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Heimberg-Steffisburg BE, And(e)res, David, Hafnerei (1810-1873)

Signiertes und 1866 datiertes Rasierbecken von David Anderes, Heimberg (SST-00649). “Ein Mann ohne Bart, hat gar keine Art”.

Keramik von David And(e)res in CERAMICA CH

Andreas Heege, Andreas Kistler 2019

David Andres (auch “Anderes”, 1810-1873; Buchs 1988, 94) war ein bernischer Hafner, der möglicherweise in der Werkstatt Heimberg, Dornhaldestrasse 89 arbeitete. Diese gehörte allerdings nicht ihm sondern seinem Schwager Niklaus Beutler-Andres (1817-?), der ebenfalls Hafner war.  Niklaus hatte das Grundstück 1842 erworben und ein neues Haus mit Hafnerwerkstatt darauf erbaut (Grundbuch Steffisburg 18, 424-426).

Über Davids Leben (Heimatort Berken, Kirchgemeinde Herzogenbuchsee) und Werk wissen wir relativ wenig. Er hat jedoch durch ein Rasierbecken Bedeutung in der Keramikforschung gewonnen (SMT 649, Heege/Kistler 2017a, 473 Abb. 1). Er signierte es 1866 und versah es mit stark zerfliessender kobaltblauer Bemalung und dunkelbrauner, charakteristischer Beschriftung.

Ältester datierter Teller dieser Serie aus dem Jahr 1855 (SMT 4462). “Ich küsse zart doch ohne Bart”.

Nur mit blauer Bemalung und dunkelbrauner Beschriftung lassen sich im Kanton Bern Objekte erstmals ab 1855 nachweisen (SST-04462). Dieser Stil, auch in Kombination mit mehrfarbigem Malhorndekor, wird in der Literatur aufgrund des obigen Rasierbeckens (SST-00649) gerne allein der Werkstatt des Hafners David And(e)res in Heimberg zugeschrieben (Wyss 1966, S. 40; Messerli Bolliger 1991, 47–48; Roth-Rubi/Schnyder/Egger/Fehr 2000, 6–10; Boschetti-Maradi 2007, 58–59). Jedoch ist dies aufgrund vorkommender Objektdatierungen dieser Gruppe (bis 1884) so wenig stichhaltig wie die alleinige Zuweisung zur Werkstatt Loosli in Wimmis durch Fernand Schwab 1921 (Schwab 1921, 106 Anm. 72). Es ist nicht gesichert, dass in Heimberg nur eine einzige Töpferei blau bemaltes Geschirr produzierte. So stellte z. B. Hafnermeister Christian Matthys in Heimberg in der Dornhalde 1872 sehr ähnliche Keramik her (MKB  VI-919; Messerli Bolliger 1991, Taf. 14, Abb. 25). Auch aus einer Töpferei im benachbarten Steffisburg liegen auf weisser Grundengobe partiell blau dekorierte Gefässfragmente der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts vor (Heege 2012, Abb. 12). Und auch für Langnau im Emmental lässt sich ab 1840 (RML  A089) und vor allem nach der Mitte des 19. Jahrhunderts eine intensive Verwendung blauer, verlaufender Malhornfarbe belegen (Heege/Kistler 2017, Abb. 205).

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 62–63.

Boschetti-Maradi 2007
Adriano Boschetti-Maradi, Geschirr für Stadt und Land. Berner Töpferei seit dem 16. Jahrhundert (Glanzlichter aus dem Bernischen Historischen Museum 19), Bern 2007.

Buchs 1988
Hermann Buchs, Vom Heimberger Geschirr zur Thuner Majolika. Thun 1988.

Heege 2012
Andreas Heege, Drei neuzeitliche Grubeninventare von Jegenstorf, in: Archäologie Bern/Archéologie bernoise. Jahrbuch des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern, 2012, 159-196.

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, 17e-19e siècles – Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.-19. Jahrhundert – Die Sammlung des Musée Ariana, Genf. Mailand 2017.

Hoffmann-Krayer 1914
Eduard Hoffmann-Krayer, Heimberger Keramik. Schweizer Archiv für Volkskunde 18, 1914, 94–100.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert. Zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen. Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 7–100.

Roth-Rubi/Schnyder/Egger u.a. 2000
Kathrin und Ernst Roth-Rubi/Rudolf Schnyder/Heinz und Kristina Egger u.a., Chacheli us em Bode… Der Kellerfund im Haus 315 in Nidfluh, Därstetten – ein Händlerdepot, Wimmis 2000.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.

Wyss 1966
Robert L. Wyss, Berner Bauernkeramik (Berner Heimatbücher 100-103), Bern 1966.

Heimberg-Steffisburg BE, Desa, Kunsttöpferei (1916-1952)

Keramik der DESA, ca. 1916-1920

Andreas Heege, Andreas Kistler, 2023

Keramik der Desa in CERAMICA CH

Der Firmenname Desa (oder DESA) leitet sich vom Namen der Bieler Kaufmannsfamilie Desalmand ab. Die Firma Desa bestand von 1916 bis 1952 in Steffisburg, Bernstrasse 167. Sie war neben den Nachfolgern der Manufaktur von Johannes Wanzenried (Loder/Schweizer und Adolf Schweizer) einer der wichtigsten Keramikbetriebe in der Region Heimberg-Steffisburg. Die Produktpalette der Firma ist bis heute nicht umfassender bearbeitet.

Am 11. Mai 1915 starb in der Töpferei Steffisburg, Alte Bernstrasse 167, der Steffisburger Hafner Karl Loder-Eyer (1871–1915). Da er kinderlos war, hatte er bereits am 22.12.1911 seine drei Neffen Emil Hermann Loder (1890–1971), Ernst Robert Loder (1891–1969) und Walter Loder (1882–1930) zu Erben seines Betriebes und einer weiteren Liegenschaft an der Alten Bernstrasse 171 eingesetzt (siehe Stammbaum Loder). Walter Loder war 1911 als Knecht bzw. Landarbeiter bei ihm beschäftigt, Emil Loder als Keramikmaler und Robert Loder arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Hafner in Wimmis (Archiv M. Loder, Ebikon). Das am 20. Mai eröffnete Testament wurde am 20. November 1915, als dagegen keine Einsprachen erhoben worden waren, von Seiten des Gemeinderates in Steffisburg für gültig erklärt (Archiv M. Loder, Ebikon). Bereits am 12. November 1915 hatten sich die Erben mit der Witwe Anna Loder-Eyer vertraglich darauf geeinigt, ihr den gesamten Besitz käuflich abzutreten und sich die resultierenden Vermögensteile in der definitiven Erbteilung auszahlen zu lassen (GB ThunBel. I 2880, 2881). Am 28. Dezember 1915 wurde die Löschung der Firma «Kunsttöpferei Karl Loder-Eyer» im Schweizerischen Handelsamtsblatt gemeldet (SHAB 33, 1915, 1763), nachdem die Firma noch im Oktober 1915 an der Schweizerwoche teilgenommen (NZZ 21. Oktober 1915) und unter dem 1. Dezember 1915 14 Muster für Töpferwaren im Handelsamtsblatt gemeldet worden waren (SHAB 33, 1915, 1732).

Bereits am 13. September 1915 war eine neue Genossenschaft “Kunsttöpferei Steffisburg vormals Karl Loder-Eyer”. gegründet worden. Sie wurde am 18. Januar 1916 als «Kunsttöpferei Steffisburg vormals Karl Loder-Eyer – Poterie artistique de Steffisbourg, ci-devant Loder-Eyer» im Handelsamtsblatt eingetragen (SHAB 34, 1916, 91). Als Genossenschaftszweck wurde angegeben: «…die Erhaltung und Förderung der einheimischen Kunsttöpferei…» u.a. durch «…a. Uebernahme und Fortführung des von Karl Loder-Eyer sel. bei Lebzeiten betriebenen Töpfereigeschäftes in Steffisburg-Station; b. Fabrikation und Vertrieb von Töpferwaren aller Art, namentlich von sogen. Heimberger-Majolika…». Genossenschafter konnte werden, wer Anteilscheine in Höhe von 500 Franken erwarb. Die Organe der Genossenschaft waren die Hauptversammlung, ein aus drei bis fünf Mitgliedern bestehender, auf drei Jahre gewählter Vorstand und eine Kontrollstelle. Der Gründungsvorstand war folgendermassen zusammengesetzt: «Oskar Christener von Bowil und Zäziwil, Kaufmann in Bern, Präsident; Gustav Speckert, von Full (Kt. Aargau), Kaufmann in Biel, Vizepräsident; Werner Schüpbach, Gemeindepräsident, von und in Steffisburg, Sekretär; Emil Desalmand, von Genf, Kaufmann in Biel; Georg Sibler von Zürich, Kaufmann in Zürich. Das Geschäftslokal befand sich in der Bernstrasse in Steffisburg-Station». Die Gründung der Firma wurde etwa zeitgleich auch im Oberländer Tagblatt (Jahrg. 40, No. 17, 21. Januar 1916), im Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons (Jahrg. 63, No. 10, 24. Januar 1916), in der Neuen Zürcher Zeitung (NZZ 20.1.1916) und in der Keramischen Rundschau (Jahrg. 24, No. 5, 1916, 32) gemeldet.

Aufgrund vorstehender Informationen können wir also wohl davon ausgehen, dass die Töpferei von Karl Loder-Eyer fortgeführt wurde. Die Genossenschaft wurde zunächst Mieterin des Betriebes (GB Thun Bel. I, 4118).  Erster technischer Leiter wurde der gerade frisch in der Keramikfachschule Bern ausgebildete Adolf Schweizer (1893-1967, siehe Nachruf Schweizer im Thuner Tagblatt 91, Nummer 288 vom 8. Dezember 1967).

 

Werkstattaufnahmen in der “Kunsttöpferei Steffisburg vormals Karl Loder-Eyer”, durch Hermann Studer, 1917.

Wer allerdings die neuen Dekore entwarf, wer als Dreher oder Keramikmalerin dort arbeitete, ist unklar. Ungewiss ist auch, welche Fabrikmarke man am Anfang verwendete. Das genaue Produktionsspektrum ist unbekannt, doch enthalten grössere Museums- oder Privatsammlungen wie z. B. das Schlossmuseum Thun, fast ausschliesslich bernische „Jugendstil-Keramik“, die sich stilistisch problemlos an die vorhergehenden Produkte von Karl Loder-Eyer anschliessen lassen. Vermutlich wurden also die bisherigen Keramikmalerinnen/Ausmacherinnen weiterbeschäftigt.

Die Witwe Anna Loder-Eyer verkaufte die Töpferei schliesslich mit Nutzen und Schaden auf dem 1. Mai 1917 an die Genossenschaft “Kunsttöpferei Steffisburg vormals Karl Loder-Eyer” (GB Thun Bel. I, 4118).

1917 beteiligte sich die Kunsttöpferei Steffisburg an der “Schweizerisch-Kunstgewerblichen Weihnachtsausstellung” in Zürich (Der BUND 68, Nummer 481, 14. Oktober 1917).

Die nächsten überlieferten Nachrichten zur Firma stammen aus den Jahren 1917/1918. Damals berichteten der BUND (68, Nummer 185, 22. April 1917) und das Oberländer Tagblatt (42, No. 102, 3. Mai. 1918), dass die Kunsttöpferei Steffisburg als Oberländer Firma erfolgreich an der ersten Schweizerischen Mustermesse in Basel (MUBA) ausgestellt habe. Bis 1941 sollte die Firma  quasi jedes Jahr auf der Mustermesse vertreten sein (1936-1937 nicht, siehe offizeller Katalog der MUBA) und wurde dafür (nicht ganz korrekt) bei der 25. Teilnahme 1941 ausdrücklich mit einer Gratulationsanzeige im Schweizerischen Handelsamtsblatt gewürdigt (28. April 1941, SHAB 59, No. 98, 824).

1918 beteiligte man sich erneut an der “Schweizerwoche” und stellte die Keramik in Bern im Geschäft von Witwe Christener’s Erben in der Kramgasse aus (Der BUND 69, Nummer 424, 4. Oktober 1918).

Mit Beschluss der Genossenschafter vom 2. Juli 1919 (GB Thun, Bel. II, 1298) wurde das Grundstück um eine Gartenlandparzelle von 311 Quadratmetern erweitert, die man Anna Loder-Eyer abkaufte. Ziel der Genossenschaft war die Erweiterung der Fabrikräume nach den Plänen eines Ing. Keller aus Bern. Dort sollten zwei neue Brennöfen untergebracht werden.

Ein entscheidender organisatorischer Schritt war die Bestellung des Artillerie-Offiziers Gustav Joseph Desalmand (1894–1980, Gratulation zum 80. Geburtstag, Thuner Tagblatt 98, No. 221, 21. September 1974; Nachruf Thuner Tagblatt 104, No. 220, 19. September 1980) als Geschäftsführer der Genossenschaft mit Einzelprokura am 19. November 1919 (SHAB 37, No. 267, 1954).

Unter dem 27. Februar 1920 liess sich die Genossenschaft eine erste Marke im Schweizerischen Handelsamtsblatt eintragen (SHAB 38, 1920, 434). Obwohl die Genossenschaft die Bezeichnung “DESA” erst Ende 1926 offiziell in den Firmennamen aufnahm (SHAB 45, No. 222, 1693, 21.9.1927), erscheint sie in dieser Markenanmeldung bereits sechs Jahre vorher. Vermutlich können wir davon ausgehen, dass schon die ältere Produktion von 1916 bis 1919 die Bezeichnung “DESA/Desa” trug und damit unterstrich, wer die führenden Köpfe der Genossenschaft waren.

Im Oktober 1921 gab es eine Fotoreportage in der Schweizer Illustrierten Zeitung (Bericht im Oberländer Tagblatt 45, No. 249, 24.10.1921), die uns einen Eindruck von der Werkstatt und der Produktion dieses Jahres vermittelt. Neben floralem Jugendstil wurde das ältere Chrutmuster aus der Zeit der Thuner Majolika immer noch gefertigt.

Schweizer Illustrierte Zeitung 1921, Bilder aus der Kunsttöpferei Steffisburg, Desa.

Im Dezember 1921 liess man Vorlagen zur Dekoration von Kunsttöpfereien (“Winzerszenen”) eintragen und im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlichen (SHAB 40, 1922, 395). 1923 folgten weitere Eintragungen für 11 Muster (SHAB 41, 1923, 1264), die unter Nr. 35205 1928 und 1933 noch zweimal für je weitere fünf Jahre verlängert wurden (SHAB 46, 1928, 1854; 51, 1933, 2285).

Im Mai 1922 sucht die Kunsttöpferei Steffisburg eine «flinke Frau» für die Giesserei (Oberländer Tagblatt 46, No. 111, 13.5.1922), die offenbar gegenüber der scheibengedrehten Ware an Bedeutung gewann.

1922 Der BUND (73, Nummer 182, 1. Mai 1922) berichtete ausführlich über die Kunstkeramik und ihre Produkte auf der MUBA 1922.

Werbeanzeige 1922 (Stadtarchiv Thun).

Eine Werbeanzeige aus dem Jahr 1922 im Katalog zur «Handwerk, Gewerbe- und Industrieausstellung Thun und Umgebung 29. Juli bis 13. August 1922 (Original Stadtbibliothek Thun) nennt als Firmenzweck «Fabrikation von Kunsttöpferwaren aller Art, Vasen, Cachepots, Jardinières etc.» und zeigt eine hübsch dekorierte Vase im stilistischen Übergang zum stärker geometrischen Art Deco.

1924 war die Kunsttöpferei Steffisburg zusammen mit der Töpferei Wächter-Reusser, Feldmeilen, Bodmer&Cie aus Zürich (Keramikerinnen Luise Strasser und Bertha Tappolet), sowie Meister&Co. aus Dübendorf an einer Keramikausstellung des Kunstgewerbemuseums in Zürich vertreten (NZZ 27.7.1924).

1924 liess man eine “Blumenvase mit Blumenhalter” unter Nr. 35989 ins Musterverzeichnis eintragen (SHAB 42, 1924, 714) und 1929 bzw. 1934 noch einmal bis 1938 verlängern (SHAB 47, 1929, 1026; 52, 1934, 1535).

1925 lieferte die Desa für das Mittelländische Schützenfest in Zollikofen einen Wandteller als Ehrengabe (Bieler Tagblatt, Nummer 88, 17. April 1925).

Am 31. Dezember 1926 revidierte die Hauptversammlung die Statuten der Genossenschaft und änderte die Besitzverhältnisse grundlegend (SHAB 45, No. 222, 1693, 21.9.1927; so auch eingetragen im Grundbuch Thun, Bel. II, 9682, 1927). Der Name wurde abgeändert in «Kunsttöpferei Desa Steffisburg-Station, vormals Loder-Eyer (Poterie artistique Desa Steffisbourg-Gare, ci-devant Loder-Eyer)». Die Genossenschaft bezweckte «…die Ausübung jeder geschäftlichen und künstlerischen Tätigkeit, die mit der Kunsttöpferei in Zusammenhang steht… Die Genossenschaft bestellt einen Direktor der zugleich Präsident des Vorstandes sein kann. Der Direktor ist allein zeichnungsberechtigt für die Genossenschaft». Der neue Direktor/Präsident wurde der alte Geschäftsführer Joseph Desalmand. Die alten Vorstandsmitglieder Christener, Speckert, Schüpbach, Desalmand und Sibler schieden aus. Als Vizepräsident und Sekretärin wurden gewählt Léon Desalmand, Kaufmann in Biel-Mett (10.7.1899-22.4.1967, Bieler Stadtratspräsident 1946/1947, Gemeinderat CSP) und Cécile Desalmand aus Biel-Mett. Die Firma war damit offenbar fest in der Hand der Familie Desalmand. Das «Offizielle Adressbuch der Stadt Thun und Umgebung» (1927, 258) dokumentierte die Namensänderung mit einer entsprechenden Werbeanzeige.

1926 und 1927 legte die DESA wohl zum ersten Mal eine Serie künstlerisch gestalteter Weihnachtsteller auf. Den Teller des Jahres 1926 gestaltete die Keramikerin Hanny Krebs Nencki (1903–1986), den Teller des Jahres 1927 der Künstler Edmond Bille (1878–1959) aus Siders (Der Bund, Band 78, Nummer 513, 24. November 1927). Ob diese Serie ein Erfolg wurde und eine Fortsetzung fand, ist ungeklärt. Originale haben bislang nicht vorgelegen.

1927 zeigte man die aktuelle Produktion auf einer grossen Ausstellung “Céramiques Suisses” im Musée d’Art et d’Histoire in Genf. Der BUND berichtete ausführlich über die Ausstellung und die bernische Beteiligung (Der Bund, Band 78, Nummer 395, 14. September 1927).

1928 war die DESA neben Adolf Schweizer aus Steffisburg, der zu diesem Zeitpunkt seit vier Jahren die alte Manufaktur Wanzenried allein weiterführte, an der MUBA mit einem eigenen Stand vertreten (Oberländer Tagblatt 52, No. 92, 30. April 1928). Auch auf der SAFFA (Schweizerischen Ausstellung für Frauen-Arbeit) stellte man aus (Der Bund, Band 79, 20. September 1928; Oberländer Tagblatt, Band 52, Nummer 225, 25. September 1928).

