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Bergün, Ortsmuseum (MB)

Veja Alvra 49
CH-7482 Bergün
Tel: +41 (0) 81 407 12 77
www.museum-berguen.com
info@ortsmuseum-berguen.ch

Keramik des Ortsmuseums Bergün in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2021

Das Ortsmuseum ist in einen 400 Jahre alten Haus untergebracht. Das um 1600 entstandene Gebäude widerspiegelt die im oberen Albulatal verbreitete Engadiner Bautradition und zeigt exemplarisch, wie in den letzten drei Jahrhunderten eine Familie in Bergün lebte.  Das Ortsmuseum in Bergün versteht sich vor diesem heimatkundlichen Hintergrund als Begegnungsstätte für das kulturelle Leben der Gegenwart . Das Museum wird heute von einer 1981 begründeten Stiftung getragen.  Das heutige Museum wurde am 20. und 21. September 1991 offiziell eröffnet.

Die kleine Keramiksammlung umfasst 62 Datensätze Keramik aus der Zeit zwischen 1850 und 1950. Es handelt sich um Steingut, Porzellan und Irdenwaren, während Fayencen fehlen und Steinzeug kaum vorhanden ist. Bedauerlicherweise gibt es für die wenigsten Objekte Inventareinträge, die Informationen zur genauen Herkunft der Objekte liefern würden. Wir können aufgrund der Sammlungs- und Entstehungsgeschichte des Museums nur davon ausgehen, dass die meisten Objekte aus dem näheren Umfeld von Bergün stammen.

Bei den Irdenwaren finden sich die in Graubünden üblichen Herkunftsgebiete. Der Anteil lokaler, d.h. bündnerischer Produktion ist marginal, dagegen dominieren die Importe. Hier wären u.a. die typischen bleiglasierten Irdenwaren aus dem süddeutschen Raum zu nennen, die ansonsten auch zahlreich aus Liechtenstein und anderen Bündner Tälern bekannt sind.

Aus dem ehemaligen Deutschen Reich (heute Polen) stammen wohl auch einige wenige Töpfe Braungeschirr mit Lehmglasur des späten 19./frühen 20. Jahrhunderts. Bislang gibt es keine Hinweise, dass diese Art Keramik auch in der Schweiz produziert worden wäre.

Aus schweizerischer Produktion, genauer aus der Region Berneck SG, stammen dagegen verschiedene der charakteristischen, malhornverzierten Rösti-Platten und Schüsseln “Heimberger Art”. Eine ist sogar inschriftlich 1870 datiert.

Manganglasiertes Geschirr, eine typische Keramikvariante der zweite Hälfte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts, ist mit verschiedenen Gefässformen ebenfalls vertreten. Leider ist keines dieser Stücke gemarkt, der genaue Produktionsort in der Schweiz bleibt daher unklar (Kilchberg-Schooren, Aedermannsdorf, Schaffhausen, Nyon?).

Aus dem zweiten Drittel des 20. Jahrhunderts stammen zwei Schüsseln, die in den Kontext der häuslichen oder kleinbäuerlichen Milchverarbeitung gehören. Es handelt sich um “Entrahmer” auf deren spezielle Funktionsweise die Landert-Keramik in Embrach ZH das schweizerische Patent “218880” besass. Es gibt diese Schüsseln in unterschiedlichen Grössen und Volumina.

Die älteste Keramik der Sammlung ist eine Gebäck- oder Quittenpastenmodel in Krebsform, das wohl noch aus dem 18. Jahrhundert stammt. Leider ist für derartige Model der Herstellungsort unbekannt.

Unter den Irdenwaren befindet sich, wie in den Museen in Ilanz bzw. Poschiavo, auch ein “Fremdling”, vermutlich aus Italien aus der Region Albisola. Wie der Topf (pentola rotonda) ins Museum gelangte (Tourismus-Mitbringsel? Keramik italienischer Gastarbeiter?), ist leider nicht überliefert. Link auf die Produktion von Emanuele Barile in Albisola, um 1900.

Beim Porzellan gibt es als nennenswerte Stücke nur die Reste eines Service im Stil des Neorokoko (ca. 1880-1900). Es wurde möglicherweise im Deutschen Kaiserreich in Schlesien produziert, genauso wie eine Schüssel mit zugehörigen Dessertschälchen.

Hervorzuheben ist unter den wenigen sonstigen Porzellanen ein Teller des Jahres 1927 aus Langenthaler Produktion, dessen Dekor durch das Haushaltswarengeschäft “Lüthi Eichholzer & Cie, Samaden & St. Moritz” aufgebracht wurde.

Steingut ist mit einem grossen und in Bezug auf die Hersteller sehr variantenreichen Spektrum vertreten. An Gefässformen dominieren die charakteristischen Waschgeschirre des späten 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Vertreten sind sowohl deutsche als auch schweizerische Hersteller (Ziegler’sche Tonwarenfabrik Schaffhausen).

Verschiedene weitere Hersteller sind nur mit unverziertem, weissem Geschirr vertreten, wobei der gemarkte Suppenteller aus Kilchberg-Schooren (Manufaktur Scheller) besonders auffällt, da die Manufaktur eher zurückhaltend markte. Es dominieren Keramiken aus dem deutschen Zell am Harmersbach und Schramberg sowie Mettlach und Wallerfangen. Alle anderen Hersteller (u.a. aus Nyon) sind jeweils nur mit einem Stück vertreten.

 

Steinzeug kommt nur mit einem einzigen Exemplar des “Klassikers” vor, einem Doppelhenkeltopf, der normalerweise als Vorratsgeschirr für Schmalz oder Sauerkraut Verwendung fand.

Dank

Die CERAMICA-Stiftung dankt Corina Puorger und dem Stiftungsratspräsidenten Reto Barblan für die freundliche und hilfsbereite Unterstützung der Inventarisationsarbeiten.

Bibliographie:

Museumsführer: Museum Bravuogn = Museum Bergün, Graubünden. Bergün 1983

 

Buchen, Brauchtumsmuseum Schulhaus (MSB)

7223 Buchen
Telefon +41 (0)81 328 22 28
http://www.schulhaus-buchen.ch
Besuch auf Anfrage (Jochanan Hesse)

Andreas Heege, 2021

Keramik des Brauchtumsmuseums Buchen in CERAMICA CH

Das Schulhaus der Fraktion Buchen-Lunden wurde durch einheimische Handwerker erbaut und am 23. Oktober 1949 feierlich eingeweiht. 1976 wurde der Schulbetrieb eingestellt. Die Gemeinde Luzein hat das Schulhaus  an den im Mai 1999 gegründeten „ Verein Schulhaus Buchen“ abgetreten, der im Haus auch ein kleines Brauchtumsmuseum installiert hat.  Alle Gegenstände sind aus der Region und wurden vom früheren Sammlungsbetreuer Hans Mathis gesammelt.

