sich für die Verteidigung und das Bild der Fayence von Matzendorf ein (Bloch 1989). Sie hatte sich in die Keramik aus dem Dünnerntal recht eigentlich verliebt, sammelte diese wohl schon seit Ende der 1920er Jahre und setzte die von Fernand Schwab begonnenen Studien fort. Erste Ergebnisse ihrer Forschungsarbeit legte sie in einem gründlich recherchierten, im Jahrbuch für solothurnische Geschichte 1942 erschienenen Artikel vor (Felchlin 1942).

In der ersten, 1948 vom Verein «Freunde der Schweizer Keramik» organisierten, nationalen Ausstellung im Schloss Jegenstorf war das Kapitel «Fayence und Steingut von Matzendorf/Aedermannsdorf» vom Sammler Fritz Huber-Renfer betreut worden, der auch die entsprechenden Katalogtexte verfasste. In der Ausstellung und im Kommentar folgte er ganz den Thesen von Frau Felchlin. So übernahm er die von dieser mit Überzeugung vertretene Meinung, dass die Fayencen vom Stil der sogenannten «Blauen Familie» Arbeiten der Werkstatt von Niklaus Stampfli in Aedermannsdorf seien. Die meisten der ausgestellten 154 Objekte kamen aus den Sammlungen Huber-Renfer und Felchlin (Jegenstorf 1948, 72–86). Als 1958 im Schloss Nyon die zweite schweizerische Keramikausstellung gezeigt wurde, war Matzendorf/Aedermannsdorf mit 78 Exponaten aus den Sammlungen Felchlin (33 Stücke), Blumenstein, Huber-Renfer und A. Probst aus Bad Attisholz vertreten, wobei man auch da der Klassierung von Felchlin folgte. Das zeigt, dass Maria Felchlin damals auf diesem Gebiet die Autorität war. 1968 publizierte sie bei Gelegenheit der 1000-Jahr-Feier von Matzendorf eine revidierte Fassung ihrer Manufakturgeschichte, wobei sie sich vor allem nochmals dem Teil widmete, in dem sie auf die Produktion einging (Felchlin 1968).

Im Rahmen seiner Dissertation zur Wirtschafts-, Sozial- und Kulturgeschichte der Gemeinde Aedermannsdorf unternahm Albert Vogt vertiefte Archivstudien, bei denen er auf bisher unbekannte Dokumente zur Geschichte der Manufaktur stiess (Vogt 2003). Seine Funde veröffentlichte er in einem ersten Artikel im Jahrbuch für solothurnische Geschichte (Vogt 1993). Einige Jahre später wurde er mit der Aufgabe betraut, die Geschichte der Manufaktur Matzendorf/Aedermannsdorf zu redigieren, die von den «Freunden der Matzendorfer Keramik» aus Anlass des 200-Jahr-Jubiläums der keramischen Industrie herausgegeben wurde (Vogt et al. 2000). Aktuell: Matzendorfer Keramik 2022.

Die Anfänge der Manufaktur

Schwab erinnert daran, dass es seit den 1760er-Jahren Solothurner Patrizier gab, die mit dem Gedanken spielten, nach dem Vorbild von Bern eine Fayencemanufaktur zu gründen. Es waren Mitglieder der Ökonomischen Gesellschaft, die dann die Suche nach Rohstoffen auf dem Gebiet des Kantons aufnahmen. Schwab erzählt, wie zwei Männer der Gesellschaft, Chorherr Viktor Schwaller und Ludwig von Roll (1771–1839), bei einem sagenumwobenen Ausritt ins Dünnerntal die Tonlagerstätte bei Aedermannsdorf entdeckten. Schwaller und von Roll kauften das Gelände und erhielten vom Rat in Solothurn die Genehmigung, dort einen Bau für die Herstellung von feuerfestem Kochgeschirr zu errichten, «weil die Erde dazu brauchbar ist» (Vogt et al. 2000, 20). Schon 1797/98 wurde gebaut. Die Bevölkerung von Aedermannsdorf befürchtete freilich, dass der Holzbedarf der neuen Industrie den Wald ruinieren würde und dass die landfremde Industrie Ausländer und Menschen von schlechter Moral ins Tal brächte. Sie suchte sich zu wehren, und 1798 verstärkte die französische Invasion dermassen den Konflikt, dass der helvetische Kommissar in Balsthal im April angewiesen wurde, den Streit zu schlichten, was offenbar gelang. Schwaller zog sich früh vom Projekt zurück, so dass der Bau der Manufaktur letztlich allein das Werk von Rolls war und zu seiner ersten grossen Tat als Industriepionier im Kanton wurde.

Maria Felchlin ergänzte das Bild, das Schwab von der Frühzeit der Manufaktur zeichnete, durch Studien in den Archiven der betroffenen Gemeinden. Schwab hatte sich gewundert, dass er nur einen einzigen ausländischen Arbeiter im Betrieb ausmachen konnte, nämlich den Maler Josef Beyer von Dirmstein (heute Rheinland-Pfalz), den er zudem erst 1837 erwähnt fand. Felchlin war nun in der Lage, weitere Ausländer – Franzosen und Deutsche – zu identifizieren, die in der Zeit von 1801 bis 1810 eindeutig als Fachleute in der Fabrik arbeiteten (Felchlin 1942, 11–12). Im Taufregister von Matzendorf fand sie 1801 den Namen von Margaritha Contre, geborene Leffel, aus Sarreguemines, «Directrix in der Fabriqs.», und sie entschied, dass es sich bei der Dame um die Direktorin der Manufaktur handeln musste, was für sie auch für die fortschrittliche Gesinnung von Rolls sprach (Felchlin 1942, 12; Felchlin 1968, 166). Albert Vogt korrigierte 1993 diese voreilige Interpretation, indem er Franz Contre, den Gatten der Margaritha, als den eigentlichen Direktor identifizierte.

Vogt gelang es dann auch, die Verhältnisse rund um die Gründung und die Aufnahme des Betriebs in der Manufaktur weiter zu klären. Die erste Sorge von Ludwig von Roll war es, für die Zeit nach dem Bau der Fabrik kompetente Fachleute für eine leistungsfähige Produktion zu finden. Er wandte sich dafür zuerst an Johann Jakob Frei (1745–1817), den Fayencier von Lenzburg, der vier Jahre früher in Solothurn vorstellig geworden war, um beim Rat die Bewilligung für die Errichtung einer Porzellanfabrik auf dem Kantonsgebiet zu erhalten. Das Gesuch von Frei, der sich seit 1790 finanziell in einer sehr schwierigen Lage befand (Ducret 1950, 73–87), war damals schroff abgewiesen worden. Das Angebot, die technische Leitung der neuen Manufaktur zu übernehmen, kam ihm entsprechend gelegen. Dank den Akten des Bezirksgerichts Balsthal konnte Vogt feststellen, dass von Roll im Juli 1798 mit Frei einen Vertrag schloss, wonach dieser sich für die Summe von 100 Louis d’or verpflichtete, die Verantwortlichen des Unternehmens mit dem technischen Wissen für die Konstruktion der Brennöfen und die Mischung der Erden für die Herstellung von Fayence, von englischem Steingut (Pfeifenerde genannt) sowie von braunem und weissem Kochgeschirr so weit zu versehen, dass auch ohne ihn produziert werden konnte. Danach zog Frei mit seiner Familie nach Aedermannsdorf. Nach Freis Äusserungen soll er seinen Verpflichtungen nachgekommen und die Manufaktur in der Lage gewesen sein, die Produktion im September 1799 aufzunehmen. Doch weigerte sich die Compagnie, die erste Hälfte des vertraglich abgemachten Betrages zu zahlen. Das Gericht von Balsthal gab Frei zwar recht, aber der Rekurs vor das Kantonsgericht Solothurn führte dazu, dass er gezwungen wurde, Joseph Eggenschwiler, dem Teilhaber von Rolls, innert fünf Wochen zuerst noch die Fabrikation von Steingut beizubringen und die letzten Öfen fertigzustellen. Frei, der kein Experte für Steingut war, war damit überfordert. Vogt nimmt an, dass er Aedermannsdorf Ende 1799, Anfang 1800 verliess. Zurück blieb Eggenschwiler, der dem Steueragenten von Aedermannsdorf klagte, dass er nur «probierweiss» arbeiten könne und im übrigen sich nach Fachleuten umsehen müsse, wobei er Mühe habe, solche zu finden (Vogt 1993, 424–425).

1970 fiel Maria Felchlin als sensationeller Fund das Rezeptbüchlein der Manufaktur in die Hand, das sie unter dem Titel «Das Arkanum der Matzendorfer Keramiken» publizierte (Felchlin 1971). Das Heft, das von Generation zu Generation in der Familie Meister weitergegeben worden war, enthält verschiedene Rezepte für die Herstellung von Fayence, von Steingut und von braunem Kochgeschirr. Der Hauptteil ist mit dem Datum 26. Juli 1804 versehen, mit den Initialen «F. C.» signiert und von Joseph Bargetzi, dem Sekretär der Fabrik, gegengezeichnet. Ergänzende Notizen wurden bis 1810 beigefügt. Dieses Dokument brachte einige zusätzliche, wichtige Informationen zu den Anfängen des Unternehmens. Ihm entnehmen wir, dass der zur Herstellung von Steingut notwendige, weissbrennende Ton aus Heimbach bei Tenningen im Breisgau importiert wurde, während für die Fayence Erden von Laupersdorf, Matzendorf und Aedermannsdorf Verwendung fanden. Aus der Tatsache, dass das Kapitel Fayence entschieden weniger ausführlich behandelt ist als das Steingut, schloss Felchlin zu Recht, dass diese Technik in Matzendorf schon bekannt war und dass man von Anfang an Fayencen herzustellen verstand. Desgleichen sind die Auskünfte bezüglich des braunen Kochgeschirrs sehr knapp gehalten und mit dem Datum 1806 versehen, was dafür spricht, dass auch diese Produktion auf die Anfangszeit zurückgeht.

