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Wangen an der Aare BE, Hafnerei Anderegg

Roland Blaettler, Andreas Heege, Andreas Kistler 2019

Johann Jakob Anderegg der Ältere (1809–1875) übernahm die Werkstatt von seinem Vater Johann (1785–1860). Er gehörte mit seinem Bruder Johannes zur fünften Generation einer Ofenbauer-Dynastie, welche zuerst in Ried und dann von 1777 bis in die 1880er Jahre in Wangen a. d. Aare tätig war. In der Sammlung Felchlin, Matzendorf hat sich ein sehr seltener Blumenkasten dieser Hafnerei erhalten (SFM 31).

Auf der Schauseite trägt er eine beschriftete Ansicht von Schloss Bipp nach einem Stich von David Herrliberger (1697–1777; «Neue und vollständige Topografie der Eydgnoschaft», 1754–1758, Taf. 70). Das vorliegende Stück dürfte wohl Johann Jakob der Jüngere (1834–1894) gemalt haben. Die Ortssammlung in Wangen besitzt u. a. ein Vorlagenbüchlein mit Zeichnungen von Johann Jakob dem Jüngeren mit mehreren Ansichten von Schloss Bipp (Mühlethaler 1983).

Ofenkachel von Johann Jakob Anderegg (1834–1894), signiert und datiert 1861, Kachelofen im Kornhaus Wiedlisbach

Eine überregionale Bearbeitung der Kachelöfen und der Geschirrkeramik der Hafner Anderegg steht bis heute aus (Hinweise auf verschiedene Öfen: Heege 2011).

Stammbaum der Hafner Anderegg

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950). Sulgen 2014, 72.

Heege 2011
Andreas Heege, Langenthal, St. Urbanstrasse 40–44. Die Hafnerei Staub und ihre Werkstatt, in: Archäologie Bern/Archéologie bernoise. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, 2011, 209–287.
Mühletaler 1983
Hans Mühletaler, Die Hafner Anderegg. Eine Ofenbauer-Dynastie in Wangen an der Aare. Jahrbuch des Oberaargaus 26, 1983, 129–158.

Wichtrach BE, Töpferei Maurachern

Töpferei Maurachern um 1950

Keramik in CERAMICA CH

Andreas Heege, Andreas Kistler 2019

Die Töpferei Maurachern  liegt auf dem heutigen Grundstück Thunstrasse 72 in Wichtrach, Ortsteil Maurachern, Kanton Bern. Zacharias Steiner von Fahrni, “dato auf dem Beumberg, Steffisburg, sässhaft” erwarb am  6.10.1811 die Liegenschaft. Zu diesem Zeitpunkt scheint keine Hafnerei eingerichtet gewesen zu sein.  Beim Tod von Elisabeth Steiner-Neuenschwander, Zacharias Steiners Witwe (17.1.1862) erfahren wir am 11.12.1863, dass Zacharias Hafner ist, und dass in Folge Erbteilung sein Sohn Christian folgende Liegenschaften übernahm: “Heimwesen in der Muracheren: 1. Haus Nr. 141 für Fr. 3’500 brandversichert mit Hausbrunnen 2. Hausmatte samt dem Hubel von etwa 8 Jucharten. 3. Einem Mööslein samt dem Rainli. 4. Ein Wohnstöcklein mit zwei Hafnerwerkstätten und doppelter Wohnung unter Nr. 144 für Fr. 2’000 brandversichert, von Zacharias Steiner neu erbaut. 5. Hälismatt, in der Gemeinde Kiesen. 6. Ein halbes Schupposenrecht in Holz und Feld. Weiterer Besitz an Land und Wald aufgeführt.” Am 2.11.1874 verkaufte  Christian Steiner das Wohnstöcklein mit den beiden Werkstätten an: Gottfried Grognuz-Gerber von Poliez-Pittet VD, Hafnermeister in der Muracheren. Bereits am 18.10.1876 verkaufte Anna Elisabeth Grognuz-Gerber, Gottfried Grognuzs sel. Witwe, die Liegenschaft weiter an:  Rudolf Moser von Arni (1840-1877), Hafnermeister im Heimberg. Am 20.10.1904 verkaufte  Rudolfs Witwe Anna Maria Moser-Aeschlimann (1844-?), die Liegenschaft mit den zwei Werkstätten und zwei Wohnungen an ihren gemeinsamen Sohn Gottfried Moser, Hafnermeister (30.12.1873-4.5.1949).

Preisliste, undatiert.

Die Werkstatt-“Chefs” (von oben links nach unten rechts):
Gottfried Moser 1873-1949, Martha Moser-Waber 1883-1973, Armin Stucki 1920-1980, Emma Martha Stucki-Moser 1914-2004.

Nach Gottfrieds Tod führte die Tochter Emma Martha Stucki-Moser (1914-2004) den Betrieb zusammen mit ihrem Mann Armin Stucki (1920-1980) weiter. Die Schwester Elisabeth Moser war Teilhaberin. Zu diesem Zeitpunkt verzeichnete das Grundbuch nur noch “1 Wohnhaus mit Hafnerei”.  1945 wurde der holzbeheizte Töpferofen durch einen Elektroofen ersetzt. Nach einem Brand 1985 wurde die Werkstatt teilrenoviert und schliesslich 1992 an Peter Kupferschmied (Jg. 1960,  Lehre bei Martha Stucki-Moser von 1988 bis 1990) und seine Frau Kathrin verkauft.

1996 erfolgte noch ein Um- und Anbau. Bis 2017 arbeitete auch noch die Keramikerin Cornelia Rubin in der Werkstatt mit. Zum 1. Oktober 2017 wurde die Töpferei geschlossen.

Quellen zur Liegenschaft

Vgl. auch: https://www.antik-und-rar.ch/maurachern.html

Wimmis BE, Hafnerei Loosli

Orte mit Keramikproduktion im Kanton Bern, 18.-19. Jh.

Andreas Heege, Alfred Spycher,  Andreas Kistler, 2024

Wimmis, am Eingang zum Simmental gelegen, und mit dem Schloss Sitz einer bernischen Landvogtei (bis 1798),  gehört zu den bernischen Hafnerorten über die wir nur unzureichend informiert sind, da es kaum Quellen gibt. Die Landvogteirechnungen für Wimmis belegen, dass der Landvogt in aller Regel Hafner aus Thun für das Neusetzen und die Reparatur von Kachelöfen im Schloss und den umliegenden Pfrund- und Pfarrhäusern beschäftigte (Hans Ulrich und Hans Rudolf Hürner: 1733; Heinrich Engimann: 1734, 1736, 1752; Abraham Engimann: 1735, 1743, 1744, 1747, 1748, 1749; Hafner Engimann: 1765, 1766, 1792; Johannes Engimann: 1769; Johannes Baumann: 1778, 1784, 1789; Caspar Ziro: 1795). Daneben finden sich aber auch die Hafner Melchior Flückiger aus Grosshöchstetten (1718, 1719, 1721, 1728, 1729), Abraham Marti aus Fraubrunnen, später Blankenburg (1748, 1766) und Johannes Fruting aus Bern (1794).

Jacob Kräuchi, der spätestens ab 1758 die Töpferei in seinem Heimatort Bäriswil begründete, lebte und arbeitete offenbar ebenfalls eine etwas längere Zeit als Hintersassse in Wimmis, da er am 16. Februar 1755 hier seine Tochter Salome taufen lies (K Wimmis 5. Taufrodel 1724-1784. Seite 73) und am 10. Mai 1756 einen Ofen auf Landvogteirechnung reparieren durfte. Weitere Ofenreparaturen für die Landvogtei Interlaken (im Schloss, Gasthaus, Zollhaus, Pfisterei und in Unterseen-Neuhaus) im Jahr 1756 dürften bedeuten, dass er zu diesem Zeitpunkt noch in Wimmis wohnte.

Als erste ortsansässige Hafner in Wimmis werden Johannes Stucki (1751, 1753), Conrad Habicht oder Habik (von Schaffhausen, jetzt aber in Wimmis wohnhaft, 1758-1762), Johann Caspar Vogel (Landsase, 1759-1793 durchgehend in Wilderswil nachgewiesen, 1770 angeblich Ortsteil Kapf zwischen Wimmis und Reutigen, laut Eidregister des Kantons Bern lebt er 1798 in Frutigen “aufem Wyde”) und Andreas Schrot (1781) genannt.

Im bernischen Eidregister von 1798 (Rohrbach 1999) lässt sich für Wimmis erstaunlicherweise kein Hafner nachweisen.

Aufgrund des Taufrodels von Wimmis wissen wir aber, dass der Hafner Johannes Kunz aus Wimmis (1771-1835) zwischen dem 3.3.1799 und dem 22.3.1810 acht Kinder in Wimmis taufen lies (KRWimmis_6_49.55.61.64.68.71.77.83). Er hatte am 26.11.1798 in Zweisimmen, wo er Geselle des Blankenburger Hafners  Johann Jakob Hächler war (Rohrbach 1999, Nr. 1404) Katharina Stucki (1766-1838) aus Wimmis geheiratet (KRZweisimmen_14_127), deren Vater Johannes hiess. Ob es sich dabei um eine Tochter des Hafners Johannes Stucki (s.o.) gehandelt hat? Bei allen Kindstaufen wird als Wohnort des Paares der Ortsteil “Brodhüsi” von Wimmis angegeben. Wir können nur vermuten, dass die Hafnerei Kunz bis zum Tod des Hafners Kunz 1835 in Betrieb war.

Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts lässt sich aufgrund einer Geldstags-Anzeige im Thuner Wochenblatt im Jahr 1846 weiterhin der Hafner Johannes Fischer aus Brienz in Wimmis nachweisen (Thuner Wochenblatt, Band 9, Nummer 86, 27. Oktober 1846).

Erst für das Jahr 1862 haben wir weitere Hafnernachweise in Wimmis. Für den Hafner Johann Jakob Loosli aus Sumiswald (gestorben 17.1.1897) und seine Frau Maria Tanner aus Langnau (gestorben  9.9.1909) wurde am 16.9.1862 ein totgeborenes Kind im Kirchenrodel von Wimmis eingetragen (KRWimmis_13_71). Zu diesem Zeitpunkt lebte das Paar auf der “Bodenmatte” in Wimmis. Sie hatten erst kurz vorher in Bümpliz geheiratet (28.6.1862; KRSumiswald:31_9 Eherodel). Zu diesem Zeitpunkt lebte (und arbeitete?) das Paar in Heimberg. Das passt vermutlich zu einem Eintrag in der Fremdenkontrolle nach der der Hafner Jakob Loosli aus Sumiswald BE ab dem 13. Februar 1859 bei den Hafnern Niklaus Frei, Johann Küenzi und Christian Tanner in Heimberg an der Dornhalde arbeitete. Maria Tanner dürfte die Tochter Christian Tanners gewesen sein und war vermutlich in der väterlichen Werkstatt als Keramikmalerin (Ausmacherin) beschäftigt gewesen. Ob Johann Jakobs Vater Jakob oder einer seiner Vorfahren ebenfalls bereits Hafner war, entzieht sich unserer Kenntnis. Es muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass im Eidregister von 1798 ein Hafner Hans Loosli (geb. 1765) von Sumiswald in (Mühle)-Thurnen BE verzeichnet wurde. Der genealogische Bezug zu Johann Jakob Loosli ist im Augenblick jedoch noch unklar.

Dem Hafnerehepaar wurden in Wimmis noch sieben weitere Kinder geboren (Maria 4.7.1864, Jakob Robert 5.10.1866, Alfred 4.7.1868, Karl Friedrich 19.3.1870, Anna Bertha 1872-12.1.1888, Johann Jakob 8.8.1883, Todgeburt 6.8.1888).

Die Bodenmatte befindet sich am östlichen Ortsrand von Wimmis. In welcher Liegenschaft 1862 die Töpferei untergebracht war, entzieht sich unserer Kenntnis. Erst 1892 erfahren wir von einer Hafnereiwerkstatt auf dem Grundstück Bodenmattstrasse 7. Diese hatte der Amtsrichter und Gemeinderatspräsident David Ast aus Wimmis, zu einem unbekannten Zeitpunkt nach 1851 und vor 1892 errichten lassen (GBWimmis_8_499-501; GBWimmis_20_412-424).


Bodenmattstrasse 7, 1934.


Bodenmattstrasse 7, 1963.

Das Hafnereigebäude existierte in der Mitte des 20. Jahrhunderts noch, ist heute jedoch abgebrochen und durch einen Neubau ersetzt.

Erst 1880 gibt es weitere Hafner-Nachrichten. Unter dem 7. August 1880 vermeldete das Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern (Band 27, Nummer 63) den Tod des Hafners Samuel Tanner von Langnau, Hafner in Wimmis. War das ein Bruder oder Onkel von Maria Tanner, der in Wimmis mitarbeitete?

Am 29. Januar 1881 erfror der kinderlose Hafner Fr. Rüfenacht aus Walkringen in Wimmis im Oberdorf auf dem Rückweg aus Thun (Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern, Band 28, Nummer 9, 29. Januar 1881). Ob er bei Loosli in Arbeit stand?

1891 suchte Hafner Loosli einen guten Arbeiter (Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern, Band 38, Nummer 20, 11. März 1891).

1892 heiratete Alfred Loosli, Johann Jakobs Sohn. In diesem Zusammenhang wird er  ebenfalls als Hafner in Wimmis bezeichnet (Thuner Wochenblatt, Band 55, Nummer 84, 19. Oktober 1892). Er führte also offenbar die Werkstatt des Vaters weiter, der am 17. Januar 1897 verstarb (Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern, Band 44, Nummer 47, 12. Juni 1897).

1912 unterstellte sich Alfred Loosli, Hafnermeister in Wimmis, der Honigkontrolle des Bienenzüchtervereins Niedersimmental (Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern, Band 59, Nummer 71, 4. September 1912).

1921 Die letzte Nachricht zu den Hafnern Loosli überliefert uns Fernand Schwab (Schwab 1921, 106, Anm. 72) bei der inhaltlich wohl nicht ganz korrekten Besprechung von Heimberger Geschirr mit kobaltblauer Bemalung und violettbrauner Beschriftung: “Wir haben den Urheber dieser Dekorationsweise in einem Töpfer namens Loosli feststellen können, der jahrelang im Heimberg tätig war und diese Technik aus einer Manufaktur in Neukirch brachte. Loosli hat dann später eine Töpferei in Wimmis gegründet, die noch jetzt von seinen Nachkommen betrieben wird.” Es dürfte zutreffen, dass Johann Jakob Loosli diese Keramik in Heimberg kennengelernt und mit nach Wimmis genommen haben kann. Der Verweis auf Neukirch ist aber nicht plausibel und der Erfinder oder einzige Verfertiger dieses Dekors ist Loosli auch nicht.

Nur mit verlaufener kobaltblauer Bemalung und dunkelbrauner Beschriftung versehene Keramiken Heimberger Art lassen sich erstmals gesichert ab 1854 nachweisen. Dieser Stil, auch in Kombination mit mehrfarbigem Malhorndekor, wird in der Literatur aufgrund eines signierten Rasierbeckens (SST 649) gerne einer einzigen Werkstatt, d. h. dem Hafner David Anderes in Heimberg (1810–1873; Buchs 1988, 94), zugeschrieben (Wyss 1966, 40; Messerli-Bolliger 1991, 47–48; Roth-Rubi/Schnyder/Egger/Fehr 2000, 6–10; Boschetti-Maradi 2007, 58–59).

Jedoch ist dies aufgrund vorkommender Objektdatierungen dieser Gruppe (bis 1884, also mehr als 11 Jahre nach David Anderes Tod!) so wenig stichhaltig, wie die ausschliessliche Zuweisung zur Werkstatt Loosli in Wimmis durch Fernand Schwab (Schwab 1921, 106 Anm. 72). Es ist in keinster Weise gesichert, dass in Heimberg nur eine einzige Töpferei blau bemaltes Geschirr produzierte. So stellte z. B. Hafnermeister Christen Matthis in Heimberg in der Dornhalde 1872 sehr ähnliche Keramik her (MKB VI-3919).

Auch aus einer Töpferei im benachbarten Steffisburg liegen auf weisser Grundengobe partiell blau dekorierte Gefässfragmente der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor (Heege 2012, Abb. 12). Und für Langnau lässt sich ab 1840 (Heege/Kistler 2017, 117 Abb. 138) und vor allem nach der Mitte des 19. Jahrhunderts ebenfalls eine intensive Verwendung blauer, verlaufender Malhornfarbe belegen (Heege/Kistler 2017, 173).

Derzeit ist das Produktionsspektrum der Hafnerei Loosli unbekannt, zumal keine Gefässmarkierungen vorliegen.

Bibliographie:

Boschetti-Maradi 2007
Adriano Boschetti-Maradi, Geschirr für Stadt und Land. Berner Töpferei seit dem 16. Jahrhundert (Glanzlichter aus dem Bernischen Historischen Museum 19), Bern 2007.

Buchs 1988
Hermann Buchs, Vom Heimberger Geschirr zur Thuner Majolika, Thun 1988.

Heege 2012
Andreas Heege, Drei neuzeitliche Grubeninventare von Jegenstorf, in: Archäologie Bern/Archéologie bernoise. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, 2012, 159-196.

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert, zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 5-100.

Rohrbach 1999
Lewis Bunker Rohrbach, Men of Bern: The 1798 Bürgerverzeichnisse of Canton Bern, Switzerland, Rockport 1999.

Roth-Rubi/Schnyder/Egger u.a. 2000
Kathrin und Ernst Roth-Rubi/Rudolf Schnyder/Heinz und Kristina Egger u.a., Chacheli us em Bode… Der Kellerfund im Haus 315 in Nidfluh, Därstetten – ein Händlerdepot, Wimmis 2000.

Wyss 1966
Robert L. Wyss, Berner Bauernkeramik (Berner Heimatbücher 100-103), Bern 1966.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.

 

 

Winterthur ZH, Tonwarenfabrik Pfau & Hanhart (1878-1887)

Hanhart-Keramik aus einer Privatsammlung in der Schweiz.

Andreas Heege, 2021

Hanhart-Keramik in CERAMICA CH

Die uns vorliegenden Informationen zur Winterthurer Keramikfirma des (Eisenbahn-) Ingenieurs Heinrich Hanhart (15.10.1844-29.6.1889; Nachruf, auch Schweizerische Bauzeitung 14, Nr. 1, Seite 6), die von 1878 bis  etwa 1887 Bestand hatte, sind wenig umfangreich (Messerli-Bolliger 1991, 18;  Messerli 1995, 7-9). Zusammen mit seinem Cousin dem Architekten und späteren Technikumslehrer Jakob Pfau (1.11.1846-23.8.1923) gründete er 1878 an der Geiselweidstrasse (später Winterthur Mattenbach, Bäckerstrasse 1) eine Keramikfabrik, die 1879 ein erstes Mal erweitert wurde (Frascoli 2004, Taf. 7). Die beiden Cousins waren Söhne kunstinteressierter Winterthurer Familien (siehe eigene Zeitungsbeiträge von Heinrich Hanhart: Hanhart 1876, 1877, 1881). Matthäus Pfau, der Vater von Jakob, war auch Präsident des Kunstvereins Winterthur.

Offenbar war es schwierig 1879/1880 geeignetes Fachpersonal im Grossraum Winterthur-Zürich zu finden. Pfau & Hahnhart annoncierten daher im Täglichen Anzeiger für Thun und im Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern, d.h. sie suchten Arbeiter in der Region Heimberg-Steffisburg.

 

1882 oder 1883 trennten sich die beiden Partner und Hanhart führte den Betrieb alleine weiter.  Jakob Pfau betrieb kurzfristig möglicherweise ein Fayence-Atelier in Winterthur und lieferte Entwürfe für Kachelöfen. Die Produkte der beiden waren 1883 getrennt auch auf der Schweizerischen Landesausstellung in Zürich zu sehen (Katalog zur Landesausstellung 1883, 109 Nr. 1399; Messerli Bolliger 1991, 17 und 18).