Die kleine Sammlung umfasst 19 Datensätze Keramik. Diese stammt überwiegend aus dem Besitz der alten Buchener Familien Wolf und Kasper. Das Spektrum deckt sich gut mit dem der übrigen Museen im Prättigau bzw. des Rätischen Museums in Chur. Allerdings fehlt Keramik aus St. Antönien (abgesehen von nicht dokumentierten keramischen Wasserleitungsrohren), die man in Buchen eigentlich erwarten könnte. Vermutlich sind die Buchener Lötscher-Keramiken jedoch mit der Sammlung des Bergführers und Jagdaufsehers Andreas Hartmann (1882-1961) bereits in früherer Zeit ins Rätische Museum gelangt (Heege 2019, 62).

Es dominieren, wie üblich, die Irdenwaren, in diesem Fall meist aus dem Herstellungsort Berneck im St. Galler Rheintal. Stilistisch erinnert die Keramik an bernische Keramik aus der Region Heimberg/Steffisburg, weshalb man diese Keramik auch als “Heimberger Art” bezeichnet. Die üblichen Gefässformen sind Milchtöpfe, flache Röstiplatten und tiefe Schüsseln.

Auch aus dem süddeutschen Raum erreichten im späten 19.  und frühen 20. Jahrhundert Keramiken die Region Buchen. Es handelt sich dabei um einen Milchkochtopf, einen sogenannten “Rutscher”, den man auf die Eisenplatte des Herdes stellen konnte, sowie einen Bräter, der in die eiserne Backröhre des holzbeheizten Herdes geschoben wurde.

Natürlich ist auch wieder die typische, industriell hergestellte (eingedrehte oder gegossene) Haushaltskeramik der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts vorhanden. Sie trägt die typischen Schablonendekore, die mit dem Pinsel oder der druckluftgetriebenen Spritzpistole aufgetragen wurden. Leider ist keines der Stücke gemarkt, sodass wir nicht sicher sein können, ob die Herstellung in der Schweiz erfolgte oder es sich nicht doch um Import aus Deutschland handelt. Diese Art Keramik wurde z.B. im Jahr 1938 auch in den Katalogen des Zürcher Versandhauses Jelmoli angeboten.

Natürlich darf Kaffeegeschirr nicht fehlen. Meist handelt es sich um manganglasiertes Geschirr, dass in der Schweiz gefertigt wurde. In Buchen ist aber auch eine Kaffeekanne mit brauner Lehmglasur vorhanden, die wohl im damals deutschen Schlesien in Bunzlau entstand.

Zu ergänzen wären beim Kaffeegeschirr noch Tassen und Ohrenschalen. Auch hier stehen typischen Importen aus Frankreich (Saargemünd) nur wenige einheimisch-schweizerische Produkte gegenüber, wie die mit dicken Punkten verzierte Tasse.

Beim Steinzeug finden sich in der Sammlung die üblichen Vorratstöpfe aus dem deutschen Westerwald und Mineralwasserflaschen aus Niederselters an der Lahn.

  

Steingut ist in der Museumssammlung selten vorhanden und beschränkt sich auf einen charakteristischen Nachttopf aus der Steingutfabrik Niederweiler AG, Werk Möhlin bei Rheinfelden im Kanton Aargau.

Dank

Die CERAMICA-Stiftung dankt der Stiftung und dem Verein Schulhaus Buchen und besonders Jochanan Hesse, Buchen, und  sehr herzlich für die freundliche Unterstützung der Inventarisationsarbeiten.

Bibliographie: 

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.

 

 

Chur, Rätisches Museum (RMC)

Rätisches Museum
Hofstrasse 1
CH- 7000 Chur
Tel.: +41 (0)81 257 48 40
info@raetischesmuseum.gr.ch

Keramik des Rätischen Museums in CERAMICA CH

Sammlungskommentar im Jahresbericht 20, 2021, pdf

Andreas Heege, 2020

Marcus Casutt schrieb 2006: „Die Darstellung der heimischen Geschichte und speziell die Erhaltung der Kultur- und Kunstdenkmäler entwickelte sich in der Schweiz des ausgehenden 19. Jahrhunderts zu einem bedeutenden Thema. Konnten vor allem Kunst- und Naturmuseen auf eine längere Tradition zurückblicken, so entstanden historische und heimatkundliche Sammlungen vielerorts erst im letzten Jahrhundertdrittel. 1872 öffnete das Rätische Museum in Chur sein Tor zu einem Zeitpunkt, wo auch andere Kantone und grössere Städte den Wunsch nach einem historischen Museum zu formulieren begannen. Im Umfeld dieses wachsenden Bewusstseins für die Bedeutung der Geschichte in der eigenen Kultur wurde der Verkauf von einheimischem Kulturgut in fremde Hände von der Öffentlichkeit zunehmend kritisch betrachtet. Unter dem drohenden Titel «Ausverkauf der Heimat» machte man die Sache seit 1880 zu einer Frage des nationalen Interesses und zu einem Politikum. 1887, nach entsprechenden Beschlüssen der eidgenössischen Räte, wurde eine Commission für Erhaltung schweizerischer Alterthümer eingesetzt, und 1898 das Landesmuseum in Zürich eröffnet. In diesen umfassenden Bestrebungen zur Kulturgütererhaltung wurzeln sowohl das heimatkundliche Museumswesen wie auch die Entwicklung der Denkmalpflege. In direktem Zusammenhang steht weiter die Gründung der Schweizerischen Vereinigung für Heimatschutz mit ihren kantonalen Sektionen ab 1905. Der Heimatschutzgedanke konkretisierte sich neben anderen Zielen auch im Kampf gegen die Veräusserung von Kulturgut wie in der Förderung der Wertschätzung einheimischer Kulturgeschichte.“

Es ist hier nicht der Platz, um detailliert auf die Museumsgründer und Kuratoren und ihre Beweggründe einzugehen. Die Museumsdirektoren und Museumsdirektorinnen haben dies in geeigneter Weise getan: Hans Erb (1972), Ingrid R. Metzger (1986) und Andrea Kauer Loens (2016). Von besonderer Bedeutung ist jedoch die Tatsache, dass Keramik von Anbeginn zu den Sammlungsgütern des Museums gehörte.

Chinesisches Tee-Service, Geschenk von Conradin Josti.

Sie wurde dem Museum geschenkt (z. B. durch den Magdeburger Zuckerbäckersohn Conradin Josti – eigentlich Conradin Jousch, Heimatort Brail, 1808–1887) oder das Museum strebte konsequent nach einem Erwerb (z. B. die Fayenceservice der Familien von Salis und Pellizari, vgl. hierzu Bösch 2003, 203–215; Schnyder 1979). Dabei wurde immer wieder auch gezielt auf wichtige Antiquitätenhändler der Region zurückgegriffen, wie z. B. Johann Jakob Hablützel (1866–1951) aus Chur (Heege 2019, 52 Abb. 25).

Fritz von Jecklin (1863–1927), Konservator des Rätischen Museums.

In diesem Zusammenhang müssen vor allem die intensiven Bemühungen des Konservators Fritz von Jecklin (1863–1927) um die Hafnerei Lötscher in St. Antönien (umfassend dargestellt in Heege 2019) und des Museumsdirektors Hans Erb (1910–1986) um die grosse Sammlung von Margaritha Schreiber-von Albertini aus Cazis hervorgehoben werden.