Bei der Durchsicht der Register im Gemeindearchiv von Aedermannsdorf, die Felchlin merkwürdigerweise nicht kannte, stiess Albert Vogt auch auf den Namen der Person, die nach Freis Weggang die Leitung der Manufaktur übernahm: Franz Contre von Sarreguemines in Lothringen. In den Registern taucht Contre nach dem April 1804 nicht mehr auf. Es ist so gut wie sicher, dass er der Verfasser des mit «F. C.» signierten Arkanums ist. Er muss dieses kurz vor seinem Abschied niedergeschrieben haben (Vogt 1993, 426). Vogt konnte auch die von Felchlin erstellte Liste der Arbeiter bedeutend erweitern. Er weist für die Zeit von 1800 bis 1808 ein Dutzend ausländische Fachleute aus Frankreich und aus Deutschland nach, die in der Manufaktur als Dreher, Maler, Brenner oder als Modelleur tätig waren (Vogt 1993, 429). Höchstwahrscheinlich kamen die ersten von ihnen mit Franz Contre nach Aedermannsdorf. Dank diesen Spezialisten gelang es endlich, die Produktion von Steingut aufzunehmen. Verschiedene der von Vogt genannten Arbeiter kamen aus bekannten französischen Steingutfabriken wie Montereau, Niderviller, Lunéville oder Sarreguemines.

Die Pacht von Urs Meister (1812–1827)

Bei Fernand Schwab lesen wir, dass Ludwig von Roll 1810 die Hammerschmiede der Gebrüder Dürholz in Aedermannsdorf kaufte und sich dort nun ganz der Metallindustrie zuwandte. Von seiner ersten Manufaktur zog er sich zurück und verpachtete sie an den ortsansässigen Bürger Urs Meister. Schwab beklagt, dass es nur wenige schriftliche Quellen gibt, die der Erhellung des neuen Kapitels dienen könnten, und zitiert zunächst einen Bericht des Finanzamtes von 1825, der bemängelt, dass die Fayence von Matzendorf von geringerer Qualität sei als die französische Ware und dass auch das Steingut nicht jenem von Nyon gleichkomme (Schwab 1927, 464).

Das zweite von Schwab entdeckte Dokument ist ein 1826 datiertes Gesuch an den Rat um die Erlaubnis zur Durchführung einer Fayence- und Steingutlotterie, um die Lagerbestände loszuwerden und die Gläubiger befriedigen zu können. Dem Text entnehmen wir, dass die Manufaktur unter der wachsenden Konkurrenz ausländischer Waren litt, dass sie seit 1812 22 einheimische Arbeiter beschäftigte und dass die Produktion, von der sieben Achtel ausserhalb des Kantons verkauft wurde, einem Handelswert von Fr. 16 000 entsprach (Schwab 1927, 465). Was immer das Resultat der Lotterie war, die finanzielle Situation erlaubte Urs Meister nicht, den Betrieb weiterzuführen. Er zog sich aus dem Geschäft zurück und wurde durch ein Gremium ersetzt, dem Niklaus Meister und seine drei Söhne Ludwig, Melchior und Josef, Johann Schärmeli, Viktor Vogt und Josef Gunziger angehörten. Die ersten fünf wohnten in Matzendorf, die zwei andern in Aedermannsdorf.

1829 machte Ludwig von Roll Konkurs und sah sich gezwungen, seine Immobilien zu verkaufen. Die Fabrik Matzendorf wurde von den sieben Nachfolgern Urs Meisters erworben. Ludwig Meister (um 1790–1869) leitete nun die Gesellschaft unter dem Titel «Ludwig Meister und Mithaften» oder «Ludwig Meister & Compagnie». Ausser Niklaus Meister arbeiteten alle Teilhaber im Unternehmen. Die Gesellschaftsanteile sollten bis 1883 in den Familien der Meister, Gunziger und Vogt bleiben, die mit der Zeit auch untereinander heirateten, so dass die Gesellschaft den Charakter eines Familienunternehmens im eigentlichen Sinn des Wortes annahm. Nach dem Tod von Ludwig Meister übernahm sein Sohn Johann (1825–1876), 1876 dessen Cousin Niklaus Meister (1821–1897) die Leitung. Die Firma «Ludwig Meister & Cie» wurde bis 1883 weitergeführt und dann in eine neue Aktiengesellschaft umgewandelt.

Für diese Periode stützte sich Schwab auf die wenigen noch verfügbaren Quellen wie den Rechenschaftsbericht der Solothurner Regierung von 1836/37, aus dem man erfährt, dass «aus Mangel an geeigneter Erde feine Fayence und pfeifenirdenes Geschirr nicht mehr produziert wurden …». Damals scheint man nur noch gewöhnliches Fayence- und Kochgeschirr hergestellt zu haben. Nebenbei erfährt man, dass die Fabrik noch 19 Arbeiter beschäftigte und dass der grösste Teil der Produktion noch immer in den Kantonen Bern und Basel, weniger auch in den Kantonen Luzern und Aargau abgesetzt wurde (Schwab 1927, 467).

Für die Zeit von 1850 bis 1883 stellt Albert Vogt fest, dass das Unternehmen nur noch neun bis zwölf Arbeiter zählte, was auf einen Rückgang der Produktion schliessen lässt. Der jährliche Umsatz belief sich in den Jahren 1858 bis 1862 noch auf etwa 5 000, mit Spitzen bis zu 7 000 Franken und in den Jahren zwischen 1866 und 1870 auf Mindestwerte von um 3 500 Franken. Entsprechend tief muss die Leistung gewesen sein. Doch ging bis zuletzt der grösste Teil der Ware Richtung Bern, Basel und den Aargau. Vogt hält fest, dass diese Schwankungen der allgemeinen Konjunktur von damals entsprachen (Vogt et al. 2000, 37–38).

Die Thonwarenfabrik Aedermannsdorf (1883–1960) und Rössler AG (1960–2004)

1883 wurde am Ort der Manufaktur Matzendorf die Aktiengesellschaft «Thonwarenfabrik Aedermannsdorf» gegründet. Die meisten Aktionäre wohnten nun nicht mehr im Dünnerntal und gehörten der politischen und wirtschaftlichen Oberschicht des Kantons an. Das neue Unternehmen entwickelte sich gut. Der Aufstieg der Uhrenindustrie im Tal gab der Bauindustrie Auftrieb und in der Fabrik entwickelte sich die neue Abteilung der Ofen- und Tragofenherstellung zu einem hochprofitablen Geschäft. Seit Ende 1890 verzichtete die Manufaktur auf lokale Rohstoffe und importierte den Ton aus der Pfalz und aus der Tschechoslowakei. 1884 hatte sie 13 Mitarbeiter, 1885 waren es 38 und 1897 54. Die Fabrik wurde durch zwei Feuersbrünste 1887 und 1913 zerstört, aber sofort wieder aufgebaut und modernisiert. So wurde die Produktion 1913 teilweise mechanisiert, und die Öfen wurden auf Kohle umgestellt. Man stellte nun zu gleichen Teilen einerseits Öfen und Ofenkacheln, anderseits manganglasiertes Braungeschirr her, was auch Fernand Schwab 1924 bei einem Besuch der Fabrik feststellte.

1927 kaufte der Basler Unternehmer Alfred von der Mühll die Tonwarenfabrik, die sich damals in einer Krise befand. Die Zahl der Arbeiter ging seit 1926 zurück. Mit dem neuen Besitzer verbesserte sich die Situation, bis auch die Manufaktur die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise zu spüren bekam. 1934 wurde eine Kunstabteilung eröffnet, deren Leitung dem Berner Keramiker Benno Geiger anvertraut wurde. Als im Zweiten Weltkrieg der Geschirrimport aus den Nachbarländern vollständig wegfiel, erlebte die Fabrik einen Aufschwung, der zu einer Ausweitung der Produktion nebst dem traditionellen Braungeschirr führte.

Brennöfen in Aedermannsorf in einem Prospekt der Salvis A.G., das um 1943 gedruckt wurde.

Nach 1947 hatte die Fabrik dann erneut mit der wachsenden Konkurrenz aus dem Ausland zu kämpfen. 1960 wurde sie vom Industriellen Emil Rössler von Ersigen im Emmental gekauft. Die Aktiengesellschaft Rössler spezialisierte sich nun auf die Produktion von Geschirr aus Steingut und seit 1963 aus Porzellan. 2004 schloss sie ihre Tore in Aedermannsdorf.

Zwei weitere Töpfereien in Matzendorf/Aedermannsdorf

 Die Töpferei Studer in Matzendorf (1826-1854)

Im 1836 erschienenen Handbuch über den Kanton Solothurn erwähnt der Verfasser ohne weiteren Kommentar «zwei Fayencefabriken in Matzendorf» (Strohmeier 1836, 101 und 232). Fernand Schwab identifizierte tatsächlich eine Töpferei, die einem gewissen Urs Studer (1787–1846) gehörte, der im Sterberegister als «Fayencefabrikant» erwähnt wird. Dieser hatte 1817 in Matzendorf ein Haus gekauft. Ein Grundbucheintrag von 1825 besagt, dass er dort eine Töpferei eingerichtet hatte. Schwab besuchte den Ort in den 1920er Jahren, als der Werkstattraum noch gut erkennbar war, und stellte fest, dass dieser recht klein war und kaum Platz für mehr als drei Arbeiter bot (Schwab 1927, 474).