1928 Die Desa spendete zwei Teller als Ehrengabe für die  Schweizerische Meisterschaftsregatta auf dem Thuner See (Oberländer Tagblatt, Band 52, Nummer 149, 28. Juni 1928).

1929 An einer Ausstellung zur «Schweizer-Woche»  (Werbeaktion für Schweizer Arbeit, seit 1917; ) im Freienhof in Thun beteiligte sich die DESA ebenfalls (Oberländer Tagblatt 53, No. 252, 28.10.1929).

1930 In der Jubiläumsschrift «25 Jahre Keramische Fachschule Bern» (Haller 1930) warb die «Kunsttöpferei J. Desalmand Steffisburg» für Blumenvasen aller Art.

1932 wurde von der DESA ein Wasserverdunstungsgefäss unter Nr. 50182 patentiert und das Patent 1938 um fünf weitere Jahre verlängert (SHAB 50, 1932, No. 274, 2724; 561).

1932 Für das Eidgenössische Turnfest in Aarau arbeitete die Desa mit dem Grafiker, Maler, Karikaturisten und Künstler Armin Bieber (1892-1970) zusammen und schuf eine Serie von spassigen Karikatur-Tellern (Lit. zum Karrikaturisten: Der Bund 5.6.1952, Neue Zürcher Zeitung 7.6.1962).

Am 10. Februar 1933 wurde die Genossenschaft in eine Aktiengesellschaft «Kunsttöpferei Desa Aktiengesellschaft – Poterie artistique Desa Société anonyme» umgewandelt und die Aktiven und Passiven übernommen. Das Grundkapital der Gesellschaft betrug Fr. 200.000 in Form von 400 Namensaktien je Fr. 500. Es wurde ein Vorstand eingesetzt, zu dem auch Emil Desalmand aus Biel gehörte. Direktor und Geschäftsführer blieb Joseph Desalmand (SHAB 51, No. 93, 972-973). Die alte Genossenschaft wurde aufgelöst (SHAB 53, No. 226, 2406; Eintragung auch im Grundbuch Thun, Bel. III, 6147, 1935). Am 30. November 1935 wurde das Firmenkapital auf Fr. 112.000 reduziert (SHAB 54, No. 13, 126).

1933 Zum Oberländischen Schützenfest in Heimberg spendete die Desa ein 16teiliges Frühstücksservice im Wert von 28 Fr. (Oberländer Tagblatt, Band 57, Nummer 79, 4. April 1933).

1934 Joseph Desalmand war als Artillerie-Offizier Mitglied der Thuner Offiziersgesellschaft. Daher verwundert es nicht, dass die Offiziersgesellschaft der Stadt Bern zum Eidgenössischen Schützenfest in Freiburg 1934 vier «Desa-Vasen» für die besten Schützen spendete (Die Berner Woche 1934, No. 29, 467).

1934 beteiligte sich Steffisburg am Umzug anlässlich des “Bärn-Fäschts” mit einer Handwerksgruppe zum Thema Töpferei (Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern, Band 81, Nummer 73, 22. Juni 1934).

1935 deponierte man unter Nr. 54506 zusätzliche neue Modelle für Aschenbecher und ein “Gefäss zum Aufbewahren von Schabziegerstöckchen” (SHAB 53, 1953, 1013).

Vom 25. Juli bis 9. August 1936 fand die «Steffa 1936» (Steffisburger Ausstellung für Gewerbe, Handel und Industrie) statt. Am letzten Tag der Ausstellung berichtete das Oberländer Tagblatt (Jahrg. 60, No. 179, 3. August 1936): «Alle Besucher erwarten sicher einen bedeutenden Aufmarsch der Töpfereien; sie kommen gut auf ihre Rechnung. Wenn auch nicht alle Betriebe sich an der „Steffa“ beteiligen, so doch drei, nämlich die Kunsttöpferei Desa AG., Kunstkeramik Ad. Schweizer u. Rob. Hänni. Was diese Stände bieten, erfreut und beglückt; jeder trägt eine besondere eigene Note, an einem Orte tiefe, satte Farben, als guckte man in den unerhört tiefen Winterhimmel bei strahlender Mittagssonne, am zweiten Orte mehr der künstlerische Gedanke in Form und Farbgebung und endlich am dritten das moderne neue Steingut, anlehnend an die Erzeugnisse älterer Zeiten. Jedenfalls hat unsre einheimische Töpferei viel gelernt von der Konkurrenz; man war gezwungen, eigene Wege zu suchen und zu gehen und hat so grosse Fortschritte erzielt. Wir wollen hoffen, dass die Geschirre recht viel Liebhaber finden werden».

Die dekorierte Thuner Reithalle 1937, Foto Archiv Stiftung Schloss Thun.

1937 Hauptmann Joseph Desalmand stellte seine Mitarbeiter zur Verfügung, um die Wände der grossen Thuner Reitbahn mit reiterlichen und militärischen Wandbildern zu schmücken (Oberländer Tagblatt 61, No. 256, 2. November 1937; auch Henri Habegger, Die Fresken in der Reitbahn der Alten Pferderegie Thun und der „Besuch der alten Dame“, Info-Bulletin VSAM – Verein Schweizer Armeemuseum Nr. 1/ 11, 15-17 ). Als Muster dienten eigene, eigentlich für keramische Wandteller gedachte Entwürfe nach Vorlagen aus der Sammlung Adolf Pochon (seit 1931 in der Schweizerischen Nationalbibliothek – A. Pochon/ A. Zesiger: Schweizer Militär vom Jahr 1700 bis auf die Neuzeit, Bern 1906) und des österreichischen Pferdemalers Ludwig Koch (1866–1934). Nach der Fertigstellung der Fresken wurden auch identisch dekorierte Keramiken 1937 bei der Witwe J.R. Bähler in Thun an der Hauptgasse ausgestellt und als Erinnerungsstücke verkauft (Oberländer Tagblatt 61, No. 256, 2.11.1937).

1938 Ein Bericht der Berner Woche (Jahrg. 28, No. 53, 1938, 1378-1383) wurde von Walter Schweizer mit Arbeitsbildern aus der DESA illustriert. Die Bilder zeigen, dass die DESA ein moderner Keramikhersteller war.

Die Desa in der “Berner Woche” von 1938 (Fotos Walter Schweizer). Der Plastiker ist “Mädi” Zünd, der zeitweise auch für die Kunstkeramik A.G. Luzern arbeitete.

In der Firma wurde Keramik gedreht, eingedreht, gegossen und frei modelliert, Engoben und Glasuren wurden auch mit der Spritzpistole aufgetragen.

Für das Dekorieren waren Keramikmalerinnen zuständig, wie wir in einem zeitgleichen Prospekt über die Keramik in der Schweiz sehen können (NN, Quelques industries d’art en Suisse, Lausanne : M. Steiger & Co., ohne Jahr, 13).

1942 Die DESA gestaltet einen Teller als Wanderpreis für die Schweizerischen Geländelauf-Meisterschaften (Der BUND, Band 93, Nummer 149, 30. März 1942).

Einen noch besseren Eindruck vermittelt eine Bildreportage, die im Juni 1943 in einem Sonderheft der Berner Woche mit dem Titel «Thun und seine industrielle Entwicklung» veröffentlicht wurde.

1944 war die DESA der Hersteller für 400.000 «Beckeli» für die Sammelaktion zugunsten des Kinderhilfswerks des Schweizerischen Roten Kreuzes (Bieler Tagblatt, Nummer 39, 16. Februar 1944).

Bericht über die Rotkreuz-Aktion im Oberländer Tagblatt 68, No. 38; 15.2.1944.

Sammelbüchsen aus der Produktion der Desa (Foto Bundesarchiv Bern_csm_5.8.18_a22b99a7fe).

Ab 1944 wurde die Not in den kriegsversehrten Ländern immer grösser. Deshalb wollte die SRK-Kinderhilfe ihr Engagement im Ausland ausweiten. Um den zunehmenden Finanzbedarf zu decken, musste sich das SRK eine neue ständige Finanzierungsquelle erschliessen. So entstand die «Beckeli-Aktion» der Kinderhilfe: Ab 1944 wurden auf der Strasse Milchbeckeli aus Keramik verkauft, die als Sparbüchsen dienten. Mit Spenden gefüllt wurden diese Beckeli anschliessend von Kindern zu den Sammelstellen der Kinderhilfe zurückgebracht.

Fotos Bundesarchiv Bern_csm_5.8.26_754_a2f324ee1f und Bundesarchiv Bern_csm_5.8.23_43bf029285.

Das Öffnen der Sparbüchsen, die mit einem Hammer zerschlagen wurden, war jeweils Anlass für ein Volksfest, bei dem die Kinder im Mittelpunkt standen. Sowohl in den Städten als auch auf dem Land war die «Beckeli-Aktion» auf Anhieb ein Erfolg. Bis Ende 1944 wurden mit den 469’935 verkauften Beckeli Einnahmen in Höhe von 740’436 Franken erzielt .

Aus Anlass der Aktion wurden wichtige Pressevertreter der Schweiz nach Steffisburg eingeladen und erhielten eine Fabrikführung. Joseph Desalmand hielt einen Vortrag über die alte Keramik in Heimberg und Langnau und ihre Entwicklung, die Keramikfachlehrer Geiser aus Bern mit Lichtbildern illustrierte (Oberländer Tagblatt Jahrgang 68, No. 38, 15. Februar 1944; NZZ, 14. Februar 1944).

Stellenangebote 1945 und 1946.

Die starke Binnenkonjunktur in den letzten Kriegsjahren und der unmittelbaren Nachkriegszeit spiegelt sich auch in den Anzeigen, vor allem im Oberländer Tagblatt, mit denen die DESA 1944 bis 1946 Arbeiterinnen oder Heimarbeiterinnen suchte (z.B. Oberländer Tagblatt Jahrg. 68, No. 304, 27.12.1944; Oberländer Tagblatt Jahrg. 70, No. 235, 8.10.1946). Am 29. März 1947 brannte eine Teil des Ofenhauses der Keramikfabrik, jedoch kamen die Elektroöfen nicht zu Schaden (Oberländer Tagblatt Jahrg. 71, No. 74).

Die Nachkriegskonjunktur reichte für die DESA jedoch offenbar nur bis in die späten 1940er-Jahre. Warum der Firma keinen wirtschaftlichen Erfolg mehr hatte (verpasste Form- und Musteranpassungen, zu geringe Kapitaldecke für technische Modernisierungen oder unzureichende Baulichkeiten/Grundstücksgrösse?) bleibt unklar.

Im November 1950 wurde der Verwaltungsrat der Firma umgebildet. Er bestand nun nur noch aus Mitgliedern der Familie Desalmand (Emil, Léon und Joseph), wobei der damals 56jährige Joseph Desalmand Verwaltungsratspräsident und Direktor blieb (SHAB 68, No. 278, 3035 und SHAB 69, No. 45, 470). 1951 waren die Schulden jedoch so hoch, dass die NZZ (28.11.1951) über eine Nachlassstundung für die DESA berichtete. Das Ziel, auf diesem Wege den Konkurs abzuwenden, wurde jedoch offenbar nicht erreicht, denn mit Urteil vom 19. Juni 1952 wurde vom Konkursrichter in Thun über die Gesellschaft der Konkurs eröffnet (SHAB 70, No. 145, 1606) und bis zum September 1952 ein Kollokationsplan erstellt (SHAB 70, No. 209, 2222). Nach einer Versteigerung der beiden zur Firma gehörigen Grundstücke und Baulichkeiten (Steffisburg, Bernstrasse 167, Grundstücksnummer 629 und 628) am 8. Dezember 1952 (SHAB 70, No. 263, 2735) wurde das Konkursverfahren offiziell am 1.12.1953 beendet (SHAB 71, No. 284, 2950). Die Liegenschaft musste im Rahmen der Zwangsversteigerung von der Gemeinde Steffisburg übernommen werden, die sie 1954 schliesslich mit einem Verlust an eine Schlosserei aus Thun weiterverkaufte (Oberländer Tagblatt 78, No. 241, 15. Oktober 1954).

Das keramische Produktionsspektrum der DESA ist bis heute nicht aufgearbeitet. In den 1930er-Jahren produzierte die Desa wie alle grösseren Keramikbetriebe der Schweiz immer wieder grössere Mengen an Vereins- und Jubiläumskeramik.

Kleinere Objektmengen und wenige, bislang nicht ausgewertete Archivalien befinden sich in der Stiftung Schlossmuseum Thun, andere im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich (z.B. SNM LM-76758; LM-79033; LM-79034; LM-79557; LM-79583; LM-79584; LM-83670; LM-149604; LM-149605; LM-149606; LM-166405) bzw. im Kunsthandel.

Bibliographie:

Fell/Müller 1948
René Fell/Guido Müller, Wirtschaftsgeschichte von Biel, Zürich 1948.

Habegger 2011
Henri Habegger, Die Fresken in der Reitbahn der Alten Pferderegie Thun und der „Besuch der alten Dame“, in: Info-Bulletin VSAM – Verein Schweizer Armeemuseum Nr. 1/ 11, 2011, 15-17.

Heimberg-Steffisburg BE, Frank-Jenny, Christian, Hafnerei

Signierter und datierter Teller von Christian Frank-Jenny, 1929. Die Schauseite zeigt das Dorf Köniz BE, die Fahne das typische “Chrutmuster”. Privatbesitz Schweiz.

Keramik von Christian Frank-Jenny in CERAMICA CH

Andreas Heege, Andreas Kistler 2023

Die archivalischen Informationen über Christian Frank sind leider sehr spärlich.

Christian Frank (1865-1950) war der Sohn des Hafners und Webers Christian Frank (1828-1888). Auch sein Vater Christian (1794-1863) war bereits Hafner und Weber (siehe Stammbaum der Hafnerfamilie Frank). Die Eltern und Grosseltern besassen bis 1903 die Töpferei-Liegenschaft Steffisburg, Alte Bernstrasse 162. Diese ging von 1904 bis 1909 an Gottfried Frank (1870-1947), der Landwirt war. Laut Nachruf erwarb Christian Frank 1897 an der Bernstrasse eine Liegenschaft und gründete sein eigenes Geschäft. Dafür hat sich jedoch kein Grundbucheintrag gefunden. Es ist daher nicht klar, auf welchem Grundstück die Töpferei lag. Logisch wäre ein Weiterbetrieb der väterlichen Werkstatt (als Mieter?). Sein Bruder Friedrich Frank (1864-1941) erwarb 1901 die Liegenschaft Steffisburg, Alte Bernstrasse 164 und baute sich darauf eine neue Werkstatt. Möglicherweise arbeitete Christian Frank dort zusammen mit ihm. Das “Adress- Reise- und Reklamen-Taschenbuch für Thun und Berner Oberland aus dem Jahr 1908” listet ihn allerdings mit einem separaten Eintrag neben seinem Bruder an der Bernstrasse in Steffisburg (ohne Nennung von Haus- oder Versicherungsnummer).

Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt vor 1892 heiratete Christian Bertha Jenny aus Heimberg (1864-1946), die laut Nachruf auch im Geschäft mitarbeitete (als Ausmacherin?). Das Paar bekam sechs Kinder (Stammbaum), von denen die Tochter Ida (1896-1967) Ausmacherin wurde. Laut Nachruf stellte Christian Frank die Tätigkeit als Hafner 1933 ein, nachdem er jahrelang auch Kassierer bzw. Sekretär des Verbandes Bernischer Töpfermeister gewesen war.

Der bedeutende Keramiker, Zeichner und Entwerfer Friedrich Ernst Frank (1862-1920), der in der Manufaktur Wanzenried arbeitete, war Christians Cousin.

Stand des Industrie-Vereins Heimberg an der Kantonalen Gewerbeausstellung in Thun 1899.

1899 erhielt Christian Frank als Mitglied des Industrie-Vereins Heimberg für die Kollektiv-Ausstellung eine Silbermedaille an der Kantonalen Gewerbeausstellung in Thun für “Majolika”. Mitaussteller waren sein Bruder Friedrich Frank-Mäder, Fritz Hänni-Kratzer, Karl Loder-Eyer, Bendicht Loder-Walder, Jakob Reusser, Jakob Schenk, Gottfried Tschanz und Ernst Wittmeier.

1918/1919 scheint es auch zu einer kurzfristigen Zusammenarbeit mit Nora Gross aus Lausanne gekommen zu sein (Keramik von Christian Frank-Jenny in CERAMICA CH).

Heimberg-Steffisburg BE, Loder & Schweizer (1919-1925)

Gebäude der ehemaligen Manufaktur Wanzenried zur Zeit von Loder & Schweizer (1919-1925).

Keramik von Loder & Schweizer in CERAMICA CH

Fotoalbum der Produkte (heute im Staatsarchiv Luzern, PA 1421/PLA 202, Firmenarchiv Kunstkeramik Luzern)

Andreas Heege, Andreas Kistler,  Margret Loder, 2023

Für den 11. Dezember 1918 erfahren wir, dass Adolf Schweizer (1893–1967) und Emil Loder (1890–1971) gemeinsam die Manufakturliegenschaft von der Witwe Wanzenried zum Preis von Fr. 18.000 erwarben (dafür Fr. 15.000 in Form eines Schuldbriefes schuldig blieben) und die Firma mit Nutzen und Schaden auf den 2. April 1919 übernahmen (Grundbuch Thun, Beleg II, 775 vom 17.3.1919). Im Schweizerischen Handelsamtsblatt wurde die Gründung ihrer Kollektivgesellschaft mit dem 1. März 1919 bekannt gemacht (SHAB 37, No. 59, 8. März 1919). Adolf Schweizer war früher Lehrling bei Wanzenried gewesen und zum Zeitpunkt des Kaufs Geschäftsführer der DESA in Steffisburg. Emil Loder arbeitete seit Ende 1915 wohl als Geschäftsführer in der Manufaktur. Wir können nur annehmen, dass die beiden Geschäftsführer sich irgendwo in Steffisburg auf privater Ebene kennengelernt hatten oder schon früher kannten, zumal Adolf Schweizer 1917 die in der Manufaktur arbeitende Keramikmalerin Elise Eyer (1892–1970, Tochter des Hafners Gottfried Eyer, 1856–1892 und seiner Frau Elise Gfeller) geheiratet hatte.

Veröffentlichung der Kollektivgesellschaft im Schweizerischen Handelsamtsblatt 1919.

Sie machten aus der Manufaktur Wanzenried:

(Hinweis: Das Gründungsdatum 1876 ist falsch! Die Manufaktur Wanzenried wurde im September 1878 gegründet).

Von ihrer gemeinsamen Produktion zeugt ein im Nachlass von Emil Loder erhaltenes Fotoalbum (heute im Staatsarchiv Luzern, PA 1421/PLA 202, Firmenarchiv Kunstkeramik Luzern). Loder & Schweizer setzten eingeführte und erfolgreiche Muster und Keramikwaren der Manufaktur Wanzenried, wie z.B. das Muster «Alt-Thun/Chrutmuster» und die Irdenwareproduktion mit Malhorndekoren und Ritzmustern fort.