Margaritha Schreiber-von Albertini (1902–1992) war sicher die wichtigste Keramiksammlerin der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts in Graubünden. Aus einer bedeutenden Engadiner Familie stammend, verbrachte sie ihre Kindheit in La Punt. 1942 heiratete sie in zweiter Ehe Eduard Schreiber und erwarb mit ihm 1943 in Cazis ein Landgut. Dieses brannte 1945 ab, wobei viele wichtige Sammlungsstücke aus der Familie verlorengingen. Es scheint so, als habe dieses Erlebnis Margaritha Schreiber-von Albertini zusätzlich angespornt, in den kommenden Jahrzehnten möglichst viele bündnerische Antiquitäten und kulturhistorisch bedeutsame Objekte vor dem ausserkantonalen Verkauf zu bewahren und in ihrer Sammlung zu konzentrieren (vgl. Informationen aus dem Katalog zur Kunstauktion 380H, Fischer, Luzern, 2002. Ich danke Christian J. Schreiber, Cazis, und Karl Scharegg, Paspels, für informative Gespräche).

In den wenigen, in Familienbesitz erhaltenen, schriftlichen Notizen zur Sammlung lassen sich vor allem Beziehungen zum Rätischen Museum und auch zum Sammler Andreas Hartmann in Buchen (Heege 2019, 62–63) belegen. Christoph Simonett, der bündnerische Bauernhaus- und Lötscherforscher (Simonett 1974) war ein Freund der Familie. Nach Aussagen ihres Sohnes sammelte Frau Schreiber nicht aktiv vor Ort, d. h. sie zog nicht über die Dörfer und Flohmärkte. Vielmehr wussten die zahlreichen Antiquitätenhändler der Region und des Kantons, allen voran verschiedene Mitglieder der Antiquitätenhändlerfamilie Kollegger aus Grüsch, von Frau Schreibers Sammlungsinteressen. Sie brachten ihr die verschiedenen Objekte, Möbel und auch Keramiken oder sonstige Altertümer nach Cazis zur Begutachtung und zum Ankauf.

Verhandlungen über den Verkauf der wichtigsten Stücke der grossen Keramiksammlung begannen schon 1968 unter dem damaligen Direktor des Rätischen Museums Hans Erb (Nachweis Erwerbungsakten des RMC). Diese wurden 1972 erfolgreich abgeschlossen.

Anschreibe-, Rechnungs- und Familienbuch des ersten Hafners Peter Lötscher von St. Antönien.

Verkauft wurde nicht nur Keramik sondern ausserdem Möbel, Schriftstücke und Bücher aus dem Umfeld der Familie Lötscher, u. a. das bedeutende Familienbuch (vgl. zum Inhalt Heege 2019). Die Objekte wurden Ende 1972 übernommen und 1973 im Rätischen Museum inventarisiert.

Terrine aus der Sammlung Schreiber-von Albertini, Herstellungsregion wohl Berneck SG, zweite Hälfte 19. Jh.

Leider liegen aufgrund der Erwerbungsumstände und der Dokumentationslage fast keine gesicherten Angaben vor, die eine Unterscheidung zwischen dem von den Händlern behaupteten Herkunfts-/Erwerbungsort oder angenommenem Produktionsort erlauben würden. Allzuoft scheint es sich um händlergemachte, verkaufsfördernde, aber nicht überprüfbare «Etikettierungen» zu handeln. In aller Regel ist daher sowohl in Bezug auf die Herkunfts- als auch auf die Produzentenangaben grösste Vorsicht angebracht, obwohl die Masse der Objekte gleichwohl aus Graubünden stammen dürfte. Dieselben Vorbehalte gelten im übrigen auch für alle sonstigen musealen Ankäufe aus dem Antiquitätenhandel.

Heute umfasst der Sammlungsbestand des Rätischen Museums 1133 Datensätze keramischer Objekte mit teilweise jeweils mehr als einem Objekt, die in die Bilddatenbank CERAMICA CH aufgenommen wurden. Dies ist die grösste Keramiksammlung in einem Museum Graubündens. Hierunter befinden sich 562 Datensätze Irdenwaren, 170 Datensätze Fayencen, 174 Datensätze Objekte aus Steingut, Datensätze für 44 Steinzeuggefässe und 183 Datensätze für Porzellane.

Irdenware in der Museumssammlung

Vor allem in der Dominanz der Irdenwaren spiegeln sich die Sammlungstätigkeit von Frau Schreiber und die Spezialsammelgebiete Lötscher-Keramik aus St. Antönien im Prättigau (umfassend publiziert Heege 2019, insgesamt 115 Irdenwaren und 4 Fayencen) und Keramik aus Bugnei (Stand der Forschung Heege 2016, 59–61).

Töpferei Sep Antoni Deragisch, Bugnei, Kaffeekanne 1842 “Jau Baibel Bugien Cafe – Ich trinke gerne Kaffee”.

Von der Töpferei Deragisch in Bugnei besitzt das Museum mit 47 Stück, Dank der Unterstützung durch Pater Notker Curti aus dem Kloster Disentis, einen sehr schönen und grossen Sammlungsbestand.

Milchtöpfe und Terrinen der Keramik “Heimberger Art” wohl aus der Region Berneck SG.

Betrachtet man die Sammlung nach weiteren thematischen Gruppen, so finden sich zahlreiche Keramiken „Heimberger Art“ mit Malhorn- und Springfederdekor, die wohl aus der Region Berneck im St. Galler Rheintal stammen und in das 19. und frühe 20. Jahrhundert datieren (129 Stück). Vergleichbare Keramiken, finden sich in nahezu allen Orts- und Talschaftsmuseen in Graubünden, darüber hinaus aber z. B. auch in Liechtenstein (Heege 2016, 28–36).

Keramik “Heimberger Art”, aus stilistischen Gründen wohl tatsächlich in der Region Heimberg-Steffisburg produziert.

Selbstverständlich fanden auf dem Weg über den Antiquitätenhandel im späten 19. Jahrhundert auch Keramiken in die Museumssammlung, die man aus stilistischen Gründen tatsächlich gerne der Keramik aus der bernischen Region Heimberg-Steffisburg zuordnen würde. Eine letzte Unsicherheit bleibt jedoch immer bestehen, sodass die Stücke auch als „Keramik Heimberger Art“ klassifiziert werden können.

Schweiz, Kanton Bern, Heimberg-Steffisburg, Manufaktur Johann Wanzenried, Friedrich Ernst Frank, “Thuner Majolika – Majolique de Thoune”, um 1890-1910

Aus derselben Region stammen die wenigen Exemplare „Thuner Majolika“ aus dem späten 19. und frühen 20. Jahrhundert.

Hellscherbige Irdenware, Süddeutschland, möglicherweise Region Augsburg, 19. Jh.

Eine hellscherbige, meist nur gelblich, grünlich oder manganschwarz glasierte Gruppe von Irdenwaren, die selten zusätzlichen grünen Spritzdekor aufweisen, findet sich ebenfalls weit verbreitet in den Museumssammlungen und auch als Bodenfunde in Graubünden und in Liechtenstein. Wir nehmen aufgrund archäologischer Funde derzeit an, dass die Herstellung in Süddeutschland, möglicherweise in der Region Augsburg erfolgte (Heege 2016, 162–169).