Später ergänzte Albert Vogt, dass Studer bei der Volkszählung von 1808 als Arbeiter in der Manufaktur erscheint (Vogt 1993, 430) und dass er 1826 um die Erlaubnis bat, in seinem Haus einen Brennofen einzurichten (Vogt et al. 2000, 63). 1846 übernahmen die beiden Söhne von Studer, Urs und Josef, die Töpferei, die bis 1854 weiterbetrieben wurde. Was die Werkstatt hervorbrachte, bleibt ein Geheimnis. Im Gegensatz zu Albert Vogt glauben wir nicht, dass sie Fayence erzeugte, sondern glasierte oder engobierte Irdenware.

Die Töpferei Stampfli in Aedermannsdorf und Nachfolgebesitzer (1803-nach 1907)

 In der ersten Fassung ihrer Monografie erzählt Maria Felchlin von der Begegnung mit einer Person aus der Gegend, die ihr versicherte, dass ihr Urgrossvater namens Stampfli Fayencen von der Art der «Blauen Familie» (z.B. MBS 1912.107; MBS 1912.126) herstellte. Felchlin machte sich auf die Suche nach genaueren Auskünften und fand wirklich die Spur von Niklaus Stampfli (1811–1883), der als Töpfer in Aedermannsdorf ab den 1840er Jahren bis 1879/80 arbeitete und dann zu seiner Tochter nach Bellach zog. Stampfli war in der Gegend unter dem Namen «Hafnerchlaus» bekannt und seine Werkstatt als «Hafnerhütte» (Felchlin 1942, 38–42).

Auch da ergänzte Albert Vogt, dass 1803 ein Urs Josef Stampfli (1775–1847) die Erlaubnis erhielt, einen Ofen auf der Allmend von Aedermannsdorf zu errichten, wo er allem Anschein nach vor allem Ofenkacheln herstellte. Sein Sohn Niklaus lernte auch das Hafnerhandwerk. 1833 war er noch in Aedermannsdorf wohnhaft, dann finden wir ihn für zehn Jahre in Crémines im Berner Jura. Das Keramikmuseum Matzendorf besitzt von ihm zwei Gipsnegative zur Ausformung von Tellern, die eine mit der eingeritzten Signatur «Stampflÿ 1834», die andere mit den Initialen «N. S.». Diese wertvollen Dokumente lassen vermuten, dass Stampfli Gipsformen herzustellen verstand (Vogt et al. 2000, Abb. 13). Zwischen 1842 und 1845 kehrte er nach Aedermannsdorf zurück, wo er vielleicht als Taglöhner in der Manufaktur arbeitete. Nach dem Tod von Urs Josef erwarb er 1847 die väterliche Werkstatt. Im gleichen Jahr zeigte er an der Gewerbeausstellung in Solothurn «ein irdenes Fläschchen, schwarz glasiert» (Kat. Solothurn 1847). 1851 sah sich Niklaus Stampfli gezwungen, seine Werkstatt zu verkaufen; vier Jahre später wurde er vergeldstagt. Möglicherweise aber übte er seinen Beruf bis 1858 weiter aus (Vogt et al. 2000, 61). Vogt nimmt an, dass er danach bis zu seinem Weggang 1879/80 in der Manufaktur arbeitete, denn 1860 wohnte er in einem Haus von Josef Vogt, einem der Besitzer der Fabrik, und 1870 im Gebäude der Manufaktur selbst. In Anbetracht des geringen Wochenlohns von 5 Fr. nimmt Vogt an, dass er in der Manufaktur nicht nur für die Firma, sondern auch auf eigene Rechnung arbeitete (Vogt et al. 2000, 56).

Was die von Urs Josef Stampfli gegründete «Hafnerhütte» angeht, wurde diese noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts von verschiedenen Besitzern genutzt: zuerst von den Töpfern Josef Wiss (von 1858–1862) und Johann Schuppisser (von 1862–1865); 1865 wurde die Werkstatt von Urs Josef Bläsi gekauft, der sie an zwei Töpfer, Peter Siegenthaler von Langnau und Johann Schneider von Niederhünigen, vermietete. Ende der 1880er Jahre wurde sie von Rupert Bläsi, dem Sohn des Besitzers, übernommen (1868–1911), der 1885 einige Monate in der Tonwarenfabrik gearbeitet hatte (Vogt et al. 2000, 61–62). Laut einem Inserat vom November 1907 konnte man bei Rupert Bläsi «alle Sorten Milchbecki und Milchhäfen sowie Blumentöpfe und Blumenplättli» kaufen.

Zur Bestimmung der Matzendorfer Produkte: Die Matzendorf/Schooren Kontroverse

 Fernand Schwab
In seinem Pionierwerk von 1927 begnügte sich Fernand Schwab nicht damit, die Geschichte der Fayencemanufaktur Matzendorf zu erzählen, sondern er versuchte auch, aufgrund der Sammlungen des Solothurner Museums (des nachmaligen Museums Blumenstein) zu ermitteln, was in der Manufaktur produziert wurde. Die Erzeugnisse mit Namensinschriften aus der Region, die er Matzendorf zuschreiben konnte, waren eher selten und datierten meist aus der Spätzeit der Produktion ab Mitte der 1840er Jahre bis in die Zeit um 1880 (Schwab 1927, Abb. 2 nach S. 468).

Auf die erste schriftliche Erwähnung der Herstellung von Fayence stiess Schwab im Bericht des Finanzrates von 1825. Da ihm keine entsprechenden Erzeugnisse aus der Zeit von Rolls bekannt waren, nahm er an, dass die Manufaktur in den ersten Jahren nur Steingut produzierte und die Fabrikation von Fayence erst zur Zeit der Pacht von Urs Meister (1812–1827) aufgenommen wurde. Die gleiche Quelle präzisierte, dass sieben Achtel der jährlichen Produktion, die einen Handelswert von 16 000 Franken hatte, ausserhalb des Kantons abgesetzt wurde. Aber wie sah diese zum grössten Teil exportierte Solothurner Produktion aus?

Hier interessierte sich Schwab für eine verhältnismässig grosse Gruppe von Fayencen im Historischen Museum Bern, die von Sammlern und Antiquaren traditionell Matzendorf zugeschrieben wurde (Schwab 1927, dritte Abb. nach S. 468). Heute sehen wir in den meisten dieser Objekte Erzeugnisse der verschiedenen Manufakturen, die in und um Kilchberg-Schooren am Zürichsee in den Jahren 1820/50 tätig waren und deren Produktion damals noch wenig untersucht war. Schwab nahm diese Gruppe für Matzendorf in Anspruch, weil sie eine wichtige Lücke in der Chronologie der Produktion vor den späten, mittelmässigen Erzeugnissen in Solothurn auszufüllen schien. Doch begegnete man dieser Zuschreibung schon damals mit Zweifeln und bemerkte, dass dieser Typ von Fayencen in den Solothurner Sammlungen merkwürdigerweise kaum vertreten war. Schwab wischte das Argument weg und wies auf die Bedeutung der Exporte der Matzendorfer Manufaktur (Schwab 1927, 466) und deren Jahresumsatz hin, die ihm dafür gross genug zu sein schienen. Damit schuf er für Matzendorf eine Gruppe von Fayencen von höherer Qualität, von der er meinte, dass sie in Matzendorf ausschliesslich für den Export produziert wurde. Da er die meisten Beispiele solcher Erzeugnisse im wichtigsten Absatzgebiet der Fabrik in Bern fand, nannte er deren Malstil «Berner Dekor».

«Berner Dekor»

«Blaue Familie»

Um den «Berner Dekor» zeitlich einzugrenzen, wies Schwab auf zwei 1822 datierte Teller in Privatbesitz hin, von denen er meinte, dass sie an den Anfang der Fayenceproduktion von Matzendorf gehörten. Angesichts der Verschiedenheit der «Berner Dekore» der Jahre 1820 (siehe zum Beispiel MBS 2010.2; KMM 68; KMM 69; SFM 138; KMM 71; KMM 96; MBS 1942.20; KMM 91; SFM 84; HMO 8163) vom Dekor des gleichzeitigen Solothurner Steinguts fällt es freilich schwer, Schwabs Argumentation zu folgen (zum Beispiel KMM 67; MBS 1917.36; HMO 8535). Den Ausklang des «Berner Dekors» datiert Schwab um 1843 unter Hinweis auf den Rechenschaftsbericht von 1836/37, wonach die Manufaktur damals keine «feinen Fayencen» mehr fabrizierte, sondern nur noch «alle Arten gewöhnliches Geschirr von Fayence … und braunes Kochgeschirr». Schwab sah die beträchtlichen Unterschiede zwischen dem Geschirr mit «Berner Dekor» und den derberen Erzeugnissen der Jahre 1860–1880, wies aber auf Beispiele des Übergangs mit Elementen des früheren und späteren Stils hin. Für die Stücke des späteren Stils prägte er den Begriff «Blaue Familie», weil hier die Farbe Blau vor allem in den Randlinien dominierte (z. B. MBS 1912.128; KMM 507).