Foto Antik und Rar, Angelo Steccanella.

Gleichzeitig entwickelte aber wohl vor allem Emil Loder zahlreiche neue Formen und Dekore, die er jeweils mit Nummern versah. Stilistisch würde man seine Dekore einem späten Jugendstil bzw. Art Deco zuordnen.

Malerinnensaal bei Loder & Schweizer, um 1919-1925.

Immer wieder finden sich auch keramische Entwürfe von Paul Wyss.

Gleichzeitig versuchte sich Emil Loder auch als Plastiker und produzierte in der Manufaktur auch verschiedene Tierfiguren, die in den Katalogen der MUBA als “Kleinplastik” angeboten werden.

Keramiken von Loder & Schweizer aus der Sammlung der Schule für Gestaltung in Bern.

 

Die Marke der Manufaktur war das ligierte “LS” (Loder & Schweizer), oft kombiniert mit dem Ortsnamen Steffisburg und der Form- bzw. Dekornummer.

Nur beim Muster “Alt-Thun” erscheinen immer noch die beiden Sterne der Manufaktur Wanzenried und die Bezeichnung “Thoune”.

Der Absatz lief u.a.  über die 1917 gegründete Mustermesse Basel, an der Loder & Schweizer nachweislich von 1920 bis 1924 teilnahmen (Offizieller Katalog der Mustermesse Basel 1920-1924). Hier die Einladung zur MUBA 1924.

1922 Loder & Schweizer beteiligten sich an der “Première Exposition nationale d’art appliqué, Gruppe 7,  Keramik” in Lausanne (6. Mai-25. Juni 1922), die von Nora Gross organisiert wurde. Das ehemalige Kunstgewerbemuseum in Genf erwarb damals eine Dose, die sich heute im Musée Ariana in Genf befindet (MAG C0798).

1924 Teilnahme von Loder & Schweizer, Werkstatt für Kunstkeramik an der KABA (KAntonal-Bernische Ausstellung) in Burgdorf (Staatsarchiv Bern – StAB BB 1.9.7).  Der BUND urteilte: “Viel beachtet werden sodann die Ausstellungen der beiden bernischen Kunsttöpfereien Loder und Schweizer in Steffisburg und Adolf Gerber in Langnau. Die Steffisburger Firma zeigt einen erfreulichen Fortschritt im modernen Genre. Wir finden da Tierfiguren, so lebensvoll und elegant, wiee die besten “Kopenhagen”-Erzeugnisse, ebenso Vasen von auserlesener Form und entzückender Glasur.” (Der Bund, Band 75, Nummer 334, 8. August 1924).

Anfang 1925 beendeten Emil Loder und Adolf Schweizer ihre Zusammenarbeit, wobei die Gründe in einem Zerwürfnis liegen, dessen Ursachen nicht genauer bekannt sind. Dies geht aus einem erhaltenen Briefwechsel von Emil Loder mit seiner späteren Frau Frieda Schenk hervor. Dieses Zerwürfnis hinderte die beiden ehemaligen Kompagnons aber nicht, später z.B. den Grossauftrag für das Eidgenössische Schützenfest 1939 in Luzern, gemeinsam abzuwickeln. Adolf Schweizer kaufte 1925 den Betrieb und Emil Loder zog nach Luzern und gründete dort auf der Basis der Vorgängerfabrik “Keramik Luzern, Genossenschaft” die Kunstkeramik A.G. Luzern oder Luzerner Keramik (Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2023; Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2024).

Loder & Schweizer in Antik und Rar

Loder & Schweizer in der Sammlung des SNM

Bibliographie:

Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2023
Andreas Heege/Margret Loder-Rettenmund/Andreas Kistler, Luzerner Keramik 1925–1996, Teil 1: Loder-Schenk, Luzern, Kunstkeramik (1925–1933) und Kunstkeramik A.G. Luzern (1933–1948), in: Keramik-Freunde der Schweiz Revue 137, 2023, 1-101.

Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2024
Andreas Heege/Margret Loder-Rettenmund/Andreas Kistler, Luzerner Keramik 1925–1996, Teil 2: Kunstkeramik A.G. Luzern in Ebikon (1948-1996), in: Keramik-Freunde der Schweiz Revue 138, 2024, 7-101.

Heimberg-Steffisburg BE, Loder-Eyer, Karl (1871–1915), Hafnerei

Karl Loder-Eyer (1871-1915), unbekanntes Aufnahmedatum, wohl um 1910.

Keramik von Karl Loder-Eyer in CERAMICA CH

Andreas Heege, Andreas Kistler, 2022

Der Hafner Karl Loder wurde am 22.3.1871 geboren (Burgerrodel [ im Folgenden immer BR] Grossaffoltern 1, 209). Sein Grossvater Bendicht Loder (1808–1874; BR Grossaffoltern 1, 209) war Gemeindeschreiber in Steffisburg und Lehrer in Niederwichtrach, Wichtrach, Langnau, Affoltern, Hofwil, Röthenbach und Jaberg. Aus der zweiten Ehe von Bendicht Loder mit Anna Barbara Aeschlimann von Langnau (1825–nach1878) gingen 12 Kinder hervor (siehe Stammbaum). Von den sechs Söhnen ergriffen zwei den Beruf des Hafners: Bendicht Loder-Walder (1855–1909; BR Grossaffoltern 1, 213) und Johann Loder (1844–1894; BR Grossaffoltern 2, 107). Johann Loder heiratete die Hafnertochter Anna Elisabeth Gfeller (1842–1871; BR Worb 2, 107; Vater Johannes Gfeller, 1816–1862, Hafner in Heimberg). Mit ihr bekam Johann Loder drei Kinder: Karl Loder (1871–1915), (Karl) Johann Loder (1869–1894) und Maria Loder (1868–1869). Eine zweite Ehe mit Maria Elisabeth Moser, verw. Liniger (1836–1906) blieb kinderlos.

Johann Loder erwarb 1883 die Hafnereiliegenschaft Steffisburg, Bernstrasse 206 (Grundbuch [im Folgenden immer GB] Steffisburg 50, 384–387). Bei dieser Gelegenheit wird er als Hafner in Heimberg bezeichnet. Für ihn liess sich dort jedoch kein Liegenschaftsbesitz nachweisen, er war also vermutlich irgendwo eingemietet. Beim Kauf beinhaltete die Liegenschaft das Wohnhaus mit Bescheuerung sowie zwei Hafnerwerkstätten, die zwischen 1834 und 1865 von den Hafnern Christian Künzi (1813–1851), Johannes Künzi (1818–1887) und Samuel Künzi (1820–1870) genutzt worden waren. Im Kaufpreis waren eine Farbmühle und die «Hafnerbretter» inbegriffen. Die hochverschuldete Liegenschaft (Wert Fr. 11.000, Schulden Fr. 9153) ging 1894 nach dem Tod von Johann Loder und dem Tod von (Karl) Johann Loder nur drei Monate später, im Rahmen eines Erbauskaufs seiner Stiefmutter an den damals dreiundzwanzigjährigen Karl Loder über (GB Steffisburg 53, 644–647). Mit Nutzen und Schaden auf den 1. März 1898 verkaufte Karl Loder die Hafnerliegenschaft an einen Gärtner, der sie noch im selben Jahr an einen Landwirt weiterveräusserte (GB Steffisburg 55, 200-204, 425). Wahrscheinlich wurde nach 1898 auf der Parzelle nicht mehr getöpfert.

Hafnereiliegenschaft Steffisburg, Alte Bernstrasse 167, unbekanntes Aufnahmedatum, wohl nach 1900.

Dieser Werkstattverkauf war Karl Loder möglich, da er mit Nutzen und Schaden auf den 5. September 1898 die Hafnereiliegenschaft Steffisburg, Alte Bernstrasse 167, im Rahmen eines Erbauskaufs übernehmen konnte (GB Steffisburg 55, 208–211). Sie gehörte vorher seinem Schwiegervater, dem Hafner Christian Eyer (1845–1898).

Karl Loder hatte 1898 die Hafnertochter Anna Elisabeth Eyer (2. Dezember 1872–29. April 1933) geheiratet. Das Paar bekam keine Kinder.

Wir können nur vermuten, dass Karl Loder seine Ausbildung zum Hafner in der väterlichen Werkstatt erhielt. Quellen gibt es dazu nicht. Aus seiner Zeit in der Hafnereiliegenschaft Steffisburg, Bernstrasse 206 (1894-1898) haben sich keine Dokumente und auch keine signierten Produkte erhalten.

Die Überlieferung zu seinen Aktivitäten setzt mit Zeitungsmeldungen im Jahr 1899 ein (Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland, 11. und 17. August; Thuner Wochenblatt 16. August). Charles, wie er sich damals offenbar schon nannte, hatte sich an der I. Bernisch-Kantonalen Industrie-, Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung an der Kollektivausstellung des Industrievereins Heimberg beteiligt und dafür eine Silbermedaille erhalten, ebenso sein Onkel Bendicht Loder-Walder. Gleichzeitig wurden die Manufaktur Wanzenried mit einem Ehrendiplom und das Musée céramique des Keramikhändlers L. Hahn mit einer Goldmedaille ausgezeichnet.

1. Bernisch-Kantonalen Industrie-, Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung, Thun 1899, Stand des Industrievereins Heimberg.

Das im Ausstellungsführer gedruckte Standfoto belegt, dass die Hafner Fritz Frank-Mäder, Christian Frank-Jenny, Friedrich Hänni-Kratzer, Charles Loder-Eyer, Bendicht Loder-Walder, Jakob Reusser, Jakob Schenk, Gottfried Tschanz, Ernst Wittmeier und Eugen Rorschach (Bern) offenbar durchweg im Stil der “Thuner Majolika” arbeiteten, die damals beim bernischen Publikum und den Touristen immer noch en vogue war. Vermutlich waren die genannten Hafner auch die Hauptlieferanten für das Musée céramique.

1. Bernisch-Kantonale Industrie-, Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung, Thun 1899, Stand der Manufaktur Wanzenried.

Optisch und vermutlich auch in der Qualität unterschieden sich die meist ungemarkten Keramiken der Hafner wohl kaum von den Produkten der Manufaktur Wanzenried, die ebenfalls mit einem grossen Stand in Thun vertreten war.

Anna Elisabeth Loder-Eyer, Karl Loder-Eyer und unbekannte Personen (von links) vor der Töpferei Loder-Eyer in Steffisburg, Bernstrasse 167, um oder bald nach 1900. Der kleine Junge mit Hut ist Emil Loder (1890-1971).

Familiäre Veränderungen gab es im Jahr 1900. An der letzten Steffisburger Verdingkindergemeinde vom 28. Dezember 1900 wurde Emil Loder, ein Vetter von Karl Loder, (siehe Stammbaum) zusammen mit seinen Brüdern Ernst Robert (1891–1969) und Walter (1882–1930) für ein Kostgeld von Fr. 65.- pro Jahr, an den kinderlosen Vetter Karl Loder-Eyer (1871–1915) verdingt. Die Integration in die Familie seines wesentlich älteren Vetters sollte sich für Emil als lebensbestimmend erweisen. Ab dem 10. Mai 1906 erhielt er bei Karl Loder einen Lehrvertrag als Hafnerlehrling. Für das zu bezahlende Lehrgeld in Höhe von Fr. 200.- kam die Armenkommission der Gemeinde Heimberg auf (Gemeindearchiv Heimberg, Akten der Armenkommission 1906, 97 (30.8.1906).

Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern 20. Dezember 1902 Ausgabe 03.

Anlässlich der Weihnachtsausstellung des Jahres 1902 im Gewerbemuseum in Bern wurden die Arbeiten von Karl Loder-Eyer durch den Museumsdirektor Oscar Blom erneut lobend hervorgehoben (Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern 1902, No. 49, 20.12.1902). Mit ihm wurden die Hafner Loder-Walder und Tschanz genannt.

Karl Loder-Eyer beteiligte sich auch erfolgreich an der II. Preisausschreibung des Kantonalen Gewerbemuseums für Arbeiten in gebranntem Ton (Majolika) im Dezember 1902. Zwar gewann die Manufaktur Wanzenried immer noch in einigen Kategorien die ersten Preise, aber Karl Loder stand mit seiner Produktion offenbar auf einem vergleichbaren Niveau. Bendicht Loder-Walter erhielt einen dritten Preis und das Musée Céramique unter L. Hahn eine Ehrenmeldung (Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern 50, Nr. 28, 1.4.1903). Am 11. April 1903 gratulierte auch der Tägliche Anzeiger für Thun und das Berner Oberland (Band 27, Nummer 86) zu den gewonnenen Preisen und bezeichnete in diesem Zusammenhang Karl Loder als “Förderer heimischer Industrie”.

Visitenkarte von Karl Loder-Eyer, nach 1903.

Auf die gewonnenen Preise in Thun und Bern war Karl Loder offenbar sehr stolz, weshalb er eine neue Visitenkarte drucken lies, die seine Firmenmarke zeigt (ligiertes CH L – Charles Loder; die Marke war nicht im Schweizerischen Handelsregister eingetragen). Abgesehen von den Prämierungen in Thun und Bern verweist die Karte auch noch auf eine Prämierung in Paris. Dabei kann es sich eigentlich nur um die Weltausstellung im Jahr 1900 handeln, auf der auch das Musée céramique von L. Hahn für seine Thuner Majolika eine Bronzemedaille erhielt (La Tribune de Geneve, 1.9. 1900). War Karl Loder also wesentlicher Lieferant für Hahn und fand, dass die Medaille eigentlich ihm zustehen müsste?

Am 30.12.1905 lösten Karl Loder-Eyer und Marie Mürner, geb. Gfeller (als Rechtsnachfolgerin ihres verstorbenen Hafnergatten Samuel Mürner) den unter dem 26. Juni 1877 gegründeten “Hülfs- und Freundschafts-Verein” der Heimberger Hafner auf, da sie die beiden letzten Mitglieder waren und Frau Mürner kurz vorher ihre Hafnerei aufgegeben hatte. Aus der von Karl Loder-Eyer abgelegten Schlussrechnung geht hervor, dass der Hilfsverein zum Schluss nur noch einen Wagen “rohe Glätte von Firma Lutz & Schrämli” im Wert von 2380 Franken besass. Die Glätte wurde bei Frau Wanzenried für 598,50 Franken gemahlen und dann von Karl Loder-Eyer übernommen (Abrechnung im Firmennachlass Kunstkeramik Luzern im Staatsarchiv Luzern).

Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland 19.12.1905, Ausschnitt.

Oscar Blom, Der BUND 21.12.1905, Ausschnitt.

Die Weihnachtsausstellung des Jahres 1905 im Kunstgewerbemuseum fand in der Presse ein positives Echo (Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland 3.12.1905, 19.12.1905, 30.12.1905; Der BUND 21.12.1905). Besonders hervorgehoben wird die “grosse Pyramide von Thuner Majolika, ausgestellt von Gottfried Beutter in Thun [Nachfolger von L. Hahn im Musée céramique], Karl Loder-Eyer in Steffisburg und B. Loder-Walder, Hafnermeister in Heimberg”.  Auch Oscar Blom lobte in einer Besprechung im BUND erneut die Produkte von Karl Loder-Eyer.

Das Preisausschreiben des Jahres 1902 und die Weihnachtsausstellungen im Gewerbemuseum waren einige der Aktivitäten mit denen Oscar Blom, der Direktor des Gewerbemuseums, das Kunsthandwerk und die keramische Produktion im Kanton Bern fördern und verbessern wollte. Seine Bemühungen um die Ausbildung der Hafner führte schliesslich zur staatlich geförderten Eröffnung einer Töpferschule in Steffisburg im August 1906 (Verwaltungsbericht der Direktion des Inneren des Kantons Bern 1906, 204. Vgl. dazu Messerli Bolliger 1991).  Karl Loder wurde Mitglied der Aufsichtskommission (Blom 1908). 24 Schülerinnen und Schüler besuchten die Modellierklasse von Ferdinand Huttenlocher (1856–1925) und die Dekorationsklasse von Paul Wyss (1875–1952). Unter den Schülern befanden sich auch Karl Loder-Eyer, Emil Loder, der Vetter Friedrich Loder (1890–?) bzw. die Cousine Rosa Ida Loder (1889–1912).

Huttenlocher und Wyss waren zugleich Kunstgewerbelehrer an der 1905 eröffneten Keramikfachklasse der Bernischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule, für deren Besuch Karl Loder-Eyer (auf Veranlassung von Oscar Blom?) 1905 und 1906 zwei Staatsstipendien erhielt. Offenbar gehörte Karl Loder-Eyer, wie sein Vetter Bendicht Loder-Walder, der für die Kunstgewerblerin Nora Gross produzierte, zu den aufgeschlossenen, bildungswilligen Hafnern der Region Heimberg-Steffisburg.

An der Weihnachtsausstellung des Kantonalen Gewerbemuseums Bern war Karl Loder-Eyer, Steffisburg mit einer Kollektion Majolika vertreten. Neben ihm stellten aus:  Bendicht Loder-Walder, Heimberg (Kollektion Majolika) und die Töpfergenossenschaft Steffisburg (Kollektion Majolika).

Keramik von Karl Loder-Eyer, 1908 veröffentlicht.

Vermutlich ist dies der Grund, warum Oscar Blom in seinem Jahresbericht von 1908 auch eine Fototafel mit der aktuellen Produktion von Karl Loder-Eyer veröffentlichte. Seine Produktpalette und die ebenfalls abgebildete der Manufaktur Wanzenried sowie von Bendicht Loder-Walder sollten andere Hafner zu Nachahmung anregen. Auf diesem Wege erhalten wir erstmals einen absolutdatierten Hinweis auf das Aussehen der Produktion von Loder-Eyer. Erkennbar wird die dekorative und formale Distanz der Produkte zur Thuner Majolika des Historismus, die Oscar Blom und mit ihm wohl auch die Keramikfachschullehrer, für überholt hielt (Blom 1908). Neu und modern waren Dekore in einem stilisierten, floralen Jugendstil, wie sie der Kunstgewerbelehrer Paul Wyss den Töpfern, Keramikmalerinnen und -malern in Bern und in Steffisburg vermittelte.  Es erstaunt daher nicht, wenn bei der Weihnachtsausstellung im Gewerbemuseum 1906 die ausgestellten Keramiken von Karl Loder als eine “Sammlung neuer Heimberger Majoliken” bezeichnet wurde (Intelligenzblatt für die Stadt Bern, 15.12.1906; auch Täglicher Anzeiger für Thun und das Berner Oberland 19. Dezember 1906).

Im Jahr 1911 meldete Karl Loder-Eyer aus unbekanntem Grund seine Hafnerei/Firma auch im Schweizerischen Handelregister an (SHAB 29, 1911, s. 1650). Dies blieb der einzige Eintrag zu seinen Lebzeiten. Ausserdem liess er am 22. Dezember 1911 mit Zustimmung seiner Ehefrau ein Testament aufsetzen, das seine drei Vettern Emil Loder (1890-1971), Ernst Robert Loder (1891–1969) und Walter Loder (1882–1930) im Todesfall als Erben der Hafnerei bestellte. Als Begründung wurde die Kinderlosigkeit des Ehepaares angegeben.