Teller, Oberösterreich, um 1850-1900.

Weitere süddeutsche Keramiken, möglicherweise aus dem bayerischen Raum (Kröning) scheinen ebenfalls in geringerem Umfang vorhanden zu sein. Auch österreichische Irdenwaren sind mit einer geringen Stückzahl belegt (RMC H1966.102, H1966.104, H1973.923).

Grobgemagertes Kochgeschirr aus dem Kanton Jura.

Erstaunlicherweise findet sich unter den Museumsstücken auch eine Keramik, die nach der grobgemagerten Machart und den charakteristischen Formen und der Glasur aus der Region Bonfol JU stammen sollte und damit Import in den Kanton darstellt (RMC H1964.237, H1972.2254). Die sehr beliebte Ware, ein kalkarmes und temperaturwechselbeständiges Kochgeschirr, wurde jedoch in grossen Keramikfabriken, wie z. B. der Ziegler’schen Tonwarenfabrik in Schaffhausen, auch nachgeahmt. Optisch sind wir zur Zeit nicht in der Lage zu entscheiden, woher die Stücke genau kommen.

Manganglasiertes Geschirr des 19. und frühen 20. Jahrhunderts, schweizerische Keramikfabriken.

Zwei weitere grosse Gruppen stellen ebenfalls Import dar. Zum einen handelt es sich um Geschirr mit einer schwarzbraunen Manganglasur. Dessen herstellerische Qualität reicht von hervorragend gemachter Manufakturware bis zu einfacherer, erkennbar weniger standardisierter Hafnerware. Wir müssen also mit verschiedenen Herstellern rechnen, wobei Importe aus den Fabriken am Zürichsee (Kilchberg-Schooren), aus Aedermannsdorf, Kanton Solothurn oder aus Schaffhausen vorliegen können. Mit weiteren Herstellungsorten ist zu rechnen. Keines der vorliegenden Stücke trägt eine Herstellermarke. Chronologisch handelt es sich durchgängig um Formen des 19. und frühen 20. Jahrhunderts. Diese Ware kommt in Graubünden quasi in allen Museen vor.

Milchtöpfe, Schüsseln, Schalen und Teller mit einer auffällig hellgelben Glasur, Spätes 19. und frühes 20. Jahrhundert. Importe aus der Genferseeregion?

Das gleiche gilt für eine weitere, leider ebenfalls in keinem Fall gemarkte oder gestempelte Keramikgruppe. Es handelt sich um Schüsseln mit Kragenrand, Teller und zylindrische Milchtöpfe mit einem charakteristischen Rand (z. B. RMC H1963.541, H1971.473, H1972.797, H1972.798, H. 1973.903, H1973.906, H1973.944, H1974.43, H1975.718, H1984,943, H1988.49, H2015.145). Eine oder beide Seiten tragen eine weisse Grundengobe und eine typische hellgelbe bis kräftiger gelbe Glasur und gelegentlich einfache Tupfen, konzentrische Malhornlinien, einfache Blumenmotive oder andersfarbige Marmorierungen am Rand. Chronologisch dürfte es sich, obwohl keine inschriftlichen Datierungen vorliegen, um Keramik des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts handeln. Die stilistisch am besten passenden Parallelen hat Roland Blaettler überzeugend der Genferseeregion bzw. dem Kanton Genf zugeordnet. Zu den Herstellern dieser Ware gehörten u. a. die Töpfer Knecht aus Colovrex, Kanton Genf bzw. bei Ferney-Voltaire, Dép. Ain, Frankreich (Clément 2000). Die Sammlung Georges Amoudruz im Musée d’ethnographie de Genève beinhaltet eine grosse Zahl vergleichbarer Keramiken aus Savoyen, die ebenfalls teilweise Colovrex zugeschrieben werden. Wie in diesem Fall der Keramikexport vom Kanton Genf  bzw. der Westschweiz in den Kanton Graubünden abgewickelt wurde, entzieht sich momentan mangels Archivalien allerdings unserer Kenntnis. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der Transport mit der Eisenbahn dafür eine der grundlegenden Voraussetzungen war. Wir dürfen annehmen, dass sich die Möglichkeit des keramischen Massenimportes nach Graubünden erst mit der Eröffnung der Eisenbahnlinie St. Gallen–Landquart–Chur 1858 bzw. Zürich–Rapperswil–Chur 1859 (Bündner Geschichte 2000b, 154–155) sowie dem Bau der Rätischen Bahn Landquart–Davos 1889/90 ergab (Bündner Geschichte  2000, 154–155).

Keramiken „Bunzlauer Art mit Lehmglasur/Braungeschirr“. Bislang steht der Nachweis aus, dass solche Keramik auch in der Schweiz gefertigt wurde. Es dürfte sich um Import aus dem damaligen Deutschen Kaiserreich handeln.

In denselben zeitlichen Horizont (spätes 19. und erste Hälfte 20. Jahrhundert) dürften die wenigen Keramiken „Bunzlauer Art mit Lehmglasur/Braungeschirr“ der Museumssammlung gehören. Sie wurden wohl ebenfalls via Eisenbahn aus Schlesien (heute Polen) auf die Märkte Graubündens gebracht. Keines dieser Stücke ist gemarkt (RMC H1961.287, H1989.1029, H1997.96).

Unter den Irdenwaren der Museumssammlung sticht eine Gruppe ganz besonders hervor, die im Jahr 1875 durch Conradin Josti aus Magdeburg dem Museum geschenkt wurde. Diesem Schenker (28. Oktober 1808 – 14. Dezember 1887), Sohn eines aus Brail GR nach Magdeburg ausgewanderten Zuckerbäckers mit Namen Jachen / Jacob Jousch (freundliche genealogische Hinweise Peter Michael-Caflisch, Arezen), verdankt das Museum in seiner Gründungszeit insgesamt 22 keramische Objekte und zahlreiche weitere Geschenke (Bücher, Münzen, Skulpturen etc., Hinweise im Jahresbericht der historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden: 3, 1873, 5; 4, 1874, 4; 5, 1875, 4; 7, 1877, 3; 10, 1880, 11). Vermutlich fühlte sich Conradin Josti durch die aktive Unterstützungswerbung des Museumsgründers Peter Conradin von Planta (Kauer Loens 2016) zu diesen Geschenken veranlasst. Der erste in den Akten des Rätischen Museums nachweisbare Briefkontakt datiert aus dem Jahr 1872. Von 1876 bis zu seinem Tod wird Josti auch als Ehrenmitglied der Historisch-antiquarischen Gesellschaft von Graubünden geführt (17. Jahresbericht 1887, 5).  Am 12. Nov. 1875 schrieb Conradin Josti: «…Sie werden bereits durch Vermittlung der Herren Jenatsch & Bavier von dort 1 Kiste gebrannter Thonwaaren, Copien in ausgezeichnet korrekter Wiedergabe antiker Meister, franco empfangen haben, worüber vorstehendes Verzeichnis näheres speziell nachweist und ohne mehr für heute, unterzeichne ich Hochachtungsvoll Ihr ganz ergebener Josti.»