Verglichen mit der «Exportware» und seinem «Berner Dekor», ist die «Blaue Familie» klar von geringerer Qualität, sowohl in Bezug auf die Formen als auch auf die Malerei. Eine so offensichtliche Differenz musste Ausdruck eines unübersehbaren Niedergangs sein. Schwab betrachtete die «Blaue Familie» deshalb als «Gelegenheitsproduktion», die nur zu Geschenkzwecken für eine beschränkte Kundschaft im Dünnerntal von Mitarbeitern der Manufaktur ausserhalb der Arbeitszeit oder sogar zu Hause gefertigt worden war. Mit der offiziellen Produktion der Manufaktur hatte sie nichts zu tun. Diese Position nahm die Theorie der «Laienprodukte» voraus, die später Maria Felchlin entwickelte. Zusammengefasst meint Schwab, dass die Manufaktur die Produkte vom Typ «Berner Dekor» seit Anfang der zwanziger Jahre speziell für die Kundschaft der Nachbarkantone Bern und Basel auf den Markt brachte und dass sie solche aus wirtschaftlichen Gründen ab circa 1837 nicht mehr herstellte. Später kam mit der «Blauen Familie» eine von einigen Fabrikarbeitern für einen kleinen, lokalen Markt gefertigte, nicht offizielle Produktion minderer Qualität von wenig professionellem Charakter auf, die nur ein blasser Abglanz des hier einst Geschaffenen war. Was aber den Export betraf, konzentrierte man sich für diesen hinfort auf die Fabrikation von «braunem Kochgeschirr» (Schwab 1927, 473).

Maria Felchlin
Nun trat Maria Felchlin auf den Plan. Mit der ihr eigenen Energie machte sie sich daran, das Wissen auf dem Gebiet der Keramik von Matzendorf auf den von Schwab gegebenen Grundlagen weiter voranzutreiben. Darüber hinaus wandte sie sich ausgiebig der Produktion der Manufaktur zu, indem sie die Theorien von Schwab zu vertiefen und zu präzisieren suchte. Sie übernahm die von Schwab definierten Kategorien des «Berner Dekors», der «Blauen Familie» und des «braunen Kochgeschirrs», indem sie diese ergänzte, systematisierte und ihre sogenannte «Service-Hypothese» entwickelte (Felchlin 1942, 22–25). Der Prospekt für die Lotterie von Urs Meister 1826 erwähnt ein Tafelservice für 24 Personen, und sie wollte wissen, worum es sich hier gehandelt haben könnte.

Kranichdekor – Von dieser Frage umgetrieben, stiess sie bei einer Einwohnerin von Trimbach bei Olten auf eine Gruppe von Fayencen mit dem berühmten, camaieuvioletten «Kranichdekor», die angeblich aus dem Gasthof «St. Urs und Viktor» in Boningen kam und nach der Überlieferung ein Matzendorfer Erzeugnis sein sollte (Felchlin 1942, Taf. VIII, Abb. 13). Später erwarb sie die Stücke dann für ihre eigene Sammlung (SFM 34; SFM 38; SFM 39).

Für Maria Felchlin mussten diese Fayencen Repräsentanten der ersten Phase der Fayenceproduktion in Matzendorf und damit vor dem «Berner Dekor» entstanden sein; sie datierte sie um 1808 bis 1820. Diese Meinung fand in gewisser Weise ihre offizielle Bestätigung bei der 1948 in Jegenstorf gezeigten Ausstellung (Jegenstorf 1948, 72–73). Nach der Entdeckung eines Fayencetellers mit Datum 1801 im Museum Solothurn (MBS 1912.220) verschob Felchlin dort das Anfangsdatum der Fayenceproduktion weiter nach vorn und vertrat nun die Meinung, dass die Fabrik von Anfang an neben dem Steingut auch Fayence fabriziert habe.

«Berner Dekor» – Ihr grösster Einsatz galt aber der von Zürich aus mehr und mehr angezweifelten Hypothese des «Berner Dekors» von Matzendorf, deren Verteidigung sie nun gegen Wind und Wetter übernahm. Der erste Widerspruch kam von Karl Frei, dem 1953 verstorbenen Vizedirektor des Landesmusems. Kurz nach Erscheinen der Arbeit von Schwab erschien 1928 auch die erste grundlegende Publikation von Frei über die Fayencen von Kilchberg-Schooren (Frei 1928). Als Felchlin das Landesmuseum 1932 besuchte, war es für sie ein Schock, zu sehen, dass dort fast nur Fayencen der «Blauen Familie» als Matzendorf etikettiert waren, während der «Berner Dekor» Kilchberg zugewiesen wurde (Felchlin 1968, 154). Dagegen erhob sie Einspruch mit einer ganzen Reihe von Argumenten, die nach ihr für Solothurn sprachen, die sich aus der Rückschau aber als wenig stichhaltig erwiesen (Felchlin 1942, 30–38).

Steingut
Unter Hinweis auf eine Deckelschüssel, welche aus der Familie des Amtschreibers Bernhard Munzinger in Balsthal stammte (SFM 1), nahm Felchlin dann auch eine Gruppe von mit feinen, reliefierten Blumen geschmücktem Steingutgeschirr für Matzendorf in Anspruch (SFM 1; SFM 2; SFM 3; SFM 4; SFM 9; SFM 10; SFM 15; SFM 18; SFM 23; SFM 24; SFM 25; SFM 26).

Diese erneute Ausweitung der Produktion präsentierte sie 1958 an der Ausstellung in Nyon, womit auch diese offiziell zur Diskussion gestellt wurde (Nyon 1958, 38; Felchlin 1968, 176–178).

«Laienproduktion» – «Aedermannsdorfer»
Objekte, die ihr als offizielle Erzeugnisse der Manufaktur Matzendorf qualitativ ungenügend erschienen, bezeichnete Felchlin als «Laienprodukte» oder Freizeitarbeiten. Für die «Blaue Familie» von Schwab aber entwickelte sie eine neue Theorie. Ein Urenkel des Töpfers Niklaus Stampfli hatte ihr erzählt, dass sein Urahn eben solche Arbeiten gefertigt hätte, die sie der Manufaktur abschrieb. Aufgrund dieser Auskunft wies sie diese nun der Werkstatt von Stampfli, der «Hafnerhütte» in Aedermannsdorf, zu und taufte sie «Aedermannsdorfer». Andere Nachkommen des Töpfers sollen ihr bestätigt haben, dass Niklaus «neben allerlei Braungeschirr auch weiss glasiertes und bunt bemaltes, blumiges Weissgeschirr» fertigte (Felchlin 1942, 39) und eine Enkelin Stampflis besass noch ein Tintengeschirr, das Stampfli deren Vater, dem Landjäger Josef Jäggi, geschenkt haben soll (SFM 212).

Die «Blaue Familie» stellte damit in gewissem Sinn die Endphase der «Laienproduktion» dar und war für sie vor allem das Werk Stampflis. Felchlin sah zwar durchaus, dass die Dekore der Familie nicht alle von der gleichen Hand sein konnten, doch da sie nun nicht mehr zur offiziellen Produktion der Manufaktur gehörten, meinte sie, dass sie «für das keramische Forschen und das historische Interesse kaum mehr von Belang» seien (Felchlin 1942, 62). Eine etwas leichtfertige Art, das Problem aus der Welt zu schaffen!

Matzendorfer im Strassburger Stil

1953 entdeckte Maria Felchlin im Museum Olten eine in Aufglasurfarben im Stil der ostfranzösischen Fayencen bemalte Suppenschüssel mit der Widmungsinschrift «Elisabetha Winter» (HMO 8692). Einige Jahre später stiess sie im Museum Blumenstein in Solothurn auf eine zweite, im gleichen Stil dekorierte Schüssel mit den Namen «Anna Maria Mohlet und Hans Georg Hugi Zuchwil» (MBS 1920.83).

Bei Archivstudien fand sie die Namen dieser Solothurner Personen und war in der Lage, die Schüsseln in die Jahre 1812 bis 1815 zu datieren. Felchlin war nun versucht, auch diese Fayencen mit Matzendorf in Verbindung zu bringen und in ihnen Arbeiten des dort tätigen Töpfers Urs Studer zu sehen. Sie stellte diese These erstmals an der Jahresversammlung des Historischen Vereins in Matzendorf 1957 (Felchlin 1957) und weiter 1958 an der Ausstellung im Schloss Nyon vor, wo sie eine ganze Reihe von Fayencen zeigte, die für sie aus dem Vergleich mit den Suppenschüsseln nunmehr «Matzendorfer im Strassburger Stil» waren (Nyon 1958, 37–38; Felchlin 1968, 196–210; siehe AF 22-033-00; AF 22-034-00; MBS 1920.83; HMO 8064; HMO 8065; HMO 8066; HMO 8107; HMO 8108; HMO 8113; HMO 8114;  MO 8118; HMO 8119; HMO 8120; HMO 8126; HMO 8128; HMO 8129;HMO 8723; HMO 8680; HMO 8692; HMO 8713; SFM 43; SFM 46; SFM 48; SFM 50; SFM 51; SFM 52; SFM 53; SFM 54; SFM 55; SFM 56; SFM 58; SFM 60; SFM 61; SFM 62; SFM 63; SFM 64; SFM 66; SFM 67; SFM 68; SFM 69; SFM 71; SFM 72; SFM 205; SFM 206).

Zu den oben gezeigten Schüsseln kann man noch Folgendes bemerken: Von der Form, aber auch von der Malerei her empfinden die heutigen französischen Experten die zwei Stücke zwar als eher fremdartige Erscheinungen. Die in schwarzer Aufglasurfarbe gemalten Widmungen, welche sich eindeutig auf Solothurner Personen beziehen, können sehr wohl in einer ausländischen Fabrik nach einer Vorlage auf Bestellung ausgeführt worden sein. Jene von der Schüssel MBS 1920.83 überschneidet den Dekor und stammt damit sicher von anderer Hand. Die Schrift von HMO 8692 ist zitterig und unsicher, als wäre die schreibende Hand mit der deutschen Kursivschrift wenig vertraut gewesen. Beide Schüsseln sind zweifellos Erzeugnisse einer leistungsfähigen Manufaktur, wie es sie damals an vielen ostfranzösischen Orten gab, und nicht in einer kleinen Werkstatt wie jener von Studer. Bei der Wichtigkeit des Schweizer Marktes für die ostfranzösischen Manufakturen ist nicht auszuschliessen, dass dort auf Bestellung spezielle, von der schweizerischen Kundschaft verlangte Formen hergestellt wurden (Mitteilung von Jacques Bastian). Jedenfalls ist uns keine Manufaktur auf Schweizer Gebiet bekannt, die damals in der Lage gewesen wäre, Geschirre mit Aufglasurdekor von entsprechender Qualität zu liefern.