Bereits im Hinblick auf die Landesausstellung in Bern 1914 fand 1910/11 im Kantonalen Gewerbemuseum in Bern eine “Weihnachts- und  Kunstindustrie-Ausstellung” statt, bei der die Aussteller ihre Keramiken in den Kontext einer umfassenderen Raumkunst bzw. Raumgestaltung zu integrieren hatten. Den Raum für Karl Loders Keramiken entwarf der Berner Architekt Otto Ingold (1883–1943), wie einer Ausstellungsbesprechung im BUND (18.1.1911) entnommen werden kann. Der Text fährt fort: “Aussteller: Karl Loder-Eyer, Töpfer, Steffisburg, Majolika und Töpferwaren mit farbigen Fritten, zum Teil nach eigenen Entwürfen, zum Teil nach Entwürfen von Architekt Otto Ingold und der Töpferschule Steffisburg. Hier fällt uns die Blumenkeramik besonders in die Augen. In den wohlproportionierten Formen der einzelnen Stücke, die sofort an eine bestimmte Verwendung (Nischendekoration usw.) erinnern, aus ihr abgeleitet sind, in der sachlichen Dekoration, im Gegensatz zu den frühen naturalistischen Ornamenten sind die Einflüsse der Raumkunstausstellung bemerkbar.”

Ingold galt in Bern als renommierter Reformarchitekt und zeichnete sich 1908 mit dem Bau des Künstlerhauses von Cuno Amiet auf der Oschwand und dem 1914 eingeweihten Berner Volkshaus aus. 1913 beteiligte er sich an der Gründung des Schweizerischen Werkbundes. Während im angrenzenden Europa – namentlich in Deutschland – bereits erste Keramikbetriebe Entwürfe renommierter Reformkünstler wie Henry van Velde (1863–1957), Peter Behrens (1868–1940), Albin Müller (1871–1941) etc. ausführten, galt diese Zusammenarbeit zwischen Ingold und Loder-Eyer in Bern als Novum und erntete in der Zeitschrift Die Schweizerische Baukunst anerkennendes Lob: “Daß die einzelnen Stücke bei einer derartigen Ausstellung tatsächlich ihre Reize offenbaren können, braucht dem Besucher nicht erst bemerkt zu werden. Die Vasen sind zum Teil nach den Entwürfen des Fabrikanten selber, zum größten Teil aber nach Entwürfen von Architekt Otto Ingold und der Töpferschule Steffisburg hergestellt.“ (zitiert nach Messerli 2009, 62-63).

Keramikausstellung 1913, Basler Volksblatt n° 208, 1913, 7 September, (Staatsarchiv Bern BB 1.9.7).

1913 Im Rahmen einer Ausstellung im Gewerbemuseum in Basel wurden die Arbeiten von Karl Loder-Eyer und Emil Lengacher (ehemalige Manufaktur Wanzenried) neben denen der Keramikfachklasse des Gewerbemuseums Bern sehr positiv besprochen. Kritik ernteten dagegen Vasen von Adolf Gerber und Johann Röthlisberger aus Langnau. Die Arbeiten aus der Schweiz standen in der Ausstellung im Wettbewerb mit Keramiken von Max Läuger, der Karlsruher Majolika-Manufaktur, der Berliner und Kopenhagener Porzellanmanufaktur und Keramik von Wedgwood.

Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern, Band 61, Nummer 49, 20. Juni 1914

Über die Landesausstellung 1914 in Bern berichten verschiedenste Zeitungen und Printmedien. Im Juni erfahren wir, dass Karl Loder-Eyer, die Gebrüder Loder aus Heimberg, Friedrich Hänni-Kratzer aus Heimberg, Fräulein Anna Müller aus Grosshöchstetten, die Hafnerei Reusser aus Heimberg bzw. Gottfried Moser aus Wichtrach als Aussteller auf der Landesausstellung vertreten waren. Dazu kam Emil Lengacher, der mittlerweile die Manufaktur Wanzenried übernommen hatte.

Aufgrund eines bebilderten Artikels von Jacob Hermanns (seit 1907 Lehrer für Keramik an der Keramikfachschule in Bern, ausserdem Mitglied des Bazarkomites für die Landesausstellung der Vereinigung für Heimatschutz) in der Schweizer Illustrierten Zeitung 1914, haben wir immerhin einen gewissen Eindruck von der Produktion, die Karl Loder-Eyer in Bern zeigte. Er stellte seine Keramik unter anderem in den “Heimkunst-Werkstätten, Untergruppe 49A II” im Dörfli aus (Heimatschutz 9, 1914, 156),  sowie in der Gruppe 23 “Keramische und Glaswaren” in einer speziellen Halle auf dem Neufeld (Kiefer 1914, Fachbericht). In den Heimkunstwerkstätten gab es auch Vorführungen und Handwerksdemonstrationen. Dort arbeitete Robert Loder (1891-1969) an der Töpferscheibe (laut historischen Unterlagen von Emil Loder, Firmenarchiv im Staatsarchiv Luzern).

Ausserdem war er Lieferant für den Bazar der Vereinigung für Heimatschutz, der ebenfalls im “Dörfli” lag (Conradin 1914, 99). Dort wurden von Standpächtern nur Waren und Reiseandenken verkauft, die von einem Bazarkomitee vorher zugelassen worden waren oder 1913 an einem “Wettbewerb für Reiseandenken” teilgenommen hatten (Heimatschutz 8, 1913, Heft 6, 95; Preisträger: Heimatschutz 8, 1913, Heft 11, 122-123).

Ein Bazarrundgang  der NZZ (21.6.1914) verweist ausdrücklich auf “lustige bäuerliche Tanzgruppen” (Keramikfiguren?) aus der Werkstatt Loder-Eyer, von denen wir heute kein Stück mehr kennen.

Stattdessen haben sich zwei signierte Figuren in Privatbesitz erhalten, die auf einen Zusammenhang mit dem Haushaltswarengeschäft “Kaiser & Cie” in Bern verweisen, die als Lieferanten des Heimatschutz-Basars ebenfalls zugelassen waren und mit zahlreichen eingereichten Objekten an dem der Landesausstellung vorangehenden “Wettbewerb für Reiseandenken” teilgenommen hatten. In der Prämierungsliste von 1913 findet sich nun aber erstaunlicherweise nicht Karl Loder- Eyer als Künstler der Figuren, sondern der Keramiker Cäsar Adolf Schmalz aus Heimberg (“12 tanzende und musizierende Bauernfiguren”). Auch eine monographische Bearbeitung von dessen Werk verzeichnet die beiden Figuren (Marti/Straubhaar 2017, 127). Können wir also davon ausgehen, dass Schmalz für Karl Loder-Eyer arbeitete und dieser deshalb signierte? Hier braucht es wohl weitere Studien zu Cäsar Adolf Schmalz.

Eine Ausstellungskritik der NZZ (nachgedruckt im Oberländer Tagblatt vom 30.10.1914) hebt den dekorativen Reichtum der Loder-Keramiken hervor, bemängelt aber gleichzeitig, dass die Muster oft zu gesucht und etwas zu wenig der Form angepasst seien. Der BUND (10.9.1914) gruppiert die Keramiken von Karl Loder-Eyer zusammen mit denen der Gebrüder Loder und der Manufaktur Wanzenried (unter E. Lengacher) als Thuner Majolika und bewertet sie als “höchst originell und vorzüglich”.

Der abschliessende Ausstellungs-Fachbericht hebt für die Keramiken von Karl Loder-Eyer die grosse Auswahl, die Reichhaltigkeit der Bemusterung und die gute technische Ausführung hervor. “Neben der Schlickermalerei waren hier fast alle keramischen Techniken mit Geschick angewandt, ohne dass bei diesen Arbeiten das Heimische ausser acht gelassen wurde” (Kiefer 1914).

Wir können uns von der von Karl Loder-Eyer produzierten Keramik aufgrund von neun nummerierten und drei  nicht nummerierten Fototafeln einen Eindruck verschaffen. Diese befinden sich im Archiv der Kunstkeramik Luzern (heute im Staatsarchiv Luzern), wohin sie zu einem unbekannten Zeitpunkt durch Emil Loder gekommen sein dürften. Die Fotos sind vermutlich nicht alle zum selben Zeitpunkt bald nach 1900 entstanden. Jedoch trägt die Formnummer 134 erkennbar die Datierung 1914 und einzelne Keramiken (Form 126, 151, 201 und 213) entsprechen den ausgestellten Stücken von der Landesausstellung in Bern. Klassische Thuner Majolika und “Chrutmuster” stehen neben Dekoren, die an Nora Gross erinnern, hellblau glasierte Reiseandenken mit schweizerischen Landschaftsszenen und klassischen Ansichten von Tourismus-“Hot-Spots” (Thun, Schloss Chillon, Genfer See)  sowie Wintersportlern, kontrastieren mit Entwürfen von Paul Wyss, Keramik im Stil “Alt-Langnau” und Jugendstilmotiven, wie sie Karl Loder schon um 1907/1908 produzierte (s.o.). Von der hellblauen Geschirrserie verwahrt die Stiftung Schloss Thun ein inschriftlich 1914 datiertes und mit S.L.A.B. (Schweizerische Landes-Ausstellung Bern) beschriftetes Exemplar. Die Serie ist aber wohl älteren Datums, da die Form 35 bereits 1908 zum ersten Mal in einem Foto publiziert wurde.

Das vorstehende unbeschriftete Foto kann Karl Loder-Eyer nur unsicher zugeordnet werden.

Oberländer Tagblatt 10.11.1914. Kommentar: Es fehlt die Nennung der Silbernen Medaille für Johannes Röthlisberger aus Langnau!

Sowohl Karl Loder-Eyer als auch Emil Lengacher durften sich als Ergebnis der Landesausstellung über eine Goldmedaille freuen. Die Gebrüder Loder und Töpfermeister Reusser aus Heimberg erhielten jeweils eine Bronzemedaille.

Die museale Überlieferung für Karl Loder-Eyer und das Werk seiner Werkstatt ist insgesamt eher bescheiden und bedürfte einer intensiveren Aufarbeitung. Etwas umfangreichere Bestände verwahrt die Stiftung Schloss Thun (Bearbeitung 2023).

Schweizer Reiseandenken, datiert 1914 (Stiftung Schloss Thun).

Karl (Charles) Loder-Eyer, Teller aus der Wintersport-Serie, signiert “CHL” und “Thoune”. Privatbesitz.

Karl (Charles) Loder-Eyer, zwei Teller mit einer Frauenserie, Schürzen mit auffällig grossen Schleifen, signiert “Thun”. Stiftung Schloss Thun.

 

Serie von Vorrats- oder Küchendosen von Karl Loder-Eyer, Stiftung Schloss Thun.

Welche Qualität Karl Loder zu liefern in der Lage war, belegen eindrucksvoll zwei Teller aus den Jahren 1913 und 1914,  die das Heimatmuseum Trubschachen verwahrt.

Oberländer Tagblatt 15. Mai 1915

Seiner grossen Erfolge konnte sich Karl Loder nicht lange erfreuen. Völlig unerwartet verstarb er im Alter von nur 44 Jahren am 11. Mai 1915 an den Folgen eines Schlaganfalls (Nachruf Der BUND 14. Mai 1915; auch Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern, Band 62, Nummer 58, 15. Mai 1915).

Laut Testament von 1911 waren der Vetter Emil Loder (in den Grundbuchakten als Keramiker oder Maler bezeichnet) und seine Brüder (Ernst) Robert Loder (zu diesem Zeitpunkt Hafner) und Walter Loder (zu diesem Zeitpunkt Landarbeiter) die Haupterben. Das am 20. Mai 1915 eröffnete Testament wurde am 20. November 1915 von Seiten des Gemeinderates in Steffisburg für gültig erklärt. Die Vermögensanteile der drei Brüder wurden im Grundbuch eingetragen (GB Thun Bel. I 2880, 288). Bereits am 12. November 1915 hatten sich die Erben allerdings mit der Witwe Anna Loder-Eyer vertraglich darauf geeinigt, ihr den gesamten Besitz mit Nutzen und Schaden auf 11. Mai 1915 käuflich abzutreten und sich die resultierenden Vermögensteile in der definitiven Erbteilung auszahlen zu lassen (GB Thun Bel. I 2881). Am 28. Dezember 1915 wurde die Löschung der Firma «Kunsttöpferei Karl Loder-Eyer» im Schweizerischen Handelsamtsblatt veröffentlicht (SHAB 33, 1915, 1763).

Die Witwe Anna Loder-Eyer verkaufte die Töpferei mit Nutzen und Schaden auf dem 1. Mai 1917 an eine bereits am 13. September 1915 gegründete Genossenschaft “Kunsttöpferei Steffisburg vormals Karl Loder-Eyer”, die spätere DESA in Steffisburg (GB Thun Bel. I, 4118). Die Genossenschaft war vorher bereits Mieterin des Betriebes (GB Thun Bel. I, 4118). Diese stellte Adolf Schweizer aus Steffisburg (1893–1967), der eine Lehre in der Manufaktur Wanzenried gemacht hatte und ab 1911 in der Keramikfachklasse in Bern ausgebildet worden war (Messerli 2009, Anhang Schülerlisten), als technischen Leiter und Geschäftsführer ein (Nachruf Thuner Tagblatt 91, 1967, Nummer 288).

Bibliographie:

Blom 1908
Oscar Blom, Die Förderung der Majolika-Industrie in Heimberg-Steffisburg-Thun durch das kantonale Gewerbe-Museum in Bern, in: Jahresbericht pro 1907 des kantonalen Gewerbemuseums Bern, 1908, 1-9.

Kiefer 1914
Georges Kiefer, 23: Gruppe: keramische und Glaswaren. Schweizerische Landesausstellung in Bern 1914, Fachberichte Band VI.

Marti/Straubhaar 2017
Erich Marti/Beat Straubhaar, C.A. Schmalz 1887-1966. Leben und Werk mit Pinsel, Stift und Lehm, Heimberg 2017.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert, zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 5-100.

Messerli 2009
Christoph Messerli, Von der Souvenir- zur Studiokeramik. Die Berner Keramik im 19. und 20. Jahrhundert. Lizentiatsarbeit, Institut für Kunstgeschichte des Universität Bern, Bern 2009.

Wyss 1966
Robert L. Wyss, Berner Bauernkeramik (Berner Heimatbücher 100-103), Bern 1966.

 

 

 

 

Heimberg-Steffisburg BE, Loder-Walder, Bendicht, Hafnerei

Keramikentwurf von Nora Gross, ausgeführt von Bendicht Loder-Walder, 1905/1906 (Musée Ariana Genf).

Andreas Heege, Andreas Kistler und Jonathan Frey, 2023

Keramik von Bendicht Loder-Walder in CERAMICA CH

Keramik von Bendicht Loder-Walder für Nora Gross in CERAMICA CH

Die Familie Loder mit Heimatort Grossaffoltern BE, hat in der Geschichte der Töpferei im Kanton Bern, in den Orten Heimberg und Steffisburg, im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert eine erhebliche Bedeutung. Zu den wichtigsten Exponenten gehören Karl Loder-Eyer (1871-1915), Bendicht Loder-Walder (1855-1909) und Emil Loder (1890-1971) sowie dessen Sohn Franz Loder (1932-2001) und seine Ehefrau Margret Loder-Rettenmund (1932- ). Für die Familie sind in Steffisburg zwei Töpfereistandorte nachgewiesen (Bernstrasse 206, Alte Bernstrasse 167) und in Heimberg ein Töpfereistandort (Bernstrasse 310).

Im folgenden soll die Geschichte der Hafnerei von Bendicht Loder-Walder (1855-1909) und seinen Kindern dargestellt werden, soweit sie aus den wenigen bekannten Archivalien erhellt werden kann (Stammbaum).

Bendicht Loders Vater Bendicht Loder (1808–1874; Burgerrodel [BR] Grossaffoltern 1, 209) war Gemeindeschreiber in Steffisburg und Lehrer in Niederwichtrach, Wichtrach, Langnau, Affoltern, Hofwil, Röthenbach und Jaberg. Aus der zweiten Ehe von Bendicht Loder mit Anna Barbara Aeschlimann von Langnau (1825–nach1878) gingen 12 Kinder hervor (siehe Stammbaum). Von den sechs Söhnen ergriffen zwei den Beruf des Hafners: Bendicht Loder (1855–1909; BR Grossaffoltern 1, 213) und Johann Loder (1844–1894; BR Grossaffoltern 2, 107). Bendicht Loder war ein Onkel von Karl Loder-Eyer (1871-1915), einem der wichtigsten Steffisburger Hafner der Zeit um 1900.

Wo Bendicht Loder (1855–1909) ausgebildet wurde (bei seinem älteren Bruder Johann; 1844-1894?) und ob er eine Gesellenwanderung absolvierte, wissen wir nicht. Bendicht heiratete spätestens 1881 oder 1882 Anna Elisabeth Walder (1860-1911) aus der Hafnerfamilie Jakob Walder-Kaufmann, Heimberg, Bernstrasse, Parzelle 241. Anna Elisabeth Walder war das uneheliche Kind der unverheirateten  Anna Walder (1826-1913), die die Liegenschaft (ein halbes Haus und umliegenden Hofplatz) zusammen mit ihrem taubstummen Bruder Johannes (1836-1901) beim Tod des Vaters Jakob Walder (1803-1874) geerbt hatte. Es bleibt das Problem, dass in keinem der Handänderungsverträge zum Grundstück Bernstrasse, Parzelle 241 eine Töpferwerkstatt erwähnt wird.  Es muss daher unklar bleiben, ob der Hafner Jakob Walder-Kaufmann auf diesem Grundstück nur wohnte oder auch eine eigene Werkstatt hatte. Alternativ hätte er auch irgendwo in Heimberg eingemietet gewesen sein können, z.B. in eine der beiden Töpfereien der unmittelbar nördlich benachbarten Hafnereiliegenschaft Bernstrasse 310. Es ist denkbar, aber archivalisch nicht belegt, dass die Geschwister Johannes Walder und Anna Walder die Töpferei des Vaters nach 1874 gemeinsam weiterführten und spätestens mit der Hochzeit 1881 oder 1882 auch Bendicht Loder in dieser Werkstatt mitarbeitete. Bei Abwicklung der folgenden Kauf- und Verkaufsgeschäfte 1888 wurde  Bendicht Loder jedenfalls als “Hafner im Heimberg” bezeichnet. Das Paar Loder-Walder bekam bis zum Jahr 1900 14 Kinder, von denen vier Hafner und vier Ausmacherinnen wurden (Stammbaum).