Am 4. September 1886 versuchte Hanhart die Töpferei mit Hilfe einer Anzeige in der Zeitschrift “Der Grütlianer” zu verkaufen.

1889 fungierte Jakob Pfau schliesslich als Liquidator für die Fabrik und versuchte mit unbekanntem Erfolg der Hafnerei Keiser in Zug  “Modelle” der Keramikfabrik zu verkaufen (Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997, 38 Anm. 57).

Welche Keramiker oder Keramikmalerinnen die beiden in der Keramik ungelernten Firmeninhaber beschäftigten, entzieht sich weitgehend unserer Kenntnis. Belegen lässt sich allerdings, dass in Hanharts Betrieb auch ausgebildet wurde. So absolvierte Elisabeth Meier (1866-1938) dort nach der Sekundarschule ab 1879 ihre Lehre als Keramikmalerin und hatte das “Malen auf Ton nach Heimberger Manier” erlernt. Ausserdem war sie  laut Zeugnis von Heinrich Hanhart “befähigt, brauchbar und im Zeichnen nach Vorbild geschickt”. 1885 wechselte sie zur Hafnerei Keiser in Zug, heiratete 1894 den Betriebsinhaber Josef Anton Keiser und führte den Betrieb allein als Witwe von 1923-1938. Sie war eine hochtalentierte Keramikmalerin (Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997,  bes. 38).

Die Produkte der Keramikfabrik von Heinrich Hanhart  “Fabrikant von decorirten Fayencen und Majoliken” wurden im Bericht zur Landesausstellung 1883 vom Architekten Alexander Koch im Jahr 1884 intensiv besprochen (vgl. auch Messerli Bolliger 1991, 18-20):

“Von der mit reiner Malerei verzierten Keramik nehmen die von Hanhart in Winterthur ausgestellten Gegenstände weitaus den ersten Rang ein. Dieselben zerfielen der Hauptsache nach in drei Gruppen:

  1. Malerei auf weissem Gefässgrund, denselben theilweise sichtbar lassend;
  2. ebensolche, denselben ganz bedeckend;
  3. Malerei mit Emailfarben in der Art der Heimberger Technik, den Grund ganz bedeckend.

Die zwei ersten Gruppen zeigten Zeichnungen im italienischen Renaissancestil, während sich in der letzten Gruppe dieselben mehr der deutschen Renaissance näherten.

Schon im vorhergehenden Kapitel ist auf die Gefässe dieser dritten Gruppe hingewiesen worden, indem dieselben Denjenigen als Vorbild dienen können, welche in der Heimberger Technik wirklich künstlerische Leistungen nicht nur was den Gesammteindruck, sondern auch was das Detail anbelangt, hervorbringen wollen. Diese Technik ist hier mit grossem Verständniss angewandt und paart sich dieses Verdienst mit einer durchaus korrekten Zeichnung.

Auch die Gefässe der andern beiden Gruppen verdienen grosses Lob, wie sich denn überhaupt die Leistungen dieser Fabrik getrost neben diejenigen der ausländischen Konkurrenz stellen können. Nur etwas ist zu bedauern: die ganze Art ist, ohne Kopie zu sein, wenig original und jedenfalls keineswegs national. Diese Objekte sind alle ganz vorzüglich komponirt und ausgeführt, auch das Material ist in jeder Hinsicht tadellos, aber dieselben könnten so ziemlich überall gemacht worden sein, sie haben durchaus nichts spezifisch schweizerisches. Es ist diess zu bedauern, weil dadurch der Erfolg der Waare, die sich ganz unnöthiger Weise auf ein schon vielfach bebautes Feld stellt, trotz ihrer Vorzüglichkeit erschwert wird. Das Geschirr der dritten Gruppe zeigt in dieser Hinsicht noch am meisten Selbständigkeit, wesshalb es auch von der Jury speziell ausgezeichnet wurde.

Um Missverständnisse zu vermeiden, mag übrigens noch ausdrücklich hinzugefügt werden, dass unter „spezifisch schweizerisch“ nicht etwa die Darstellung von Sennen und Kühen etc. verstanden werden darf. Es ist auch nicht einmal gesagt, dass sich die Individualität der Art durch die Zeichnung auszudrücken habe, dieselbe kann überdiess noch im Material und in der Technik gefunden werden. Sind alle drei Faktoren original, so ist es um so besser. Bei der Winterthurer Fabrik, die das sämmtliche Rohmaterial vom Ausland zu beziehen genöthigt ist, wird allerdings der Schwerpunkt der Originalität in der Zeichnung liegen müssen.

Diese Fabrik kann sich überdiess dem Vorwurf nicht entziehen, dass ihre Muster seit ihrem Bestehen wenig variirt haben und wenig mannigfaltig sind, was um so mehr zu bedauern ist, als dieselben überdiess die nahe Verwandtschaft unter einander nicht verleugnen können. Es mag dieser Fehler in der sehr beschränkten Fabrikation liegen, und wäre zu wünschen, dass dieselbe, nachdem die Grundlagen für einen gesunden Fortschritt gefunden sind, baldigst zu einem grössern Betrieb übergehe, und alsdann auch nicht versäume, für den künstlerischen Theil sich angemessen zu vergrössern.

An den Winterthurer Fabrikaten hat man überdiess vorzügliche Gelegenheit, zweierlei Malweisen, die absolut verschieden sind, in mustergültiger Anwendung zu verfolgen. Die Gefässe der dritten Gruppe waren fast ausschliesslich mit opaker Farbe bemalt, während die der andern zwei Gruppen mit transparenten Farben dekorirt waren. Beide Farben haben selbstverständlich ihre Berechtigung, doch ist deren Verwendung an strikte Regeln gebunden. Während die transparenten Farben sich für das Mischen und Abtönen vorzüglich eignen und somit die Wiedergabe jedes beliebigen Farbeneffekts erlauben, bei welchem die Leuchtkraft und Transparenz der Farbe nicht störend wirkt, so ist die Verwendung der opaken Farbe durchaus auf den glatten eintönigen Auftrag beschränkt. Als Ausnahme ist höchstens eine äusserst diskrete Lasur von transparenter auf opaker Farbe gestattet. Opake und transparente Farbe lassen sich auch sehr wohl neben einander anwenden, wie diess die Heimberger Waare beweist, wo insbesondere das Blau bei den bessern Sachen stets transparent ist. Werden dagegen die opaken Farben unter einander oder mit transparenter Farbe vermischt, um Abschattirungen zu erhalten,. oder wird die opake Farbe unglatt aufgetragen, um in die Fläche Zeichnung zu bringen, so wird ein Effekt hervorgebracht, der durchaus unkeramisch ist. Das Resultat ähnelt einem schlechten Oelbilde. Einerseits wird durch dieses Vorgehen die Durchsichtigkeit und Zartheit, die wir an den transparenten keramischen Farben als Eigenthümlichkeit bewundern, zerstört, anderseits die Tiefe und Sattheit der Oelfarbe bei weitem nicht erreicht.”

Museal haben sich in der Schweiz nur wenige Keramiken der Firma Pfau & Hanhart  bzw. Hanhart erhalten.  Den grössten, zugleich auch publizierten Bestand verwahrt das Musée d’art et d’histoire, Neuchâtel (Blaettler/Ducret/Schnyder 2013, 496–499: MAHN AA-1776, AA-1777, AA-1778, AA-2246 bis AA-2253, AA-3290, AA-3291). Zwei Objekte verzeichnet auch der Sammlungskatalog des Schweizerischen Nationalmuseums (SNM LM-75481; LM-95464). Fünf Objekte besitzt das Gewerbemuseum Winterthur (Messerli 1993, 161; Messerli 1995,  76-78,  Inv. 555, 556, 572, 575 und  1559).

Eine sehr schöne Kanne konnte jüngst das Museum Allerheiligen in Schaffhausen erwerben (Inv. 61070).

Aus der Frühphase der Manufaktur gibt es bislang nur einen einzigen gemarkten Teller, der  2012 im Auktionshaus Zofingen (48. Auktion, Los 1685) versteigert wurde. Er trägt die Marke “PFAU & HANHART THONWAARENFABRIK WINTERTHUR”.

 

 

Die Stücke aus dem MAHN stammen möglicherweise überwiegend aus der Zeit nach 1882/83 und vor 1887, da sie “H H WINTERTHUR” gestempelt oder  mit der Ritzung “H. Hanhart Winterthur” signiert sind.

Die archäologischen Ausgrabungen, des heute durch moderne Bebauung  weitgehend zerstörten ehemaligen Fabrikareals, haben überwiegend aus einer Abfallgrube ein kleines, teilweise auch gemarktes Produktionsspektrum  aus Irdenware, Steingut und Ofenkeramik ergeben, das uns einen kleinen Einblick gewährt (Frascoli 2004, Taf. 34-38).  Unter der Irdenware befinden sich typische Horizontalstreifendekore der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie Keramik mit beidseitig roter Grundengobe  und Malhorndekor “Heimberger Art”,  Kannen mit Farbkörper in der Grundengobe, Spritzdekor und Springfederdekor. Ausserdem ist Keramik mit beidseitiger Manganglasur  überliefert.

Hanhart-Keramik im Internet

Staatliche Kunstsammlungen Dresden

Hanhart bei Antik und Rar

Hanhart-Keramik im Schweizerischen Nationalmuseum

Bibliographie

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013.

Frascoli 2004
Lotti Frascoli, Keramikentwicklung im Gebiet der Stadt Winterthur vom 14. -20. Jahrhundert: Ein erster Überblick, in: Berichte der Kantonsarchäologie Zürich 18, 2004, 127-218.

Hanhart 1876
Heinrich Hanhart, Die Förderung der Töpferkunst in der Schweiz, in: Schweizerisches Gewerbe-Blatt. Organ der Gewerbemuseen Zürich & Winterthur 1, 1876, 93-94.

Hahnhart 1877
Heinrich Hanhart, Fortschritte des Hafner-Handwerks und Wiederaufleben der Ofenmalerei in Winterthur. In: Schweizerisches Gewerbeblatt, Organ der Gewerbemuseen in Zürich und Winterthur 2, 149–151.

Hahnhart 1881
Heinrich Hanhart,  Fortschritte des Hafner-Handwerks und Wiederaufleben der Ofenmalerei in Winterthur. In: Schweizerisches Gewerbeblatt, Organ der Gewerbemuseen in Zürich und Winterthur 2, 36–38.

Koch 1884
Alexander Koch, Schweizerische Landesausstellung, Zürich 1883 : Bericht über Gruppe 17: Keramik, Zürich 1884.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert, zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 5-100.

Messerli Bolliger 1993
Barbara E. Messerli Bolliger, Keramik in der Schweiz. Von den Anfängen bis heute, Zürich 1993.

Messerli 1995
Barbara E. Messerli, Durch Feuer geprüft. Sammlungskatalog Keramik des Gewerbemuseums Winterthur: Gefässkeramik, Keramikplastik und Fliesen, Winterthur 1995.

Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997
Rudolf Schnyder/Friederike Felber/Rolf Keller u.a., Die Entdeckung der Stile. Die Hafnerei Keiser in Zug 1856-1938. Ausstellung vom 10. November 1996 bis 1. Juni 1997, Museum in der Burg Zug, in: Keramik-Freunde der Schweiz Mitteilungsblatt 109/110, 1997, 7-57.

Winterthur ZH, Töpfereien 1400-1900

Stegkanne/Röhrenkanne  aus Winterthur,  zweite Hälfte 17. Jahrhundert, Musée Ariana Genf.

Andreas Heege 2019

Keramik aus Winterthur in CERAMICA CH

Aus kaum einer Stadt der Schweiz liegen so viele Informationen zur Keramikproduktion und Keramiknutzung vor, wie für Winterthur im Kanton Zürich. Die archäologischen Untersuchungen der Kantonsarchäologie haben viele Fundinventare des 11./12. bis frühen 14. Jahrhunderts erbracht (Matter 2000; Matter/Tiziani 2009; Homberger/Zubler 2010). Jüngere, gut datierte Funde ab der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts sind jedoch deutlich seltener. Es gibt nur einen typologisch um 1400 datierten Töpfereiabfall vom Winterthurer Untertor (Lehmann 1992). Wichtiger Eckpfeiler der lokalen und regionalen Keramikchronologie ist die bauhistorisch vor 1501 datierte Verfüllung eines Schachtes aus Winterthur, Marktgasse 25 (Faccani 1994). Ein Fundensemble aus dem Winterthurer Stadtgraben gehört ins späte 15. und frühe 16. Jahrhundert (Frascoli 2000). Wichtig sind auch zwei Töpfereiabfälle der Zeit um 1600 bzw. des 17. Jahrhunderts, die die Verbindung zu museal erhaltenen Objekten aus Winterthurer Produktion herstellen (Frascoli 2004; Tiziani/Wild 1998). Zwei Winterthurer Kloakeninventare aus der Mitte und zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts sind besonders hervorzuheben (Frascoli 1997). Dagegen fehlen bislang hinreichende Informationen zu den lokalen Keramikformen des 18. und 19. Jahrhunderts. Leider ist der Produktionsabfall der Keramikfirma Hanhart (1879–1887) wenig umfangreich (Frascoli 2004, 149, Taf. 34–38. Einige der selten erhaltenen Produkte: Blaettler/Ducret/Schnyder 2013, S. 496–499; zur Fabrik auch Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997, 38).

Winterthurer Fayence-Henkeltopf mit typischem, tordiertem Henkel, datiert 1625 (Privatbesitz Schweiz).

Von kunsthistorischer und historischer Seite standen in der Vergangenheit vor allem die Fayence-Kachelöfen und das Fayencegeschirr des späten 16. bis frühen 18. Jahrhunderts aus Winterthur im Fokus (Bellwald 1980; Früh 1981; Früh 2014; Wyss 1973; Schnyder 1989). Seit dem 15. Jahrhundert können Hafner in Winterthur auch archivalisch nachgewiesen werden. Zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert lassen sich mehr als 80 Hafner, Ofenbauer und Kachelmaler belegen. Hervorzuheben sind hier vor allem die wirtschaftlich und künstlerisch über oft mehrere Generationen hinweg sehr erfolgreichen Hafner der Familien Huser, Mayer, Pfau, Erhart oder Graf. Sie stiegen in der städtischen Ämterhierarchie teilweise sogar bis zum Amt des Schultheissen auf (Wyss 1973, 50–52; Bellwald 1980, 332–353; Tiziani/Wild 1998, 239–242). Die Hafner von Winterthur waren zunftmässig organisiert und verfügten über eine Handwerksordnung aus dem Jahr 1637. Diese behielt bis 1798 Gültigkeit. Der Ruf der Winterthurer Hafner reichte weit über die Stadtgrenzen hinaus. Bestellungen von Kachelöfen für Privatbauten und für herausragende öffentliche Bauten wie Rathäuser, Zunftstuben oder Klöster kamen aus den benachbarten Städten Luzern, Zürich, Schaffhausen und St. Gallen sowie den Kantonen Graubünden, Glarus, Thurgau, Zug und Schwyz.

Der wirtschaftliche Erfolg basierte auf einer starken Spezialisierung und der überragenden Beherrschung der Keramik- und Fayencetechnologie. Allerdings waren die Winterthurer Hafner nicht die «Erfinder» dieser Technologie. Die Verwendung von Zinnglasur als Malfarbe kann in der Schweiz (Basel, Bern, Fribourg, Zürich) und in Süddeutschland (Konstanz) schon auf Bodenfliesen und spätgotischen Ofenkacheln der Mitte und zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts nachgewiesen werden. Vollständige «weiße» und buntbemalte Kachelöfen lassen sich erstmals 1518 mit dem Ofen aus Schloss Holligen bei Bern belegen. Es folgen zeitlich Öfen aus Spiez und Worb (Roth 1999; Heege 2012, 79–83; Bourgarel 2013). Diese sind die fast schon perfekten Vorläufer der bekannten Winterthurer Ofenproduktion, die wohl in den 1540er Jahren begann und bis um 1700 führend blieb (Bellwald 1980, 16–20; Früh 2014, Ofen 1). Die Winterthurer Hafner waren jedoch in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts nicht die einzigen, die die Produktion von Fayence-Kachelöfen beherrschten. Öfen vergleichbarer Qualität lieferten auch Hafner aus Luzern bzw. Zug (Brunner 1999; Früh 2014, Ofen 4).

Zumindest für Zug ist aufgrund von Ausgrabungen eindeutig belegt, dass wie in Winterthur neben den Kachelöfen auch Fayencegeschirr produziert wurde (Roth Heege/Thierrin-Michael 2016). Die älteste Winterthurer Geschirrkeramik ist ein 1584 datiertes Scherzgefäss, eine «Schnapsbibel/Handwärmer» von Ludwig Pfau I (vor 1550 bis 1597; SNM LM-24116; Frei 1951; Schnyder 1989, Kat. 18). Archäologische Bodenfunde und in Museumssammlungen erhaltene Keramiken belegen eindeutig, dass das Produktionsspektrum der Winterthurer Hafner sich allerdings nicht nur auf Fayencegeschirr beschränkte. Es war wesentlich umfangreicher. Dabei lassen sich abgesehen von dem Winterthurer Fayencegeschirr (vgl. die Sammlung des SNM) drei unterschiedliche Produktionsstränge nachweisen:

Zum einen handelt es sich um einfache Haushaltskeramik mit dem ab 1550 verstärkt einsetzenden Malhorndekor (z.B. SNM HA-3001) und Ritzdekor unter einer grünen Bleiglasur (z. B. SNM LM- DEP-1297).

Schraubflasche mit dem aufgelegtem Motiv des “Chindlibringers” (Lohner Model?), wohl Winterthur oder Ostschweiz, 17. Jahrhundert (Privatbesitz Schweiz).

Krug  mit Reliefauflagen, u.a. Wilhelm Tell und der Apfelschuss, Winterthur oder Ostschweiz, Musée Ariana Genf.

Eine zweite Serie umfasst Keramik mit reicherem Auflagendekor unter einer grünen oder gelbbraunen Bleiglasur (z.B. SNM LM-9838). Die Stücke können auch polychrom bemalt  sein (z.B. SNM HA-3080). Wir können wohl davon ausgehen, dass die Patrizen und Arbeitsmodel für die Auflagen in Winterthur selbst hergestellt wurden. Dort gab es wie in Lohn im Kanton Schaffhausen, ebenfalls herausragende Tonbossierer (Patrizen- und Modelschneider, die in Ton arbeiteten) wie eine Patrize für ein Gebäckmodel in Krebsform aus dem Jahr 1682 belegt (Schaffhausen, Museum Allerheiligen Inv. 5848. Widmer/Stäheli 1999, Abb. 10).

Diese Art der Keramik mit Streifen und Tupfendekoren ist in Winterthur auch aus dem Produktionsmilieu des 17. Jahrhunderts belegt (Schweizer Privatbesitz).

Ausserdem findet sich Keramik mit einer weissen Grundengobe und rotem, blauem oder mehrfarbigem Pinseldekor unter einer farblosen Glasur. Letztere kann ab der Zeit um 1600 auch farbige Streifen, flächige Punktierungen (manganbrauner Tupfendekor) und Reliefauflagen aufweisen (z. B. SNM HA-3101; Bodenfunde: Tiziani/Wild 1998, Taf. 2–9; Frascoli 2004, Taf. 21–24; Lithberg 1932, Taf. 336; Heege 2010, 51–52. Museale Objekte: Wyss 1973; Schnyder 1989).

Schüssel mit verkröpftem Rand, Unterglasur-Pinseldekor, Winterthur, Spruch: “Wer Gott ver trauwt, hatt woll ge bauwt Im Himel und auff Erden, 1688″“, Musée Ariana Genf.