Archivalisch datierter Bestand an Historismuskeramik der Firma C.W. Fleischmann aus Nürnberg, vor 1875.

Die Kiste enthielt, was Josti nicht schreibt, 17 Keramiken der Firma C.W. Fleischmann aus Nürnberg (RMC H1973.1279, H1973.1280, H1973.1283-H1973.1287, H1973.1289–H1973.1298). Diese war damals für ihre qualitätvollen Historismusrepliken von Geschirrkeramik, Steinzeughumpen und Kachelöfen vor allem aus dem Mittelalter und der Renaissance bekannt. Die polychrome Hafnerware der Renaissance aus Süddeutschland (sog. Preuning-Werkstatt) war neben Siegburger und Westerwälder sowie Creussener Steinzeug sehr beliebt und wurde entsprechend qualitätvoll nachgeahmt. Die Zuweisung an die Firma Fleischmann erfolgt auf der Basis eines im Germanischen Nationalmuseum erhaltenen Musterbuches aus dem Jahr 1867, das verschiedene der hier vorhandenen Keramiken abbildet. (Zur Geschichte und den Produkten der Firma Fleischmann vgl.: Reineking von Bock 1970; Klinge 1979; Heinl 1984; Cserey 2000; Bauer/Wiegel 2004; Cserey 2011). Abgesehen vom Bestand des Bayerischen Nationalmuseums (17 Stücke, Bauer/Wiegel 2004, 176–198), scheint die Gefässgruppe aus dem Rätischen Museum der derzeit grösste erhaltene Bestand an Fleischmannkeramik in Europa zu sein. Eine umfassende wissenschaftliche Bearbeitung der Firma und der möglicherweise zuliefernden Handwerksbetriebe (Heinl 1982; Heinl 1984; Selheim 1996) fehlt.

Krater aus der Werkstatt von Clement Massier (1844–1917) aus Golfe-Juan bei Vallauris in Südfrankreich.

Auf ein weiteres wichtiges Historismus-Objekt muss noch hingewiesen werden, einen Krater aus der Werkstatt von Clement Massier (1844–1917) aus Golfe-Juan bei Vallauris in Südfrankreich. Die Zuweisung des nicht signierten Stücks erfolgt aufgrund eines erhaltenen Musterbuches der Firma aus der Zeit um 1883 (Forest/Lacquemant 2000, Katalog S. 113–135, Nr. 307; zur Firma vgl. auch Benadretti-Pellard 2009). Der grünglasierte Krater zeigt im Relief einen „Triumphzug des Bacchus“. Er ist 108 cm hoch. Das in der Schweiz einmalige Stück stammt mit grosser Wahrscheinlichkeit aus Schloss Fürstenau im Domleschg. Peter von Planta kaufte das Schloss 1877 und gab es 1896 an seinen Sohn Gaudenz von Planta (1896–1950) weiter, der es durch das bekannte Zürcher Architekturbüro Alfred Chioder (1850–1916) und Theophil Tschudy (1847–1911) umbauen und historistisch ausstatten liess. 1941 verkaufte die Familie das Schloss, behielt jedoch das im Schlossareal gelegene Stoffelhaus, das 1986 durch den Enkel Johann Martin von Planta (1904–1996) in die Stiftung «Talmuseum Domleschg, Fürstenau» umgewandelt wurde. Vor der baugeschichtlichen Untersuchung 1991–1996 und der Renovierung 1996–2004, wurden alle Objekte aus dem Haus im Kulturgüterschutz-Magazin in Schloss Haldenstein zwischengelagert, aussortiert und inventarisiert. Der grösste Teil dieser Sammlung bildet heute den Grundstock des Talmuseums Domleschg. Eine Reihe von Objekten wurde damals dem Rätischen Museum geschenkt bzw. als Dauerleihgabe überlassen und 2005 bzw. 2019 inventarisiert (RMC H2019.18). Der Krater dürfte wohl zur Ausstattung des Schlosses von 1896 gehören.

Gebäck- oder Springerlemodel aus Lohn, Kanton Schaffhausen.

Zu den Irdenwareobjekten in der Museumssammlung gehören auch 30 unterschiedlich alte Gebäck-, Springerle- oder Quittenpastenmodel. Ihre Funktion kann nur sehr allgemein umschrieben werden: Model für die Verzierung unterschiedlicher Gebäcke (Lebkuchen, Biber, Tirggel, Springerle, Anisbrötchen) oder zur Formung von Marzipan. Ein Teil dieser Model wurde bereits wissenschaftlich bearbeitet (Brunold-Bigler 1985).

Gebäckmodel mit einer Szene aus dem Leben des Heiligen Nikolaus von Myra.

Der vermutlich älteste Model dürfte aus dem 17. Jahrhundert stammen (RMC XI.A414). Er zeigt den Heiligen Nikolaus von Myra, der auf eine Leiter steigt, um bereitgestellte Körbe, Taschen und Strümpfe mit Süssigkeiten für Kinder zu füllen. Sein schon beladener Esel frisst inzwischen Heu aus einer Krippe. Ein identisches Motiv fand sich auch auf einem Holzmodel (Dm. 160 mm) der Auktion Koller-West 2016, Los 5332, aus Süddeutschland oder Österreich. Einen vergleichbaren Holzmodel mit Allianzwappen Werdmüller-Zollikofer (um 1675), verwahrt das Schweizerische Nationalmuseum (SNM DEP-1150). Stilistische Erwägungen führen zu der Annahme, dieser Model könne aus der Bossierer-Werkstatt Stüdlin in Lohn bei Schaffhausen stammen (Widmer/Stäheli 1999). In dieser Werkstatt dürften auch weitere Model des RMC entstanden sein, jedoch ist unklar, ob dies auch für alle glasierten Model gilt. Systematische Studien dazu fehlen für die Schweiz und den angrenzenden süddeutschen Raum leider.

Fayencen der Museumssammlung

Unter den 170 Fayenceobjekten des Rätischen Museum stechen die drei vorhandenen Tischgeschirr-Service des 18. Jahrhunderts besonders hervor: Das Pellizari-Service, das Strassburger Service der Familie von Salis und das Fayenceservice derselben Familie aus der Zürcher Porzellanmanufaktur.