Rudolf Schnyder
1997 organisierte Hans Brunner, der Konservator des Historischen Museums Olten, die Ausstellung «200 Jahre Matzendorfer Keramik» in der Absicht, die Theorien von Schwab und Felchlin einer kritischen Überprüfung zu unterziehen. Mit dem Konzept und der Ausführung betraute er Rudolf Schnyder, den ehemaligen Konservator und Leiter der keramischen Abteilung des Landesmuseums, der bei dieser Gelegenheit seine schon in der Begleitpublikation zur 1990 gezeigten Ausstellung «Schweizer Biedermeier-Fayencen, Schooren und Matzendorf» (Schnyder 1990) dargelegte Sicht der Matzendorfer Produktion breit zur Darstellung brachte. Aufgrund formaler, technischer und stilistischer Kriterien zeigte er, dass die Produkte der Manufaktur Matzendorf von den Erzeugnissen der Fabriken am Zürichsee durchaus verschieden und von eigenem Charakter sind. Um Eigenart und Profil der Matzendorfer Produktion klar sichtbar zu machen, sah er zu, dass die Ausstellung nur Erzeugnisse aus Matzendorf enthielt. So war auch der sogenannte «Berner Dekor» nur mit Beispielen aus Matzendorf, nicht aber aus Kilchberg vertreten. Verzichtet wurde auch auf eine Illustration der kühnen Hypothesen bezüglich einer Matzendorfer Fabrikation von Fayencen mit Kranichdekor, von Steingut mit fein reliefiertem Blumendekor und von «Matzendorfer im Strassburger Stil». Dagegen wurde die «Blaue Familie» als Endphase einer Entwicklung wieder in die offizielle Produktion der Manufaktur integriert und nicht mehr als Freizeiterzeugnis einer dilettierenden Laienbeschäftigung betrachtet. Bei der Durchsicht der wichtigsten schweizerischen Sammlungen war es zudem gelungen, bisher unbekannte Fayencen aus der Anfangszeit der Manufaktur von Rolls zu identifizieren und zu präsentieren. Das Verzeichnis der Exponate erschien im Nachhinein mit den überarbeiteten Ausstellungstexten im Mitteilungsblatt der Keramik-Freunde der Schweiz Nr. 121, 2008 (Schnyder 2008).

Albert Vogt
Mit seinen methodisch streng durchgeführten Forschungen zur Geschichte der Manufaktur Matzendorf war es Albert Vogt möglich, das von Schwab gezeichnete und von Felchlin weitgehend übernommene Bild von der Geschichte des Unternehmens beträchtlich zu ergänzen. Die Ergebnisse seiner Studien publizierte er im von den «Freunden der Matzendorfer Keramik» im Jahr 2000 herausgegebenen Werk mit den Resultaten der von Marino Maggetti und Giulio Galetti von der Universität Fribourg im Auftrag der Freunde durchgeführten archäometrischen Untersuchungen. Man hoffte, die Kontroverse Matzendorf/Kilchberg auf naturwissenschaftlicher Basis endlich klar entscheiden zu können (Vogt et al. 2000).

Der Beitrag von Vogt erlaubte, eine ganze Reihe von Fragen sowohl zur Produktion als auch zu den Theorien von Felchlin zu klären: So liess sich für ihn die Hypothese des Kranichdekors auch unter Hinweis auf das Ergebnis der archäometrischen Analyse nicht halten (Vogt et al. 2000, Mz 43 – SFM 36). Die entsprechenden Fayencen sind eindeutig älter, sind französischen Ursprungs und kommen höchstwahrscheinlich aus der Franche-Comté (SFM 34; SFM 35; SFM 36; SFM 37; SFM 38; SFM 39; HMO 8712).

Zum Thema «Matzendorfer im Strassburger Stil» präsentierte er neue Daten zur Biografie von Urs Studer und stellte fest, dass dieser seinen Ofen erst im Jahr 1826 errichtete. Da die Suppenschüsseln, die Felchlin ihm zuschreibt (HMO 8692; MBS 1920.83), aufgrund ihrer solothurnischen Widmungen deutlich früher zu datieren sind, können sie nicht Arbeiten Studers sein, und auch die Analyse ihres Scherbens hat ergeben, dass sie fremde Ware sind (Vogt et al. 2000, Mz 70 – HMO 8692). Von unserer Seite sei hier beigefügt, dass Fayencen dieser Art einhellig als ostfranzösische und insbesondere als lothringische Erzeugnisse gelten. Auch wenn sie nur von mittlerer Qualität sind, setzen sie doch die Routine grösserer Betriebe voraus, was nicht zur Töpferwerkstatt Studers passt, die nach Schwab nur klein war. Darüber hinaus beherrschten diese Betriebe die Polychromie der Aufglasurmalerei, eine Technik, die Studer, der seine Lehre in der Manufaktur Matzendorf absolviert hatte, dort sicher nicht lernen konnte. Im Übrigen bot ein 1806 im Solothurner Wochenblatt erschienenes Inserat französische Fayencen an, und es versteht sich fast von selbst, dass man beim Händler auch Bestellungen für Stücke mit Namensinschrift aufgeben konnte, die in Frankreich ausgeführt wurden (Vogt et al. 2000, 50).

Maria Felchlin kannte auch nicht die ganze von Albert Vogt dann ermittelte Biografie von Stampfli. Sie wusste nicht, dass dieser in der Manufaktur gearbeitet hatte, bevor er sich selbstständig machte. Und sie wusste auch nicht, dass er nach seinem Konkurs 1858 dorthin zurückkehrte. Vogt nimmt an, dass ein Teil der «Blauen Familie», das «Aedermannsdorfer» Felchlins, von Stampfli ist und dass er diese Produktion in der Manufaktur auf eigene Rechnung ausführte, nachdem der Betrieb 1845 die Herstellung hochwertiger Fayence aufgegeben hatte. Vogt schaffte damit die Kategorie «Aedermannsdorfer» von Felchlin ab und kehrte zur «Blauen Familie» von Schwab zurück. Ausgehend von der Feststellung, dass diese nicht das Werk eines einzigen Malers sein konnte, nahm er an, dass es hier mehrere Arbeiter in der Fabrik gab, die ausserhalb ihrer Arbeitszeit für Stampfli Fayencen dekorierten, ohne professionelle Maler zu sein (Vogt et al. 2000, 54). Er folgt damit der Vorstellung Felchlins, indem er deren «Laienprodukte» freilich in der Manufaktur hergestellt sieht.

Was den «Berner Dekor» angeht, teilt Vogt Felchlins Anschauungen. Wie sie verweist auch er auf Erzeugnisse, die eindeutig Matzendorf sind, wie die beiden Bartschalen von 1844 (HMO 8682; HMO 8896).

Er nennt hier auch jene für Johann Bieli (MBS 1912.99) und die Objekte vom Service für Jakob Fluri und Barbara Bläsi (HMO 8156; HMO 8139; HMO 8891; HMO 8897; HMO 8893; HMO 8171; HMO 8175; HMO 8894).

Zusammengefasst meint Vogt, dass ab 1845 die offizielle Produktion der Manufaktur so gut wie nur noch weisse, undekorierte Fayencen und braunes Kochgeschirr produzierte. Der Katalog der Gewerbeausstellung von Solothurn 1847 scheint ihm recht zu geben, denn dort ist die Manufaktur mit 40 Stück Weissgeschirr und 56 Stück braunem Kochgeschirr vertreten (Kat. Solothurn 1847). Vogt zitiert dazu den autobiografischen Bericht des Geschirrhausierers Peter Binz, dessen Mutter in den 1850er Jahren Geschirr verhausierte, «… das in der Fabrik Aedermannsdorf fabriziert wurde und das bessere, Fayence aus Horgen, Kt. Zürich, das uns mit Fuhrwerk … geliefert wurde» (Binz 1995, 15). Damit waren sicher Fayencen aus Kilchberg und Umgebung gemeint. Vogt meint, dass die Arbeiter der Fabrik die neue Situation ausgenutzt hätten, indem sie Imitationen aus der Glanzzeit Matzendorfs anzufertigen versuchten, die der «Blauen Familie» entsprachen.

Heutiger Standpunkt, Roland Blaettler
Wie Felchlin und Vogt zeigten, produzierte die Manufaktur Matzendorf von Anfang an Fayencen, während die Herstellung von Steingut erst nach der Ankunft von Franz Contre nach 1800 gelang (gemarktes Matzendorfer Steingut, naturwissenschaftlich untersucht: Maggetti 2017).

Rudolf Schnyder nimmt an, dass die Steingutproduktion spätestens nach dem Weggang von Urs Meister 1827 aufgegeben wurde und dass die neuen Pächter und künftigen Mitinhaber der Fabrik den Betrieb im Sinne einer Rationalisierung reorganisierten.

Was den «Berner Dekor» betrifft, halten wir fest, dass die von Felchlin und von Vogt zitierten Matzendorfer Beispiele sich deutlich von den Dekoren unterscheiden, die wir mit Rudolf Schnyder den Zürcher Manufakturen zuweisen. Markante Unterschiede sind auch bei den Formen bemerkbar. Die oben zitierten Bartschüsseln weisen die für Matzendorf charakteristische Form mit den unregelmässigen Pässen auf, die in der Produktion laufend vorkommt, bis in die spätere Phase der «Blauen Familie» (z. B. HMO 8887). Gleiches gilt für die Tintengeschirre, von denen das für Jakob Büchler gefertigte Exemplar (HMO 8223) eine Malerei von der gleichen Hand wie die Bartschüsseln «Bieli» (MBS 1912.99), «Schärmeli» (HMO 8896) und «Studer» (HMO 8682) aufweist.