Keramiken mit Unterglasur-Pinseldekor, wie sie in Winterthur produziert wurden, können als preiswerteres Produktionssegment, als «Fayencekopie» angesehen werden und werden in der Literatur dementspechend oft falsch als Fayence beschrieben. Man sparte sich das teure Zinn für die sonst übliche Fayenceglasur. Hiermit stimmt zumindest für das 17. Jahrhundert die oft auffällig unsorgfältige Beschriftung überein (MAG 1407; z.B. auch SNM LM-4300; Schnyder 1989, 79). Diese wurde wohl kaum von den Spitzenhandwerkern selbst, sondern eher von Lehrlingen oder Geschirrmalerinnen aufgemalt.

Unterglasur-Pinseldekor mit spiraligen Blütenranken, Musée Ariana Genf.

Andererseits belegt der auch bei den Gefässen aus dem Musée Ariana vorkommende, gekonnt schwungvoll aufgetragene Spiralrankendekor (MAG R227, MAG R231; MAG AR 2015-368) eine enge Verbindung zu den Kachelmalern, da er sich auch auf Ofenkacheln findet.

Beim einfachen grün glasierten Alltagsgeschirr aus Irdenware, das museal kaum erhalten ist, dominieren im 17. Jahrhundert Schüsseln, Teller und Bügelkannen sowie Schraubkruken. Dagegen ist Schenkgeschirr (Kannen, Krüge und Humpen) beim aufwendiger bemalten Geschirr mit Unterglasur-Pinseldekor oder mit Fayencebemalung häufiger. Daneben gibt es jedoch vor allem auch Schreibgeschirre als Einzelanfertigungen und Salbentöpfchen als Massenprodukte.

Winterthurer Fayencen gehören im 17. Jahrhundert zum Besten, was die Schweiz auf dem Keramikmarkt zu bieten hat (Schweizer Privatsammlung).

Die Fayenceproduktion besteht im Gegensatz dazu überwiegend aus Breitrandtellern mit Wappen, biblischen Szenen und Allegorien, Gefässen mit Reliefdekor oder Wandungsdurchbrüchen . Hochqualitätvolle Einzel- und Spezialanfertigungen (Schreibgeschirre oder Wandbrunnen, Scherzgefässe, Bilderrahmen) gehören ebenfalls in dieses Produktionssegment der Winterthurer Hafner.

Kopien nach Winterthurer Vorbildern

Es sein an dieser Stelle nur kurz darauf hingewiesen, dass es aus der Hafnerei Keiser in Zug  (Schnyder/Felber/Keller u.a. 1997; Messerli Bolliger 1989) hochqualiätvolle Historismus-Kopien nach Winterthurer Vorbildern gibt (Breitrandteller und Tintengeschirre), die nicht signiert sind.

Hafnerei Keiser, Zug, Historismus-Schreibgeschirr (Privatsammlung Schweiz).

Winterthurer Glasurrezepte

Aus Winterthur sind eine Reihe von Glasurrezepten des frühen 18. Jahrhunderts überliefert, die für unser Technologieverständnis der Fayencemalerei von grosser Bedeutung sind. Wolf Matthes hat zwei Rezeptbüchlein des Jahres 1725, die heute leider nicht mehr im Original existieren, ediert und wissenschaftlich besprochen (Matthes 2018). Seinen Text und Reproduktionen der der Büchlein finden Sie hier.

 

Winterthurer «Schätze» der Hafner Graf und Pfau (veränderter Nachdruck aus Revue 135, Keramikfreunde der Schweiz)

Andreas Heege 2021

Angesichts der langen Sammlungs- und Forschungstradition zur Winterthurer Geschirrkeramik (Frei 1929; Wyss 1973, 14), sollte man eigentlich annehmen, dass es kaum noch Kenntnislücken geben dürfte und alle wichtigen Objekte publiziert seien. Dem ist jedoch nicht so! Immer wieder tauchen im internationalen Kunsthandel herausragende Einzelstücke auf, die bislang nie publiziert wurden. Von diesen sollen im Folgenden vier Objekte aus einer schweizerischen Privatsammlung vorgestellt werden. Möglicherweise lassen sich auf diesem Wege weitere Studien zur Winterthurer Keramik anregen. Eine Gesamtbearbeitung der Winterthurer Geschirrkeramik, die in der Schweiz zwischen 1600 und 1700 zum Bedeutendsten gehört, was die Hafner zu liefern vermochten, steht bis heute bedauerlicherweise aus und wäre ein würdiges Dissertationsthema.

Tintengeschirr in Form eines Kirchenmodells, datiert 1636

 Das Objekt besteht aus Irdenware und trägt nur aussen eine weisse Grundengobe mit polychromem Unterglasur-Pinseldekor in gelb, blau, dunkelbraun und rot unter einer farblosen Glasur. Die Innenseiten sind ohne Engobe oder Glasur (Abb. 1).

 

Abb. 1  Tintengeschirr in Form der Winterthurer Stadtkirche, auf dem Ziffernblatt der Kirchturmuhr datiert 1636, Initialen «AG». Hergestellt vermutlich von Hans Heinrich II. Graf (1611–1653) für seinen Bruder, den Zinngiesser Antoni I. Graf (1617–1686). Privatbesitz Schweiz. Fotos CERAMICA CH, Andreas Heege.

Die Bodenunterseite hat zusätzlich grüne Glasurspuren. Diese belegen, dass das Objekt mit grünglasiertem Geschirr oder Ofenkacheln im selben Ofen gebrannt wurde. Das Tintengeschirr wurde aus dünnen, geschnittenen Tonplatten auf einer durchgehenden Basisplatte zusammengesetzt. Anschliessend wurden die Tür- und Fensteröffnungen eingeschnitten. Die Masse betragen: L. max. 29,2 cm, Br. max. 13,0 cm, H. noch max. 34,0 cm.

Das Tintengeschirr stammt aus dem Kunsthandel in Frankreich. Es wurde im Jahr 2019, im Zusammenhang mit der Auflösung der Ausstattung und der Kunstsammlungen des     Château de Beaurepaire à Martinvast bei Cherbourg verkauft. Das Château gehörte seit 1867 dem aus Basel stammenden Baron Arthur Schickler (1828–1919), der das Schloss im Stil des Historismus umbauen und erweitern liess. Schickler war ein grosser Sammler war. Seine Tochter Marguerite heiratete 1890 den Grafen Hubert von Pourtalès (1863–1949) aus einer französischen Hugenottenfamilie, die sich ab 1724 im preussischen Kanton Neuenburg niedergelassen hatte. Hubert von Pourtalès war ebenfalls einer der grossen Sammler seiner Zeit (Sotheby’s, Collection Schickler-Pourtalès, Paris 16. Mai 2019, Presseinformation: https://sothebys.gcs-web.com/static-files/986579d4-882c-4f7c-afd2-6387158e49b9). Die weniger kostbaren Ausstattungsstücke des Schlosses, zu denen auch das vorliegende Tintengeschirr gezählt wurde, wurden am 18. November sowie 1. und 2. Dezember 2019 bei S.A.S.U. Boscher Enchères in Cherbourg-en-Cotentin im Rahmen einer Internetauktion versteigert. Der digitale Auktionskatalog (Lot. No. 194) beschrieb das Stück als: «Cathédrale en faïence polychrome. Ep. XIXe, Haut. : 34 cm. Long. : 29 cm. Prof. : 13,5 cm. Restaurations, accidents et manques».

Es handelt sich bei dem Tintengeschirr formal um eine dreischiffige Basilika mit zwei Türmen. Diese befinden sich bei vergleichbaren Kirchenbauten immer im Osten, weshalb bei der folgenden beschreibungen auf die Himmelsrichtung zurückgegriffen wird. Zwischen den Türmen liegt ein eingezogener, dreiseitig geschlossener Chor. Dessen Aussenfassade ist durch horizontale und vertikale Elemente in drei Ebenen zu fünf Feldern gegliedert. In den beiden oberen Ebenen wechseln sich quadratische Fenster und Rundbogenfenster ab. Im Westen liegt unter einem von zwei Voluten getragenen Schleppdach der Eingang in das Mittelschiff. Darüber befindet sich ein Fenster in Form einer Doppelarkade, das den Obergaden beleuchtet. Seitlich des Vordaches sind zwei Wappenschilde aufgemalt. Die Südseite der Kirche weist einen Eingang und darüber fünf Fenster auf. In die Nordseite waren ursprünglich drei Türen eingeschnitten, von denen eine vor dem Engobieren wieder zugesetzt wurde (von innen sichtbar, aussen Risse in der Glasur). Darüber befinden sich ebenfalls fünf Fenster. Dies entspricht beidseitig der Zahl der ausgeschnittenen Obergadenfenster. Alle Fensteröffnungen sind phantasievoll mit manganvioletten bis schwärzlichen Architekturmalereien eingefasst, die blau und gelb ausgefüllt wurden.

Das abnehmbare Giebeldach, das den Gebrauch des Tintengeschirrs ermöglichte, ist nicht erhalten. Der Westgiebel des Langhauses ist alt abgebrochen. Der Ostgiebel ist vollständig vorhanden. Er trägt einen aufgelegten, geflügelten Putto. In die horizontale Decke des Mittelschiffs sind Öffnungen für drei unterschiedlich grosse Schreibzeugeinsätze eingeschnitten. Diese sind nicht erhalten. Vermutlich fehlt auch eine grosse Schublade, die in der Längsachse ins Kirchenschiff geschoben werden konnte und zugleich die Kirchentür gebildet hätte. Die Dächer der Seitenschiffe und des Chores zeigen eine aufgemalte rote bis rotorange Dachdeckung mit Flachziegeln (Biberschwänzen), deren Konturen schwarzbraun gezeichnet sind. Das Dach des Chores trägt zusätzlich gerundete First- bzw. Gratziegel. Ein spitzkugeliger Dachreiter (wohl nicht das Original) bildet den Dachabschluss.

Die beiden Türme sind symmetrisch gestaltet und weisen jeweils fünf befensterte Geschosse auf. Im vierten Geschoss ist am Süd- und am Nordturm jeweils eine Uhr platziert, die mit nur einem Zeiger die Stunden in römischen Zahlen anzeigt. Die Mitte des Zeigers trägt einen Stern, die Zeigerenden jeweils die Sonne bzw. eine Mondsichel. Unterhalb der Uhren stehen beidseitig die plastisch aufgelegten Datierungen 1636 und oberhalb die Initialen «A G». Die vier dreieckigen Turmgiebel tragen jeweils einen spitzen Aufsatz. Der spitze Turmhelm des Nordturms hat eine quadratische Basis, während der Turmhelm des Südturms stärker polygonal gestaltet ist. Eventuell ursprünglich vorhandene Kirchturmspitzen sind abgebrochen. Die Kanten der Basisplatte des Kirchenbaus und die Gliederungselemente der Türme und des Chores sind gelb und schwarzbraun hervorgehoben.

Vergleichsobjekte

   

Abb. 2  Tintengeschirr in Form der Winterthurer Stadtkirche, auf dem Ziffernblatt der Kirchturmuhr datiert 1637. Hergestellt vermutlich von Hans Heinrich II. Graf (1611–1653) für Hans Lauffer und Elszbetha Steinerin aus Eglisau. Fotos Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Jörg Brandt.

Robert L. Wyss hat bereits 1956, im 34. Mitteilungsblatt der Keramikfreunde der Schweiz, zwei Parallelen zum vorgestellten Tintengeschirr besprochen. Das erste befindet sich im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich (Abb. 2, SNM LM-435; Wyss 1956, Abb. 54 und 55; Wyss 1973, 46.). Es hat die Masse: L. max. 27,5 cm, Br. max. 13,3 cm, H. noch max. 17,6 cm. Es besteht aus Irdenware und trägt nur aussen eine weisse Grundengobe mit polychromem Unterglasur-Pinseldekor in gelb, blau, dunkelbraun und rot unter einer farblosen Glasur. Die Innenseiten sind ohne Engobe oder Glasur. Es finden sich nur beim Glasieren auf die Innenseite gelaufene Engobe- und Glasurspuren. Das Tintengeschirr ist aus dünnen, geschnittenen Tonplatten auf einer durchgehenden Basisplatte zusammengesetzt. Anschliessend wurden Tür- und Fensteröffnungen eingeschnitten. Es hatte ein abnehmbares Dach (nicht erhalten).

Beide Frontgiebel des Langhauses sind alt abgebrochen. In den beschädigten Dachboden waren drei Öffnungen für Schreibzeugeinsätze eingeschnitten. Vermutlich fehlt eine grosse Schublade, die zugleich die Kirchentür gebildet hätte. Auf einer Kirchenschiffseite sind zwei Türen eingeschnitten worden, auf der anderen Seite eine. In den Türen gibt es Standspuren von ursprünglich hier vorhandenen Figuren (vgl. das Tintengeschirr aus Wien, Abb. 4). Beide Türme sind alt abgebrochen und waren schon beim Ankauf fehlend. Das Tintengeschirr wurde 1893 bei J.J. Gubler Auktionen in Zürich erworben. An beiden Türmen gibt es eine Kirchturmuhr (beschädigt), die am unteren Rand jeweils die aufgemalte Datierung «16 37» trägt. Am unteren Teil des Südturmes befindet sich zusätzlich eine Sonnenuhr (Kraft 2013, 14, nimmt an, dass die Sonnenuhr des Südturmes der Winterthurer Stadtkirche 1637 angebracht wurde).

Die Allianzwappen neben dem überdachten Eingangsportal konnte Robert L. Wyss als «Hans Lauffer» und «Elszbetha Steinerin» bestimmen. Bei Hans Lauffer handelt es sich um einen Bürger, Tuchscherer, Fähnrich und Ratsmitglied aus Eglisau (Wyss 1956, 23. Es existiert ein weiterer Winterthurer Teller mit den Wappen dieses Ehepaares, der ursprünglich im Münchner Antiquitätenhandel verkauft wurde (Peter Vogt, Antiquitäten im Rathaus, München, Fayence und Steinzeug aus Vier Jahrhunderten, 2001, Kat. 82) und sich heute in der Sammlung Neuner in Süddeutschland befindet (Ziffer 2005, 10–11). Peter Vogt (München) und Silvia Glaser (Nürnberg) danke ich für den Hinweis auf dieses Stück und die zugehörige Literatur).

Abb. 3  Tintengeschirr in Form der Winterthurer Stadtkirche, auf dem Ziffernblatt der Kirchturmuhr keine Datierungen. Hergestellt vermutlich von Hans Heinrich II. Graf (1611–1653). Fotos Museum für angewandte Kunst Wien, Thomas Mathyk.

Das zweite Vergleichsstück verwahrt seit 1946 als Geschenk das Museum für angewandte Kunst (MAK) in Wien (Abb. 3, Inv. Ke 8032; Wyss 1956, Abb. 57 und 58; Wyss 1973, Abb. 61). Es ist 26,6 cm lang, 13,7 cm breit und 28,9 cm hoch. Es wird als Fayence beschrieben, jedoch handelt es sich vermutlich ebenfalls um eine Irdenware mit Unterglasur-Pinseldekor, was nicht am Original überprüft werden konnte.

Ergänzt sind Teile des Westgiebels des Langhauses, das fest angeklebte Langhausdach und die beiden Spitzen der Turmhelme. Formal stimmt das Stück gut mit den beiden vorhergehenden überein, jedoch sind die Masse abweichend und die Türme nur vier Geschosse hoch. Seitlich des Eingangs befinden sich keine Wappen und die Kirchturmuhren weisen keine Datierungen oder Initialen auf. Unterhalb der beiden Turmuhren sind jetzt zusätzlich auf jedem Turm Sonnenuhren gemalt.

Im Gegensatz zu den beiden anderen Modellen sind die Fenster nicht ausgeschnitten, sondern mit Kreuzstockfenstern und Butzenscheiben «verglast». In den Türen der Seitenschiffe stehen kleine Figuren (Frauen?) und einzelne Personen (Kinder?) lehnen sich auch aus den Fenstern der Türme bzw. des Chores. Auf dem Dach des Chores sitzt ein dicker Vogel. Auch bei diesem Tintengeschirr scheint eine Schublade für die Mittelachse des Langhauses vorgesehen gewesen zu sein.

Robert L. Wyss (Wyss 1956, 23–24) hat aufgrund dieser beiden Vergleichsstücke bereits 1956 ausführlich diskutiert, dass es sich mit grosser Wahrscheinlichkeit um eine mehr oder weniger korrekte Darstellung der Winterthurer Stadtkirche handelt (Aktueller Stand der Forschung zur Winterthurer Stadtkirche: Jäggi/Meyer/Windler 1993; Kraft 2013).

Abb. 4  Darstellung Winterthurs von Matthäus Merian aus dem Jahr 1642, Aussschnitt mit der Stadtkirche. Reproduktion CERAMICA CH, Andreas Heege.

Seine Annahme stützte er dabei auf zwei wohl zeitgenössische Darstellungen. Zum einen handelt es sich um eine 1642 datierte Darstellung Winterthurs von Matthäus Merian aus dem Jahr 1642 (Abb. 4) und zum zweiten um eine Darstellung der Stadtkirche auf einer 1648 datierten Vedute im Museum Lindengut in Winterthur (Abb. 5; Diese hatte Wyss 1956, Abb. 59 wohl nur in einer jüngeren Lithographie zur Verfügung, die in der Gestaltung der Turmhelme nicht dem Original entspricht. Vgl. hierzu: Bearth/Bellwald/Betschart u.a. 2007, 37).

Abb. 5  Darstellung der Stadtkirche von Winterthur auf einer 1648 datierten Vedute im Museum Lindengut in Winterthur. Es ist davon auszugehen, dass die Stadtvedute mit Übermalungen späteren Umbauten nicht nur an der Stadtkirche nach 1648 angepasst wurde. Foto Historischer Verein Winterthur.

Beide Ansichten sind also nur unwesentlich jünger als die beiden 1636 und 1637 datierten Tintengeschirre. Zahlreiche Details unserer Tintengeschirre lassen sich auch in den Ansichten wiederfinden, wie z.B. die Anzahl und Lage der Türen, die Befensterung der Seitenschiffe und des Obergadens, das Vordach über dem Mittelschiffseingang, die beiden Kirchtürme im Osten, die beiden spitzen Turmhelme der Ansicht von 1648.

Abb. 6  Einblattdruck mit der Darstellung eines Blitzeinschlags in den Kirchturm der Winterthurer Stadtkirche im Jahr 1725. Der Stich zeigt die beiden unterschiedlichen Turmhelme, von denen der südliche auf das Jahr 1659 zurückgeht. Foto Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Grafikabteilung.

Das Dach des Nordturmes befand sich noch bis 1794 in derselben Form (Abb. 6; SNM LM-166626), während der Südturm schon 1659 erhöht und mit einem neuen Helm versehen wurde (Kraft 2013, 8). Auf dem Stich von 1642 (vgl. Abb. 4) hat der Südturm ein giebelförmiges Dach, wie sich das schon auf einem Holzschnitt von 1546 in der «Chronik Gmeiner loblicher Eydgenossenschaft» von Johannes Stumpf findet (Nach diesem Stich ist möglicherweise die Winterthurer Stadtansicht auf dem Teller SNM HA-3186 entstanden: Wyss 1973, Abb. 25). So ist das Südturmdach also wohl eine Erfindung des Tintengeschirrherstellers, um einen symmetrischeren Eindruck zu vermitteln.

Unerklärlich bleibt bei den drei Schreibgeschirren die abweichende Form des Chores. Dies hat schon Wyss so gesehen (Wyss 1956, 24). Die Winterthurer Stadtkirche weist bis heute einen eingezogen Rechteckchor auf, der auch nicht in drei Ebenen gegliedert ist. Ist die Chorgestaltung also eine Wunschvorstellung oder plante man um 1636/1637 einen Chorneubau, der hier visualisiert wurde? Auch gibt es in beiden historischen Ansichten keinen Hinweis auf die bei den Tintengeschirren gemalten Kirchturmuhren. Die Uhren entsprechen optisch jedoch denen der 1659 erfolgten Aufstockung (vgl. Abb. 6), die vom Winterthurer Uhrmacher Tobias Liechti gebaut wurden (Kraft 2013, 22). Wyss kann für diese Uhrmacherfamilie eine Reihe weiterer, sehr ähnlich gestalteter Uhren namhaft machen, die vor allem in den Zifferblättern mit römischen Zahlen übereinstimmen (Wyss 1956, 24).