1888 kaufte Bendicht Loder den halben Hausanteil seiner Schwiegermutter bzw. seiner Ehefrau (Grundbuch Steffisburg [GBSteff], 51, 734-736) und verkaufte ihn unmittelbar anschliessend, vermutlich um damit Geldmittel flüssig zu machen, die er für den Kauf der grösseren Hafnereiliegenschaft mit zwei Werkstätten, Heimberg, Bernstrasse 310, im Jahr 1888 einsetzen konnte (GBSteff 51, 717-719). In diesem 1805 erbauten Gebäude (Frey 2022) existierte schon vor 1815 eine Werkstatt des Hafners Peter Gerber, der in den 1840er-Jahren in die USA auswanderte. 1833 wurde das Gebäude nach Westen erweitert (Frey 2022) und vermutlich die zweite Hafnerwerkstatt eingebaut, die 1846 als “neue Hafnerwerkstatt” erwähnt wird (GBSteff 21, 381-385). Vor Bendicht Loder hatte hier zwischen 1858 und 1880 der Hafner Christian Haueter gearbeitet (Stammbaum Haueter). Von 1880-1888 dürften die zwei Werkstätten durch Haueters Witwe Elisabeth Haueter-Flückiger und ihren zweiten Ehemann Andreas Spahr vermietet gewesen sein. Die Liegenschaft umfasste beim Verkauf ein Wohnhaus mit zwei Hafnerwerkstätten und Scheune, “in Mauer, Rieg und Holz erbaut & mit Ziegeln gedeckt”. Dazu gehörte der Gebäudeplatz und beiliegende Wiesen und Ackerland im Umfang von 9379 Quadratmetern. Die Brandversicherungssumme betrug 10.300 Fr., die Grundsteuerschatzung 12.330 Fr. Der Verkaufspreis betrug 13.500 Fr. Hiervon bezahlte Bendicht Loder 2587 Fr. bar, es blieb also ein erheblicher Schuldbetrag von 10.913 Fr. übrig, der mit 4% zu verzinsen war und binnen 5 Jahren getilgt werden sollte. Der spätere Erbgang im Jahr 1916 (s.u.) zeigt jedoch, dass in diesem Jahr immer noch 8.930 Fr. Schulden die Liegenschaft belasteten (GBThun Bel I 3401).

Wilhelm Tell und sein Sohn Walter, Skulpturen an der Fassade der Töpferei von Bendicht Loder-Walder, Steffisburg.

Laut Aussagen des Verkäufers im Jahr 1960 (vgl. Jahrbuch Schloss Thun 1960, 23) wurde die Figur des Wilhelm Tell «1864 von dem aus dem Aargau zugewanderten Hafner K. Bercher» gefertigt. Sie stand angeblich als «Handwerkszeichen» zusammen mit dem Tellenknaben Walterli «in der Ründe der alten Töpferei» Bernstrasse 310. Während die Lokalisierung korrekt durch andere Zeugenaussagen bestätigt werden kann, gilt dies nicht für die Datierung und die Zuschreibung an den angeblich zugewanderten Töpfergesellen Karl Bercher. Karl Bercher wurde in Heimberg geboren und lebte von 1879 bis 1943. Er war der Sohn des Hafners Gottlieb Bercher (1837-1904) aus Reckingen AG, der 1859-1866 zunächst als Geselle bei Johann Fahrni und Niklaus Frei in Heimberg arbeitete und sich dann dort fest niederlies. Von 1880-1897 besass er die von ihm neu erbaute Töpferei Heimberg, Dornhaldestr. 33. Karl Bercher arbeitete ebenfalls als Hafner, wir wissen jedoch nicht, in welcher Töpferei. Stammt die Figur wirklich von Karl Bercher, so müsste sie wohl um 1900 datieren, stammt sie hingegen von seinem Vater Gottlieb, dann wäre eine Datierung in die Zeit 1860-1880 wahrscheinlicher. Das Problem von Datierung und Produzent kann nachträglich nicht gelöst werden.

Nach dem Kauf hatte der Betrieb offenbar genug Arbeit, denn im Mai 1891 suchte Bendicht Loder-Walder in der Zeitung “Der Grütlianer” einen Scheibenarbeiter, also einen Dreher. Sein Betrieb wurde aus unbekannten Gründen zu keinem Zeitpunkt im Schweizerischen Handelsamtsblatt erwähnt.

1. Bernisch-Kantonale Industrie-, Gewerbe- und Landwirtschaftsausstellung, Thun 1899, Stand des Industrievereins Heimberg.

1899 beteiligte er sich an der Kollektivausstellung des Industrievereins Heimberg auf der Gewerbeausstellung in Thun. Das im Ausstellungsführer gedruckte Standfoto belegt, dass er zusammen mit den Hafnern Fritz Frank-Mäder, Christian Frank-Jenny, Friedrich Hänni-Kratzer, Charles Loder-Eyer, Jakob Reusser, Jakob Schenk, Gottfried Tschanz, Ernst Wittmeier und Eugen Rorschach (Bern) offenbar durchweg im Stil der „Thuner Majolika“ arbeitete, die damals beim bernischen Publikum und den Touristen immer noch en vogue war.

Bericht im Täglichen Anzeiger für Thun und das Berner Oberland 11. August 1899. Auch Der Bund, Band 50, Nummer 221, 10. August 1899 Ausgabe 02, berichtete über die Prämierungen.

Der Industrieverein erhielt eine silberne Medaille. Es gibt keine Hinweise, dass Bendicht Loder-Walder zu diesem Zeitpunkt seine Produkte signierte oder markte. Vermutlich waren die genannten Hafner auch die Hauptlieferanten für das Musée Céramique in Thun, allerdings stellte dessen Besitzer L. Hahn, 1899 ebenfalls aus und erhielt eine Goldmedaille.

Die Ausstellung wurde im Täglichen Anzeiger für Thun und das Berner Oberland vom 19. August 1899 sehr positiv besprochen.

Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern 20. Dezember 1902 Ausgabe 03.

1902 beteiligte sich Bendicht Loder-Walder an der Weihnachtsausstellung des Gewerbemuseums und wurde dabei von Direktor Blom lobend erwähnt.

Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern 8. April 1903 Ausgabe 02

1902/1903 Bendicht Loder-Walter beteiligte sich neben Karl Loder-Eyer ebenfalls erfolgreich an der II. Preisausschreibung des Kantonalen Gewerbemuseums für Arbeiten in gebranntem Ton (Majolika) im Dezember 1902. Zwar gewann die Manufaktur Wanzenried immer noch in einigen Kategorien die ersten Preise, aber Karl Loder stand mit seiner Produktion offenbar auf einem vergleichbaren Niveau. Bendicht Loder-Walter erhielt einen dritten Preis und das Musée Céramique unter L. Hahn eine Ehrenmeldung (Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern 50, Nr. 28, 1.4.1903). Am 11. April 1903 gratulierte auch der Tägliche Anzeiger für Thun und das Berner Oberland (Band 27, Nummer 86) zu den gewonnenen Preisen.

1903 Paul Wyss, Kunstgewerbelehrer am Gewerbemuseum in Bern, arbeitete als Entwerfer für Bendicht Loder-Walder (Messerli-Bolliger 1991, 76, Anm. 467).

Geschäftsblatt für den obern Teil des Kantons Bern 26. März 1904

1904 erfahren wir, dass Karl Bendicht Loder (1884-1909) und seine Schwester Anna Elise (1886-1908) in der väterlichen Werkstatt als Lehrlinge ausgebildet worden waren und die offizielle Lehrlingsprüfung bestanden hatten.

Karl Bendicht Loder (1884-1909), Foto im Firmennachlass der Luzerner Keramik im Staatsarchiv Luzern.

Auf Karl Bendicht Loder (1884-1909) ruhten offenbar alle Zukunftshoffnungen des Vaters. Karl Bendicht  beantragte am 2. November 1904 beim Regierungsrat des Kantons Bern ein Ausbildungsstipendium für die Kunstgewerbeschule in Bern, da es in Heimberg vor allem an Fortbildungsmöglichkeiten im Zeichnen und Modellieren mangele. Der Gemeinderat von Heimberg unterstützte sein Gesuch. Paul Wyss schrieb am 3. Dezember 1904 eine Begutachtung “Anlässlich meiner regelmässigen Werkstattvisiten in Heimberg lernte ich den Steller des vorliegenden Gesuches näher kennen. meiner Überzeugung nach ist Karl Loder ein äusserst fleissiger und solider Jüngling mit hellem Kopf + praktischem Sinn. Seine Versuche im Modellieren zeigen jedenfalls ein gutes Auffassungsvermögen und + gute Erfindungsgabe + es ist somit ziemlich sichere Gewähr dafür geboten, das er bei sachgemässer Ausbildung eine tüchtige Kraft werden wird.”

Am 30. Dezember 1904 wurde seinem Gesuch vom Regierungsrat des Inneren stattgegeben (Urkunde vom 7.1.1905) und er erhielt 300 Fr. für den Besuch der bernischen Handwerker- und Kunstgewerbeschule im Jahr 1905. Er begann den Schulunterricht im März 1905. Dieses Stipendium wurde am 24. Januar 1906 noch um ein weiteres Jahr bis  1907 verlängert. Allerdings war sein Gesundheitszustand im Winter 1906/1907 so geschwächt, dass er die Schule nicht besuchen und sich zur Kur nach Heiligenschwendi (Volksheilstätte für unbemittelte Tuberkulosekranke) begeben musste  (Korrespondenz im Firmennachlass der Luzerner Keramik im Staatsarchiv Luzern).

Die Krankheit war so gravierend, dass Karl Bendicht bereits im Januar 1909, d.h. noch vor seinem Vater starb.

1904 Vermutlich begann in diesem Jahr oder schon im Jahr 1903 die fruchtbare Zusammenarbeit von Bendicht Loder-Walder mit der Keramikdesignerin Nora Gross aus Lausanne, die vorher mit der Töpferei Veuve Knecht et fils in Colovrex (GE) gearbeitet hatte und dort unzufrieden war. Es ist diese Zusammenarbeit mit einer herausragenden und modernen Keramikdesignerin, die Loder-Walder für einen kurzen Zeitraum von etwa 5 Jahren unter den Heimberg-Steffisburger Hafnern besonders hervorhebt.

In einem Artikel in der NZZ vom 20. November 1906 berichtet der unbekannte Redakteur über eine Reise nach Heimberg im August 1904 und beschreibt seine Suche nach dem Hafner und der Werkstatt, die die “moderne Keramik” herstellte. Nachdem er zunächst zwei Werkstätten besucht hatte, die einerseits Thuner Majolika mit Edelweissmotiven und andererseits modernere Schlickermalereien fertigten, wie man sie “an einem Stand unter den  Bögen am Limmatquai kaufen kann”(Hafnerei Wächter-Reusser), kam er schliesslich zur Werkstatt Loder-Walder. “Es wurde vor diesem Hause gerade ein prächtiger Erntewagen abgeladen, der alle verfügbaren Hände in Anspruch nahm. Wir wurden deshalb nicht sehr freundlich aufgenommen; erst als der Mann allmählich merkte, dass wir uns für seine Sachen interessierten, wurde er gesprächig und holte allmählich eines um das andere von den hübschen Mustern der Fräulein Gross von den Schäften herunter und erzählte von seinen Bestellungen aus Interlaken und von seinen Sendungen nach Berlin. Wir unterhielten uns so gut, dass wir fast zu spät zur Bahn kamen, schwer beladen mit Heimberger Geschirr. Dies alles ist uns wieder frisch ins Gedächtnis getreten, als wir diese Keramiken [im Dezember 1906] in der Kunsthandlung Weil an der Bahnhofstrasse [in Zürich] ausgestellt sahen. Sie werden hoffentlich einen guten Absatz hier finden, handelt es sich doch um echtes Schweizerfabrikat und gesunde Heimkunst.”

Bericht über die Ausstellung im Kunstgewerbemuseum in Bern im «Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern – 52, Nr. 36, vom 6.5.1905.

Bendicht Loder-Walder, Heimberg, nach einer Skizze von Nora Gross, 1905 (MHL Nr. 14).

Weitere, gradezu euphorische Erwähnungen der neuen keramischen Kreationen stammen aus dem Mai des Jahres 1905, als sie mit grossem Erfolg in einer Ausstellung des Kantonalen Kunstgewerbemuseums in Bern präsentiert wurden (Le Nouvelliste vaudois vom 3. Mai 1905, 2 – Gazette de Lausanne vom 13. Mai 1905, 3 und 5). Am Rande sei bemerkt, dass der Bericht in Le Nouvelliste eine Erklärung für den Bruch zwischen Gross und der Firma Knecht liefert: «Fräulein Gross hatte zuerst unter den Töpfern von Ferney [der Ortsfehler erklärt sich dadurch, dass die Töpferei Knecht in Ferney-Voltaire eine zweite Werkstatt betrieb] nach dem Handwerker gesucht, der ihre Kreationen herstellen konnte, aber die Vorurteile, auf die sie stiess, hatten den glücklichen Effekt, dass sie schweizweit nach dem Mitarbeiter suchte, den sie brauchte. Sie fand ihn in Heimberg.»

     

Keramik von Bendicht Loder-Walder und Nora Gross in der Sammlung des Historischen Museums von Lausanne.

Die überwiegende Mehrheit der von Loder-Walder für Nora Gross hergestellten Keramiken trägt eine eingeritzte Marke «BL (oder BLW) – Nora Gross» und eine geritzte Formnummer. Fünf Stücke befinden sich in der Sammlung des Historischen Museums von Lausanne (MHL Nr. 14; MHL Nr. 17; MHL Nr. 18; MHL Nr. 25; MHL Nr. 26). Drei Keramiken befinden sich in der Schule für Gestaltung Biel und Bern.

Im Schweizerischen Landesmuseum in Zürich finden sich drei Vasen von Nora Gross und Bendicht Loder-Walder (SNM LM-70629, SNM LM-70630, SNM LM-149623).

Das Musée Ariana bewahrt 15 Exemplare dieser Kategorie, die 1905 und 1906 vom ehemaligen Kunstgewerbemuseum in Genf erworben wurden (siehe Ball 1988 Kat. Nr. 2, 5, 7, 8, 10, 11, 14-16, 18-20, 23-26).

Darunter befinden sich auch zwei sehr dekorativ bemalte Teller.

Fünf zusätzliche Beispiele finden sich auch in der Sammlung des Gymnasiums Lerbermatt in Köniz. Leider haben wir keine Ahnung, wann diese Stücke in die Sammlungen der vorherigen Institution, des Staatlichen Seminars Bern – Lerbermatt, gelangt sind. Wir stellen fest, dass sich die Signaturen von denen der vorherigen Gruppe unterscheiden, den Grund dafür können wir nicht angeben.

   

 

 

Sammlung des Gymnasiums Lerbermatt in Köniz.

Mit Bendicht Loder entwickelte Gross eine deutlich feiner ausgearbeitete Produktlinie, vor allem in Bezug auf die Farbe. Die engobierten Dekore sind mit farbigen Glasuren überzogen, die einen schönen Farbreichtum aufweisen und zudem im Laufdekor hervorgehoben sind.

Die von Loder-Walder hergestellten Keramiken tragen eine eingravierte Marke «BL (oder BLW) – Nora Gross» und eine eingeprägte oder eingeritzte Formnummer. Private Sammlung.

Das Kunstgewerbemuseum in Zürich bewahrt eine weitere Vase aus dieser Zeit (ZHdK-KGS-08457).

Das Historische Museum in Lausanne und die Schule für Gestaltung in Bern besitzen ein ungewöhnliches Milchkännchen mit “Johannisbeerdekor”.

Im Herbst 1905 wurde eine grosse Verkaufsausstellung sowohl im Grand Bazar in Neuenburg als auch im «Maison d’Art» in Genf organisiert (La Suisse Libérale 42, Nr. 267, 14. November 1905 und 42, Nr. 296, 17. Dezember 1905).

1905 Anlässlich der Weihnachtsausstellung des Kunstgewerbemuseums in Bern wird Bendicht Loder-Walders Beteiligung an der grossen “Pyramide von Thuner Majolica” erwähnt (Täglicher Anzeiger für Thun, 29, Nr. 287, 3. Dezember 1905 und Nr. 300, 19. Dezember 1905). Dabei arbeitete er in diesem Fall mit Karl Loder-Eyer und mit Gottfried Beutter aus Thun zusammen, der kurz vorher das Musée Céramique übernommen hatte.

Im Juni 1906 fand im La Grenette in Lausanne die «2. Ausstellung der Malerinnen der französischen Schweiz» statt. Auch Nora Gross nahm mit ihren «hübschen Vasen» teil (La Suisse Libérale 43, Nr. 132, 10. Juni 1906). Im Juli 1906 werden ihre Keramiken in Fribourg im Schaufenster von Georges Clément in der Grand-Rue ausgestellt. Sie werden bewundert und detailliert beschrieben (La Liberté, 36, Nr. 156, 11. Juli 1906).

1906 bekommen wir aus der Feder des Thuner Stadtarchivars Karl Huber (Huber 1906) eine eindrückliche Würdigung der Arbeiten Loder-Walders:

«Zu einem Kunsthafner möchte ich Sie noch führen. Es ist Bendicht Loder-Walder bei der Station Steffisburg. Dem bescheidenen Manne hat sein Beruf gesundheitlich hart zugesetzt, aber wie wenig lässt er von seinem Leiden merken, wenn er auf seine geliebte Kunst zu sprechen kommt und uns auf dem Gang zu den schönen Erzeugnissen seiner neuen Versuche begleitet. Dem Praktikus stehen feinsinnige Künstler wie Prof. Huttenlocher in Bern und Frl. Gross in Lausanne zur Seite. Nach ihren originellen Zeichnungen und denen seiner begabten Tochter Anna schafft er prächtige Gefässe aller in Thun bekannten Formen und Wandteller, die er mit einer eigenen glanzvollen Glasur überzieht, deren Zusammensetzung noch sein Geheimnis ist. Die Farben Grau, Braun und Blau wiegen dabei vor. Durch Loders eigenartige Glasur erscheinen die Zeichnungen so weich und traumhaft zart, dass die Wirkung eine verblüffende ist. Die nach Grossschen Zeichnungen aufgetragenen Dekorationen stellen Fische, Coniferenfrüchte, Fruchtgehänge, Vögel, Blumen, wie Disteln und Rosen u.a., dar. Durch ein anderes verfahren, die sogenannte Ueberlaufglasur, werden phantastische Farbenwirkungen erzielt, die eine schöne Zukunft versprechen. Auf schönem Gebrauchsgeschirr sahen wir Alphornbläser und andere Figuren aus dem Alpenleben nach neuestem Verfahren mit dem Pinsel und dünnen Farben aufgetragen. Soviel wir wissen, werden die Loder-Walderschen Erzeugnisse vorzugsweise im Magazin von Frl. Gross in Lausanne verkauft. Benedikt Loders versuche erstreckten sich auch auf die Fabrikation eines solideren Gebrauchsgeschirrs. Dadurch, dass er farbige Glasuren verwendet und das Auftragen von Farben zwischen Ton und Glasur ausgeschaltet hat, ist es ihm gelungen ein schönes, solides Produkt zu erzielen, das jeden Vergleich mit dem durch seine Solidität bekannten Schaffhausergeschirr aushält» (Huber 1906, 295-296)

Im November 1906 wurde ein Teil Ihrer Produktion auch in der Kunsthandlung Weil an der Bahnhofstrasse in Zürich ausgestellt und von der NZZ (Neue Zürcher Zeitung, Archiv) vom 20. November 1906 sehr wohlwollend aufgenommen.