Das Tintengeschirr zeigt eine Form, die in der Matzendorfer Produktion aus der Zeit um 1800 bis gegen Ende der 1860er Jahre mit Dekoren der «Blauen Familie» vorkommt. Diese Form ist von jener der Zürcher Tintengeschirre mit ihrer leicht zugespitzten oder flachen Frontwand des Abstellfachs deutlich verschieden. Die Matzendorfer Exemplare haben drei viereckige Füsschen, während die Zürcher Tintengeschirre in der Regel vier runde Füsschen aufweisen.

Und auch die in Matzendorf von 1830 bis 1860 belegte Form der Suppenschüssel mit ihren Palmettengriffen (z. B. MBS 1913.73) hat in Kilchberg-Schooren oder Rüschlikon keine Entsprechung.

Die genannten, von der gleichen Hand dekorierten Matzendorfer Objekte bilden eine Gruppe für sich, die im Blumendekor Motive aufweist, die hier auch früher und später noch vorkommen, während man sie im Zürcher Dekor vergeblich sucht. Ein solches Motiv ist die Doppelrose, die sich in Matzendorf seit 1835 findet (z. B. MBS 1912.228) und nach 1845 zu einem Leitmotiv der «Blauen Familie» wird (MBS 1912.249; MBS 1912.127). Nur einmal, im Dekor der Bartschale für Jakob Studer, verwendete der vielleicht beste Maler von Matzendorf auch ein Rot, fast ein Rosa, wohl unter Verwendung von Eisenoxyd (HMO 8682). Dieser Versuch bleibt für Matzendorf ein Einzelfall, während Eisenrot allgemein zur Zürcher Palette gehörte.

Zur Gruppe des Matzendorfer «Berner Dekors» zählt Vogt auch die zwischen 1842 und 1844 datierten Objekte für Jakob Fluri und dessen Gattin Barbara, die von anderer Hand dekoriert sind. Die Malerei ist hier weniger gepflegt, aber von der gleichen Art. Einige dieser Stücke verweisen mit ihren blauen Randlinien schon auf die «Blaue Familie» (z. B. HMO 8156; HMO 8139; HMO 8891).

Die Milchkanne für Barbara Fluri von 1844 (HMO 8894) gehört mit ihrem seltenen Landschaftsdekor zu den besten Stücken von Matzendorf. Doch ist ihre Form mit dem für Matzendorf typischen, innen abgeflachten Wulsthenkel etwas plump. Die Zürcher Fabrikate dieses Typs haben in der Regel fein profilierte Bandhenkel. Es ist nicht einzusehen, weshalb die Manufaktur einen Dekor von dieser Qualität auf eine Form zweiter Wahl aufgebracht hätte.

Die 1840er Jahre sind in der Geschichte von Matzendorf im Hinblick auf die Qualität der am Ort gefertigten Fayencen eine gute Zeit. Vorher erscheint die Malerei weniger gepflegt und oft von Motiven inspiriert, die man auf Zürcher Erzeugnissen wiederfindet (MBS 1912.227; KMM 199; KMM 100; SFM 118); später lässt die Qualität wieder nach und geht in den Stil der «Blauen Familie» über. Unseres Erachtens ergibt sich der Übergang ganz natürlich und organisch aus der vorangehenden Produktion. Die «Blaue Familie» von der «offiziellen» Produktion der Fabrik zu trennen, erscheint uns unvertretbar. Es ist ein etwas einfaches Verfahren, das Schwab und Felchlin entwickelten, um eine Erklärung zu finden für die qualitative Diskrepanz zwischen den lokalen Erzeugnissen und den Fayencen mit «Berner Dekor» der Zürcher Region, die man unbedingt Matzendorf zugewiesen sehen wollte.

Laut den von Felchlin gesammelten Auskünften von Angehörigen seiner Familie soll Stampfli als Mitarbeiter der Manufaktur in der einen oder andern Weise an der Fabrikation der «Blauen Familie» beteiligt gewesen sein. Aber war er wirklich Maler? Die von ihm signierten Formen von Crémines lassen eher vermuten, dass er Former war. Und hat er wirklich, wie Vogt annimmt, in der Manufaktur nach der Aufgabe der Herstellung bemalter Ware eine eigene Produktion eingerichtet? Das würde heissen, dass das Unternehmen einen nicht geringen Teil seines lokalen Absatzes einem Mitarbeiter überliess. Wenn dem wirklich so war, dann müsste Stampfli mehrere Maler beschäftigt haben, um die von der Fabrik gelieferte, roh glasierte Ware zu dekorieren, die, da es sich um Scharffeuermalerei handelte, nur einen zweiten, nicht einen dritten Brand erforderte (Vogt et al. 2000, 53). Sollte Stampfli die Fayencen aber selbst fabriziert haben, dann hätte es dafür einer eigenen Infrastruktur innerhalb der Manufaktur bedurft, was sich für die «Blaue Familie» allein kaum gelohnt hätte. Vogt denkt, dass ein Teil von Stampflis Produktion «Laienarbeit» war. Gewiss ist in dieser späten Phase der bemalten Fayence ein steter Niedergang zu beobachten. Doch ist nicht zu übersehen, dass diese Produktion im Dekor eine klare, konsequent und streng verfolgte Linie hat, die von gut kontrollierter Arbeit zeugt und die stilistische Einheit garantiert. Ganz allgemein setzt die Fayenceproduktion eine verhältnismässig komplexe Technologie und eine Organisation voraus, die zwangsläufig eine Arbeitsteilung erfordert. Das kann nicht Sache einer kleinen, improvisierten Werkstatt von zwei oder drei Personen sein. Deshalb erscheinen uns alle von Solothurner Seite vorgebrachten Theorien einer «Laienproduktion» oder «Gelegenheitsbetätigung» undenkbar.

Vogt meint also, die Manufaktur hätte nach 1845 nur noch unbemaltes Fayencegeschirr hergestellt und keine professionellen Maler mehr beschäftigt. Stampfli hätte diese Situation genutzt, um sein eigenes Geschäft aufzuziehen. Da fragt es sich freilich, wie zu erklären ist, dass bei der Volkszählung von 1850 Josef Meister (1815–1866) als «Fayensmaler» und 1860 Franz Nussbaumer (1831–1883) als Maler in der Fabrik erwähnt werden (Vogt et al. 2000, 57–58). Warum sollten diese Personen in den offiziellen Dokumenten mit einer Gelegenheitsbetätigung und nicht unter der Angabe ihres wahren Berufs aufgeführt sein?

Klar ist, dass verschiedene weisse Fayencen Erzeugnisse der Manufaktur Matzendorf sind (AF 2-041-00; HMO 8900; AF 22-045-00; AF 22-046-00; AF 22-047-00; MBS 1920.106a; SFM 14; SFM 13).

Selbst wenn man die Idee akzeptiert, Stampfli hätte die Möglichkeit gehabt, ein eigenes Malatelier in der Fabrik zu betreiben, das, wenn man Vogt folgt, für diese keine Konkurrenz gewesen sei, ist es doch ganz unwahrscheinlich, dass die Manufaktur zugelassen hätte, dass er auch Fayencen fabrizierte, die eine Haupteinnahmequelle des Unternehmens waren. Die Formen der weissen Stücke, der Teekannen und der Bartschale sind völlig gleich wie jene der «Blauen Familie», aber durchaus verschieden von den weissen Fayencen zürcherischer Herkunft (KMM 26; SFM 99; KMM 29). Dazu passt der Kommentar zu den 1847 auf der Ausstellung in Solothurn gezeigten Matzendorfer Fayencen. Er erschien im Solothurner Volksblatt vom 22. Mai 1847 und hielt fest: «Das Material ist sehr gut, jedoch die Formen dürften noch etwas schlanker sein. Eine bessere Façon würde hier gewiss dem Absatz bedeutend nützen» (Vogt et al. 2000, 52). Wenn die weissen Fayencen, die wir Zürich zuweisen, wirklich Matzendorfer Erzeugnisse wären, ist nicht einzusehen, weshalb die Manufaktur die Formen dazu nach 1845 nicht weiter verwendet hätte.

Was die «Weissware» angeht, ist im Übrigen daran zu erinnern, dass solche in der Produktion vieler Manufakturen eine bedeutende Rolle spielte, die man gern etwas vergisst, da von diesem bescheideneren Geschirr viel weniger erhalten blieb als vom bemalten (vgl. z. B. die Verhältnisse im Stadtmüll der bernischen Brunngasshalde, entstanden zwischen 1787 und 1832: Heege 2010, 66–67). Wir sind überzeugt, dass dies auch für Matzendorf nicht nur für die Zeit nach 1845 gilt, sondern für die Zeit seiner ganzen Geschichte. Maria Felchlin hat dies schon geahnt, als sie im Hinblick auf die Periode des «Berner Dekors» schrieb: «Es [das Weissgeschirr] macht einfach ein Kontingent, wo nicht vielleicht das Hauptkontingent, der typischen Exportartikel aus» (Felchlin 1942, 58). Doch bleibt hier zu bedenken, ob unter der Kategorie «Weissware» nicht auch bemalte Fayence lief, die in der Fabrik bestellt werden konnte.