Wer ist der Hersteller?

 Die von Wyss vorgestellten Tintengeschirre (vgl. Abb. 2 und 3) geben keinen Hinweis, welche Werkstatt in Winterthur diese bedeutenden und repräsentativen keramischen Objekte gefertigt hat. Wyss spekuliert aufgrund eines 1636 datierten Kachelofens im Schweizerischen Landesmuseum (SNM LM-3224, Bellwald 1980, 232 Kat. 9 Hans Heinrich I. Pfau zusammen mit David I. Pfau als Maler). dass es sich dabei um Hans Heinrich I. Pfau (1559–1636) zusammen mit David I. Pfau (1607–1670) als Maler gehandelt haben könnte (Wyss 1956, 24 Abb. 60). Jedoch lässt sich kein eindeutiger, gesicherter Zusammenhang herstellen.

An diesem Punkt hilft das neue Tintengeschirr mit grosser Wahrscheinlichkeit weiter. Die Westfassade der Kirche ist links vom Haupteingang mit dem Wappenschild der Hafnerfamilie Graf (oder Graff) von Winterthur bemalt. Dieser Familie können immerhin zehn Winterthurer Hafner bzw. Hafnermeister zugeordnet werden. Eine modernen Ansprüchen genügende Genealogie und Familiengeschichte der Winterthurer Hafner Graf fehlt und kann an dieser Stelle auch nicht geliefert werden (Bislang: Wyss 1973, 50; Bellwald 1980, 338–339, mit teilweise abweichenden genealogischen Angaben im Vergleich mit dem handschriftlichen Bürgerbuch der Stadt Winterthur, verfasst von Antonius Künzli, 1771–1852, Apotheker, Stadtpräsident und Genealoge, S. 365-373, darauf basierend Abb. 9 mit Zuordnungszahlen nach dem Bürgerbuch. Die Angaben im Bürgerbuch wurden nicht weiter überprüft). In einem roten Feld befinden sich drei weisse Flügel (vgl. Abb. 2,2).

Abb. 7  Zunftlade der Winterthurer Hafner aus der Zeit um 1656 heute im Museum Lindengut Winterthur (Inv. HVW 2082). Schauseite und Deckel sind mit zahlreichen Hafnerwappen bemalt. Foto CERAMICA CH, Andreas Heege.

Diese Wappendarstellung kehrt auch auf der um 1656 datierten Zunftlade der Winterthurer Hafner (Abb. 7, vgl. Genealogie Abb. 8 und pdf) und auf einer Zunftscheibe von 1657 wieder (Frei 1929, Abb. 6 und 9; Bellwald 1980, Abb. 17 (zeigt nicht die Lade der Hafner, sondern ein unbekanntes Objekt!) und Abb. 19 (Wappenscheibe). Letzte wissenschaftliche Bearbeitung: Bearth/Bellwald/Betschart u.a. 2007, 26–27 (Inv. HVW 2082). Zu ergänzen wäre noch eine bemalte Zinnkanne (SNM AG-1791) von 1667, die Anton I. Graf für den Verwandten Hans Kaspar Graf und seine Ehefrau Anna Hegner schuf und mit dem Grafwappen verzierte: Schneider 1970, 183, Taf. 10). Auf der Zunftlade finden wir als Beischriften die Namen Hans Heinrich Graff se. (I.?, 1583–1634), Hans Heinrich Graff (II.?, 1611–1653), Heinrich Graff (eventuell Hans Heinrich 1589–1654 oder Hans Heinrich Graff III., 1635–1696?) und Gebhart Graff (II., 1633–1690; Lebensdaten nach Bellwald 1980, 339 bzw. Bürgerbuch. Bei der Renovierung der Lade im Jahr 1733 wurde noch Abraham Graff mit seinem Wappen nachgetragen, 1691–1761, Meister 1712). Auf der Zunftscheibe von 1657 sind es dieselben Personen, nur Hans Heinrich Graff se. fehlt.

Abb. 8  Genealogie der Hafnerfamilie Graf, zusammengestellt auf der Basis des handschriftlichen Bürgerbuches der Stadt Winterthur, verfasst von Antonius Künzli (1771–1852, Apotheker, Stadtpräsident und Genealoge). Insgesamt gibt es drei, aufgrund fehlender Quellen voneinander unabhängige, genealogische Linien der Familie Graf, die Hafner hervorgebracht haben. Entwurf Andreas Heege, Grafik Max Stöckli, artmax, Schwarzenburg.

Das zweite Wappen rechts des Eingangs (vgl. Abb. 1) zeigt auf blauem Grund eine gelbe Töpferschiene oder Drehschiene, ein typisches Handwerkszeug und Zunftzeichen von Hafnern (In Kombination mit einer sonst ebenfalls üblichen doppelhenkeligen Vase mit Blumen beim Zunftzeichen der Hafner von Elgg aus dem Jahr 180 , SNM LM-8644: Heege 2011, Abb. 76,2. Ausserdem als Handwerkszeichen des Zuger Hafners Hans Weckerli: Roth Heege/Thierrin-Michael 2016, Abb. 94). Dieses Objekt wird, da optisch sehr ähnlich gestaltet, immer wieder mit der Darstellung einer Pflugschar verwechselt und in der Literatur auch fälschlich als «Hafnerspaten» bezeichnet (Frei 1929, 101). Als Zunftzeichen findet sich die Drehschiene auch auf der Deckenrosette der Winterthurer Oberstubenzunft von 1562 (Frei 1929, 101–102, abgebildet: Bearth/Bellwald/Betschart u.a. 2007, 27). und zusammen mit einem Topf auf einer gläsernen Zunftscheibe der «Gesellschaft Oberstuben», die in das Jahr 1583 datiert wird und aus dem Schützenhaus in Winterthur stammt (Frei 1929, 105, Abb. 10). Darüber hinaus wird eine Töpferschiene in Kombination mit einer Mondsichel, zwei Sternen und über einem Dreiberg von der Winterthurer Hafnerfamilie Reinhart als Wappen geführt (Wyss 1973, Titelbild, SNM HA-3214a.). Und auch der Winterthurer Hafner Andreas Studer führte sie in seinem Wappen (vgl. Abb. 8, links unten).

Es dürfte damit klar sein, dass wir es bei dem Tintengeschirr von 1636 mit einem Produkt von einem Hafner Graf oder für ein Familienmitglied der Hafner Graf von Winterthur zu tun haben. Da die Turmuhren zweier Modelle 1636 und 1637 datiert sind, kommen aufgrund der Lebensdaten nur Hans Heinrich II. Graf (1611–1653) oder sein Grossonkel Hans Heinrich Graf (1589–1654) in Frage (vgl. Genealogie Abb. 8, Nr. 38 und 27). Angesichts der Tatsache, dass Hans Heinrich II. Graf einer vier Generationen umfassenden Hafnerdynastie entspringt, der auch zahlreiche sehr qualitätvolle Kachelöfen zugeschrieben werden (Bellwald 1980, 339), ist man geneigt diesen als Produzenten anzusehen.

Bleibt zu fragen, für wen das Schreibgeschirr hergestellt wurde. In diesem Zusammenhang kommen die Initialen «AG» oberhalb der Turmuhren ins Spiel. Es kann sich nicht um die Initialen des Herstellers handeln, denn mit der Datierung 1636 gäbe es keinen bekannten Hafner Graf mit einem entsprechenden Vornamen. In der Genealogie der verschiedenen Graf-Familien kommen nur sehr wenige Personen vor, deren Vorname mit «A» beginnt und deren Lebensdaten zur Datierung 1636 passen würden (vgl. Abb. 8). Will man nicht den Zunftmeister 23 Abraham Graf (1579–1647), den Bruder des Hafners Hans Heinrich Graf (1589–1654, Nr. 27) als Auftraggeber oder Besitzer annehmen, so bliebe als ernsthaftester Kandidat der Zinngiesser Antoni I. Graf (1617–1686, Nr. 41) übrig (Schneider 1970, 183, Taf. 10; Schneider/Kneuss 1983, 213). Denkbar ist, dass Hans-Heinrich II. Graf (1611–1653, Nr. 38) dieses Stück für seinen jüngeren Bruder Antoni I. anfertigte, bevor dieser 1640 seinen Zinngiessereid ablegte. Antoni I. Graf (1617–1686) wurde 1669 noch Stadtrichter und 1679 sogar Amtmann auf Schloss Wyden, Gemeinde Ossingen, Kanton Zürich.

Ein Kalenderrahmen des Abraham Pfau aus dem Jahr 1662

Abb. 9  Kalenderrahmen des Abraham Pfau (1637–1691), signiert «AP» und datiert 1662. Privatbesitz Schweiz. Fotos CERAMICA CH, Andreas Heege.

 Im Mai 2020 wurde in Versailles ein ungewöhnliches, singuläres Stück Winterthurer Keramik versteigert (Osenat Maison de ventes aux enchères, Sam. 23 Mai 2020 – Les Grands Siècles, Versailles, Hôtel des ventes du Château, 13, avenue de Saint-Cloud 78000 Versailles, Los Nr. 218), ein Kalenderrahmen (Abb. 9): Länge max. 53,7 cm, Breite max. noch 34,1 cm, Gesamtdicke max. 5 cm, Dicke der Grundplatte 1,6–2,1 cm. Der Rahmen trägt auf der Vorderseite eine Fayenceglasur mit polychromer Inglasurmalerei in den Farben Blau, Grün, Gelb, Manganviolett und Schwarz. Auf der weiss glasierten Rückseite sind in Blau die Konturen nachgezogen und die Initialen des Keramikers und/oder Fayencemalers «AP» (Abraham Pfau) über einem Puttenkopf angegeben. Die Basisplatte des Rahmens wurde vom Stock geschnitten, parallele Abschneidespuren sind vorhanden.

Der Ausschnitt für den Kalender wurde von Hand eingeschnitten und die Nut für die Aufnahme des Kalenders mit dem Messer vorgeschnitten, während die Materialentnahme dann vielleicht mit einer kantigen Drahtschlinge erfolgte. Anschliessend wurde der Rahmen der Fensterleibung mit Halbsäulen und Kapitellen sowie Gebälk aufgelegt sowie die Memento mori Putti halbplastisch auf das Gebälk gesetzt (nachgearbeitete Ausformungen aus Lohner Modeln? Vgl. Widmer/Stäheli 1999, 10). Löwen und Putti des Giebelfeldes wurden vollplastisch ausgeführt, das gilt wohl auch für die beiden Hähne. Die Oberfläche des übrigen Rahmens ist plastisch modelliert, der zentrale Putto des Rahmens sowie Halbkugeln sind sekundär aufgelegt. Im unteren Teil des Rahmens sind zwei Halbkugeln nach der Bemalung abgeplatzt. Seitlich der Hähne befindet sich jeweils eine aufgelegte kleine Rosette. Der Rahmen weist verschiedene ältere Beschädigungen auf: Beide Giebelspitzen und die Mittelspitze mit Putto waren abgebrochen und sind alt geklebt, ein Putto des Giebels fehlt fast vollständig, dort gibt es alte Klebespuren. Dem zweiten Putto fehlen ein Arm und ein Flügel, der Schwanz des linken Hahnes ist abgebrochen. Die Kante des Randes ist links abgestossen und mit Gips und Farbe alt ergänzt. Am unteren Rahmenrand fehlt unterhalb einer Karyatide eine hängende Lilie.

Formal erinnert die Vorderseite an ein sehr aufwendiges manieristisches Portal oder an eine mit Architekturelementen eingefasste Fensteröffnung (lichtes Mass der Öffnung 19,1 x 14,7 cm). Zwei Halbsäulen mit Kapitellen rahmen die Öffnung ein. Sie tragen das Gebälk mit einem geflügelten Puttokopf sowie darüber einen Figurenfries mit zwei Putti, die jeweils ein Stundenglas halten. Ein Putto stützt sich mit dem Arm auf einen Totenschädel. Es handelt sich erkennbar um ein «Memento mori-Motiv», das meist mit dem Spruch «Hodie mihi, cras tibi – Heute kommt der Tod für mich, morgen für dich» verknüpft ist und damit gut zu einem Kalender, der die vergehende Zeit symbolisiert, passt:

In vielfältigen Variationen seit dem 16. Jh., vgl. z.B.

Darüber folgt ein gesprengter Volutengiebel, der von zwei stehenden Löwen gestützt wird. Dazwischen befindet sich ein weiterer nackter Putto, der nachdenklich den Kopf mit der Hand stützt. Aussen am Giebel sassen ursprünglich zwei geflügelte Putti auf weiteren Voluten. Die Halbsäulen und ihre Basen sind auf Postamenten aufgesetzt, die mit Löwenköpfen geschmückt sind und ihrerseits von Karyatiden getragen werden. Zwischen den Postamenten befinden sich vor der Fensterbrüstung Konsolen mit gelben Halbkugeln und stilisierten kleinen blauen Tulpen. Die Kugeln sind durch braune Linien in Segmente geteilt. Die Säulenschäfte sind mit langgezogenen Akanthusblättern belegt und mit schwarzem Pflanzendekor (Ähnlicher Dekor in Gold oder Blau bereits in den 1630er- und 1640er-Jahren: Wyss 1973, Abb. 14; Schnyder 1989, Kat.29–30, 38–39, 41–47, 50–51, 56, 62; Schnyder 1998, Kat. 28-30, 37). und Fruchtgehängen bemalt. Unterhalb der Fensterbrüstung befindet sich eine ovale Rollwerkkartusche mit der in Schwarz gehaltenen Datierung «MDCLXII» (1662) und darunter ein gemalter S-förmiger Schnörkel.

Die Aussenkontur des Rahmens ist sehr bewegt, geschwungen und geschweift (Schweifwerk) und in ihrem Verlauf seitlich der Säulen an zwei gespaltene Vögel (Adler?) angepasst. Die Enden werden von plastisch hervortretenden schneckenförmigen Voluten gebildet. Gelbe Halbkugeln wirken wie Köpfe von Beschlagnägeln. Seitlich des Bilderfrieses sind zwei bunte Hähne in das geschweifte Beschlagwerk integriert. Sehr ähnliche Konturen finden sich bei einer Vielzahl von Winterthurer Ofenschilden, z. B. zweien, die 1675 bzw. 1689 datiert und «AP» signiert sind (SNM HA-3254, HA-3090). Daneben begegnen identische oder ähnliche Formen auch immer wieder als gemalte Einfassungen auf Ofenkacheln von Winterthurer Hafnern bis ins späte 17. Jahrhundert. Der Zusammenhang mit Winterthur als Produktionsort wird auch deutlich, wenn man die verschiedenen Auflagen, Putti, Löwenköpfe und Hähne in Betracht zieht und mit bekannten, signierten oder zugeschriebenen Winterthurer Produkten, vor allem auch den sehr individuell gestalteten Tintengeschirren vergleicht (Wyss 1973, Abb. 13  – geflügelte Putti, Löwenmasken, Abb. 53 und 54 – gut vergleichbare Tintengeschirre; Schnyder 1989, Kat. 93 – Putto der seinen Kopf mit der Hand stützt, noch 1710!, Kat. 108A – gelbe, braun segmentierte Kugeln; Schnyder1998, Kat. 47 – Putto der seinen Kopf mit der Hand stützt, Kat. 51 – gelbe, braun segmentierte Kugeln).

Der Hersteller

 Die Rückseite trägt eine wesentlich sparsamere blaue Kanteneinfassung und erneut eine Fenstereinrahmung. Der Ausschnitt für den Kalenderrahmen wurde beim späteren Einsetzen eines nicht zugehörigen Zentralbildes beschädigt (jetzt wieder rückgängig gemacht). Darunter ist ein geflügelter Putto mit einem umgehängten Halsschmuck mit Quaste gemalt, der seitlich von den Buchstaben «AP» flankiert wird. Wir dürfen wohl annehmen, dass es sich hierbei um die Signatur des Herstellers oder Malers handelt, den wir aufgrund der Datierung der Vorderseite mit Abraham Pfau (1637–1691) identifizieren können. Vermutlich wäre es zu weit gegriffen, im sehr individuell gestalteten Puttokopf ein Selbstporträt des Malers sehen zu wollen (vgl. das  Selbstporträt aus dem Jahr 1660: Bellwald 1980, 338 Abb. 112).

Abraham Pfau stammt aus der bedeutendsten Winterthurer Hafnerfamilie Pfau (vgl. die Zunftlade Abb. 7). Zusammen mit seinem Bruder David II. Pfau (1644–1702) und seinen Vettern Ludwig III. (1628–1683) und Hans Heinrich III. (1642–1691) gehört er zur vierten Hafnergeneration dieser Familie (Vgl. Genealogie: Schnyder 1990, 13 bzw. Tiziani/Wild 1998, Abb. 25 mit Angaben zur Lage der Werkstätten). Mit dieser Generation endete in Winterthur die überragende Ofen- und Geschirrproduktion, die nur wenig über das Jahr 1700 hinausreicht. Sein Vater war der als Fayencemaler bekannte Spezialist David I. Pfau (1607–1670), mit dem zusammen er auch an verschiedenen Kachelöfen arbeitete. Dies kann auch durch Bodenfunde vom Grundstück Marktgasse 60 in Winterthur belegt werden, wo ein Ausschnitt ihrer Töpferei ausgegraben werden konnte. Im Alter von nur 15 Jahren baute Abraham dort zusammen mit seinem Vater im Jahr 1652 einen neuen Töpferofen (Tiziani/Wild 1998). 1663 wurde Abraham Pfau Meister. Ab spätestens 1675 hatte er eine eigene Werkstatt auf dem Grundstück Untertor 14. Sein jüngerer Bruder David II. blieb im Stammhaus an der Marktgasse 60. Als eine Art Generalunternehmer plante er zusammen mit dem Vetter Hans Heinrich III. (spezialisiert als Fayencemaler) die wichtigsten Kachelofenaufträge und wickelte diese auch ab (Tiziani/Wild 1998, 242, 245). 1690, d.h. kurz vor seinem Tod, wurde Abraham auch Schreiber des Handwerks. Von ihm sind beinahe 30 signierte Kachelöfen bekannt oder erhalten (Bellwald 1980, 338; Genealogie: Schnyder 1990, 13 bzw. Tiziani/Wild 1998, Abb. 25 mit Angaben zur Lage der Werkstätten).

Funktion und Parallelen

Fensterbrüstung, Gebälk und Halbsäulen sind so aufgelegt, dass zur ebenen Rückseite eine Nut entsteht. Von der Rückseite her konnte man in den Rahmen einen dünnen, gedruckten Jahres- oder Monatskalender oder einen dünnen «Almanach» einschieben (zu frühen gedruckten Kalendern und Almanachen (z. B. der Hinkende Bote, erscheinend ab 1677) siehe: Historisches Lexikon der Schweiz, Online-Version: https://hls-dhs-dss.ch/de/articles/011207/2001-06-05/) Die Nut zwischen aufgelegter Vorder- und flacher Rückseite ist allseits 1,0–1,2 cm tief und 0,8–0,9 cm hoch. Sie würde also die Aufnahme eines maximal 0,8 cm dicken, etwas flexiblen Papierobjektes erlauben (Vgl. Wyss 1973, Abb. 59). Im gesprengten Giebel befindet sich ein Loch für die Aufhängung, welches belegt, dass solche Kalenderrahmen funktional wohl dem repräsentativen Stubenschmuck zuzurechnen sind.