Ihre Produkte wurden 1906 auch in Basel gelobt und verkauft (Illustrierte Schweizerische Handwerker-Zeitung Nr. 38, 20.12.1906, 613).

Paul Wyss lobte 1906 : “Was für schöne Resultate schließlich Loder-Walder mit seinen Glasuren fertig gebracht hat, ist wohl allen bekannt. Er ist nicht der Begütertsten einer und hat doch in Erkenntnis, dass etwas gehen musste, und wenn der Verdienst wieder besser werden sollte, Zeit und Material geopfert, lange Zeit Versuche angestellt und nun gönnen wir ihm gewiss alle seinen schönen Erfolg. Er mag nun ein Beleg dafür sein, dass ohne Probieren und Riskieren halt nichts erreicht werden kann, dass aber, wo mit Verstand und offenen Augen Proben angestellt werden, bald und ohne übermässige Opfer neue Arten gefunden werden können, welche besseren Verdienst bringen.”

Nora Gross von Loder-Walder gefertigte Vasen entsprechen so ganz den Vorstellungen, die Paul Wyss vom “Neuen Stil” der Keramik hatte:  “Harmonistische Stimmung will den ganzen Effekt der Vase einheitlich machen. Die Vase soll im wesentlichen ein großer, schöner und glänzender Glasurfleck sein, welcher den Blumenstrauß in seiner Wirkung unterstützt, ungefähr wie der Rahmen das Bild an der Wand. Wir verlangen also eine gewisse Ruhe in der Behandlung der Vase und eine einheitliche Wirkung, nicht hier ein grell roter Fleck, daneben ein weißer, ein blauer, ein grüner etc., sondern die Vase soll den Gesamteindruck machen von grün, oder blau, oder rot, etc. Das erreichen wir theoretisch dadurch, dass wir einen Zentralton wählen im Farbenkreis und nun am Dekor nur die nächst benachbarten Töne brauchen; einer Abweichung nach links, entspricht eine gleichgroße nach rechts, so dass der erstgewählte Ton stets im Mittelpunkt bleibt. Praktisch macht es sich so, dass über die aufgesetzten Farben nun eine einheitlich gefärbte, aber durchsichtige Glasur kommt, sei diese Überglasur z. B. blau, so scheint das Rot durch sie hindurch violett, und das Grün blaugrün; über allem liegt ein blauer Schleier, und so erhalten wir die gewünschte einheitliche Wirkung in Blau” (Wyss 1906, 20).  Durch die intensive Zusammenarbeit mit den Töpfern Bendicht Loder-Walder und später Christian Frank-Jenny (1865-1950) gelang es Gross, mit ihren charakteristischen Entwürfen den internationalen Reformgedanken des „modernen Stiles“ nach Heimberg zu tragen (Messerli 2009, 68 und Ball-Spiess 1987).

1907 An der Weihnachtsausstellung des Kantonalen Kunstgewerbemuseums Bern war Bendicht Loder-Walder, Heimberg, neben Karl Loder-Eyer, Steffisburg mit einer Kollektion Majolika vertreten. Ausserdem stellte die Töpfergenossenschaft Steffisburg aus (Kollektion Majolika).

Keramiken von Bendicht Loder-Walder und Nora Gross in der Weihnachtsausstellung des Kunstgewerbemuseums Bern 1907 (Jahresbericht 1907 des Kantonalen Kunstgewerbemuseums Bern).

Über die Objekte der Weihnachtsausstellung des Kunstgewerbemuseums Bern 1907 informiert eine Fototafel im Jahresbericht des Direktors Oscar Blom (1908). Formen und Dekore gehen klar auf Nora Gross zurück.

Anzeige 1907

Winter-Spezialausgabe des Illustrierten Fremdenblattes von Thun und Umgebung vom 21.9.1907 (Signatur: Stadtarchiv Thun 7/2 AN 5.2).

In der Winter-Spezialausgabe des Illustrierten Fremdenblattes von Thun und Umgebung vom 21.9.1907 findet sich eine Anzeige von Bendicht Loder-Walder, in der er als Spezialität “Modernes Majolika” anpreist zugleich aber darauf hinweist, dass er [Thuner] Majolika und gewöhnliche Töpferware herstellt.

Von diesen “klassischen” Produkten der Werkstatt sind aus unbekannten Gründen nur sehr wenige bekannt. Möglicherweise wurden sie in der Werkstatt Loder-Walder normalerweise nicht gemarkt.

 

Der Bund, Band 59, Nummer 148, 27. März 1908 Ausgabe 02

Keramik von Adèle Schwander und Bendicht Loder-Walder in der Sammlung Stiftung Schloss Thun.

Schüssel mit Grifflappen nach Langnauer Vorbild, gestaltet von Adèle Schwander, ausgeführt von Bendicht Loder-Walder, 1908. Privatbesitz Schweiz, Foto Christoph Messerli (Messerli 2009, Abb. 80). 

1908 Der BUND berichtete im März 1908 über eine Sonderausstellung im Gewerbemuseum in Bern, auf der Keramiken von Adèle Luise Schwander (1880-1949) und Bendicht Loder-Walder gezeigt wurden. Wie lange diese Zusammenarbeit gedauert hat, ist unbekannt.

Nach dem Tod von Bendicht Loder (21.11.1909) ging die Liegenschaft und Werkstatt Bernstrasse 310 an seine Witwe über und als diese am 13.7.1911 ebenfalls starb, gelangte der Besitz an die neun zu diesem Zeitpunkt noch lebenden Kinder.

Diese liessen sich die Erbschaft erst 1916 im Grundbuch eintragen (GBThun Bel I 3401, GBThun Bel I 3402). Zu diesem Zeitpunkt wird Ernst Hans Loder (1882-1958) als Hafner in Heimberg bezeichnet. Friedrich Loder (1890-?) war Hafner in Biel, seine beiden Schwestern Marie Martha Loder (1892-1917) und Marie Frieda Loder (1893-1917) waren Malerinnen/Ausmacherinnen in Heimberg. Gleiches gilt wohl auch für Mina Bertha Loder (1894-1919), die 1916 noch als Haushälterin bezeichnet wird. Eduard Rudolf Loder (1896-1971) wurde schon 1916 als “Laboratorium Arbeiter” bezeichnet. Die drei übrigen Kinder waren noch minderjährig.

Der Tod von Bendicht Loder-Walder im November 1909 bedeutet nicht das Ende der Produktion der von Nora Gross entworfenen Formen und Dekore, da die Werkstatt weiterhin bestand und wohl auch dieselben Keramikmalerinnen tätig waren. Ein Hinweis in diese Richtung dürfte eine 1911 durchgeführte Ausstellung der Société des peintres et sculpteurs suisses, der Gesellschaft Schweizerischer Maler und Bildhauer, im Kunsthaus in Zürich sein. Die ausgestellten Keramiken von Nora Gross wurden von Albert Baur, Chefredakteur der Zeitschrift Wissen und Leben  (Schweizer Monatsschrift für allgemeine Kultur, Bd. 8, 1911, 160), als «interessante keramische Arbeiten» hervorgehoben. Auch die NZZ berichtete mit Hinweis auf die Fertigung durch Loder-Walder über diese Ausstellung (9.4.1911, 20.4.1911, 29.4.1911). Die Annahme der kontinuierlichen Produktion wird auch durch Bemerkungen von Paul Wyss (1914, 150) unterstützt. An der Berner Landesausstellung 1914 wurden in der 23. Gruppe: Keramische und Glaswaren einige Exponate von Loder-Walder nach Entwürfen von Nora Gross gezeigt. Ein Vermerk im Ausstellerverzeichnis belegt, dass die keramischen Entwürfe von Nora Gross jeweils von Ausmacherinnen der Werkstatt Loder-Walder umgesetzt wurden. Interessant erscheint dabei, dass Loder-Walders neue Kollektion gleichwohl noch als Majoliken bezeichnet wurde: „Gebrüder Loder, Töpferei, Heimberg. Fabrikation von Majolika unter künstlerischer Mitarbeit von Frau Nora Gross, Lausanne. Anfertigung nach Entwürfen in prompter Ausführung.“ (zitiert nach Messerli 2009, 70). Der Fachbericht zur Landesausstellung (Band VI zu Gruppe 23, S. 73) kritisiert in diesem Zusammenhang: “Gebrüder Loder, Heimberg, brachten Töpfereien nach Entwurf von Frau Nora Gross, Lausanne. Es begegnete uns wenig Neues, das Meiste war uns bekannt von früheren, von der Künstlerin veranstalteten kleineren kunstgewerblichen Ausstellungen”.

Keramik- und Textilstand im Dörfli-Bazar auf der Landesausstellung in Bern 1914 (nach Conradin 1914, 99).

1914 beteiligten sich die “Gebrüder” Loder nicht nur an der Landesausstellung in Bern sondern waren auch Lieferanten für den Bazar im “Dörfli”.

1914 Auf der Landesausstellung in Bern erhielten die Gebrüder Loder eine Bronzemedaille (Oberländertagblatt_38_Nr. 263, 10.11.1914). Was genau prämiert wurde, bleibt jedoch unklar. Der BUND (Band 65, Nummer 477, 9. Oktober 1914 Ausgabe 02) berichtete:
“Schweizerische Landesausstellung. Keramische und Glaswaren.  Freudig erstaunt der Besucher der keramischen Abteilung der Landesausstellung über die schmucke Reichhaltigkeit an Formen, Farben und Zeichnungen der in dieser Halle ausgestellten Glas-, Porzellan- und Töpferwaren. Der Schweizerboden schafft fast unerschöpfliche Mengen von Ton-Rohmaterialien, so daß die Töpferei in unserem Lande eine ansehnliche Zahl von Vertretern hat, deren höchstes Streben darauf hinzielt, ausgezeichnete praktische Töpferwaren herzustellen, besonders auch antike Formen neu zu gestalten und ihnen den Stempel unserer Zeit aufzuprägen, die ja auch wieder nach möglichster Einfachheit und Größe der Umrißlinien, nach möglichster Harmonie zwischen Form und Farbe im Ausdruck des Ganzen trachtet. Alle die einst beliebten schnörkeligen Rokoko-Lieblichkeiten auf Tellern, Töpfen, Krügen und Schalen sind dem schlicht-ernsten, großen Zuge der Moderne gewichen. Daher mutet uns heutige Menschen zum Beispiel das mit schweren, reliefartig erhöhten Blumen- und Rankenzeichnungen bedeckte Majolikageschirr fast wie ein Gruß aus einer fremd gewordenen Vergangenheit an und will uns beinahe nur noch wie etwas aus alter, ehrwürdig-völkischer Zeit Ueberkommenes bedünken. Weltbekannt ist ja die Thuner Majolika, die durch ihre farbige Dekoration ungemein urwüchsig und volkstümlich-kraftvoll erscheint. Die Majolikafabriken von Steffisburg, Heimberg und Thun haben denn auch höchst Originelles und Vorzügliches ausgestellt. (K. Loder-Eyer, Gebr. Loder, E. Lengacher).” Die Zeitungsberichte des Jahres 1914 bilden die einzige  Erwähnung der “Gebrüder Loder”.

1916 erfuhr die Zusammenarbeit von Bendicht Loder-Walder und Nora Gross eine grössere Würdigung, als Elisabeth Gött-Strasser in der Publikation “Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz” (Anner 1916) die Keramik besprach.

1922 erwarb Ernst Hans Loder die gesamte Liegenschaft Bernstrasse 310 von seinen Geschwistern und produzierte ab diesem Zeitpunkt wohl allein Alltagswaren und späte Thuner Majoliken (“Chrutmuster”?). Sein Betrieb erschien nicht mehr in der Presse. 1932 führte der Konkurs Loders zum Verkauf der Liegenschaft an den Fabrikarbeiter Rudolf Amstutz, der keine Verwendung für die beiden Töpferöfen hatte.

Links: Heimberg, Bernstrasse 310. Der stehende Töpferofen (70) nach seiner Freilegung. Im Vordergrund der Aussenmantel des Ofens, dahinter der vertiefte Boden des Feuerungsraums. Links im Bild das Lochtennengewölbe mit Resten des Lochtennenbodens. Die Wandungen des Feuerungsraums sind stark oberflächenverglast. Im Hintergrund die Arbeitsgrube von Ofen (10). Foto Archäologischer Dienst des Kantons Bern, Marco Amstutz.

Rechts: Heimberg, Bernstrasse 310. Übersicht über das Grabungsareal mit den beiden Töpferöfen und der Nordmauer des 1805 erstellten Hauses. Foto Beat Straubhaar, Heimberger Dorfbote.

Im Juni 2021 wurde das seit Langem leerstehende und zum Teil auch baufällige Haus im Hinblick auf ein Neubauprojekt abgebrochen, nachdem das Haus bereits 2019 Gegenstand einer Bauuntersuchung des Archäologischen Dienstes des Kantons Bern war (Frey 2022).

Heimberg, Bernstrasse 310. Auswahl von Funden am Tag der offenen Grabung. Foto Beat Straubhaar, Heimberger Dorfbote.

Die Reste der beiden Töpferöfen konnten dokumentiert und ihre Aufgabeverfüllungen geborgen werden. Eine Aufarbeitung der archäologischen Funde wäre sehr erwünscht.

Dank

Herzlichen Dank für Unterstützung geht an Maya Hürlimann-Zumbrunn, Sachbearbeiterin, Stadt ThunStadtkanzlei/Stadtarchiv, an Jonathan Frey, Bern, Andreas Kistler, Bäriswil, Andreas Liesch, Stierva, Margret Loder-Rettenmund, Ebikon, Beat Straubhaar, Heimberg.

Bibliographie:

Anner 1916
Franziska Anner, Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz, Chur 1916.

Ball-Spiess 1987
Daniela Ball-Spiess, «Wie ist das Kunstgewerbe in der Schweiz zu heben und zu pflegen?» Der Beitrag von Nora Gross (1871–1929) zur ästhetischen Erziehung. Dissertation, Universität Basel, Bern 1987.

Ball 1988
Daniela U. Ball, Nora Gross (1871-1929), in: Genava 36, 1988, 117-135.

Barten 1998
Sigrid Barten, Nora Gross, in: Cerâmica da Suìça do Renascimento aos nossos dias. Ceramics from Switzerland from Renaissance until the Present. Museu Nacional do Azulejo, Lissabon 1998, 141-146.

Frey 2022
Jonathan Frey, Archäologische Forschungen: Töpferöfen in Heimberg, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Bulletin 99. 2022, 13-16.

Huber 1906
Karl Huber, Thuner Majolika, in: Illustriertes Fremdenblatt von Thun und Umgebung, 1906, 258-259, 278-279, 294-296.

Messerli 2009
Christoph Messerli, Von der Souvenir- zur Studiokeramik. Die Berner Keramik im 19. und 20. Jahrhundert. Lizentiatsarbeit, Institut für Kunstgeschichte des Universität Bern, Bern 2009.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert, zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 5-100.

Wyss 1906
Paul Wyss, Stand, Probleme und Hebung des Töpfergewerbes, Vortrag von Herrn P. Wyss, Zeichner am Gewerbemuseum Bern (Umschlag: Nach dem Vortrage von Hrn. P. Wyss … in Bern niedergeschrieben von Hermann Röthlisberger, Sek.-Lehrer in Steffisburg, No. 14-19 Oberländer Volksfreund Jhrg. 1 (Hrsg.), Steffisburg 1906.

Wyss 1914
Paul Wyss, Keramische und Glaswaren 23. Gruppe. Katalog B zur Schweizerischen Landesausstellung Bern, Genf/Bern 1914.

 

 

 

Heimberg-Steffisburg BE, Manufaktur Wanzenried (1878-1918)

Gebäude der ehemaligen Manufaktur Wanzenried zur Zeit von Loder & Schweizer (1919-1925).

Keramik der Manufaktur Wanzenried in CERAMICA CH

Informationen zur “Thuner Majolika”

Andreas Heege, 2022

Die Geschichte der Manufaktur Wanzenried und der Thuner Majolika
(nicht abgeschlossene Bearbeitung)

Die Region Heimberg/Steffisburg war im späten 18. und im 19. Jahrhundert der wichtigste Töpfereistandort im Kanton Bern. An der Strasse von Bern nach Thun im früheren Amtsbezirk Thun bestanden um 1850 zusammen mit einer Reihe benachbarter Ortschaften aus dem Amtsbezirk Konolfingen – Jaberg, Kiesen, Oppligen, Diessbach, Wichtrach und Münsingen – zeitweise maximal 80 Hafnereien (Werder 1962). Heimberg selbst zählte im Jahr 1764 234 Einwohner in 47 Haushalten. Das direkt benachbarte Steffisburg umfasste 924 Einwohner in 184 Haushalten. Bis 1856 stieg die Zahl der Haushalte allein in Heimberg auf 234 bei 1217 Einwohnern. 1880 hatten Heimberg 1149 und Steffisburg 3898 Einwohner (Buchs 1969, 31; Buchs 1988, Anm. 9; Buchs 1995, 36–38; Schwab 1921, 103. Die publizierten Zahlen stimmen nicht immer überein).

Die um 1850/70 in einer wirtschaftlichen Krise steckenden Hafner von Heimberg bildeten gleichwohl die unverzichtbare lokale Wissensbasis auf der sich im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts die Produktion eine ganz speziellen, ungewöhnlichen und sehr beliebten Keramik entwickeln sollte, der sogenannten Thuner Majolika. Die Thuner Majolika ist also nur zu verstehen, wenn man vorab einen Blick auf die Heimberger Keramik, ihre Erforschung und Entwicklung wirft.

Über den angeblichen, stilistischen und qualitativen «Verfall» der Heimberger Keramik, vor allem wenn man sie in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit zeitgleicher Manufakturware auf den Landes- und Weltausstellungen verglich, berichtete Barbara Messerli-Bolliger 1991 ausführlich. Von diesem Trend waren nur wenige innovative und aufgeschlossene Hafner in der Region Heimberg/Steffisburg ausgenommen. Die mannigfaltigen Versuche, diesem Trend mit Hilfe von Zeichen- und Keramikfachschulen oder Gewerbeschulen und der Einführung neuer, als zeitgemäss empfundener Dekore und Gefässformen entgegenzuwirken, waren in Bezug auf die meisten Heimberger Hafner zunächst eher weniger erfolgreich (Messerli Bolliger 1991, 43–78). Gleichwohl bemühten sich verschiedene Institutionen und Privatleute mit der Einführung von «Kunstkeramik» um die «kunsthandwerkliche Verbesserung des Handwerks». In diesen Kontext gehört auch die Entwicklung und Produktion der Thuner Majolika. Diese war in ihrer handwerklichen und künstlerischen Qualität, vor allem im Vergleich mit der älteren Heimberger Produktion des frühen 19. Jahrhunderts («Produkt echt zeitgemässer Kultur»), bei Volkskundlern und Vertretern der Schweizer Heimatstilbewegung schon früh unberechtigterweise stark umstritten («Das Abscheulichste in Form, Farbe und Dekor brachten die 1880er-Jahre»: Hoffmann-Krayer 1914, 100; De Praetere 1907; vgl. dazu auch Messerli Bolliger 1991, 70.).