Wenn Schwab und Felchlin so viel Energie darauf verwendeten, die Zürcher Erzeugnisse mit «Berner Dekor» zu annektieren, dann waren sie beeindruckt von den von Urs Meister 1826 mitgeteilten Zahlen zum jährlichen Umsatz der Manufaktur. Diesem musste in ihren Augen eine grosse Produktion dekorierter Ware entsprechen. Wenn man aber auch nur einen Teil der Zürcher Produktion mit ihren vielen und von vielen verschiedenen Händen gemalten Dekoren in Betracht zieht, dann genügt die für die Jahre 1825 bis 1835 genannte Zahl von zwanzig Mitarbeitern der Solothurner Manufaktur sicher nicht, dieses Werk zu schaffen (Vogt et al. 2000, 35–36). Wir meinen, dass der grösste Teil der Produkte und Exporte von Matzendorf sowohl 1826 als auch 1845 in weisser, undekorierter Fayence und braunem Kochgeschirr bestand. Bemalte Fayence blieb immer ein kleines Segment, das aber nie aufgegeben wurde. Seit den 1840er Jahren ist anzunehmen, dass bemalte Ware fast nur noch auf Bestellung angefertigt wurde, wofür die vielen Widmungsinschriften sprechen. Die «Blaue Familie» aber stellt nur die letzte Phase in dieser Entwicklung dar.

Um auf die archäometrischen Analysen von Maggetti und Galetti zurückzukommen, halten wir fest, dass diese aufgrund von 70 Proben von Objekten oder Fragmenten aus Fayence und Steingut vorgenommen wurden, wobei 22 Beispiele von Stücken kamen, die wir klar als Kilchberger Erzeugnisse ansehen. Für 19 dieser Proben ergab die physikalisch-chemische Analyse ein für die Fayencen von Kilchberg typisches Bild, die restlichen drei wurden eindeutig den Solothurner Produkten zugeordnet, was natürlich zu Fragen führte (MBS 1937.3; KMM 83; SFM 92).

In CERAMICA CH sind die analysierten Objekte unter der Rubrik «Biblio.» mit der Nummer der Probe, z. B. «Mz 43» vermerkt.

Dazu sei hier an den Brief des Fayencefabrikanten Johannes Scheller von Kilchberg an den Gemeinderat von Balsthal vom 10. November 1851 erinnert, ein Dokument, das René Simmermacher fand und das Peter Ducret im Mitteilungsblatt der Keramik-Freunde der Schweiz, Nr. 120, 2007, publizierte (Ducret 2007, 10). In seinem Schreiben bittet Scheller den Rat um die Erlaubnis, in einer von der Gemeinde nicht mehr benützten Schaafhütte «den Winters über einige Fuder Erde inderselben aufbewahren» zu dürfen. Das kann nichts anderes heissen, als dass der Zürcher Fabrikant zeitweilig Rohmaterial aus den gleichen Tongruben im Dünnerntal bezog, aus denen auch die Manufaktur Matzendorf sich versorgte. Der Brief ist etwas später datiert als die Zeit des «Berner Dekors», doch spricht nichts dagegen, dass in Kilchberg gelegentlich auch früher schon mit Ton aus dem Dünnerntal gearbeitet wurde.

Wie auch immer, stösst hier die naturwissenschaftliche Methode an ihre Grenzen. Wir wissen, dass beispielsweise in Ostfrankreich recht oft weisse, unbemalte Fayence von einer Fabrik an ein Konkurrenzunternehmen geliefert wurde, das sonst nicht in der Lage gewesen wäre, eine grosse Bestellung auszuführen. Dass es einen entsprechenden Handel mit Ton, dem Rohstoff der Keramik gab, zeigt schon das Beispiel der in Matzendorf aus Heimbach im Breisgau für die Produktion von Steingut eingeführten, weissbrennenden Erde (Felchlin 1971, 16–18). Dass die naturwissenschaftliche Methode eine grosse Hilfe sein kann, ist unbestritten und ihre Entwicklung unbedingt zu unterstützen, aber für eine zuverlässige Interpretation ihrer Resultate bedarf es zusätzlich einer gründlichen Kenntnis des geschichtlichen Hintergrundes des Problems.

Steingut aus Matzendorf
Gegen Ende des 18. Jahrhunderts begann englisches Steingut den kontinentalen Markt zu erobern. Dieses Produkt war nicht nur preislich vorteilhaft, sondern entsprach auch dem modernen Geschmack der Zeit und wurde zum Wahrzeichen der Industrialisierung in der Keramik. Es ist deshalb nicht erstaunlich, dass eines der ersten Projekte des Unternehmers Ludwig von Roll die Gründung einer Steingutfabrik in Matzendorf war. Die Herstellung von Steingut war in Matzendorf freilich mit Schwierigkeiten verbunden. Der erste für den Aufbau des Betriebs berufene Fachmann, Johann Jakob Frei, erwies sich als nicht in der Lage, Geschirr von der gewünschten Qualität zu produzieren. Erst mit der Ankunft von Franz Contre aus Sarreguemines fand der Traum von Rolls seine Verwirklichung. Contre wird seit August 1800 in Matzendorf erwähnt. Mit ihm kamen Fachleute aus Zentren der französischen Steingutindustrie wie Niderviller, Lunéville und Montereau. Wahrscheinlich hat Contre Matzendorf schon 1804 wieder verlassen. Aber die Produktion von Steingut war nun aufgegleist. Von 1800 bis 1804 beschäftigte die Manufaktur elf ausländische Mitarbeiter; 1808 war die registrierte Belegschaft nur noch einheimisch. Das letzte datierte Beispiel aus Steingut weist auf das Jahr 1821. Als Urs Meister, der Pächter der Manufaktur, 1826 zur Verbesserung der finanziellen Lage des Betriebs eine Lotterie durchführte, gab es noch immer Steingut im Sortiment; doch schon 1824 stellte der Zollkommissar Zellweger fest, dass dieses der Konkurrenz von Nyon nicht gewachsen war. Im Rechenschaftsbericht der Solothurner Regierung von 1836/37 heisst es dann nur noch: «Feines Geschirr und Pfeifenerde (Steingut) ec. wird aus Mangel an Erde nicht verfertigt.» Für die Herstellung von Steingut musste das Rohmaterial anders als für Fayence importiert werden, was natürlich in der Rechnung eines Betriebs, der mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte, ein schwerer Kostenfaktor war. Die Produktion von Steingut wurde deshalb wohl nach von Rolls Konkurs und dem Neuanfang durch ein Pächtergremium 1829 aufgegeben. Von naturwissenschaftlicher Seite wurde Matzendorfer Steingut erstmals von Marino Maggetti analysiert (Maggetti 2017).

Undekoriertes Matzendorfer Geschirr
Wie die meisten Manufakturen hat auch die Fabrik von Matzendorf undekoriertes Gebrauchsgeschirr hergestellt, das entsprechend billig war. Solche einfache Ware ist selten erhalten geblieben. Doch gibt es davon noch Beispiele in den Solothurner Museen. Zu denen gehören auch Fayencen mit grünblauer Glasur, die eher für die Küche als für den Tisch bestimmt waren (HMO 8095; AF Nr. 106).

Wir meinen, dass diese Produkte ebenfalls in Matzendorf gefertigt sein können. Dies auch deshalb, weil im «Arkanum» der Manufaktur – einem Rezeptbuch, das wahrscheinlich noch um 1848 in Gebrauch war – im Kapitel «Bemalung» ein «schönes Seladongrün» erwähnt wird (Felchlin 1971, 37). Hierzu gehören zwei weitere, von uns nicht abgebildete Stücke mit ähnlicher Glasur: Ein grosser Krug im Museum Blumenstein (MBS 1890.1) und ein Doppelhenkelkrug im Museum Alt-Falkenstein, der wie HMO 8095 nur auf der Innenwandung glasiert ist.

Die Feldflasche AF Nr. 109, die zur «manganglasierten Braunware» von Matzendorf gehören dürfte, wird hier gezeigt, weil sie, was die Form angeht, AF Nr. 106 nahesteht.

Bibliographie

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Maria Felchlin, Matzendorfer im Strassburger Stil. Eine neue historische solothurnische Fayence aus Matzendorf? Oltner Tagblatt 145–146, 26./27.06.1957.

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Albert Vogt, Die Fayencefabrik Matzendorf in Aedermannsdorf von 1797 bis 1812. Jahrbuch für solothurnische Geschichte, 1993, 421–430.

Vogt 2003
Albert Vogt, Aedermannsdorf. Bevölkerung, Wirtschaft, Gesellschaft und Kultur im 19. Jahrhundert. Zürich 2003.

Vogt 2000
Albert Vogt Die Geschichte der keramischen Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798-1998. In: Verein «Freunde der Matzendorfer Keramik» (Hsg.), 200 Jahre keramische Industrie in Matzendorf und Aedermannsdorf 1798-1998. Matzendorf, 9-90.

Meissen-Porzellanmanufaktur, Sachsen, «Brühl‘sches Allerlei»-Service, 1743–47

Roland Blaettler 2019

Graf Heinrich von Brühl (1700–1763) war eine der mächtigsten und einflussreichsten Persönlichkeiten des Fürstentums Sachsen und des Königreichs Polen unter der Herrschaft von August dem Starken und seinem Nachfolger Friedrich August II. Er hatte das volle Vertrauen des Königs. Dieses ging so weit, dass August II. Brühl mit öffentlichen Ämtern buchstäblich überschüttete. Nach dem 1733 erfolgten Tod von August dem Starken ver­mochte Brühl unter dessen eindeutig schwächerem Nachfolger seine Stellung noch auszubauen und wurde 1746 Premierminister. Zu den vielen Funktionen, die er während seiner Karriere ausübte, gehörte die Direktion der Porzellanmanufaktur Meissen.