Keramische Kalenderrahmen sind jedoch, verglichen mit hölzernen, geschnitzten Exemplaren (Beispiele: Creux 1970, 159 Abb. 4. SNM: AG-10120 – von 1642; LM-5260 – von 1689; AG-9008 – 1600–1700) grosse Seltenheiten. Robert L. Wyss kannte bis 1973 nur zwei weitere vergleichbare Keramikrahmen mit Fayenceglasur aus Winterthur (Wyss 1973, 44). Das SNM verwahrt nur einen weiteren grün glasierten, keramischen Kalenderrahmen mit Reliefauflagen, der wohl in dieselbe Zeit gehört (SNM IN-101.47, L. 40,0 cm, Br. 22,8 cm, Dicke max. 5,0 cm, seitlicher Einschub des Kalenders).

   

Abb. 10  Kalenderrahmen, möglicherweise eine Arbeit von Hans Heinrich III. Pfau (1642–1719), datiert 1667 und rückseitig sekundär eingeritzte Initialen «HP». Rahmen im Besitz des Historischen Vereins Winterthur (HVW 99). Fotos CERAMICA CH, Andreas Heege.

Ein Rahmen wurde für Hans Rudolf Pfau und dessen Ehefrau Ursula Schellenberg im Jahr 1667 angefertigt (Abb. 10; Museum Lindengut Winterthur HVW 99 , früher HAV 951). Rückseitig sind als Signatur nach dem Brand die ligierten Initialen «HP» eingeritzt, was Wyss 1973 dazu veranlasste, diese Arbeit Hans Heinrich III. Pfau (1642–1719), dem Bruder von Hans Rudolf Pfau und dem Vetter des Töpfers Abraham Pfau zuzuweisen (Wyss 1973, 44). Der Rahmen hat die Abmessungen L. 39,0 cm, Br. max. 24,0 cm und Dicke max. 3,3 cm.

Das lichte Mass für den Kalenderausschnitt beträgt 12,1 cm x 18,8 cm. Er weist einen seitlichen Kalendereinschub auf, der konstruktiv also von dem älteren Rahmen des Abraham Pfau abweicht. Die Basisplatte des Kalenderrahmens wurde vom Stock geschnitten. Die Blattstärke beträgt 1,25 cm. Der eigentliche Kalenderrahmen wurde aufgesetzt und ist eher schlicht gehalten, während der Rand der Basisplatte ebenfalls ein ausgeprägtes Schweifwerk aufweist. Den Giebel schmücken die Wappen des Ehepaares und die Datierung 1667. Zwei Voluten, von denen eine abgebrochen ist, bilden neben einer gelben (goldenen) Kugel den Giebelabschluss. Die Aufhängung des Kalenders ist stark nach oben ausgeweitet, als habe man den Rahmen sehr oft von seinem Platz an der Wand abgenommen und wieder aufgehängt, z. B. um die Kalenderseiten umzublättern.

Abb. 11  Giebel mit den Wappen von Hans Rudolf Pfau und dessen Ehefrau Ursula Schellenberg, datiert 1667. Foto CERAMICA CH, Andreas Heege.

Die Farbigkeit der Inglasurmalerei des Kalenderrahmens ist verglichen mit dem des Jahres 1662 eher etwas zurückhaltender. Der Pfau im Familienwappen ist sehr schön und detailreich ausgeführt (Abb. 11).

Abb. 12  Kalenderrahmen, eine Arbeit von Hans Heinrich III. Pfau (1642–1719). Rahmen im Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums Zürich (SNM LM-29282), hergestellt für «Hans Heinrich Escher, dieser Zeit Landtvogt zu Kyburg» (1626–1710) und seine Ehefrau «Fr. Regula Weerdmüllerin» (1625–1698), datiert 1673. Fotos Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Jörg Brandt.

Der dritte bekannte Rahmen (Abb. 12) entstand im Jahr 1673 und wurde ebenfalls von Hans Heinrich III. Pfau (1642–1719) bemalt und «HP» signiert (SNM LM-29282. Erstmals publiziert im Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums 68–69, 1959–1960, 18–19 und Abb. 39. Herkunft aus dem Antiquitätenhandel, Segal, Basel). Seine Masse betragen 53,0 x 39,0 cm x 6 cm (H. x Br. x D.). Im Gegensatz zu den vorhergehenden Kalenderrahmen ist in diesem Fall auf der Rückseite ein Holzrahmen aufgedübelt, in den man einen Kalender von maximal 14,3 cm x 20 cm Seitenlänge einlegen konnte. Die sichtbare Kalenderfläche auf der Vorderseite betrug ca. 13,0 cm x 18,2 cm. Wappen und Inschrift erlauben eine Zuweisung an «Hans Heinrich Escher, dieser Zeit Landtvogt zu Kyburg» (Hans Heinrich Escher vom Glas, 1626–1710) und seine Ehefrau «Fr. Regula Weerdmüllerin» (Regula Werdmüller, 1625–1698). Hans Heinrich Escher, war eine der bedeutendsten Persönlichkeiten seiner Zeit und ab 1678 bis zu seinem Tod Bürgermeister in Zürich. Seine Mutter, Cleophea Künzli, war Tochter des Winterthurer Schultheissen Hans Heinrich Künzli (Siehe Stichwort im Historischen Lexikon der Schweiz, Online-Version). Es überrascht nicht, dass wir ein Winterthurer Spitzenprodukt aus der Hafnerfamilie Pfau in einer solchen Familie antreffen.

Beim momentanen Stand der Forschung ist der Rahmen von Abraham Pfau, ein Jahr vor seiner Meisterwerdung im Jahr 1662, wohl in der Werkstatt seines Vaters David I. Pfau an der Marktgasse 60 in Winterthur entstanden und von ihm bemalt worden. Es ist bislang der älteste Rahmen, den wir aus Winterthur kennen und eines der absoluten Spitzenstücke schweizerischer Hafnerkunst.

Zwei Scherzgefässe

Scherzgefässe, die auch als Scherztrinkgefässe, Vexiergefässe oder Trinkspiele bezeichnet werden (Englisch puzzle jug, Französisch pot trompeur oder pichet trompeur, niederländisch fopkan), sind eine spätmittelalterliche «Erfindung». Seit dem 15. Jahrhundert lassen sich in der Steinzeugroduktion von Siegburg bei Bonn in Nordrhein-Westfalen (Deutschland) bzw. der Region Raeren/Aachen Kannen mit durchbrochenem Hals nachweisen, bei denen man nur dann aus einem Ansaugstutzen am Rand trinken konnte, wenn man ein verstecktes Loch im Henkel zuhielt. Der Henkel war als Röhre ausgebildet und knapp über dem Boden zum Gefässinneren hin offen (Klinge 1972, Kat. 152–156; Roehmer 2014, 63; Mennicken 2009, 414-415 Kat. 254; Mennicken 2013, 122 Abb. 308-315; auch: RijksmuseumAmsterdam Inv. BK-NM-9721). Angesichts der Siegburger und Raerener Vorbilder verblüfft es nicht, dass sich dann auch in Köln/Frechen oder dem deutschen Westerwald Scherzgefässe finden, die im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert nach demselben Funktionsprinzip hergestellt wurden (Reineking-von Bock 1986, 249 Kat. 312, 280 Kat. 377; Mennicken 2009, 416-417 Kat. 255; Roehmer 2014, 220, 224; Strauss/Aichele 1992, 72 Kat. 64. Scherzgefässe Westerwälder Art auch: MuseumRotterdam Inv. 14199, RijksmuseumAmsterdam Inv. BK-NM-10096 und BK-NM-10094). Nach dieser Zeit war dieses in Mitteleuropa überall bekannt und es entstanden sowohl auf dem Kontinent als auch in England bis in die heutige Zeit Scherzgefässe in Porzellan, Fayence, Steinzeug, Steingut oder Irdenware Eine umfassendere Sammlung zu dieser Art Scherzgefässen scheint es derzeit nicht zu geben. Basierend auf dem Bestand des Österreichischen Museums für Volkskunde bislang: Peschel-Wacha 2007. Vgl. auch: Richter 2012, Abb. 19,5 (Steinzeug der Ennoch Wood collection, Dresden Kunstgewerbemuseum Inv. 38816, datiert 1738).

Es ist also nicht verwunderlich, wenn es auch unter den in der Schweiz hergestellten Keramiken, selten Scherzgefässe der beschriebenen Form gibt (vgl. auch: Blaettler/Ducret/Schnyder 2013, 52–53 Pl. 5 (von 1774). Formal abweichende Humpen/Scherzgefässe gibt es aus der Produktion von Langnau im Emmental: Heege/Kistler 2017a, 608–609). Das älteste datierte Stück gehört zu der auflagenverzierten Variante der sog. «dünnglasierten Fayence» und ist inschriftlich in das Jahr 1666 datiert (Victoria&Albert-Museum, London, Inv. 3060-1853: http://collections.vam.ac.uk/item/O160006/puzzle-jug-unknown/. Zu dieser charakteristischen Warenart der Deutschschweiz vgl. Frey 2015, 221–248). Es handelt sich um eine kugelbauchige Kanne.

Abb. 13  Winterthurer Scherzgefäss, Fayence mit Inglasurmalerei und Spiralrankendekoration. Privatbesitz Schweiz. Fotos CERAMICA CH, Andreas Heege.

Aus Winterthur sind dagegen zwei abweichende Formen überliefert. Zum einen handelt es sich um leicht konische Humpen (Abb. 13) und zum anderen um ein becherartiges Gefäss auf hohem Fuss (vgl. Abb. 18).

Der vorliegende Humpen (Abb. 13 und 14; Rdm. 6,8 cm, H. 13,5 cm, Gesamt-H. mit Zinndeckel 18,0 cm) wurde mit einer Fayenceglasur versehen und trägt eine Inglasurmalerei in den Farben Gelb, Blau, Manganviolett, Blaugrün und Schwarz. Er hat einen flachen Standboden und ein schräg ausgeschnittenes Halsfeld. Unterhalb des Randes verläuft eine wulstartige Verdickung an der sowohl der hohle Henkel als auch ein Ansaugstutzen ansetzen.

Abb. 14  Winterthurer Scherzgefäss, Einblick in das Innere, knapp über dem Boden ist die Wandlochung für den hohlen Henkel erkennbar. Privatbesitz Schweiz. Foto CERAMICA CH, Andreas Heege.

Der Henkel hat unten innen im Gefäss ein Ansaugloch (Abb. 14). Wenn man mit dem Daumen ein Loch auf der Unterseite des Henkels zuhält, kann man via Ansaugstutzen aus dem Humpen trinken. Für den Dekor wurde der in Winterthur im ganzen 17. Jahrhundert übliche florale Spiralrankendekor verwendet (Wyss 1973, 20–21, 36–37; Schnyder 1989, Kat. 111-114; Heege/Kistler 2017b, 86–92).

Abb. 15  Winterthurer Scherzgefäss, Fitzwilliam-Museum Cambridge (FWMC Inv. C.2973-1928). Fotos Fitzwilliam-Museum Cambridge.

Nahezu identisch ist ein weiterer, undatierter Winterthurer Scherzgefässhumpen mit Fayenceglasur und Inglasurmalerei dekoriert, der sich heute im Fitzwilliam-Museum in Cambridge befindet (Abb. 15, Höhe 15 cm, Bodendm. 10,5 cm, grösste Breite inkl. Henkel 15,5 cm; FWMC Inv. C.2973-1928). Ein dritter, ebenfalls undatierter Humpen dieser Art wurde 1996 im Münchner Antiquitätenhandel verkauft, sein heutiger Verbleib ist unbekannt (Peter Vogt, Antiquitäten im Rathaus, München, Fayence und Steinzeug aus Vier Jahrhunderten, Jubiläumskatalog Zehn Jahre Kunsthandel, 1996, Angebots-Nr. 110). Auf diesem Wege lässt sich also kein genauerer Datierungsanhaltspunkt gewinnen.

Abb. 16  Winterthurer Scherzgefäss, Fayence mit Inglasurmalerei, datiert 1668, Spruch «Ich hab an euch Gedacht und hab euch ein kram von Winterthur Gebracht», Schweizerisches Nationalmuseum Zürich (SNM LM-19780). Fotos Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Jörg Brandt.

Anders sieht es bei einem Fayence-Scherzgefäss aus dem Schweizerischen Nationalmuseum aus (Abb. 16, H. 13,5 cm, mit Zinndeckel 16,0 cm; Wyss 1973, Abb. 22 , SNM LM-19780). Statt des Spiralrankendekors trägt es ein Allianzwappen und ist 1668 datiert. Das Wappen der Ehefrau «M.N.» kann der Familie Nötzli von Zürich zugeordnet werden, während das Wappen des Ehemannes «T.ST» zurzeit nicht aufgelöst werden kann. Erfreulicherweise ist das Gefäss zusätzlich mit dem seit dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts bekannten Spruch beschriftet «Ich hab an euch Gedacht und hab euch ein kram von Winterthur Gebracht» (Wyss 1973, 20 und Abb. 23; ausserdem Lithberg 1932, Taf. 336,A.). Einen besseren Herkunftsnachweis kann man sich wohl kaum vorstellen.

Abb. 17  Winterthurer Scherzgefäss, Fayence mit Inglasurmalerei. Schweizerisches Nationalmuseum Zürich (SNM HA-3026). Fotos Schweizerisches Nationalmuseum Zürich, Jörg Brandt.

Vermutlich hat die Datierung 1668 dazu geführt, dass auch ein weiteres undatiertes Scherzgefäss aus dem Schweizerischen Nationalmuseum, das mit altertümlicher anmutenden Voluten bzw. Rollwerk verziert ist (Abb. 17; H. 13,3 cm, mit Zinndeckel 16,3 cm), in die Zeit um 1660 eingeordnet und Hans Heinrich II. Pfau (1598–1673) zugeschrieben wurde (SNM HA-3026; Schnyder 1989, Kat. 91; Schnyder 1998, Kat. 33). Ob das so zutrifft, könnte erst eine vertiefte stilistische Analyse eines umfangreicheren Bestandes Winterthurer Keramik zeigen.

Abb. 18  Winterthurer Scherzgefäss, Fayence mit Inglasurmalerei und Reliefauflagen. Privatbesitz Schweiz. Fotos CERAMICA CH, Andreas Heege.

Der zweite hier vorzustellende Scherzgefässtyp ist bislang singulär (Abb. 18, Rdm. 10,0 cm, H. max. 13,5 cm; Herkunft: Peter Vogt, Antiquitäten im Rathaus, München, Fayence und Steinzeug aus Vier Jahrhunderten, Jubiläumskatalog Zehn Jahre Kunsthandel, 1996, Angebots-Nr. 109). Auch dieses Stück trägt eine Fayenceglasur mit Inglasurmalerei in Gelb, Blau, Manganviolett und Blaugrün. Die konische Kuppa sitzt mit einem Schaftring auf einem hohlen, hohen, profilierten Pokalfuss. Aussen sind horizontale Wulste mitgedreht und vier vertikale, oberseitig offene Röhren (Ansaugstutzen) angesetzt. Die durch die Röhren gebildeten vier hochrechteckigen Felder sind abwechselnd mit Figuren in halbplastischem Relief auf einem dreieckigen Podest belegt. Der darüber folgende Rand ist, wie bei Scherzgefässen üblich, ausgeschnitten.

Seitlich einer vertikalen Röhre sind zwei runde Löcher eingestochen und man könnte analog zu den sonstigen Scherzgefässen meinen, man müsse diese zuhalten, um trinken zu können. Dem ist jedoch nicht so. Ein Blick ins Innere des Gefässes offenbart, dass der Trick allein darin besteht, zu wissen, welche der vier Röhren eine Verbindung zum Inneren der Kuppa hat. In diesem Fall muss man kein Loch zuhalten.

Aufgrund der Art der Bemalung und des aufgelegten Reliefdekors kann kein Zweifel daran bestehen, dass wir es auch in diesem Fall mit einem Winterthurer Gefäss zu tun haben. Allerdings bleibt die Datierung mangels exakt datierter Form- und Dekorparallelen (Ähnlich Wyss 1973, Farbtafel VIII, SNM HA-3033) eher unscharf. Es kann angenommen werden, dass es in der Mitte oder zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts entstand.

Zusammenfassung

Tintengeschirre, Kalenderrahmen und Scherzgefässe zeigen in ihrer Schönheit, Qualität und Einzigartigkeit eindrucksvoll das keramische Leistungspotential der Winterthurer Hafner Graf und Pfau im 17. Jahrhundert. Qualitätvollere und schönere Keramiken lassen sich in der Schweiz in dieser Zeit nicht finden. Nicht nur grossartige Kachelöfen verliessen die Werkstätten und begründeten den weitreichenden Ruhm des Winterthurer Hafnerhandwerks sondern auch Einzelanfertigungen und keramische Sonderformen, die sowohl für die eigene Familie als auch für hochrangige Personen im Winterthurer und Zürcher Umfeld gefertigt wurden. Während die Tintengeschirre und Kalenderrahmen einzelnen Winterthurer Hafnern oder Werkstätten zugeordnet werden können, ist dies bei den etwas häufigeren Scherzgefässen nicht der Fall. An ihrer Entstehung in Winterthur besteht jedoch kein Zweifel.

Eine korrekte Beurteilung der Winterthurer Produktion im Vergleich mit der sonstigen Keramiklandschaft der Schweiz würde eigentlich eine umfassendere Dokumentation aller bekannten Winterthurer Keramiken in Museen und Privatsammlungen der Schweiz und Europas verlangen. Leider fehlt eine solche Studie bis heute und die wichtigsten Sammlungen zur Winterthurer Keramik werden nicht mehr öffentlich ausgestellt. Vielleicht kann der vorliegende Aufsatz ein Stimulus sein, sich wieder intensiver mit diesem Thema zu beschäftigen und die vergessenen Winterthurer «Schätze» ihrem «Magazinschlaf» zu entreissen. Sollten in weiteren Sammlungen identische Tintengeschirre, Kalenderrahmen oder Scherzgefässe unveröffentlicht schlummern, so wäre der Autor für Hinweise sehr dankbar.

Winterthurer Keramik in öffentlichen Sammlungen

Winterthurer Keramik im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich

Winterthurer Keramik im Victoria&Albert-Museum in London

Winterthurer Keramik im Fitzwilliam-Museum in Cambridge (momentan nicht erreichbar)

Winterthurer Keramik im Metropolitan Museum New York

Winterthurer Keramik im Musée Ariana Genf

Bibliographie: 

Angst, Heinrich (1987): Einige Bemerkungen über die Winterthurer Hafnerei. In: Jahresbericht des Schweizerischen Landesmuseums 6, 95–101.
Bearth, Marcel/Bellwald, Waltraut/Betschart, Andres u.a. (2007): Vom Bronzebeil zur WC-Schüssel. 50 Jahre Museum Lindengut Winterthur. Neujahrsblatt der Stadtbibliothek Winterthur 338, Winterthur.
Bellwald, Ueli (1980): Winterthurer Kachelöfen. Von den Anfängen des Handwerks bis zum Niedergang im 18. Jahrhundert. Bern.
Blaettler, Roland/Ducret, Peter/Schnyder, Rudolf (2013): CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500–1950). Sulgen.
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Wynigen BE, Hafnerei Jakob Schärer

Fayence-Ofenkachel mit der Ansicht von Lenzburg. Hafner Jakob Schärer aus Wynigen BE und Ofenmaler H.F. Lanz aus Langenthal (Fotos Werner Gut, Triengen).

Andreas Heege, Andreas Kistler,  Daniel Dähler, 2025

Einzelnen, kleinen Hafnereien des 19. Jahrhunderts kommt man nur durch Zufall auf die Spur. Dies gilt auch für die Hafnerei von Jakob Schärer in Wynigen im Kanton Bern, weshalb der Zufallsfund von Werner Gut aus Triengen hier dokumentiert werden soll. Der Ort Wynigen liegt zwischen Burgdorf und Langenthal. Bislang kennen wir von Jakob Schärer nur die oben gezeigte Ofenkachel. Was er sonst produzierte und wo die Werkstatt lag, ist unbekannt.