Wann der „auswärtige“ – kunstgewerbliche Einfluss auf die Heimberg/Steffisburger Hafner begann, lässt sich nicht definitiv festlegen. Der Thuner Stadtarchivar Huber (Huber 1906, 278) überliefert als einziger in einem Zeitungsbericht von 1906 die folgende, bis heute nicht durch weitere Quellen verifizierte Geschichte:

«Nun wurde in den 60er Jahren ein Pariser Antiquar, Boban, auf diese Produktion [Keramik aus Heimberg/Steffisburg, Erg. Autor] aufmerksam, kaufte alte Stücke auf, fand leichten Absatz dafür und veranlasste die Hafner Wyttenbach und Küenzi, nach Zeichnungen zu arbeiten. Dieses nach Paris wandernde, bestellte Luxusgeschirr, erhielt den Namen ´Pariser Geschirr´, ein Name, der für feinere dekorierte Stücke bis heute geblieben ist.»

Bei dem Paris Antiquar handelt es sich möglicherweise um den «berüchtigten» Pariser Antiquitätenhändler Eugène Boban (1834–1908), der vor allem mit lateinamerikanischen Altertümern handelte und dem heute die Fälschung der sog. «crystall skulls» angelastet wird (Zur Person Bobans und seiner Aktivitäten: Riviale 2001; Mac Laren Walsh 2008; MacLaren Walsh/Hunt 2013). Ob diese Keramikbestellungen tatsächlich in den 1860er-Jahren erfolgten, wo Boban oft in Mexiko weilte, oder erst nach seiner Geschäftseröffnung in Paris um das Jahr 1870, entzieht sich momentan unserer Kenntnis.

Die stets wachsende Nachfrage nach diesem «Pariser Geschirr», so glaubte oder wusste Huber 1906 aus Heimberger Erzählungen, veranlasste nun den Thuner Geschirrhändler Friedrich Wunderlich im Winter 1873 auf 1874 in Heimberg den Anstoss zu grundlegenderen Stil- und Formänderungen zu geben, die ab den späten 1870er-Jahren zur Entwicklung der sogenannten «Thuner Majolika» führen sollten. Er lieferte den Heimberger Hafnern Eyer und Tschanz Zeichungen «griechischer Vasen» als neue Formvorlagen, die sie durch ihre Ausmacherinnen jedoch eher traditionell mit schwarzbrauner Grundengobe verzieren liessen (Huber 1906, 278; Buchs 1988, 33).

Einen nicht unumstrittenen Einfluss hatten offenbar auch Keramik- und Dekorentwürfe des deutschen Ingenieurs Franz Keller-Leuzinger (1835–1890). Dieser weilte 1874–1876 für eine kurze Zeit in Heimberg. Nach seinen Form- und Dekorvorlagen produzierten verschiedene Hafner (u. a. Samuel Mürner, Eduard Berger und Gottfried Tschanz). Für diese Keramiken, die Keller-Leuzinger dann unter seinem Namen ausstellte, erhielt er auf der Kunstgewerbeausstellung in München 1876 eine Medaille. Offenbar war er in Heimberg aus diesem Grund erheblichen Anfeindungen ausgesetzt (Jaennicke 1879, 833; Gmelin 1891). Und auch auf der Weltausstellung in Paris 1878, die von den Heimberger Hafnern Christian Eyer, Benedikt Künzi und J. Schenk-Trachsel äusserst erfolgreich mit Ware beschickt wurde, waren angeblich diverse nicht gekennzeichnete Entwürfe von Keller-Leuzinger zu sehen (Huber 1906, 297; zur Kontroverse um Keller Leuzinger vgl. Messerli Bolliger 1991, 53–57; erhaltene Produkte V&A Inv. 712-1878 bis 717-1878 sowie 736-1878 und 737-1878). Eine Töpferei Glatz aus Villingen im Schwarzwald fertigte für Keller-Leuzinger ebenfalls Keramiken, die der Thuner Majolika sehr nahe stehen (Gmelin 1891, 24; Mehlstäubler 2021). Unter den 1878 in Paris ausgestellten Stücken befanden sich erstmals auch solche mit dem auch später bedeutenden «Chrutmuster», auch Muster «Alt-Thun» genannt (V&A Inv. 736-1878. Ausserdem: Heege/Kistler 2017, 489–500, Fig. 168). Dieses wurde in den 1860er-Jahren auf der Basis von lokalen Blumendekoren aus Heimberg entwickelt, wobei wir keine Kenntnis haben, wer an dieser Umgestaltung beteiligt war. Es wurde bis ans Ende des 20. Jahrhunderts von zahlreichen handwerklich arbeitenden Hafnereien und allen Manufakturen der Region gefertigt und lässt sich nur anhand von signierter Ware einzelnen Hafnereien oder Herstellern zuweisen.

Ab 1878 griff offenbar auch die neu gegründete Manufaktur von Johann Wanzenried (Buchs 1980; Messerli Bolliger 1991, 69–74) in Steffisburg auf vorliegende Form- und Dekormuster nach griechischen, etruskischen und orientalischen Vorbildern zurück und ergänzte sie in den Folgejahren um Entwürfe vor allem des Architekten und Professors für Kunstgewerbe Leopold Gmelin (1847–1916), des Heraldikers Christian Bühler (1825–1898), des Malers und Zeichners Rolf Münger (1862–1929), des Kunstgewerbelehrers Paul Wyss (1875–1952) und des Keramikers Friedrich Ernst Frank (1862–1920).

Stammbaum Familie Wanzenried  PDF

Vor allem die Produkte dieser Manufaktur, die immer wieder auch durch andere Hafner produzieren liess, assoziieren wir heute mit dem Begriff «Thuner Majolika». Auf der Landesausstellung in Zürich war die Manufaktur Wanzenried 1883 neben dem Keramikhändler Schoch-Laederach, der auch unter dem Namen «Musée Céramique» firmierte, prominent vertreten (Messerli Bolliger 1991, Taf 17).

Landesausstellung Zürich 1883.

Die folgenden 20 Jahre arbeitete die Manufaktur Wanzenried unter Maria Luise Wanzenried-Ingold (1849–1929) sehr erfolgreich (Buchs 1980).

Der grosse Boom der Thuner Majolika, der zum grossen Teil durch ausländische Alpentouristen und Verkäufe in Frankreich bedingt war, ging schon vor dem Ausbruch des ersten Weltkrieges allmählich zu Ende. Maria Luise Wanzenried-Ingold (1849–1929), die Witwe von Johann Wanzenried (1847–1895) übergab die Firma zunächst 1911 an ihren Schwiegersohn, den Lehrer Alfred Gertsch, der ihn 1912 an den Kaufmann Emil Lengacher aus Aeschi weiterverkaufte. Als dieser im Dezember 1914 unerwartet verstarb, übernahm die Witwe Wanzenried den Betrieb am 20. Mai 1915 erneut (SHAB 29, No. 206, 18.8.1911; SHAB 30, No. 140, 31.5.1912; SHAB 30, No. 149, 13.6.1912; SHAB 33, No. 199, 26.8.1915; SHAB 33, No. 252, 25.10.1915, auch GB Thun, Beleg II, 775 vom 17.3.1919). Vermutlich brauchte sie zu diesem Zeitpunkt einen versierten Geschäftsführer und Leiter der keramischen Werkstatt, den sie in Emil Loder (1890–1971) aus Steffisburg fand. Über die folgenden drei Jahre und die Produktion in der Manufaktur Wanzenried wissen wir nichts.

Für den 11. Dezember 1918 erfahren wir, dass Adolf Schweizer (1893–1967) und Emil Loder (1890–1971) gemeinsam die Manufakturliegenschaft von der Witwe Wanzenried zum Preis von Fr. 18.000 erwarben und die Firma mit Nutzen und Schaden auf den 2. April 1919 übernahmen (Grundbuch Thun, Beleg II, 775 vom 17.3.1919). Im Schweizerischen Handelsamtsblatt wurde die Gründung ihrer Kollektivgesellschaft Loder & Schweizer mit dem 1. März 1919 bekannt gemacht (SHAB 37, No. 59, 8. März 1919). Adolf Schweizer war früher Lehrling bei Wanzenried gewesen und zum Zeitpunkt des Kaufs Geschäftsführer der DESA in Steffisburg.

Die Zusammenarbeit zwischen Adolf Schweizer und Emil Loder verlief offenbar nicht ganz reibungslos. Unter dem 17. Juni 1925 verzeichnete das Handelsamtsblatt auch die Auflösung der Steffisburger Kollektivgesellschaft «Loder & Schweizer, Kunstkeramik», die mit Nutzen und Schaden zum 1. März 1925 vollständig an Adolf Schweizer überging (SHAB 43, 1925, 1062. Auch GB Thun Belege II, 7151).

Trotz des enormen Verkaufserfolgs der Thuner Majolika und ihrer Einzigartigkeit in der schweizerischen Keramiklandschaft gibt es bis heute keinen Versuch einer umfassenderen Dokumentation der zahlreich in Museen und in Privatbesitz überlieferten Keramiken. Wir haben weder eine exaktere Vorstellung von dem Formen und Dekoren der einzelnen Hersteller noch von den Beiträgen der genannten Grafiker, Zeichner und Maler, die die Entwürfe lieferten. Unklar sind dementsprechend auch die stilistischen Entwicklungen zwischen dem keramischen Handwerk der 1860er-Jahre und dem Auslaufen der Manufakturproduktion nach dem 1. Weltkrieg.

Literatur:

Buchs 1969
Hermann Buchs, Heimberg. Aus der Geschichte der Gemeinde, Heimberg 1969.

Buchs 1980
Hermann Buchs, Die Thuner Majolika des Johannes Wanzenried und des Zeichners Friedrich Ernst Frank, in: Jahresbericht Historisches Museum Schloss Thun, 1980, 5-43.

Buchs 1988
Hermann Buchs, Vom Heimberger Geschirr zur Thuner Majolika, Thun 1988.

Buchs 1995
Hermann Buchs, Das Hafnergewerbe im Heimberg, in: Einwohnergemeinde Heimberg (Hrsg.), 850 Jahre Heimberg 1146-1996, Heimberg 1995, 50-60.

De Praetere 1907
Jules De Praetere, Schweizerische Volkskunst. Die Töpferei in Heimberg und Langnau, in: Heimatschutz. Zeitschrift der Schweizer. Vereinigung für Heimatschutz 1907, 1907, Heft 11, 81-85.

Gmelin 1891
Leopold Gmelin, Franz Keller-Leuzinger, Nekrolog, in: Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München, Monatshefte für die gesammte dekorative Kunst, 1891, 24-27.

Heege/Kistler 2017
Andreas Heege/Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, 17e-19e siècles – Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.-19. Jahrhundert – Die Sammlung des Musée Ariana, Genf, Mailand 2017.

Hoffmann-Krayer 1914
Eduard Hoffmann-Krayer, Heimberger Keramik, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 18, 1914, 94-100.

Huber 1906
Karl Huber, Thuner Majolika, in: Illustriertes Fremdenblatt von Thun und Umgebung, 1906, 258-259, 278-279, 294-296.

Jaennicke 1879
Friedrich Jaennicke, Grundriss der Keramik in Bezug auf das Kunstgewerbe, Stuttgart 1879.

Mac Laren Walsh 2008
Jane Mac Laren Walsh, Legend of the Crystal Skulls, in: Archaeology 61, 2008, 36-41.

MacLaren Walsh/Hunt 2013
Jane MacLaren Walsh/David Hunt, The Fourth Skull: A Tale of Authenticity and Fraud, in: The Appendix, Illusions 1, 2013, Heft 2, 28-44.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert, zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 5-100.

Riviale 2001
Pascal Riviale, Eugène Boban ou les aventures d’un antiquaire au pays des américanistes, in: Journal de la Société des Americanistes 87, 2001, 351-362.

Schwab 1921
Fernand Schwab, Beitrag zur Geschichte der bernischen Geschirrindustrie (Schweizer Industrie- und Handelsstudien 7), Weinfelden/Konstanz 1921.

Werder 1962
Ernst Werder, Die Entwicklung des Gewerbes im Amt Konolfingen, in: Archiv des Historischen Vereins des Kantons Bern 46, 1962, Heft 2, 349-454.

 

 

 

 

 

Heimberg-Steffisburg BE, Matthys, Christian, Hafnerei (1813–1878)

1872, datierte und signierte Platte mit scharfkantigem Kragenrand (“Rösti-Platte”) von Christian Matthys in Heimberg. “Christen Matthiβ, Hafner in Heimberg in der Donhalten [in der Dornhalde] – ZuFrieden ist mein Vergnügen, daβ andere alles laβ ich sein”.

Roland Blaettler, Andreas Heege 2025

Der aus Kirchdorf stammende Hafner Christian Matthys (1813–1878; Stammbaum Matthys) betrieb eine wohl gemietete Töpferei in der Dornhalde zu Heimberg (Buchs 1988, 106; Töpfergrundstück unbekannt ). An seiner Seite arbeitete bis 1870 auch sein Sohn Gottfried (1841–1893). Zwischen 1870 und 1879 hatte dieser eine eigene Töpferwerkstatt in Steffisburg, Alte Bernstrasse 168.

Von Christian Matthys sind zwei signierte Platten bekannt, beide sind auf das Jahr 1872 datiert. Die erste bewahrt das Museum Blumenstein in Solothurn (MBS 1920.140).

Christen Matthiβ, Hafnermeister in Heimberg in der Donhalte [in der Dornhalde] 1872 (MKB VI-3919).

Die zweite Platte fand sich im Museum der Kulturen in Basel (MKB VI-3919, Hoffmann-Krayer 1914, Taf. II, Abb. 11; Messerli Bolliger 1991, Taf. 14, Abb. 26). Das Basler Exemplar unterscheidet sich durch Form und Farbgebung (helle Grundengobe), trägt aber eine ähnliche Inschrift in schildförmiger Umrahmung. Der umgebende Blumenkranz ist hier in Blau gemalt, und erinnert an die verfliessenden blauen Malhorndekore, welche in der Literatur fälschlicherweise ausschliesslich dem Töpfer David Andres in Heimberg zugeschrieben werden (z.B. MWH H 362, AF 22-030-00;  vgl. Heege/Kistler 2017a, 473 Abb. 1, SMT 649).

Bibliographie

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 62–63.

Buchs 1988
Hermann Buchs, Vom Heimberger Geschirr zur Thuner Majolika. Thun 1988.

Heege/Kistler 2017a
Andreas Heege/Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, 17e-19e siècles – Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.-19. Jahrhundert – Die Sammlung des Musée Ariana, Genf. Mailand 2017.

Hoffmann-Krayer 1914
Eduard Hoffmann-Krayer, Heimberger Keramik. Schweizer Archiv für Volkskunde 18, 1914, 94–100.

Messerli Bolliger 1991
Barbara E. Messerli Bolliger, Der dekorative Entwurf in der Schweizer Keramik im 19. Jahrhundert. Zwei Beispiele: Das Töpfereigebiet Heimberg-Steffisburg-Thun und die Tonwarenfabrik Ziegler in Schaffhausen. Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 106, 1991, 7–100.

Heimberg-Steffisburg BE, Schenk, Karl Friedrich (1866-1919), Hafner

Karl Friedrich Schenk und seine Ehefrau Magdalena Hossmann (aus dem Nachlass der Kunstkeramik Luzern A.G., jetzt Schlossmuseum Thun)

Andreas Heege, Andreas Kistler, Margret Loder 2021

Karl Friedrich Schenk (17.7.1866-22.5.1919) stammt aus einer Heimberger Hafnerfamilie, deren Heimatort Röthenbach im Emmental war (Stammbaum). Der Grossvater Christian Schenk (1790-1861) war Schumacher, der Onkel Christian Schenk (1826-1893) war Glättemüller in einer nicht genauer genannten Glättemühle in Steffisburg (hierzu Frank 2000). Glättemüller waren ein spezialisierter Handwerkszweig, der die von den Hafnern in grosser Menge für die Glasuren benötigte Bleiglätte aufbereitete und vermutlich auch Glasurfarben und bunte Malengoben herstellte oder verkaufte. Karl Friedrich Schenks Vater Samuel Schenk (1835-1904) war ebenfalls Hafner, ebenso sein Onkel Jakob Schenk (1842-1904).

Samuel Schenk und seine Ehefrau Elisabeth Hänni (1837-1911) bekamen 10 Kinder. Samuel konnte 1870 von den Erben des ledigen Hafners Ulrich Jenni (1820-1868) eine 1831 erbaute Hafnerwerkstatt mit Wohnstöckli “Im Kehr” in Heimberg erwerben (heute Haslikehrweg 30).

Bis 1876 führte Samuel für den Hilfs- und Freundschaftsverein der Heimberger Hafner offenbar auch die Material-Ablage der Glättemühle Wanzenried in Steffisburg-Schwäbis (Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern 23, Num. 48, 1876).

Wie lange Samuel tatsächlich Keramik fertigte, ist unklar, denn bei seinem Tod 1904 wird angegeben, dass er als Wagner gearbeitet habe. Auch ist unbekannt, welche Art Keramik oder Dekore Samuel Schenk produzierte, da zur Zeit keine signierten Stücke bekannt sind.

1905 ging das Heimwesen mit Werkstatt und Scheune an seine Witwe Elisabeth Schenk-Hänni (1837-1911) über, bevor es 1911 im Rahmen einer Erbteilung  je zur Hälfte an Eduard Schenk (Zimmermann, 1868-?) und Fritz Schenk-Kolb (Hafner, 1870-1958), die Brüder von Karl Friedrich Schenk, gelangte. In der Erbteilung von 1911 wurde Karl Friedrich Schenk, wie seine anderen überlebenden Geschwister ausbezahlt, während die Nutzung des Bienenhauses beim Heimwesen noch bis März 1912 unentgeldlich ausbedungen wurde.

Vier der sechs überlebenden Söhne des Ehepaars Schenk-Hänni ergriffen den Töpferberuf. Gottfried Schenk 1862-1939 (ohne eigene Werkstatt) war Hafner und spätestens 1911 Ziegeleiarbeiter in Steffisburg. Ernst Schenk (1875-1951) war Hafnerarbeiter und spätestens 1910 Bahnangestellter. Er konnte 1901 das 1835 erbaute Gebäude mit drei Hafnerwerkstätten Haslikehrweg 28 kaufen. Wie lange er dort Keramik produzierte, ist unbekannt. Fritz Schenk-Kolb (Hafner, 1870-1958) übernahm die väterliche Werkstatt Haslikehrweg 30 und Karl Friedrich-Schenk scheint Zeit seines Lebens keine eigene Werkstatt besessen zu haben. Da wir von ihm aber signierte Keramiken kennen, kann nur angenommen werden, dass er bei einem seiner Brüder in der Werkstatt töpfern und eigene Keramiken mitbrennen durfte.

Keramik von Karl Friedrich Schenk, signiert “KS Thun”, Privatbesitz Ebikon bzw. Schlossmuseum Thun.

Keramik von Karl Schenk in der Sammlung der Schule für Gestaltung Bern : Biel.