Graf von Brühl zeichnete sich auch als Kunstsammler aus. In seinem Palais in Dresden und in den Bauten des Brühl’schen Gartens richtete er eine Bibliothek und eine Gemäldegalerie ein. Brühl war ein typischer Vertreter des Absolutismus; er achtete darauf, seine Macht mittels eines überaus prunkvollen Lebensstils zur Schau zu stellen. Das Meissener Porzellan spielte bei der Prachtentfaltung in seinen verschiedenen Schlössern eine entscheidende Rolle. Unter den vielen Aufträgen, die er in Meissen ausführen liess, gibt es zwei grosse Services, die in der Geschichte des europäischen Porzellans Furore machten: zum einen das berühmte Schwanenservice von 1737–1742, zum anderen das «Brühl’sche Allerlei», so genannt nach seinem alle Teile schmückenden Reliefdekor. Dieses Service, das am Ende mehr als 2000 Stücke zählte, beschäftigte die Manufaktur von 1742 bis 1747 (Lessmann 2000). Die Formen sind hauptsächlich das Werk von Johann Friedrich Eberlein (1695–1749), dem zweiten Modelleur neben Johann Joachim Kändler. Mitarbeiter war Johann Gottlieb Ehder (1716/17–1750). Der gemalte Dekor kombiniert «deutsche Blumen», Früchte und Gemüse nach Kupferstichen, unter anderem aus den vier Bänden Phytanthoza Iconographia von Wilhelm Weinmann, welche zwischen 1737 und 1745 in Regensburg herauskamen. Die Weinmann’schen Vorlagen wurden vornehmlich für Früchte und Gemüse verwendet. Wie alle grossen Ensembles dieser Art bestand das Gedeck ursprünglich aus einem Speise- und Dessertservice. Die Stücke des Dessertservice trugen in der Regel die «Conditorey»-Marke «C» (siehe HMO 8766).

Von diesem Service findet man heute nur noch verhältnismässig wenige und meist nur vereinzelte Stücke in öffentlichen Sammlungen (Cassidy-Geiger 2008, 462–465, zwei Teller und eine Terrine). Das grösste Konvolut hütet die Ermitage in St. Petersburg mit 38 Objekten. Weitere Teile befinden sich in amerikanischem Privatbesitz oder wurden öffentlich versteigert, wie beispielsweise 1977 in London bei Sotheby’s und 2012 in New York bei Christie’s. Vier Teller befinden sich heute im Historischen Museum in Olten (HMO 8565, HMO 8566, HMO 8765 und HMO 8766). Sie gelangten dorthin im Jahr 1959 mit dem Legat Maria Christen-Faesch (Felchlin 1961, 12). Einen fünften Teller bewahrt das Château de Nyon (MHPN MH-PO-4382).

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 282.

Bodinek 2019
Claudia Bodinek, Ein Meissener Porzellanservice für den Grafen – Das Brühl’sche Allerlei. Keramos 235/236, 2017 (erschienen 2019), 4–134.

Cassidy-Geiger 2008
Maureen Cassidy-Geiger, The Arnold Collection of Meissen Porcelain 1710-1750. New York/London 2008.

Felchlin 1961
Maria Felchlin, Die Bedeutung der Porzellansammlung Maria Christen-Faesch im Historischen Museum Olten (Sonderdruck aus Heimat und Volk, Beilage zum Oltner Tagblatt). Olten 1961.

Lessmann 2000
Johanna Lessmann, Das “Brühlsche Allerlei”, ein Service für Heinrich Graf von Brühl. In: Ulrich Pietsch (Hg.), Schwanenservice. Meissener Porzellan für Heinrich Graf von Brüh. Ausstellungskatalog, Dresdener Schloss. Dresden 2000, 106–118.

Reinheckel 1990
Günther Reinheckel, Meissner Prunkservice. Stuttgart 1990.

Meissen-Porzellanmanufaktur, Sachsen, Notgeld 1921

 

 Roland Blaettler 2019

Infolge des Mangels an Klein-und Wechselgeld in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg wurde in Deutschland vielerorts Notgeld aus Ersatzmaterialien in Umlauf gebracht, von Ländern, Kreisen, Städten und Gemeinden, ja sogar von Banken und Handelsgesellschaften. Auch das Meissener Biskuitporzellan, aber vor allem das weniger schmutzanfällige Böttgersteinzeug kamen in diesem Zusammenhang zum Einsatz (HMO 8854 bis HMO 8883). Dieser besondere Produktionszweig erlebte in der Manufaktur quantitative Höhepunkte in den Jahren 1921–1924.

Der Freistaat Sachsen brachte zu Beginn des Jahres 1921 als erstes Land Meissener Notgeld in Umlauf (HMO 8872; HMO 8861). Nicht alle in Meissen angefertigten Münzen hatten eine offizielle Gültigkeit. Für Sachsen wurden zum Beispiel 5, 10 und 20 Mark-Stücke herausgegeben, die laut Verordnung des Finanzministeriums «nur Sammlerwert» hatten (Scheuch 1995). Fast alle Meissener Münzen gehen auf Entwürfe von Paul Börner (1888–1970) zurück, der 1910 in der Manufaktur als Maler seine Anfänge machte. Zwei Jahre später war er als Modelleur tätig und von 1930 bis 1937 war er Direktor der künstlerischen Abteilung (Marusch-Krohn 1993, 40–44).

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 388.

 Marusch-Krohn 1993
Caren Marusch-Krohn, Meissener Porzellan 1918–1933. Die Pfeifferzeit. Leipzig 1993.

Scheuch 1995
Karl Scheuch, Münzen aus Porzellan und Ton der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Meissen und anderer keramischer Fabriken des In- und Auslandes. Gütersloh 1995.

Möhlin, Kanton Aargau, Niederweiler Steingutfabrik A.G. (1906–1956)

Roland Blaettler und Andreas Heege, 2020

Keramik aus Möhlin in CERAMICA CH

Wie es der Name des Unternehmens und dessen Fabrikmarken (vom Lothringer Wappen abgeleitetes Motiv: MWH H 478; HMO 8416; HMO 8324; HMO 8162; HMO 8772) aussagen, wurde die Niederweiler Steingutfabrik A.G. von einer lothringischen Unternehmerfamilie gegründet.

1827 erwarb Louis-Guillaume Dryander die historische Fayence-und Porzellanmanufaktur von Niderviller (Moselle). 1830 verzichtete er auf die Porzellanproduktion, um sich ausschliesslich der rentableren Erzeugung von Steingut zu widmen. Das Unternehmen wurde 1886 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, dessen Leitung bis 1944 in den Händen der Familie blieb (zu Niderviller und Steingut aus Niderviller vgl.: Soudée-Lacombe 1984 ; Hassenforder 1990 ; Heckenbenner 2002; Maggetti/Heege/Serneels 2015).

1906 entschieden die Nachfahren von Louis-Guillaume Dryander, ein Zweigunternehmen in der Schweiz, mit Sitz in Rheinfelden und Fabrikationstätte in Möhlin aufzubauen: die Steingutfabrik Niederweiler A.G. Als Vertreter der Niederlassung galt der Elsässische Prokurist Julius Hermann (Schweizerisches Handelsamtblatt [SHAB], Bd. 24, 1906, 1802). Ab 1918 und bis 1937 hatte Hermann – nunmehr mit dem Vornamen Jules – die Direktion der Möhliner Fabrik inne (SHAB, Bd. 36, 1074 – Bd. 55, 1937, 2709). 1937 übernahm Louis Dryander, einer der wichtigsten Aktionäre der Firma, die Leitung der Filiale, mit Wohnsitz in Rheinfelden (SHAB, Bd. 56, 1938, 851). 1946 wurde eine kunstkeramische Abteilung eingerichtet. Im November 1955 wurde die Möhliner Filiale aufgehoben und der entsprechende Firmenname gelöscht (SHAB, Bd. 73, 1955, 2839).

Die ursprüngliche Marke (MWH H 478) wurde später verändert, indem man das Lothringer Wappen zunächst mit dem Schriftzug “MOEHLIN” versah. Diese Marke gibt es in braun  (KM-SMP 051) und blaugrün (MPO 10924-01).

Nach 1931 wurde eine Armbrust hinzugefügt (HMO 8772; RMC H1999.786). Die Armbrust wurde vom Verband für Inlandproduktion als Kollektivmarke im April 1931 offiziell eingeführt (SHAB, Bd. 49, 1931, 1086).

Es gibt verschiedene Markenvarianten mit  Armbrüsten, deren exakte Datierung momentan unklar ist (RMC H1985.507, KM-SMP 011, KMDis 2020-47, KM-SMP 059, HMO 8070, HMO 8554).

Der Nachlass (Dokumente und Produkte der Manufaktur) des aufgelösten Vereins der ehemaligen Keramikarbeiter befinden sich im Dorfmuseum Melihus in Möhlin. Eine monographische oder systematische Bearbeitung der Firmengeschichte, der Produkte oder Dekore fehlt bis heute.

Bibliographie:

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 372.

Hassenforder 1990
Martine Hassenforder, Les faïenciers de Niderviller, Sarrebourg 1990.

Heckenbenner 2002
Dominique Heckenbenner, Faïences de Niderviller, Sarrebourg 2002.

Maggetti/Heege/Serneels 2015
Marino Maggetti/Andreas Heege/Vincent Serneels, Technological Aspects of early 19th c. English and French white earthenware assemblage from Bern (Switzerland). Periodico di Mineralogia 84, 2015, Heft 1 (Special issue: EMAC 2013, Inside the pottery: composition, technology, sources, provenance and use), 139–168.

Soudée-Lacombe 1984
Chantal Soudée-Lacombe, Faïenciers et porcelainiers de Niderviller au 18e siècle. Le Pays Lorrain, 65. Jahrgang, 1984, 1–76.