Jakob Schärer wurde am 19.5.1816 in Wynigen geboren (Kirchenrodel [KR] Wynigen 7, 151). Er hatte sieben Geschwister.  Sein Vater, der Zimmermann Niklaus Schärer (28. 6. 1780-8.7. 1866) stammte aus Wynigen, seine Mutter Elsbeth Grossenbacher aus Hasle bei Burgdorf (siehe Stammbaum). Jakob Schärer war zweimal verheiratet.  1849 heiratete er in Lotzwil Margaritha Brechbühl. Das Paar bekam zwei Töchter und einen Sohn.  Nach dem Tod von Margaritha Brechbühl heiratete er im Jahr 1856 in Herzogenbuchsee Katharina Schneeberger aus dem benachbarten Ochlenberg (KR Wynigen 19, 133). Das Paar bekam am 2. Mai 1857 einen Sohn Gottfried (KR Wynigen 9, 97) und am 8. Januar 1859 eine Tochter Lisette (KR Wynigen 9, 110).

In allen vier Fällen wurde als Wohnort Wynigen, “Wächterhaus” bzw. “Hafnerhütte” eingetragen. Das “Wächterhaus” mit Hofstatt und Garten sowie allem zugehörigem Matt- und Ackerland sowie Wald hatte Niklaus Schärer 1819 erworben und verkaufte es am 15. November 1865 an den Bannwart der Dorfburgergemeinde, Johannes Moser (Grundbucheintarg Wynigen  16/680). Das Haus steht heute noch. Es handelt sich um ein typisches Taunerhaus des späten 18. Jahrhunderts (Baudatum 1780; Bauinventar der Gemeinde Wynigen, Teil I, Denkmalpflege + Stelle für Bauern- und Dorfkultur des Kantons Bern, ca. 1988).

Im März 1836 kaufte Niklaus Schärer von der Gemeinde Wynigen eine Matte auf der Neumatte, von ungefähr einer halben Mad Grösse und erbaute darauf bis 1839 (inschriftliche Datierung) einen Riegbau mit Krüppelwalmdach, ein Wohnhaus mit Hafnerei. (Bauinventar der Gemeinde Wynigen, Teil I, Denkmalpflege + Stelle für Bauern- und Dorfkultur des Kantons Bern, ca. 1988). Auch dieses Gebäude, in dem also offenbar Jaokb Schärer lebte und arbeitete, existiert heute noch.

Westliches Gebäude: Wächterhäusli, östliches Gebäude Hafnerhaus (heute Neumattweg 9 und 11).

Vater Niklaus und Sohn Jakob sind  im Zusammenhang mit dem
Bahnbau durch Wynigen aktenkundig. Wegen der Anpassung des Weges beim Bahnübergang Tönihof (auch Tönihaus) kam es 1857 zu einem Landhandel mit der schweizerischen Centralbahn-Gesellschaft, den Jakob Schärer im Namen seines Vaters Niklaus Schärer unterzeichnete (KDII_DIV_SBB79_0709 Wynigen: Immobilienrechtsgeschäfte, Verträge und Pläne, 1856-1920
(Dossier).

Jakob Schärer starb bereits am 12. Mai 1860 (KR Wynigen 24, 75). Seine “erblose Verlassenschaft”  wurde unmittelbar anschliessend versteigert.

Emmenthaler Bote, Nummer 78, 27. September 1860.

Niklaus Schärer, der Zimmermann im Wächterhäusli zu Wynigen verkaufte nach dem Tod seine Sohnes Jakob “DAS VON IHM SELBST NEU AUFGEBAUTE WOHNHAUS MIT HAFNEREI, aussenher Wynigendorf,  … mit dem Recht zum halben Wasser, von dem dabei auslaufenden Brunnen. Dazu das Erdreich, worauf das Gebäude steht, samt dem Garten vor demselben, alles ca. ¼ Jucharte haltend…” unmittelbar an Johann Lüthi, von Lauperswil, als Hafner wohnhaft in Schüpbach bei Signau (Grundbuch Wynigen 16/680).

Die Informationen zu H.F. Lanz, dem Maler der Kachel,  sind äusserst spärlich. Belegen lässt sich dass der uneheliche Heinrich Friedrich Lanz (Sohn des Friedrich Lanz) aus Rütschelen BE bei Langenthal am 20. April 1849 Sophie Geiser, die Tochter von Jakob Geiser aus Langenthal in Lotzwil heiratete (KR Lotzwil 17, 95). Als Beruf wird bei dieser Gelegenheit “Maler zu Langenthal” angegeben. Diese Angabe deckt sich mit der Beschriftung einer Ofenkachel auf einem undatierten Kachelofen des Hafners J.J. Grütter aus Seeberg in einem Haus in Rüdtligen BE (Archiv Schweizerische Bauernhausforschung). Weiterhin signierte Lanz einen Ofen desselben Hafners in Jetzikofen BE (Affolter/Pfister 2013, Abb. 318) und seine Handschrift findet sich auch auf Kacheln der Hafnerei Johann David Staub in Langental BE (Heege 2011, Abb. 74). Aufgrund des Schriftbildes war Lanz wohl auch für die Hafnerei Anderegg in Wangen an der Aare (Mühletaler 1983) tätig.

Alle genealogischen Informationen Andreas Kistler, Bäriswil, und Daniel Dähler, Wynigen.

Bibliographie:

Affolter/Pfister 2013
Heinrich Christoph Affolter/Christoph Pfister, Die Bauernhäuser des Kantons Bern, Bd. 3: Das tiefere Berner Mittelland (Die Bauernhäuser der Schweiz 29), Basel 2013.

Heege 2011
Andreas Heege, Langenthal, St. Urbanstrasse 40–44. Die Hafnerei Staub und ihre Werkstatt, in: Archäologie Bern/Archéologie bernoise. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, 2011, 209-287.

Mühletaler 1983
Hans Mühletaler, Die Hafner Anderegg. Eine Ofenbauer-Dynastie in Wangen an der Aare, in: Jahrbuch des Oberaargaus 26, 1983, 129-158.

 

 

Wyss, Paul (1875–1952), Kunstgewerbelehrer, Bern

 Andreas Heege, Andreas Kistler 2019

Paul Wyss (* 12. Dezember 1875 in Brienz; † 29. April 1952 in Bern) war ein Schweizer Maler, Zeichner, Grafiker und Kunstgewerbelehrer. Sein Lebensmotto war „Wirket, solange es Tag ist“ (Bohneblust 2000).

Sein Vater, Johann Wyss (1844–1887), Sekundarlehrer in Brienz, hatte sich in der Zeit der Hochblüte des Fremdenverkehrs auf das Anlegen von Herbarien mit Alpenblumen als Souvenirs spezialisiert. Der kleine Paul half beim Sammeln der Blumen und entwickelte dabei seine Freude und Beobachtungsgabe an den Pflanzen.

1885 wurde Vater Johann nach Langnau im Emmental in die Redaktion des Emmenthaler–Blattes berufen. Er musste dort seinen Vetter Gottlieb Bracher bei der handschriftlichen Verfassung der Adressen-Verzeichnisse unterstützen. Er legte überall dort, wo auf der Redaktion Not am Mann war, Hand an. Sein Sohn Paul, mittlerweile Sekundarschüler, half ihm dabei nach Kräften. Im Pfarrhaus lernte Paul den kunst- und kulturliebenden Pfarrer Ernst Müller und seine Familie kennen, was in ihm den Wunsch erweckte, Kunstmaler zu werden. Sein Vater aber warnte ihn vor diesem „Hungerberuf“.

So bildete sich Paul Wyss am Seminar Hofwil zum Primarlehrer aus und übernahm anschliessend die Mittelschule Ilfis in Langnau. Er unterrichtete die Langnauer Handwerksschüler im Zeichnen und Gestalten. Dazu bildete er sich weiter und schloss das Sekundarlehrer-Studium nach drei Semestern ab. Anschliessend besuchte er die Kunstgewerbeschule in Strassburg, wo er von dem deutschen Kunstgewerbe-Professor Anton Johann Nepomuk Seder (1850–1916) aus München, einem Wegbereiter des floralen Jugendstils und “Erneuerer der Soufflenheimer Keramik”, gefördert wurde. Seder war dort seit 1890 angestellt und hatte von 1878 bis 1882 auch die Kunstgewerbeschule des Technikums in Winterthur CH geleitet. Seder vertrat das Prinzip: “Im Geiste des Alten Neues zu schaffen”. Seders künstlerisches Schaffen fand unter anderem Ausdruck in Vorlagenbüchern wie “Die Pflanze in Kunst und Gewerbe” (Seder 1886), “Das Thier in der decorativen Kunst” (Seder 1896) sowie weiteren Werken, die sich ausdrücklich an das Kunstgewerbe richteten (Seder 1899, 1900, 1901). “Seder war einer der Theoretiker des frühen Jugendstils. Er gehörte der Generation derer an, die es verstanden, die Imitation des Herkömmlichen durch die Studie der Natur, der Imitation der an Fauna und Flora entliehenen Formen, zu ersetzen … Mit seiner Kombination von Unterricht und Werkstattbetrieb setzte er neue Massstäbe im Kunsthandwerk mit dem Ziel die Distanz zwischen Kunst und Handwerk, Theorie und Praxis, Künstler und Arbeiter aufzuheben. Bereits im Ausbildungsstadium wurden die Forderungen der Jugendstilbewegung nach der Verschmelzung von Kunst und Nützlichem verwirklicht” (Richez 2009,  157 und 163) .

In Strassburg lernte Paul Wyss die unerlässliche Notwendigkeit des Naturstudiums und die von Prof. Seder entwickelten Stilisierungsverfahren zur Entwicklung neuer Dekorationsarten kennen (Ball-Spiess 1987, 114-115; vgl. auch die Laudatio zu seinem 60. Geburtstag in “Die Berner Woche in Wort und Bild : Ein Blatt für heimatliche Art und Kunst, 25, 1935, 947-948). Bald offerierte ihm Seder eine Assistenzstelle. Doch Paul Wyss konnte die Bedingung, Deutscher zu werden, nicht annehmen und zog es vor, wieder nach Bern zurückzukehren, wo er fortan als Zeichenlehrer wirkte. Nach seiner Rückkehr heiratete er (1900) die älteste Tochter Hanna Müller aus dem Langnauer Pfarrershaushalt. Diese schenkte ihm zwei Söhne. Nach ihrem frühen Tod 1906 verheiratete sich Paul Wyss (1909) ein zweites Mal mit Rosa Jenzer, mit der er einen dritten Sohn bekam.

Das Kantonale Gewerbemuseum Bern (gegründet 1869) engagierte Paul Wyss bei seiner Rückkehr von Strassburg im Jahr 1900 als künstlerischen Berater  und Zeichenlehrer/Entwerfer für Kunstgewerbler und Handwerker. In Weiterbildungskursen förderte er ab 1903  vor allem die Töpfer von Heimberg und Steffisburg.

1906 äusserte er sich “Zum Geist des modernen Stils” (Wyss 1906a) und im selben Jahr befasste er sich in einem gedruckten Vortrag mit “Stand, Problemen und Hebung des Töpfergewerbes” (Wyss 1906b).

Die Bemühungen führten schliesslich  im August 1906, trotz ablehnender Haltung der Gemeinde Heimberg, zur Gründung einer Töpfer- und Zeichenschule in Steffisburg, die bis 1921 Bestand haben sollte. Als Lehrer fungierten dort neben Paul Wyss auch der bernische Zeichenlehrer Ferdinand Huttenlocher  und der bernische Keramiker, Zeichner und Grafiker Friedrich Ernst Frank, der ansonsten vor allem für die Manufaktur Wanzenried in Steffisburg arbeitete (vgl. Buchs 1980; Buchs 1988,  69-77).

1908 fasste Oscar Blom, Direktor des Gewerbemuseums in Bern, die Bemühungen um die Verbesserung der Töpferei in der Region Heimberg-Steffisburg noch einmal in einem Rechenschaftsbericht zusammen (Blom 1908). In einer fünfteiligen Artikelserie beschäftigte sich 1908 auch das Tagblatt der Stadt Thun mit der “Töpfereifrage Heimberg-Steffisburg-Thun” basierend auf den Anregungen von Paul Wyss und dem Bericht von Oscar Blom.

Aus der gemeinsamen Arbeit von Wyss und Frank in Steffisburg haben sich die Unterlagen für einen abgehaltenen Zeichenkurs  sowie einige wenige Objektfotos erhalten.

Erste Erfolge der Steffisburger Schule aus dem Jahr 1907 wurden 1908 auch bildlich im Jahresbericht  des Bernischen Gewerbemuseums präsentiert.

Zum Lehrgang in der Töpferschule Steffisburg und den vermittelten grafischen Fähigkeiten äusserte sich Wyss auch in einem Artikel der 1909 in “Blätter für den Zeichen- und gewerblichen Berufsunterricht = Revue suisse de l’enseignement professionnel 34 (1909), Nr.  9, 10, 12 und 18” erschien.

In diesem Artikel findet sich auch ein Bildbeispiel moderner Heimberger Keramik, das die Ziele von Paul Wyss illustrieren soll.

Ab November 1909  bildete Paul Wyss auch in Langnau  die Hafner und Keramikmalerinnen weiter (Zeichenkurs). In einem biographischen Abriss zu seinem 60. Geburtstag wird ausdrücklich darauf verwiesen, dass Hafner aus Langnau, Schüpbach, Grünenmatt und Oberburg an seinen Kursen teilnahmen (Messerli 2017, 93).

Intelligenzblatt der Stadt Bern  16. und 25. August 1910.

Leider werden keine Namen genannt, doch dürfen wir auch aufgrund der späteren Kontakte und Produkte davon ausgehen, dass es sich u.a. um Mitarbeiterinnen, Kinder, Gesellen oder Meister der Töpfereien Gerber in Hasle, Kohler in Schüpbach, Mosimann in Oberburg sowie Röthlisberger, Aegerter und Werthmüller in Langnau gehandelt haben dürfte (vgl. Heege/Kistler 2017, Hafnertabelle).

Geschäftsblatt des oberen Teils des Kantons Bern 57 Num 103  vom 24. Dezember 1910 unter Bezug auf die Weihnachtsausstellung des Gewerbemuseums in Bern.

Die Presse reagierte sehr positiv auf die Ergebnisse seiner Bemühungen und hielt sie den Heimberger Hafnern als Beispiel vor.

Seine Aufmerksamkeit erhielten auch die Schnitzler in Brienz, die Spitzenklöpplerinnen im Lauterbrunnental, Kunstschlosser, Schreiner, Glasmaler und Grafiker. Er erweckte die Oberhasler Handweberei zu neuem Leben und erforschte die vielfältige Entwicklung der Berner Tracht, der er zu neuen Ehren verhalf und mit einer Sammlung von Illustrationen dokumentierte. Bei der Gründung der Bernischen Trachtenvereinigung unter dem Protektorat des Bernischen Heimatschutzes im Jahr 1929 finden wir Paul Wyss dementsprechend auch neben Frau Bühler-Hostettler im Trachtenausschuss.

Für die Schweizerische Landesausstellung von 1914 schuf er eine Künstlerpostkarte und war neben Kunstmaler R. Münger Mitglied des Preisgerichts des Wettbewerbs für Reiseandenken den das Bazarkomitee der Landesausstellung veranstaltet hatte (Schweizerische Metallarbeiter Zeitung 12, Nr. 28, 12. Juli 1913). Ausserdem präsidierte er die Ausstellungsgruppe 23: Keramische und Glasurwaren (Schweizerische Landesausstellung in Bern, Illustriertes Ausstellungsalbum, Bern 1914, 315).

Er schuf für zahlreiche bernische Hafnereien Motivvorlagen für die Bemalung der Geschirre. Erhalten geblieben sind davon zahlreiche Exemplare für die Hafnereien Friedrich Röthlisberger und Adolf Gerber in Langnau (Heege/Kistler 2017, 187–193).

 

Als Soldat blieb Paul Wyss Zeit seines Lebens seinem Emmentaler Bataillon 40 eng verbunden. Die Mobilmachung im 1. Weltkrieg führte ihn mit dem Festungs-Infanteriebataillon 171 auf den Gotthard. Seine Eindrücke und Erlebnisse aus dieser Zeit hat er in verschiedenen Zeichnungen festgehalten, die auch gedruckt vorliegen. Ausserdienstlich war er im Kreise der Militärschützen in Bern auch im Vorstand tätig. Ehrenamtlich betätigte er sich während langer Jahre auch als Kirchgemeinderat der Heiliggeist-Gemeinde und im Rahmen der Gemeindekrankenpflege.

Im Jahr 1918 wurde Paul Wyss ans städtische Gymnasium Bern als Zeichenlehrer gewählt, wo er bis zu seiner Pensionierung unterrichtete. Neben seiner Lehrtätigkeit entstand im Berner Oberland und im Emmental auch ein umfangreiches künstlerisches Werk an Zeichnungen, Aquarellen und Ölbildern, die zum Teil im Alpenhornkalender und in Beilagen zum Emmenthaler-Blatt publiziert wurden. Dabei gehörten die humorvollen Bärenkarrikaturen zu seinen Lieblingsmotiven.

Als Künstler entwarf Paul Wyss Plakate, Vereinsfahnen, Urkunden und vielerlei Illustrationen für Bücher und eigene Publikationen. Besondere Beispiele sind die Illustrationen für die Werke seiner Schwägerin, der bedeutenden Heimatschriftstellerin Elisabeth Müller (1885-1977).

Am 29. April 1952 verstarb Paul Wyss in Bern.

Bibliographie:

Ball-Spiess 1987
Daniela Ball-Spiess, «Wie ist das Kunstgewerbe in der Schweiz zu heben und zu pflegen?» Der Beitrag von Nora Gross (1871–1929) zur ästhetischen Erziehung. Dissertation, Universität Basel, Bern 1987, besonders 114-115.

Blom 1908
Oscar Blom, Die Förderung der Majolika-Industrie in Heimberg-Steffisburg-Thun durch das kantonale Gewerbe-Museum in Bern, in: Jahresbericht pro 1907 des kantonalen Gewerbemuseums Bern, 1908, 1-9.

Bohnenblust 2000
Emil O. Bohnenblust, Der Berner Paul Wyss – sein Leben und Werk. Erinnerungen an einen gütigen Menschen und grossen Maler. Bärner Brattig, 2000, Nr. 4, S. 7 und 9.

Buchs 1980
Hermann Buchs, Die Thuner Majolika des Johannes Wanzenried und des Zeichners Friedrich Ernst Frank, in: Jahresbericht Historisches Museum Schloss Thun, 1980, 5-43.

Buchs 1988
Hermann Buchs, Vom Heimberger Geschirr zur Thuner Majolika, Thun 1988.

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik
von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017, besonders  87-95.

Richez 2009
Jean-Claude Richez, Städtische Kunstgewerbeschule Straßburg (1889–1914). Wegbereiter des Jugendstils oder Prüfstand der Moderne im Elsass, in: Dorothee Kühnel/Joanna Flawia Figiel/Elisabeth Gurock, Jugenstil am Oberrhein, Karlsruhe 2009, 154-163.

Seder 1886
Anton Seder, Die Pflanze in Kunst und Gewerbe, Wien 1886.

Seder 1899
Anton Seder, Kunstgewerbliches Skizzenbuch für Metall-Glas-Industrie und Keramik, Stuttgart 1899.

Seder 1900
Anton Seder, Die Kunstgewerbeschule Strassburg i. Elsass und ihre Entwicklung : Vorlagen für das Kunstgewerbe, Strassburg i. Elsass 1900.

Seder 1901
Anton Seder, Neue Bestrebungen im Zeichenunterricht, Straussberg 1901.

Wyss 1906a
Paul Wyss, Der Geist des modernen Stiles mit spezieller Berücksichtigung der Holzschnitzerei, in: Jahresbericht für das Jahr 1905 des Kantonalen Gewerbemuseums Bern 37, 1906, 40-46.