Das Pellizari-Service

Das 1909 vom Museum auf Betreiben von Fritz Jecklin aus dem Pellizari-Anwesen «Haus am Bach» in Langwies angekaufte Service umfasst heute noch 63 Teile eines einst sicher grösseren Speise- und Kaffeeservice (RMC H1971.503–-H1971.509, H1971.520–H1971.550, H1971.977–H1971.1001). Alle Stücke tragen das Familienwappen: geteilt, von Blau nach rechts wehende silberne Wetterfahne an goldener Stange und von Blau zwei goldene Linksschrägbalken, Helmzier: auf offenem Helm ein gekrönter silberner Schwan (zur Familie: Sprecher von Bernegg 1847, 105–108). Die Pellizari sind um 1600 als Glaubensflüchtlinge aus Chiavenna zugewandert und gehörten bald zu den führenden Familien des Dreibündestaates. Innerhalb der 1910 ausgestorbenen Familie wurde überliefert, dass das Service möglicherweise im Jahr 1763 zur Amtseinsetzung des Johann Anton von Pellizari (1731–1804) von Langwies, als Landeshauptmanns des Veltlins entstand. Brauchtumsgemäss spendierten die Bündner Amtsleute den Veltliner Notabeln nach dem sog. «Afritt» ein reiches Mahl. Die dabei verwendeten Tafelgedecke nannte man «Podestatenservice». In Graubünden bzw. der Schweiz ist kein weiteres solches Service überliefert (Schnyder 1979, 328–347; Manatschal-Weber 1973, 6).

Das Pellizari-Service, Herstellung des Service in der Lombardei in Lodi angenommen (Fabbrica Coppelloti ?), um 1763.

Vorhanden sind:
2 Terrinen (RMC H1971.503, H1971.522) mit 2 Unterplatten (RMC H1971.530 und H1971.531.
2 Sets je aus ovaler Schüssel (RMC H1971.504, H1971.547) und Kanne (RMC H1971.505, H1971.523), Teile einer Handwaschgarnitur?
6 identische Frühstücks- oder Dessertteller, teilweise alt zerbrochen und mit Draht geflickt (RMC H1971.520, H1971.580–H1971.584).
16 identische Essteller (RMC H1971.521, H1971.532-H1971.546).
5 identische grosse Teller/Platten, teilweise stark zerbrochen und alt mit Draht geflickt (RMC H1971.525-H1971.529). Möglicherweise handelt es sich funktional um grosse Platzteller/Untersetzer.
3 identische Teller oder Suppenteller, teilweise alt zerbrochen und mit Draht geflickt (RMC H1971.524, H1971.578-H1971.579).
4 identische Teller oder Suppenteller (RMC H1971.977, H1971.548-H1971.550).
1 kleine Kaffee- oder Kakaokanne (RMC H1971.506).
1 Zuckerdose (RMC H1971.507) und Deckel zu einer zweiten identischen Dose (RMC H1971.1001).
8 identische hohe Koppchen (RMC H1971.508, H1971.990-H1971.996).
6 identische Untertassen (RMC H1971.509, H1971.985-H1971989).
4 identische niedrige Koppchen (RMC H1971.997-H1971.1000).

Aus stilistischen Gründen hat bereits Rudolf Schnyder eine Herstellung des Service in der Lombardei in Lodi angenommen (Schnyder 1979, 329). Möglicherweise lässt es sich der dortigen Fabbrica Coppelloti zuschreiben, obwohl keines der Stücke gemarkt ist (Ferrari 2003).

Das Strassburger Service der Familie von Salis

Bereits 1895 gelang Fritz Jecklin der Ankauf eines anderen grossen Tafelservice aus der Produktion der Strassburger Manufaktur von Paul Hannong. Dort entstand es um 1754/1762. Es stammt aus dem Nachlass des Andreas von Salis, Chur. Zu den familiären Hintergründen, dem Erstkauf und der Vererbung des Service liegen keine Informationen vor.

Tafelservice aus der Produktion der Strassburger Manufaktur von Paul Hannong, um 1754/1762.

Heute sind von diesem Service noch 34 Teile vorhanden (RMC H1971.1038–H1971.1072), die zum grösseren Teil auf der Bodenunterseite die blaue Herstellermarke „PH“ zeigen. Diese kann mit weiteren individuellen Malermarken kombiniert sein. Das ganze Service ist mit ausgesprochen detailliert und fein gemalten deutschen Blumen nach französischen Stichvorbildern dekoriert (Bastian 2003; vgl. zum Thema auch: Peter-Müller/Bastian 1986; Ribbert 2018). Jedes Objekt weist zusätzlich einen dunkelbraunen Randstrich auf. Vorhanden sind:

1 Zuckerdose (RMC H1971.1038).
1 Bourdalou – Nachttopf für Frauen (RMC H1971.1039), stilistisch zum Service passend.
1 Sauciere (RMC H1971.1040).
2 Salz- oder Gewürznäpfchen (RMC H1971.1041, H1971.1042).
1 Terrine auf Standring, Deckel mit Artischockengriff (RMC H1971.1043).
1 Tischaufsatz (RMC H1971.1044).
5 grosse, ovale Platten, leicht variierender Länge (RMC H1971.1045, H1971.1053–H1971.1057).
7 kleinere, ovale Platten oder flache Schüsseln mit fassoniertem Rand (RMC H1971.1046– H1971.1052).
12 fast identische Teller bzw. Essteller (RMC H1971.1058, H1971.1060–H1971.1067, H1971.1070–H1971.1072).
3 fast identische Teller bzw. Suppenteller (RMC H1971.1059, H1971.1068, H1971.1069).

Dosen aus Strassburger Produktion (kein Zusammenhang mit dem von Salis-Service belegbar).

1919 konnte Fritz Jecklin aus dem Besitz von Marie von Salis, Schloss Haldenstein, weitere Strassburger Stücke kaufen, doch lässt sich ein Zusammenhang mit dem vorstehenden Service leider nicht belegen (RMC H1971.1092–H1971.1095). Es handelt sich um vier Dosen in Form eines Apfels, einer Birne und zweier Artischocken, die ebenfalls aus der Manufaktur von Paul Hannong stammen, aber möglicherweise etwas älter sind (1748–1754). Identische Formstücke sind u. a. für das Strassburger Jagdservice von Schloss Clemenswerth in Westfalen und für Schloss Favorite bei Rastatt belegt (Ribbert 2018, 24–25 mit älterer Literatur). Dieser Zusammenhang zeigt überdeutlich, welchem sozialen Milieu sich die Familie von Salis in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts selbst zuordnete. Es fehlen in Graubünden jedoch die ganz grossen Schaustücke, Schauessen und Tafelaufsätze. Aus Schloss Haldenstein selbst stammt als Bodenfund ein signiertes Koppchen aus der Manufaktur von Paul Hannong (ADG 1282, FK 345).

Moustiers-Sainte-Marie, Südfrankreich, Atelier d’Olérys et Laugier (1739-1796), eventuell Maler Joseph I Fouque (1720-1799), um 1745-1749.

In der Sammlung gibt es wenige weitere Fayencen aus Strassburg, die mit den vorstehenden Stücken in keinem Zusammenhang stehen: RMC H1971.1073 (Kauf 1901 in Maienfeld), RMC H1971.1074 (alter Sammlungsbestand). Französische Fayencen sind ansonsten nur mit drei Stücken aus Niderviller, Moustiers und aus Desvres, Dép. Pas-de-Calais, belegt (RMC H1971.1075, H1971.500, H1972.818).