Die vorliegenden Dekore erinnern stark an die Muster, die der bernische Kunstgewerbelehrer Paul Wyss in seinen Zeichenkursen an der Keramikfachschule in Bern lehrte. Er vermittelte sie zusammen mit dem bernischen Keramiker, Zeichner und Grafiker Friedrich Ernst Frank, der ansonsten vor allem für die Manufaktur Wanzenried in Steffisburg arbeitete, auch in der 1906 begründeten Töpfer- und Zeichenschule in Steffisburg. Aus der gemeinsamen Arbeit von Wyss und Frank in Steffisburg haben sich die Unterlagen für einen Zeichenkurs erhalten. Wir können nur vermuten, dass Karl Friedrich Schenk diese “modernen”, dem floralen Jugendstil verpflichteten Motive selbst schätzte und sie entweder selbst malte oder durch im Stücklohn arbeitende Ausmacherinnen malen lies. Er dürfte daher zu der kleinen Gruppe Heimberger Hafner gehören, die sich für stilistische Neuerungen öffnete. Hierzu gehören zum Beispiel auch Bendicht Loder-Walder unter dem Einfluss von Nora Gross oder Karl Loder-Eyer.

Wo Karl Friedrich Schenk mit seiner Familie in Heimberg zur Miete gewohnt und gelebt hat, wissen wir nicht. Einmal erscheint als Ortsangabe in den Quellen “Heimberg, In der Au”, beim Tod seiner Frau 1924, waren die Erben “beim Schulhaus in Heimberg” wohnhaft.

In verschiedenen gedruckten Quellen sowie den Geburtsanzeigen seiner Kinder und der Erbteilung von 1911 wird Karl Friedrich Schenk auch als “Gemeindeweibel” und als “Bienenzüchter” bezeichnet (Brunner, J., Adress- Reise- und Reklamen-Taschenbuch für Thun und Berner Oberland Thun, 1908, S. 57). Diese beiden Nebenberufsfelder sicherten seiner Familie vermutlich einen grösseren Teil des Lebensunterhalts. Den Rest verdiente seine Frau Magdalena als Abwartin des Heimberger Schulhauses.

Karl Friedrich Schenk hatte Magdalena Hossmann (29.10.1868-20.4.1924) von Gerzensee, wohnhaft in Aeschlen bei Oberdiessbach am 30.6.1894 in Langnau, geheiratet. Dem Ehepaar wurden vier Kinder geboren, von denen drei das Erwachsenenalter erreichten (Stammbaum). Frieda Schenk (1900-1972), wuchs mit der Schwester Marie Rosa (1905-?) und dem Bruder Karl (1910-?) auf. Nach einer kaufmännischen Ausbildung in der Firma Keller, Chemische- und Seifenfabrik in Konolfingen, heiratete Frieda Schenk am 13. März 1925 den Keramiker Emil Loder und führte mit ihm zusammen ab 1925 die Kunstkeramik Luzern (KERALUZ).

Bibliographie:

Frank 2000
Georg Frank, “Dank dem Gewerbefleiss früherer Jahrhunderte”. Die Nutzung der Wasserkraft in der bernischen Gemeinde Steffisburg vom ausgehenden 13. Jahrhundert bis zur Gegenwart, Thun 2000.

Heimberg-Steffisburg BE, Schmalz, Cäsar Adolf (1887–1966) und Hans (1910–1972)

C.A. Schmalz, Selbstporträt 1949 und frühes Arbeitsfoto.

Keramik von Cäsar Adolf Schmalz in CERAMICA CH

Andreas Heege und Roland Blaettler, 2022

Cäsar Adolf Schmalz (1887, Stalden-Konolfingen – 1966, Heimberg) war eines von 14 Kindern. Der Vater war Grundbuchgeometer, die Mutter Posthalterin (Stammbaum Schmalz). Er besuchte die Sekundarschule in Grosshöchstetten. Anschliessend absolvierte er unter Paul Wyss eine dreijährige Ausbildung als Zeichner am Kantonalen Gewerbemuseum in Bern. Die Prüfung legte er unter Rudolf Münger, dem bernischen Grafiker ab.  Paul Wyss entflammte in ihm, wie er selber schreibt, “das heilige Feuer” für die Kunst und die Heimberger Töpfereien (Marti/Straubhaar 2017, 9). Da er in der Freizeit viel zeichnete und Tonplastiken fabrizierte, ermunterte man ihn, sich um ein Stipendium beim Kanton Bern zu bewerben, das er auch erhielt. 1908 fuhr er nach Spanien, wo er im Prado-Museum die ausgestellte Kunst studierte und für eine Porzellanmanufaktur Tier- und Stierkämpfer-Figuren modellierte. Nach einem weiteren Jahresaufenthalt in Paris kehrte er 1910 in die Heimat zurück, wo er am 28. Juni 1910 in Steffisburg Liseli Engel (Heimatort Bowil, 11.2.1887-18.4.1965) heiratete (Mitteilung: Tagblatt der Stadt Thun, Band 34, Nummer 160, 9. Juli 1910). Bis zum Ausbruch des ersten Weltkriegs und auch danach arbeitete er vermutlich in Steffisburg. In seinen autobiographischen Notizen aus dem Jahr 1952 lesen wir: “In Steffisburg habe ich Tassli und Teller bemalt, Krüge, Schalen und Figuren modelliert. Dafür habe ich einen Aufmunterungspreis erhalten und einige Preise bei Wettbewerben.” Leider bleibt Schmalz hier sehr unpräzise. Auch in seinen sonstigen Unterlagen gibt es keinen Hinweis auf die Hafnerei, die ihn angestellt hatte. Wir können aufgrund von drei signierten Figuren, die sich später ebenfalls in seinem Werk wiederfinden, vermuten, dass er für Karl Loder-Eyer in Steffisburg tätig war.

Für die Landesausstellung in Bern 1914 verweist ein Bazarrundgang  der NZZ (21.6.1914) ausdrücklich auf „lustige bäuerliche Tanzgruppen“ (Keramikfiguren?) aus der Werkstatt Loder-Eyer, von denen wir heute kein Stück mehr kennen.

 

 

Stattdessen haben sich drei von Karl Loder-Eyer signierte Figuren in Privatbesitz erhalten, die auf einen Zusammenhang mit dem Haushaltswarengeschäft „Kaiser & Cie“ in Bern verweisen, die als Lieferanten des Heimatschutz-Basars ebenfalls zugelassen waren und mit zahlreichen eingereichten Objekten an dem der Landesausstellung vorangehenden „Wettbewerb für Reiseandenken“ teilgenommen hatten. In der Prämierungsliste von 1913 findet sich nun aber erstaunlicherweise nicht Karl Loder- Eyer als Künstler der Figuren, sondern Cäsar Adolf Schmalz aus Heimberg („12 tanzende und musizierende Bauernfiguren“). Auch die monographische Bearbeitung von Schmalz’s Lebenswerk verzeichnet die Figuren (Marti/Straubhaar 2017, 127).

Weitere frühe Arbeiten, u. a. Wappenteller, Vasen, Schalen, historische oder satirische Gruppen und Figuren, sind durch den bernischen Fotografen Hermann Stauder aus dem Jahr 1917 überliefert (siehe auch das Einleitungsbild).

Figuren von Cäsar Adolf Schmalz 1917 (Stauder 1917).

1914 bis 1918 war Schmalz im Aktivdienst als Soldat gebunden. Dies hielt ihn nicht davon ab, überall wo er war, zu zeichnen oder Figuren aus seinem Werk zum Kauf anzubieten (Kunstgewerbemuseum Zürich 1916: Illustrierte schweizerische Handwerker-Zeitung : unabhängiges Geschäftsblatt der gesamten Meisterschaft aller Handwerke und Gewerbe, Band 32, 1916, 400).

In Heimberg kaufte Schmalz 1921 ein kleines Gut, das «Rebeli», an der Aare, wo er ein Atelier einrichtete und seine keramische Ausbildung offenbar als Autodidakt nebst seiner Tätigkeit als Kleinbauer weiterführte.

Figuren aus der Zeit ca. 1922-1930.

Schmalz stellte 1922 auf der von L’Œuvre organisierten ersten nationalen Ausstellung für angewandte Kunst in der Halle des Comptoir Suisse in Lausanne mehrere Keramikskulpturen aus. Seine Sujets zeigten Szenen aus dem Landleben (Kat. S. 47, Nr. 210–213). Im darauffolgenden Jahr hatte das Waadtländer Publikum wiederum Gelegenheit, Schmalz’ Keramiken im Rahmen der zweiten Kunstausstellung zu sehen, die vom 25. März bis zum 8. April von der Société de développement de Montreux in den Salons des Kursaals organisiert wurde. Diese Ausstellung widmete sich im Speziellen der Deutschschweizer und Tessiner Kunstszene (Feuille d’avis de Vevey vom 21. März 1923, 6 – Tribune de Lausanne vom 4. April, 3).

Möglicherweise erwarb der Bund anlässlich dieser Ausstellung eine kleine Statue, die später im Musée d’art industriel in Lausanne hinterlegt wurde (MHL AA.MI.1644).

Platte von Cäsar Adolph Schmalz. Im Spiegel gespaltener, rot-grüner Wappenschild der Stadt Moudon. Fert ist der Wahlspruch des ehemaligen italienischen Königshauses Savoyen. Am 22. Oktober 1931 wurde von der Kirchgemeinde Moudon eine “Vente paroissiale” zugunsten der Kirche St. Étienne und ihrer Restaurierung organisiert (L´Echo de la Broie, 10.10.1931,4). Vermutlich entstand der Teller in diesem Zusammenhang.

Im Jahr 1931 nahm Cäsar Adolf Schmalz eine Stelle als Lehrer an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-Renens (École suisse de céramique de Chavannes-Renens) an. Der Direktor der Einrichtung erwähnte ihn 1931 in seiner Promotionsrede  (Feuille d’avis de Lausanne vom 4. April 1931, 24). Der Keramiker selber stellte fest: «Die Stelle ist gut bezahlt und für einmal verblassen die Geldsorgen» (Marti und Straubhaar 2017, 13). Allerdings war seine Funktion zeitintensiv und liess ihm kaum noch Raum für eigene Kreationen. Es zeichnete sich ab, dass das Experiment nur von kurzer Dauer sein würde. Schmalz’ eigene Angaben zur Zeitspanne seiner Anstellung in Chavannes sind widersprüchlich: Einmal spricht er von «zwei Jahren», an anderer Stelle ist von «drei Jahren» die Rede (Marti und Straubhaar 2017, 10 und 13). Die Tatsache, dass sein Name unter der Rubrik der Schule im Indicateur vaudois nur für das Jahr 1932 erschien (mit dem Vornamen Fritz!), lässt vermuten, dass er im Laufe des Jahres 1931 eingestellt wurde und spätestens zum Ende des Jahres 1932 kündigte.

Der zweite Weltkrieg schränkte seine künstlerische Tätigkeit erneut sehr stark ein. Militärdienst und Landwirtschaft waren seine Hauptarbeiten. Später gab er auch Modellierkurse an der Volkshochschule. Daneben war er ein begeisterter Fischer und Freund der Emmentaler Jodler. Cäsar Adolf Schmalz’ oft verspielte Kreativität fand ihren Ausdruck in so unterschiedlichen Bereichen wie Malerei, Aquarell, Illustration, Mosaik, Fresken und natürlich Keramik.

In letzterem Medium bevorzugte er die traditionelle Heimberger Technik, die engobierte und glasierte Irdenware. In einem teils historistischen, teils modernistischen, aber immer farbenfrohen Stil fertigte er zahlreiche Auftragsarbeiten an, Erinnerungsstücke und Preise für Schützen- und Gesangsvereine sowie mit Familienwappen verzierte Objekte für Privatpersonen (Messerli 2017, 73-79; Marti/Straubhaar 2017,9).

“Die Bürgerwehr vom Wetterloch, 1950”. Die Figur geht auf Karl Grunders gedrucktes Mundartbuch «Ds Wätterloch. Bilder u. Begäbeheite us d. Mobilisationszeit vom Jahr 1914» zurück, das 1928 erstmals in Bern-Bümpliz erschien. Der bernische Mundartdichter und Lehrer Karl Grunder lebte von 1880 bis 1963. Er war ein Pionier der ländlichen Theaterkultur und Mitarbeiter des Berner Heimatschutztheaters.

Seine Figuren mit dem Abbild herausragender Persönlichkeiten der Berner Geschichte waren sehr beliebt und führten dank seiner Meisterschaft in der Gipsformenherstellung zu Mehrfachauflagen (HMO 8342).

  

Das Regionalmuseum in Langnau bewahrt vier Figuren von Schmalz auf, darunter zwei Bildnisse von Schultheiss Niklaus Friedrich von Steiger bei der Schlacht am Grauholz, Elsi, die seltsame Magd (Marti/Straubhaar 2017), 221 (zur Geschichte der Magd) und den bedeutenden Alpendoktor Michael Schüppach, (vgl. auch HMO 8342, BHzD 482 und Marti/Straubhaar 2017, 109–111).

Alpendoktor Micheli Schüpbach.

Eine im Historischen Museum Olten entdeckte Gruppe (HMO 7179) bezeugt, dass Schmalz in diesem frühen Abschnitt seiner Karriere auch für die Porzellanfabrik Langenthal gearbeitet hat.

Neben dieser farbenfrohen und heiteren Produktion pflegte Schmalz mit der Zeit auch eine mehr akademische und modernistische Art der keramischen Plastik, mit monochromen Figu­ren, die von mehr allgemeinem Charakter waren (Amstutz 1931, Abb. S. 53–54 und 57; F. A. 1966 – Nachruf im Bund).

Eine Internetseite präsentiert das vielfältige künstlerische Wirken von Cäsar Adolf Schmalz.

Die Marken und Signaturen von C.A. Schmalz

Die älteste vorliegende Marke ist eine aus zwei unabhängig voneinander eingestempelten Schriftzügen bestehende Blindmarke “Schmalz HEIMBERG”. Es gibt nur eine jahrgenaue Datierung aus dem Jahr 1926. Vermutlich gehört die Blindmarke durchweg zum “Frühwerk” von Cäsar Adolf Schmalz.  In einem Fall wurde der zweite Stempel “HEIMBERG” weggelassen.

Eine quadratische Blindmarke mit dem Familienwappen von C.A. Schmalz lässt sich für die Jahre 1943 und 1944 nachweisen.

Mit einem richtigen Wappenschild und dem Schriftzug “Schmalz” gibt es eine weitere Blindmarke aus der Zeit zwischen 1947 und 1957.

 

Mindestens so wichtig waren für C.A. Schmalz geritzte Signaturen. 1928 und 1945 finden sich “Schmalz”, 1929 “A. Schmalz”, 1950 “C.A. Schmalz” und 1965 “C. Ad. Schmalz”. Nur einmal (undatiert) kommt die Abkürzung “A.S.” vor.

Pinselmarken sind dagegen deutlich seltener. 1931 lässt sich “A. Schmalz Heimberg” belegen und 1935 bzw. 1945 “Schmalz”.

Zwischen 1936 und 1946 begegnet bei gegossener Gefässkeramik auch eine kreisförmige Reliefmarke “A.SCHMALZ HEIMBERG”.

Hans Schmaltz (1910-1972)

Cäsar Adolf Schmalz und Liseli Engel bekamen einen Sohn Hans (1910-1972).

Dieser trat als Keramiker in die Fusstapfen seine Vaters und bewirtschaftete daneben vor allem auch das kleine Bauerngut Rebeli (Nachruf Thuner Tagblatt 14. September 1972).

Hans Schmaltz, signierte und 1931 datierte Figur. Entstand sie in der Zeit des Vaters an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-Renens?

Wo Hans das Handwerk des Keramikers erlernte, ist unbekannt (vermutlich nur beim Vater, eventuell auch in der Zeit des Vaters an der Schweizerischen Keramikschule in Chavannes-Renens?).

Zeit seines Lebens unterschied er sich vom Vater durch die Schreibweise seines Familiennamens, indem er aus “Schmalz” ein “Schmaltz” machte.

Schützenfestkeramik von Hans Schmaltz 1931-1936.

Einzelne datierte und gemarkte Keramiken belegen, dass Hans offenbar bereits ab 1931 selbständig neben seinem Vater arbeitete.

Eine  erste Erwähnung findet sich im Jahr 1935 in der Presse, als Der BUND am 4. Dezember 1935 über die Arbeiten von Vater und Sohn berichtete.

Käferfiguren von Hans Schmaltz.

Hans produzierte demnach vor allem Vogel- und Käferfiguren unterschiedlicher Grösse, daneben aber auch Geschirr und die übliche Fest-, Erinnerungs- oder Schützenkeramik.

 

Vogel- und Tierfiguren von Hans Schmaltz.

Musiker und Narr, Figuren von Hans Schmaltz.

1938 waren seine Figuren ein einziges Mal an einer Kunstausstellung im Hotel Beau Rivage in Thun zu sehen und wurden sehr positiv besprochen (Oberländer Tagblatt 62, 19. November 1938; Der Bund 25. November 1938; Geschäftsblatt für den oberen Teil des Kantons Bern, Band 85, Nummer 138, 25. November 1938).

Geschirrkeramik von Hans Schmaltz.

Nach 1945 fanden seine Keramiken keinen Wiederhall in der Presse mehr.  1949 und 1954 fertigte er Vogelfiguren für  die Ausstellungen des Sing- und Ziervogelvereins Thun und Umgebung.

Die Marken und Signaturen von Hans Schmaltz

Aus der Frühzeit von Hans Schmaltz gibt es, wie für seinen Vater, eine zweiteilige Blindmarke “Schmaltz” und “Heimberg”. Sie lässt sich bei drei datierten Stücken der Jahre 1931, 1935 und 1936 belegen.

Eine in die Gipsform eingeritzte Signatur “Schmaltz H”, die nach der Ausformung als positives Relief erscheint (Reliefmarke), fand sich nur bei zwei undatierten Stücken.

Ansonsten signierte Hans mit dem Pinsel “H Schmaltz” oder “H. Schmaltz” (Pinselmarke), wobei keine datierten Stücke vorliegen. Eine Signaturabkürzung “H Sch.” liess sich nur einmal belegen (undatiert).

Häufiger begegnen geritzte Signaturen “H Schmaltz” (Ritzmarke) mit den Daten 1931, 1938, 1946 und 1947.

Einmal ist eine Fischsignatur mit Ritzmarke belegt.

Undatiert sind die Ritzmarken “Schmaltz”, “Schmaltz Heimberg” oder H. Schmaltz-Heimberg”.

Bibliographie:

Amstutz 1931
Ulrich Amstutz, Der Plastiker Adolf Schmalz in Heimberg bei Thun, in: Historischer Kalender oder der Hinkende Bot 204, Bern 1931.

Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 368.

FA 1966
FA, † Cäsar Adolf Schmalz. Der Bund, Abendausgabe 468, 30.11.1966, 4.

Marti/Straubhaar 2017
Erich Marti/Beat Straubhaar, C.A. Schmalz 1887-1966. Leben und Werk mit Pinsel, Stift und Lehm, Heimberg 2017.

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik von der Thuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017.

Stauder 1917
Hermann Stauder, Die Töpferei im Heimberg (Nachdruck des Kunst- und Kulturverein Heimberg, 1985, Original Schweizerische Landesbibliothek Bern), Bern 1917.