Wyss 1906b
Paul Wyss, Stand, Probleme und Hebung des Töpfergewerbes, Vortrag von Herrn P. Wyss, Zeichner am Gewerbemuseum Bern (Umschlag: Nach dem Vortrage von Hrn. P. Wyss … in Bern niedergeschrieben von Hermann Röthlisberger, Sel.-Lehrer in Steffisburg, No. 14-19 Oberländer Volksfreund Jhrg. 1 (Hrsg.), Steffisburg 1906.

Nachruf im Emmenthaler-Blatt vom 5. Mai 1952

Yverdon VD, «Weisses Geschirr» und Fayencefabrik Rieff (1811–1847)

Keramik aus Yverdon (Museum der Kulturen Basel,  VI-59212)?

Roland Blaettler 2019

1765 führte der Berner Handelsrat eine detaillierte Untersuchung über die Herstellung von Kochgeschirr im Waadtland durch, um einem Gesuch der Bernischen Töpfer nachzukommen, die sich über die negativen Auswirkungen einer massiven Einfuhr dieser Spezialität beschwerten (zitiert und kommentiert nach Schwab 1921, 23–25). Die Ergebnisse der Untersuchung, die nicht nur die Kategorie des Kochgeschirrs betrafen und letztlich ein recht vollständiges Bild der waadtländischen Keramikproduktion vermittelten, zeigten, dass es in der Stadt Yverdon und ihrer Umgebung damals nicht weniger als sieben Töpfer gab – die höchste Konzentration in der Waadt, wie Catherine Kulling (Kulling 2001, 33) betont – und dass diese hauptsächlich «weisses Geschirr» herstellten. Was das eigentliche Kochgeschirr (d.h. Gefässe aus feuerfestem Ton) betraf, so erklärten die einheimischen Handwerker, dass sie mit den importierten Produkten nicht konkurrieren könnten.

Im Rahmen ihrer Grundlagenforschung über Waadtländer Kachelöfen des 18. Jahrhunderts befasste sich Catherine Kulling natürlich auch mit den in Yverdon tätigen Ofenbauern, insbesondere mit Jean-Albert Pavid (1710–1778) und Jacob Ingold (um 1742–1816), die zu den produktivsten und bemerkenswertesten Spezialisten ihres Berufsstands im Waadtland zählten (Kulling 2001, 26–105). Was die auf die Herstellung von Geschirr spezialisierten Töpfer betraf, griff sie die bereits von Schwab (Schwab 1921, 25) aufgestellte Hypothese auf, wonach sie vor allem die Fayence-Technik angewendet hätten. Um diese Sicht zu untermauern, stützte sie sich nicht nur auf die Berner Untersuchung, sondern auch auf ein Dokument, das sie im Gemeindearchiv von Yverdon gefunden hatte: In diesem Schreiben aus dem Jahr 1752 ersuchen die örtlichen Töpfer den Stadtrat um den Bau einer Mühle, «um Glasurfarben zu mahlen, die sie benötigen für die Herstellung ihrer Töpferwaren, einer Art Fayence» (Kulling 2001, 32).

Aus unserer Sicht nehmen wir diesen Text wörtlich: Die Töpfer sprachen von «einer Art Fayence» im Sinne einer Ähnlichkeit der Produkte, aber ohne Anwendung der erforderlichen Technik. Unserer Meinung nach war das «weisse Geschirr», das 1765 als Spezialität aus Yverdon auftauchte, zumindest überwiegend weiss engobierte Irdenware, manchmal verfeinert mit Unterglasur-Pinseldekor. Sozusagen eine raffiniertere Variante von engobiertem Ton, im Vergleich zum herkömmlichen Gebrauchsgeschirr. Diese Art der Herstellung nutzte zwar eine Technologie, die in unseren Regionen schon lange etabliert war (insbesondere bei der Herstellung von Öfen), ermöglichte es aber auch, sich dem visuellen Effekt der blei-zinnglasierten Fayencen anzunähern, deren Herstellung jedoch teurer war und ein anderes Fachwissen voraussetzte. In einigen Fällen ist es sogar recht schwierig, die beiden Keramikarten auf makroskopischer Ebene zu unterscheiden. Die einzigen bisher eindeutig identifizierten regionalen Beispiele dieses Typs Geschirr sind Werke des Töpfers Laurent Biétry (1743–1809) in Cheyres VD, etwa zwölf Kilometer von Yverdon entfernt. Das Landesmuseum Zürich besitzt zwei signierte und 1795 datierte Platten SNM LM-6212 und SNM LM-23403). Eine dritte Platte ohne Datum und Signatur wird im Musée Ariana in Genf aufbewahrt (MAG R 0136).

Im Rahmen unserer Inventarisierungsarbeit konnten wir in den Kantonen Neuenburg und Waadt mehrere Beispiele für weiss engobierte mit Pinseldekor verzierte Irdenware finden, die offensichtlich weder der deutschschweizerischen noch einer ausländischen Tradition zuzuordnen sind; einige von ihnen könnten durchaus zu diesem «weissen Geschirr» aus Yverdon gehören:

MAHN AA 1798; MAHN AA 1847; MAHN AA 1850; MAHN AA 1858; MAHN AA 2189; MAHN AA 2090; MM 2010; MPE 483; MAF No 1; MHL AA.46.B.36.

  

Das Musée Ariana bewahrt ebenfalls verschiedene Objekte, die in diesen vorläufigen Korpus aufgenommen werden könnten: MAG AR 11659MAG G 0161MAG R 0203, und auch folgende Beispiele würden unseres Erachtens in die Gruppe passen: MAG R 0146, MAG R 0202, MAG R 0205, MAG R 0206,  FWMC C.1963-1928, MKW 382, SfGB 44, SMT 9641, SMT 9651, MKB HM-1888.0148.01, MKB VI-59211, MKB VI-59212.

Echte, unverfälschte Fayencen (eine mit einer weissen, opaken Glasur auf Zinnbasis überzogene Irdenware) wurden zwar in Yverdon hergestellt, aber vor allem im Bereich des Ofenbaus, wie beispielsweise die Arbeiten von Jacob Ingold belegen. Im Bereich des Geschirrs hingegen kennen wir nur ein einziges Beispiel aus Fayence, das einer Werkstatt in Yverdon zugeschrieben werden kann: ein Rasierbecken mit Schäfermotiv aus dem Jahr 1781, verziert mit Scharffeuermalerei und signiert von der Hand von Jacob Ingold (SNM LM-23699 – Lissabon 1998, Nr. 96; Kulling 2001, Abb. 323). Es ist nicht auszuschliessen, dass Ingold neben seiner Arbeit als Hafner auch Gefässe anfertigte, aber es ist auch möglich, dass das berühmte Rasierbecken in seiner Arbeit eher eine Ausnahme bildete und eine vergleichsweise aussergewöhnliche Anfertigung war.

Wie dem auch sei, die Technik der blei-zinnglasierten Fayence war in Yverdon gut bekannt, wie eine Anzeige in der Feuille d’Yverdon vom 3. Januar 1795 (S. 1) beweist, in der wir erfahren, dass ein gewisser Herr Simond, Goldschmiedehändler, «eine Partie feinen, englischen Zinns, geeignet für den Gebrauch der Giesser oder Glasierer in der Töpferproduktion» zum Verkauf anbot.

1791 schlug der Töpfer Jean-François Ecoffey den Behörden vor, auf dem Gebiet der Gemeinde eine «Fayencefabrik» zu errichten. Die Stadt war offensichtlich an den positiven Auswirkungen interessiert, die von dieser neuen Infrastruktur zu erwarten waren, und erwarb bald darauf ein Grundstück am Chemin du Cimetière im Vorort Notre-Dame, wo die Einrichtung 1792 fertiggestellt wurde. Ecoffey war der erste Mieter und blieb es bis zu seiner Entlassung im Jahr 1796 (Kulling 2001, 33). Offenbar entsprach Ecoffeys Tätigkeit nicht den Erwartungen: In den Diskussionen über einen möglichen Verkauf des Ateliers im Jahr 1809 stellte die Stadtverwaltung fest, dass «dieses Gebäude seit seiner Gründung für die Öffentlichkeit eher kostspielig als gewinnbringend war» (Deonna 1937, Fussnote 5). Hatte Ecoffey überhaupt echte Fayence hergestellt? Mehrere Jahre lang suchten die Behörden vergeblich nach einem neuen Mieter, der in der Lage war, ihre Fayencefabrik zu betreiben.

Die Fayencemanufaktur Rieff, 1811–1847

Nachdem er von der Gelegenheit erfahren hatte, meldete sich François Rieff (1767–1838), ein aus Poppelsdorf (heute ein Stadtteil von Bonn in Nordrhein-Westfalen) stammender Fayencehersteller, Anfang 1809 bei den Behörden in Yverdon mit der Absicht, «das Haus und den Garten der Fayencefabrik» zu kaufen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Rieff seine Ausbildung in der 1755 in Poppelsdorf gegründeten Fayence-Manufaktur absolviert hatte. Catherine Kulling konnte feststellen, dass er vor seiner Ankunft in Yverdon mehrere Jahre in Nyon verbracht hatte (Kulling 2001, 33, Fussnote 56). Hatte er wohl in der Fayencefabrik der Baylon gearbeitet? Unabhängig von Rieffs genauem Werdegang ging die Stadtverwaltung ohne grosses Zögern auf das Angebot ein, da sie insbesondere der Ansicht war, dass «die Art von Industrie, die dieser Bürger hierher bringen würde, nützlich und vorteilhaft wäre». Lässt die Formulierung dieses Arguments nicht vermuten, dass die Herstellung von Geschirr aus Fayence für Yverdon eher eine Neuheit war? Die Genehmigung der Kantonsregierung liess fast zwei Jahre auf sich warten, und erst im Februar 1811 konnte der Verkauf endlich abgeschlossen werden (Deonna 1937, Fussnoten 5 und 6).

Unter der Leitung des neuen Besitzers schien die Fayencefabrik aufzublühen. 1819 wurde François Rieff zusammen mit seiner Frau Jeanne, geborene Charbonnet, und ihren drei Kindern, zwei Jungen und einem Mädchen, als Bürger von Yverdon aufgenommen. In ihrer Begründung hob die Stadtverwaltung das «aktive, arbeitsame und geregelte» Verhalten des Kandidaten hervor sowie «die Art nützlicher Industrie, die er ausübt» (Deonna 1937, Fussnote 7). Einer der Söhne von François, Charles-Abraham (1795–1869), der Françoise Henriette Roulet (gest. 1872) heiratete, erschien in den Gemeindebüchern ebenfalls als Fayencehersteller (Deonna 1937, Fussnote 8). Von seinem Bruder Joseph, der mit Peytignet (?) verschwägert war, wissen wir nicht, wann er gelebt hat, aber wir nehmen an, dass er der Älteste war. Bis anhin wussten wir nur, dass er nach Amerika, nicht weit von New York, ausgewandert war (Crottet 1859, 644).

Unsere Recherchen in der Lokalpresse lieferten einige zusätzliche Informationen über diese Persönlichkeiten und über die Aktivitäten der Fayencefabrik von François Rieff. Im Jahr 1826 veröffentlichte er mehrmals eine Anzeige, in der er bekanntmachte, dass er «Öfen für ‹chauffe-pances› [sic] und alle Arten von Öfen herstelle [… und dass er] sich auch hinbegeben werde, um Öfen zu flicken». Man fände bei ihm wie früher sowohl ein komplettes Sortiment an Fayencegeschirr als auch an gutem Kochgeschirr» (z. B. in der Feuille d’avis d’Yverdon vom 1. Juli 1826, 2). Zu den von Rieff erwähnten «chauffe-panse»: Dieses Wort bezeichnete damals eine eher kleine offene Kaminfeuerstelle in einem Zimmer. Der Begriff ist in Frankreich und anderen Teilen der Romandie belegt, auch wenn Emmanuel Develey darin einen waadtländischen Ausdruck sah, den er im Übrigen als «lächerlich» bezeichnete (Develey 1824, 23). Man kann also davon ausgehen, dass es sich bei den von unserem Fayencehersteller angebotenen Öfen um relativ kleine, eventuell tragbare Geräte handelte, die insbesondere dazu bestimmt waren, in offene Kaminfeuerstellen eingesetzt zu werden, um eine offene Feuerstelle durch ein praktischeres, effizienteres und sichereres Heizsystem zu ersetzen.

Einige Jahre später gab Joseph Rieff ebenfalls eine Anzeige auf, in der er sich als «Ofenbauer, derzeit auf eigene Rechnung arbeitend» bezeichnete. Darin bot er seine Dienste für die Herstellung oder den Zusammenbau von Öfen an. Er wohnte damals bei seiner Schwiegermutter auf dem Platz, im Haus von Herrn Bourgeois (Feuille d’avis d’Yverdon vom 19. September 1829, 2). Daraus geht hervor, dass auch Joseph das Handwerk erlernt hatte, möglicherweise in der väterlichen Werkstatt, bevor er sich um 1829 selbstständig machte. Im folgenden Jahr erfährt man, dass er das Geschäft von Jacob Mébold übernommen habe, «bestehend aus Lebensmitteln, Fleischwaren, Berner Mehl, Grietz, Ulmer Gerste und anderen Artikeln, die nicht alle im Detail aufgeführt werden können». Joseph verkaufte auch «ein Sortiment an Kochgeschirr und mehr […] Er teilt auch mit, dass er das Erdgeschoss des Hauses der Erbengemeinschaft Benoit in der Rue du Milieu belegen wird und weiterhin Kachelöfen produziere und flicke (Feuille d’avis d’Yverdon vom 12. Juni 1830, 2). Einige Monate später verkündet Joseph Rieff, «Kolonialwarenhändler», dass er zusätzlich zu den üblichen Lebensmitteln soeben «ein Sortiment von weissem Steingut (terre de pipe) aus Carouge» erhalten habe und dass er «eine gute Auswahl an Kochgeschirr, aus Thun und von anderen Orten anbieten könne».Von seiner Tätigkeit als Hafner hingegen ist nicht mehr die Rede (Feuille d’avis d’Yverdon vom 18. September 1830, 2).

Sein Bruder Charles arbeitete – wie mehrere signierte Objekte belegen – an der Seite seines Vaters, wahrscheinlich bis zu dessen Tod im Jahr 1838. In einem kurzen Artikel aus dem Jahr 1937 wirft Waldemar Deonna die Frage auf, ob das Unternehmen nach dem Tod von François wohl geschlossen wurde, doch heute wissen wir, dass dies nicht der Fall war. Offenbar wurde es von einem seiner Söhne weitergeführt. Nicht von Charles, wie man hätte erwarten können, sondern von Joseph. In einer Anzeige aus dem Jahr 1844 wird die Wohnung im ersten Stock der Fayencefabrik zur Miete angeboten. Interessenten werden gebeten, sich an Joseph Rieff, den «Eigentümer», zu wenden (Feuille d’avis d’Yverdon vom 16. November 1844, 4).

Es ist wahrscheinlich, dass Joseph die Herstellung seiner keramischen Produkte in der ehemaligen väterlichen Fayencefabrik fortsetzte. In Anzeigen aus dem Jahr 1840 heisst es: «Joseph Rieff, Fayencefabrikant, der in der Lage ist, alle Arten von Kochgeschirr und andere Töpferwaren herzustellen, die man ab jetzt bei ihm im Gross- und Einzelhandel erwerben kann; er stellt weiterhin wie früher tragbare Öfen aus Ziegelstein usw. her». (Feuille d’avis d’Yverdon vom 22. Februar 1840, 1). Verwirrend war, dass zur gleichen Zeit ein gewisser Henri Rieff, der ebenfalls als «Fayencier» bezeichnet wurde, sehr ähnliche Anzeigen schaltete: «Bei H. Rieff findet man ein Sortiment an Kochgeschirr sowie andere Töpferwaren, en gros oder im Detailhandel; wie früher stelle er weiterhin tragbare und andere Öfen her. Er werde sein Möglichstes tun, um die Personen zufriedenzustellen, die ihn mit ihrem Vertrauen ehren wollen» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 1. Februar 1840, 1–2). Einen Monat später bezeichnete sich Henri genauer als «Fayencehersteller im Faubourg de Notre-Dame» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 28. März 1840, 2). Henri war wahrscheinlich ein Sohn von Joseph, der genau die gleichen Dienstleistungen wie dieser und in den gleichen Räumlichkeiten anbot. War der Vater dabei, ihm den Weg zu ebnen, damit er sich aus dem Geschäft zurückziehen konnte?

Durch die Anzeigen im Feuille d’avis, die sich oft auf die Vermietung der einen oder anderen Wohnung im Gebäude der Fayencefabrik beziehen, ist Josephs Anwesenheit in Yverdon mindestens bis Oktober 1845 belegt. In der Ausgabe vom 10. Oktober (S. 2) wird ein «Kachelofen» zum Kauf angeboten, Interessenten werden aufgefordert, sich bei Joseph Rieff in der Fayencefabrik zu melden. Nach diesem Datum wird bis zum Frühjahr 1847 durchgängig Henri als Kontaktperson für die Fayencefabrik genannt (Feuille d’avis d’Yverdon vom 17. April 1847, 4). In der Folge verschwand auch Henri von der Bildfläche: War er zu seinem Vater auf die andere Seite des Atlantiks gezogen?

Aufgrund der obigen Ausführungen ist anzunehmen, dass Joseph zwischen Winter 1845 und den ersten Monaten des Jahres 1846 nach Nordamerika ausgewandert ist. Er liess sich in Carthage (im heutigen Bundesstaat New York?) nieder, wo er offenbar ein neues Töpferunternehmen eröffnete. Dies geht zumindest aus einer Anzeige hervor, die in der Feuille d’avis d’ Yverdon vom 15. April 1848 (S. 3) erschien: «Wir suchen für ein Töpferunternehmen in Carthage in Nordamerika 2 oder 3 gute Dreher. Die Reisekosten werden erstattet, wenn Sie sich für eine gewisse Zeit verpflichten. Bitte wenden Sie sich an Charles Rieff-Roulet, La Plaine in Yverdon».

Nach Henris Weggang war es nun sein Bruder Charles, der Josephs Interessen in Yverdon vertrat. Charles Rieff-Roulet hatte nach dem Tod seines Vaters den Beruf gewechselt, wie aus einer Anzeige hervorgeht, die Anfang Oktober 1840 erschien: «Charles Rieff-Roulet hat die Ehre, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass man in seinem Geschäft, dem Haus von Herrn Ellenberger in der Plaine, gemeinhin Fegebürsten und -tücher verschiedener Grössen im Gross- und Einzelhandel, ein schönes Sortiment an Pfeifen, viele Gegenstände und alle Arten von Lebensmitteln finden wird […]» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 3. Oktober 1840, 1).

Im Juni 1847 – nach Henris mutmasslichem Weggang – werden die verschiedenen Wohnungen im Gebäude der Fayencefabrik zur Vermietung angeboten, insbesondere «Eine Wohnung im Erdgeschoss […] Man vermiete zusätzlich zu dieser Unterkunft alles Zubehör und die nötigen Werkzeuge für die Anfertigung von Kachelöfen oder Öfen, eine Mühle zum Mahlen von Glasuren und das Recht auf Abbau von etwa 30 Wagenladungen Ton jährlich aus einem Landstück von Joseph Rieff zur Betreibung der Fabrik. Zur Besichtigung melde man sich bei Ch. Rieff-Roulet, in der Plaine» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 3. Juni 1847, 4). Daraus geht hervor, dass Joseph immer noch der Besitzer der Fayencefabrik war. Wurde die Werkstatt später weiterbetrieben? Das ist derzeit nicht bekannt.