Das Fayence-Service aus der Zürcher Porzellanmanufaktur

Zwischen etwa 1770 und 1773 entstand in der Zürcher Porzellanmanufaktur in Kilchberg-Schooren eines der wenigen bekannten Fayenceservice, für das sich im Jahr 1773 insgesamt 119 Teile nachweisen lassen. Franz Bösch hat sich im Rahmen seiner Studien zur Zürcher Porzellanmanufaktur intensiv mit der Überlieferungsgeschichte des Service auseinandergesetzt (Bösch 2003, 203–215). Von diesem Service befinden sich heute 36 Stück im Rätischen Museum (RMC H1971.1002-1037) und noch 26 Stücke im Schweizerischen Nationalmuseum (SNM HA-2134–HA-2137, HA-2150–HA-2151, HA-2176; HA-2153, ist eine nicht zum Service gehörige Sauciere), 1 Stück im Historischen Museum St. Gallen (Slg. Friedrich Eugen Girtanner, 1880-1956, ex. Slg. Angst bzw. SNM HA-2135, heute HVMSG Inv. G-13098) und 5 Stück in schweizerischem Privatbesitz, von denen drei aus der Sammlung Angst stammen und getauscht wurden (HA-2134.8, HA-2136.3, HA-2176.3). Die beiden anderen wurden aus der Sammlung  Elsa Bloch-Diener, Bern, bzw. auf dem Dortmunder Flohmarkt erworben. Es fehlt der aktuelle Nachweis für den Verbleib von ein oder zwei Stücken aus der ehemaligen Sammlung von Frau De Terra, Zollikon, die im Dezember 1967 im Auktionshaus Stuker in Bern versteigert wurden (sicher Los 713, vielleicht auch Los 714). Frau de Terra erhielt mindestens einen der Teller 1936 im Tausch vom Schweizerischen Nationalmuseum (SNM HA-2135). Unklar ist auch der Verbleib eines grossen Tellers der 1932 an einen H. Göhringer in Baden-Baden abgegeben wurde (SNM HA-2136).

Der Verbleib der übrigen archivalisch überlieferten Serviceteile, die sich 1895 noch in Familienbesitz von Salis befanden, ist unbekannt.

Zürcher Porzellanmanufaktur in Kilchberg-Schooren, Teile eines Fayenceservice aus der Zeit um 1770.

Dem Rätischen Museum gelang 1895 der Ankauf seines Serviceteiles von den Erben des Andreas von Salis (1782–1858) aus Chur. Ein weiterer Teil gelangte gleichzeitig in den Privatbesitz von Heinrich Angst und über dessen Sammlung schliesslich als Geschenk in den Besitz des Schweizerischen Nationalmuseums. Belegen liess sich aufgrund von Archivalien eine ursprüngliche Herkunft aus dem Besitz des Peter von Salis-Soglio (1729–1783) in Chur. Weitergehende Informationen zur Bestellung des Service liegen jedoch nicht vor. Angenommen wird eine Anschaffung oder Bestellung nach 1770 und sicher vor 1773 (Erstinventarisation). Nur zwei der Objekte des Rätischen Museums, ein Teller aus dem SNM und eine flache Schale in Privatbesitz tragen rückseitig die Manufakturmarke „Z“ (RMC H1971.1009, RMC H1971.1010; SNM HA-2137).  Zwei  Teller aus dem SNM weisen eine blaue Malermarke  “i” auf (SNM HA-2176.2, SNM HA-2135.5). An der Zugehörigkeit der übrigen Objekte zum Service kann aufgrund des sehr charakteristischen Dekors mit dem einheitlichen braunen Randstreifen und den auffällig blauen Seen und Bergen im Hintergrund, kein Zweifel bestehen. Die Bemalung ist sehr fein und detailreich ausgeführt. Es handelt sich ausschliesslich um idyllische Landschaften mit Seen und Bergen, phantastischen Architekturmotiven, Ruinen und Menschen (meist in Rückenansicht).  Der Maler ist unbekannt und es gibt kein weiteres Geschirr aus der Zürcher Manufaktur mit dieser Farbpalette. Auf der Unterseite der meisten Objekte finden sich Abrissspuren der Pinnen von einem ersten und zweiten Glasurbrand, die sekundär mit farblich abweichender weisser Fayenceglasur übermalt sind. Diese wurde gelegentlich auch zur Füllung zu grosser Nadelstichlöcher verwendet. Von einem dritten Glasurbrand (Muffelbrand) finden sich dann die noch offenen, nicht überdeckten Abrisse der Pinnen. Inklusive des Schrühbrandes wurden viele Objekte also mindestens viermal gebrannt, bevor sie fertig dekoriert waren (Beispiel RMC H1971.1014). Es fällt auf, dass die letzte der eingebrannten Farben, die für die rotbraunen Felsen und Teile der Baumstämme verwendet wurde, meist nicht sehr gut aufgeschmolzen ist und stumpf statt glänzend auf der Oberfläche steht. Ein Teil der Teller und Platten ist gebrochen und alt mit Drahtklammern geflickt. Das Service wurde also im Alltag tatsächlich geschätzt und intensiv genutzt.

Im Rätischen Museum sind 36 Keramiken vorhanden:

1 Terrine mit Granatapfelgriff ohne Klapperkügelchen (RMC H1971.1002; vgl. SNM HA-2150).
1 Sauciere (RMC H1971.1003).
2 Platten, oval, mit fassoniertem Rand (RMC H1971.1004, H1971.1005, vgl. SNM HA-2151).
3 Teller, unterschiedliche Durchmesser, mit vierpassig eingeschnittener Fahne (RMC H1971.1006, H1971.1009, H1971.1010, vgl. SNM HA-2137).
2 flache Platten mit gemuschelter Wandung und horizontalem, profiliertem, aussen gewelltem Rand (RMC H1971.1007, H1971.1008).
1 runde, kalottenförmige Platte mit vielpassigem Rand (RMC H1971.1011).
19 Teller mit schwach fassoniertem Rand (RMC H1971.1012– H1971.1031; vgl. SNM HA-2135.1-10, HA-2136.1-3, HA-2176.1-2).
7 kalottenförmige Teller (RMC H1971.1032-H1971.1037; vgl. SNM HA-2134).

Im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich sind zusätzlich 26 Objekte vorhanden:
1 Terrine mit Granatapfelgriff ohne Klapperkügelchen (SNM HA-2150).
2 Platten, oval, mit fassoniertem Rand (SNM HA-2151.1-2).
1 Teller mit vierpassig eingeschnittener Fahne (SNM HA-2137).
15 Teller mit schwach fassoniertem Rand (vgl. SNM HA-2135.1-10, HA-2136.1-3, HA-2176.1-2).
7 kalottenförmige Teller (SNM HA-2134.1-7).

Der Bestand von Heinrich Angst war ursprünglich etwas umfangreicher. Nachweisen lassen sich heute noch sechs Abgänge durch Tauschgeschäfte, sodass ursprünglich mindestens 32 Objekte in den Besitz von Heinrich Angst und später des Schweizerische Nationalmuseum gelangten.

 

Biedermeier-Fayencen  aus Kilchberg-Schooren ZH.