Erwiesen ist hingegen, dass das Gebäude und seine Nebengebäude im Oktober 1849 zum Verkauf angeboten wurden: «Der Bevollmächtigte von Joseph Rieff, der sich zurzeit in Amerika aufhält, wird am Montag, den 22. Oktober […], die in Yverdon gelegenen und unter dem Namen Fayencefabrik bekannten Gebäude sowie ein 244 Klafter grosses Feld bei Montagny, mit dem Namen à la Malirausaz, zum Verkauf anbieten und öffentlich versteigern. Es gibt noch eine grosse Anzahl an Töpferwaren, die in den Gebäuden der Fayencefabrik gelagert sind und die zu einem niedrigen Preis verkauft werden sollen. Wenden Sie sich an Herrn Charles Rieff-Roulet oder an den Notar Correvon-Pavid in Yverdon» (Feuille d’avis d’Yverdon vom 13. Oktober 1849, 1).

Damit endet die Geschichte der Fayencefabrik, die 1811 von François Rieff übernommen (oder sogar initiiert?) wurde. Dieser betrieb sie gemeinsam mit seinem Sohn Charles bis zu seinem Tod im Jahr 1838. Das Unternehmen wurde unter der Leitung seines zweiten Sohnes Joseph fortgeführt, der zuvor eine eigene Werkstatt in Yverdon betrieben hatte. Joseph schloss sich aller Wahrscheinlichkeit nach mit seinem Sohn Henri zusammen, bevor er Ende 1845 oder in den ersten Monaten des Jahres 1846 nach Amerika auswanderte. Henri blieb zumindest bis April 1847 allein in der Fayencefabrik. Danach taucht sein Name nicht mehr in den Presseberichten über das Gebäude auf; es ist möglich, dass Henri zu seinem Vater nach Amerika ausgewandert ist. Das Gebäude, einschliesslich der «Fabrik», wurde ab Juni 1847 zur Vermietung angeboten und im Oktober 1849 verkauft.

Auch wenn sich die Tätigkeit der Firma über mehr als 35 Jahre erstreckte, kennen wir bis heute nur wenige Gegenstände, die der Rieff-Werkstatt zugeschrieben werden können; ausserdem beziehen sich alle diese wertvollen Zeugnisse nur auf die Ära von François Rieff, also hauptsächlich auf die Jahre 1825–1834.

Die am häufigsten in den Zeitungsanzeigen erwähnten Produkte sind Öfen und Kachelöfen. Das Museum von Yverdon bewahrt insbesondere eine Ofenkachel mit einem mehrfarbigen Dekor in Scharffeuermalerei (Blau, Violett-Schwarz, Grün, Violett und Braun) auf, signiert und datiert mit «Rieff d’Yverdon AN 1830» (MY EPM.C.1)

Das Nationalmuseum in Zürich besitzt eine Frieskachel mit einem polychromen Dekor aus Blumen, belaubten Zweigen und einem Herzmotiv, signiert und datiert «François Rieff 1811» (SNM LM-50507 – Jahresbericht, vol. 81, 1972, 58).

Es ist anzunehmen, dass viele Öfen und insbesondere die tragbaren Öfen (im Speziellen die «Öfen für chauffe-panse») wahrscheinlich keine Verzierungen trugen.

Was das von den Rieffs hergestellte Fayencegeschirr betrifft, so bewahrt das Musée Ariana in seinen Beständen eine ovale Schale mit fassoniertem Rand auf, 510 mm breit und 252 mm tief, auf der Rückseite ist sie mit «Cs. Rieff d’Yverdon / 1834» signiert (MAG AR 00947 – Deonna 1937, Abb. S. 367). Der Spiegel der Schale ist mit einem grossen Fisch (einem Hecht?) von eher naiver Machart verziert und die Fahne zeigt einen gewundenen Kranz aus Blättern und kleinen Blumen, die aus drei Punkten gebildet werden; der Dekor einfarbig violett gehalten in Scharffeuer-Bemalung.

In den Beständen des Museums von Yverdon befindet sich ein Objekt, dessen Funktion noch immer rätselhaft ist: ein Gefäss in Form eines elliptischen Zylinders, das offenbar unvollständig ist; der obere Teil fehlt offensichtlich (MY EPM.Dom.1). Das Innere des Gefässes ist in zwei Kammern unterteilt, von denen eine sogar zwei Ebenen aufweist. Die Verzierung des Objekts – und auch seine Form – erinnern an einen Miniaturofen. Handelt es sich um ein Modell eines Ofens oder um ein Tintenfass? Die Frage bleibt offen. Das Gefäss trägt eine doppelte Marke: Im Inneren steht «Charles Rieff / Fayencier / 1830», während der Boden des Objekts die Marke des «Patrons» aufweist: «Fabrique de Françoi Rieff / Fayencier».

Ansonsten kennen wir vor allem einen Gefässtyp, der offenbar eine Spezialität von François Rieff war: leicht gebauchte bis längliche Flaschen mit kurzem Hals und hohem Henkel, die stark an die Westerwalder Flaschen aus Steinzeug erinnern, die zur Abfüllung von Mineralwasser verwendet wurden und ab Ende des 17. Jahrhunderts in grossem Umfang in die Schweiz importiert wurden (z. B. MHV 2898-2; MHL AA.46.E.2; MHL AA.46.E.3 – siehe auch Heege 2009, 57–75). Die Flaschen aus Yverdon sind fast alle zwischen 1824 und 1834 datiert, und die meisten tragen die Initialen des Empfängers. Im häufigsten Fall ist der Dekor in violettbrauner Farbe gehalten und beschränkt sich auf die Initialen und das Datum, unterstrichen von zwei stilisierten, sich kreuzenden Blätterzweigen (MY EPM.Alim.18; MY Nr. 2; MY Nr. 1). Manchmal fehlen die Initialen und machen Platz für ein aufwendigeres Motiv wie das Kantonswappen (MY EPM.Alim.16) oder das Gemeindewappen (MY EPM.Alim.19). Die reduzierte Form des Dekors ist auch in einer mehrfarbigen Version auf einer Flasche aus dem Jahr 1825 zu finden (MY EPM.Alim.17).

Das Musée d’art et d’histoire von Neuenburg bewahrt ein Exemplar – ebenfalls 1825 datiert – mit einem besonders reichen polychromen Dekor, der aus dem Kantonswappen mit Initialen und gekreuzten Zweigen besteht. Um den aussergewöhnlichen Charakter dieser Arbeit hervorzuheben, hat Rieff seine Marke «Charles Rieff d’Yverdon» auf der Rückseite des Gefässes platziert (MAHN AA 2173).

Die Frage nach der genauen Funktion der von François und Charles Rieff hergestellten Flaschen bleibt offen: Waren sie für die Abfüllung von Wein, Schnaps oder Mineralwasser bestimmt? Die beiden Beispiele MY No. 1 und MY No. 2 tragen dieselben Initialen, aber unterschiedliche Daten: Man ist versucht, die Initialen einem Winzer oder Schnapsbrenner zuzuordnen und die Daten als Jahrgänge zu interpretieren. Als die beiden Objekte durch eine Schenkung in die Sammlung gelangten, waren sie von einem Zettel begleitet, auf dem stand, dass sie von Paul Wüst in Morges (1898 bis um 1990) stammten, der mehrere Dutzend dieser Flaschen besessen haben soll. Dem ehemaligen Besitzer zufolge waren die Flaschen als Weinflaschen verwendet worden.

Über die Produktion von François Rieffs Nachfolgern, seinem Sohn Joseph und seinem vermutlichen Enkel Henri, wissen wir insbesondere, dass sie Öfen und wahrscheinlich auch Kachelöfen umfasste. Die Tatsache, dass in der Anzeige, die anlässlich des Verkaufs der Fayencefabrik im Jahr 1849 erschien, von «einer grossen Anzahl von Töpferwaren, die in den Gebäuden der Fayencefabrik deponiert sind und die man zu einem niedrigen Preis abtreten würde» die Rede war, lässt uns vermuten, dass die Herstellung von Geschirr nach dem Tod des Vaters im Jahr 1838 nicht völlig aufgegeben wurde.

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

La presse vaudoise, consultée sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne

 Bibliographie:

Crottet 1859
A. Crottet, Histoire et annales de la Ville d’Yverdon depuis les temps les plus reculés jusqu’à l’année 1845. Genève 1859.

Deonna 1937/3
Waldemar Deonna, «Faïencerie d’Yverdon». Revue historique vaudoise 45, 365-370.

Develey 1824
Emmanuel Develey, Observations sur le langage du Pays de Vaud, seconde édition. Lausanne 1824.

Heege 2009
Andreas Heege, Steinzeug in der Schweiz (14.–20. Jh.). Ein Überblick über die Funde im Kanton Bern und den Stand der Forschung zu deutschem, französischem und englischem Steinzeug in der Schweiz. Bern 2009.

Kulling 2001
Catherine Kulling, Poêles en catelles du Pays de Vaud, confort et prestige. Les principaux centres de fabrication au XVIIIe siècle. Lausanne 2001.

Lisbonne 1998
Cerâmica da Suíça do Renascimento aos nossos dias. Ceramics from Switzerland, from Renaissance until the Present. Cat. d’exposition, Museu Nacional do Azulejo, Lisbonne, 23 juillet-4 octobre 1998.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie. Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7. Weinfelden/Konstanz 1921.

Zell am Harmersbach, Baden-Württemberg, Deutschland

Bild der Oberen Fabrik in Zell, aus einer Preisliste von Carl Schaaf (1874-1907).

Objekte in CERAMICA CH

Andreas Heege 2024

Wichtige Konkurrenten der schweizerischen Fayence- und Steingutproduktion waren verschiedene südwestdeutsche Manufakturen. Diese hatten angesichts der unzureichenden schweizerischen Produktionsverhältnisse, zumindest in der Deutschschweiz in den 1820er- bis 1840er-Jahren so etwas wie ein «Monopol», stand ihren Produkten doch wohl nur eine begrenzte lokale Herstellung gegenüber.

Teller von Zell am Harmersbach mit Motiv Schloss Chillon

Es handelt sich um die badischen Manufakturen Zell am Harmersbach (ab 1794, wechselnde Besitzer), Hornberg (1817–1912, heute Duravit Sanitärkeramik) sowie das württembergische Schramberg (1820–1882, ab 1829 unter Uechtritz & Faist firmierend, 1883–1911 Villeroy & Boch, ab 1912 Schramberger Majolika Fabrik) und zahlreiche weitere kleine Produktionsorte im süddeutschen Raum (Zu den genannten Produktionsorten: Kybalová 1990, 121–126; Simmermacher 2002; Kronberger-Frentzen 1964; Schüly 2000. Zu Hornberg vgl. auch: Hitzfeld 1970. Zu Schramberg: Waller 1872, 109–111; Singer 1918, 45–47; Preger 1977; Heege 2013. Schramberg unter Villeroy und Boch: Thomas 1976, 42–43; Thomas 1977, 29. Vgl. auch: www.porcelainmarksandmore.com). Die teilweise wohl überragende Konkurrenz spiegelt sich auch in den Berichten zu den bernischen Industriemessen von 1848 bzw. 1857 (Frei 1951; Frei 1952).

Die wichtigsten Steingutmanufakturen nördlich der Schweiz (nach Brandl  1993, 22 verändert).

Zu Zell am Harmersbach gibt es  bis heute  zahlreiche Publikationen zur Firmengeschichte  und den Produkten (Kronberger-Frentzen  1964, 31-50; Spindler 2005; Baumgärtner 1989; Heisch 1999; Simmermacher 2002, 62-81). Die umfassendste Zusammenstellung bietet jetzt: Riehle/Riehle 2021 und die Homepage www.cellaceramica.de.

Die inhaltlichen und chronologischen Informationen in

www.porcelainmarksandmore.com und 

www.porcelainmarksandmore.com

bedürften einer archivalischen Überprüfung und Präzisierung.

Fabrikperioden,  1. Zeller Steingutfabrik (Daten nach Baumgärtner 1989)

Zeller Fayencefabrik Joseph Anton Burger (ab 1794), Kompagnons Jakob Ferdinand Lenz ab 1802-1828 (ab 1819 Alleininhaber); Georg Schnitzler und David Knoderer, 1805-1809.
Zeller Steingut- und Porzellanfabrik Jakob Ferdinand Lenz (ab 1829) unter den Neffen Gottfried Ferdinand Lenz (ab 1860 Alleininhaber) und Wilhelm Schnitzler
Zeller Steingut- und Porzellanfabrik Jakob Ferdinand Lenz, Nachfolger (Besitzer Bruno Prössel, 1869-1874, dann Zwangsversteigerung)
Zeller Steingut- und Porzellanfabrik C. Schaaff (1874 bis 1907)
1907 Integration in Steingut- und Porzellanfabrik Georg Schmider

Fabrikperioden 2. Zeller Steingutfabrik

Zweite Zeller Steingut- und Porzellanfabrik (1859 bis 1897)
Steingut- und Porzellanfabrik Georg Schmider (1897 bis 1898)
Vereinigte Zeller Fabriken Georg Schmider (1898 bis 1990) – Inkorporation von Schaible & Co. (gegründet 1859) und Haager, Hoerth & Co. (gegründet 1873, als Keramikfabrik ab 1864 in Betrieb)
Zeller Keramik G.m.b.H. (1990 bis 1997)
Zeller Keramik Geschwister Hillebrand G.m.b.H. (1997 bis  2006)
Zeller Keramik Betriebs-GmbH (2006  bis 2023, Insolvenz)

Bibliographie:

Baumgärtner 1989
Iris Baumgärtner, Zeller Keramik seit 1794: Ausstellung “Zeller Keramik” zum 850jährigen Stadtjubiläum, 7. Mai – 17. September 1989, Zell 1989.

Brandl 1993
Andrea Brandl, Aschacher Steingut. Die Steingutfabrik (1829-1861) des Schweinfurter Industriellen Wilhelm Sattler (Schweinfurter Museumsschriften 55), Schweinfurt 1993.

Bühler/Schmidt 1967
Carl Bühler/Eckhard Schmidt, Vom Steingut Geschirr zur Sanitär Keramik. 150 Jahre im Dienste der Keramik, Hornberg 1967.

Frei 1951
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil I, in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 20, 1951, 4-7.

Frei 1952
Karl Frei, Die Keramik an den schweizerischen Industrie- und Gewerbeausstellungen in Bern 1848 und 1857, Teil II., in: Freunde der Schweizer Keramik, Mitteilungsblatt 21, 1952, 3-6.

Heege 2013
Andreas Heege, Ein unbekanntes Musterbuch der ersten königlich württembergischen Steingutmanufaktur Schramberg (Uechtritz&Faist) aus der Zeit nach 1855 in: Harald Siebenmorgen, Blick nach Westen. Keramik in Baden und im Elsass. 45. Internationales Symposium Keramikforschung Badisches Landesmuseum Karlsruhe 24.8.-28.9.2012, Karlsruhe 2013, 107-115.

Heisch 1999
Josef Heisch, Chronik der Keramikfabrik Georg Schmider, Zell a.H. 1999.

Hitzfeld 1970
Karlleopold Hitzfeld, Hornberg an der Schwarzwaldbahn. Vergangenheit und Gegenwart der Stadt des Hornberger Schiessens, Hornberg 1970.

Kronberger-Frentzen 1964
Hanna Kronberger-Frentzen, Altes Bildergeschirr. Bilderdruck auf Steingut aus süddeutschen und saarländischcen Manufakturen, Tübingen 1964.

Kybalová 1990
Jana Kybalová, Steingut, Prag 1990.

Preger 1977
Max Preger, Schramberger Bildergeschirr, in: Schwäbische Heimat, 1977, Heft 4, 311-319.

Riehle/Riehle 2021
Fritz Riehle/Hildegard Riehle, Zierkeramik aus Zell am Harmersbach, Zell am Harmersbach 2021.

Schüly 2000
Maria Schüly, Antikisches Geschirr aus dem Schwarzwald. Die Steingutmanufaktur in Zell, Hornberg und Schramberg, in: Martin Flashar, Europa à la Grecque. Vasen machen Mode, München 2000, 124-129.

Simmermacher 2002
René Simmermacher, Gebrauchskeramik in Südbaden, Karlsruhe 2002.

Singer 1918
F. X. Singer, Schwarzwaldbuch. Ein Volksbuch für Heimatkunde und Heimatpflege (zunächst) in Stadt und Bezirk Oberndorf, Oberndorf 1918.

Spindler 2005
Konrad Spindler, Ein Grubeninhalt der Zeit kurz nach 1900 aus Riezlern, Gem. Mittelberg, im Kleinen Walsertal, Vorarlberg – Keramik, Glas und Metall, in: Jahrbuch Vorarlberger Landesmuseumsverein 149, 2005, 67-106.

Thomas 1976
Thérèse Thomas, Villeroy & Boch. Keramik vom Barock bis zur Neuen Sachlichkeit. Ausstellung im Münchner Stadtmuseum, Mettlach 1976.

Thomas 1977
Thérèse Thomas, Villeroy&Boch 1748-1930. Keramik aus der Produktion zweier Jahrhunderte, Amsterdam 1977.

Waller 1872
German Waller, Chronik der Stadt und ehemaligen Herrschaft Schramberg sowie Ortsbeschreibung von Schramberg, Wolfach 1872.

 

Zizenhausen, Baden-Württemberg, Deutschland, Werkstatt Anton Sohn (1820–1840)

Zizenhausener Figuren in CERAMICA CH

Roland Blaettler, Andreas Heege 2019

Der gelernte Kirchenmaler Anton Sohn (1769–1841) liess sich 1799 in Zizenhausen (heute ein Ortsteil der Stadt Stockach) nieder. Hier verlegte er sich mehr und mehr auf die Produktion von kleinen, bemalten Relieffiguren aus Terrakotta, für die ihn Johann Rudolf Brenner, der in Basel von 1815 bis 1834 eine Kunsthandlung führte, mit Vorlagen versorgte. In einer 1822 in den «Wöchentlichen Nachrichten aus dem Berichthaus zu Basel» erschienenen Notiz bot er unter anderen Figuren «Nationaltrachten der Schweiz» an (HMO 8679; HMO 7191; RMC H1992.2), möglicherweise nach grafischen Vorlagen von J. Reinhard (1749–1829).

Besonders bedeutend ist sein Basler Totentanz «in einer Reihe plastischer Bilder dargestellt» (HMO 8678; HMO 8677). Die Figuren des Totentanzes gab Brenner im Andenken an das berühmte, um 1440 gemalte Wandbild des Totentanzes von der 1805 abgerissenen Friedhofmauer der Basler Predigerkirche bei Anton Sohn in Auftrag und liess diesem dafür die von Matthäus Merian dem Älteren 1621 in Kupfer gestochenen Reproduktionen als Vorlage zukommen. Die Figuren, die Anton Sohn weiter schuf, brachten die verschiedensten Themenbereiche bis hin zur gesellschaftlichen Satire und zur politischen Karikatur zur Darstellung. Sie wurden in Zizenhausen mindestens bis zum Ende des 19. Jahrhunderts produziert und waren vor allem in Süddeutschland und in der Schweiz ein beträchtlicher Verkaufserfolg.

Die Stadt Stockach konnte im Jahr 2003 den Nachlass der Familie Sohn übernehmen und verfügt daher heute, neben dem Historischen Museum in Basel bzw. dem Museum im Kornhaus in Bad Waldsee über die vollständigste und umfangreichste Sammlung an Figuren (540 Exemplare) und zugehörigen Modeln (ca. 1000).

Zizenhausener Figuren digital:

Historisches Museum Basel

Stadtmuseum Stockach

Fasnachtsmuseum Schloss Langenstein

Museum im Kornhaus Bad Waldsee

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 254.

Fraenger 1922
Wilhelm Fraenger, Der Bildermann von Zizenhausen. Erlenbach 1922.

Istas 2004
Yvonne  Istas, Terrakotten, Model und noch mehr. Das Erbe der Familie Sohn aus Zizenhausen. Stockach 2004.

Seipel 1984
Wilfried Seipel, Das Weltbild der Zizenhausener Figuren. Konstanz 1984.