Weitere Fayencen aus dem Kanton Zürich sind erstaunlicherweise in der Sammlung nur in geringem Umfang vertreten. Es handelt sich um eine Terrine und einen Teller der Manufaktur Johannes Scheller (RMC H1965.101, angeblich aus St. Antönien; RMC H1974.96, gekauft in Chur) sowie eine Kaffee- oder Teekanne aus der Manufaktur Johannes Nägeli (RMC H1970.241, vermutlich aus Flims Dorf).

Wappenteller aus Italien

Wappenteller der führenden Bündner Familien sind seltene und kulturhistorisch bedeutsame Auftragsarbeiten für italienische Fayencemanufakturen im 17. Jahrhundert.

Eine herausragende Stellung unter den Fayencen der Sammlung nehmen auch die Wappenteller führender bündnerischer Geschlechter ein, die in Norditalien oder Ligurien auf Bestellung gefertigt wurden (RMC H1971.501, H1971.1104, H1996.730 – von Salis, H1971.502 und H1971.1102 – de Florin; H1971.1103, H2018.419 – Capol; H1971.1105 – von Planta). Erstaunlicherweise gibt es aus Schloss Haldenstein auch archäologische Funde solcher besonderen Schauteller (ADG 1282-FK 9).

Norditalienische Fayence  mit Wappen der Familie Jenatsch.

In diese Gruppe gehört auch eine Flasche mit dem Wappen der Familie Jenatsch (RMC H1971.496), die in der Museumsüberlieferung dem Bündner Jürg Jenatsch (1596–1639) zugeschrieben wird. Sie ist aus stilistischen Gründen jedoch wohl jünger und dürfte in Norditalien gefertigt worden sein.

Sonstige Fayencen aus Italien, Deutschland und den Niederlanden

Werkstatt Valenti in Savona, Ligurien.

Aus der Werkstatt Valenti in Savona, Ligurien stammen zwei eindrucksvolle Flaschen der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts (RMC H1971.497, RMC H1971.498), deren genaue Herkunft leider unbekannt ist.

Boccalini dieser Form gibt es besonders im Tessin, im Veltlin und im Engadin, aber seltener auch in fast allen übrigen Kantonsteilen. Sie sind sicher (nord-?) italienischer Herkunft, doch sind die Orte ihrer Herstellung bis heute unbekannt. Auch können Datierungen nur grob geschätzt werden (18./19. Jahrhundert). Es gibt sie auch als unveröffentlichte archäologische Ausgrabungsfunde z.B. in Schiers GR.

Weitere, wohl norditalienische Importe lassen sich in Form der charakteristischen Boccalini (RMC H1972.819, H1972.820, XIII.40b, XIII.464) und typischer konischer Schüsseln belegen (RMC H1971.499, H1972.803, H1974.41, H2016.553). Auch für diese in Graubünden häufigeren Formen steht der definitive Herstellernachweis aus.

Weihwasserbecken wohl italienischer Herkunft.

Aus Norditalien stammen wohl auch IHS-beschriftete Weihwasserbecken (RMC H1970.218, H1972.2062) und kleine Salznäpfchen (RMC H1971.488, H1971.489, H1973.946), selbst wenn bis heute der genaue Herstellungsort unbekannt ist. Zu den Salznäpfchen gibt es als Parallelen Bodenfunde aus Liechtenstein (Heege 2016, Abb. 283) und Vergleichsstücke aus dem Schweizerischen Nationalmuseum (SNM LM-059431).

Essig- und Ölkännchen, Salzstreuer und Senftopf aus der Manufaktur von Ludwigsburg in Baden-Württemberg.

Der Anteil deutscher, leider meist unsignierter und daher schwierig exakt zuweisbarer Fayencen (z. B. RMC H1971.490, H1971.491, H1972.779, H1972.821, H1991.307) an der Sammlung ist relativ klein. Aus dem Besitz der Familie von Salis konnten 1895 die Reste einer Ludwigsburger «Platmenage» aus Essig- und Ölkännchen, Salzstreuer und Senftöpfchen erworben werden (RMC H1970.153-156). Eine Enghalskanne stammt wohl aus Künersberg oder Bayreuth (RMC H1970.258), ein Birnbauchkrug aus Hanau oder Frankfurt (RMC H1970.259). Derselben Herstellungsregion sind eine Buckel- und eine Fächerplatte zuzuschreiben (RMC H1971.1107, H1971.1108). Aus Ansbach stammen eine Terrine (Suppenschüssel mit Deckel, «Wurstdose») und eine Kalebassenvase mit roter Kaltbemalung (RMC H1971.487, H1971.492). Letztere konnte in Maienfeld erworben werden. Aus Durlach stammt eine grosse, unbemalte Platte (RMC H1997.503), aus Flörsheim ein nettes kleines Tintengeschirr (RMC H1971.486, Geschenk aus Chur), aus Schrezheim eine Fünffingervase (Tulpenvase, RMC H1971.485, erworben in Maienfeld).

Ungewöhnliche Objekte aus dem Besitz der Familie von Salis mit chinesischen Mustern. Herkunft?

Als Geschenk erhielt das Rätische Museum 1896 von den Erben des Andreas von Salis, Chur, zwei schlanke Koppchen mit drei zugehörigen Untertassen, deren tiefe mittlere Aussparung einen sicheren Transport ermöglichten. Diese Gruppe ist in der Ausformung und dem Dekor (Aufglasurmalerei in Silber und Gold) einheitlich, in der materiellen Ausführung und den Glasuren (violette Fayence, Irdenware mit schwarzer Manganlasur oder dunkelbraunem Spritzdekor) jedoch inhomogen, ohne dass hierfür sinnvolle Erklärungen gefunden werden können. Auch mangelt es an eindeutig zuweisbaren Parallelen in der Literatur. Eine italienische Herkunft (Albisola?) wird nicht ausgeschlossen (Salsi 2002, 19–20, Kat. 5). Die Kombination von schwarzbraunem Manganglasur-Untergrund und der metallischen Bemalung wirkt wie eine asiatische Lackarbeit. Vorbilder könnten Objekte aus Noir de Namur, Jackfield ware oder Keramik aus Bayreuth und Ansbach mit Vergoldung sein.

Deckelvasen der Manufaktur De Porseleyne Klauw, Delft, Niederlande.

Niederländische Fayencen spielen in der Museumssammlung keine Rolle. Die zwei Deckelvasen der Manufaktur De Porseleyne Klauw, Delft, aus der Zeit um 1750–1790, sind ein etwas deplaziertes Geschenk aus dem Jahr 1963 (RMC H1971.1159a-b).

Steingutobjekte in der Museumsammlung

Steingut aus aus dem Nachlass von Anna von Planta (1858–1934).

Insgesamt befinden sich 174 Datensätze zu Objekten aus Steingut in der Sammlung des Rätischen Museums. 44 Keramiken stammen aus dem Nachlass von Anna von Planta (1858–1934), der Stifterin des Churer Frauenspitals (Sprecher 1935). Hierunter befinden sich zahlreiche Einzelteller und Einzelstücke aus Dänemark, Deutschland, England und Frankreich. Leider bleibt völlig unklar, wie es zu einer solchen Zusammensetzung der übergebenen Sammlungsteile gekommen ist. Handelt es sich um Stücke, die zum Zwecke einer Serviceauswahl bestellt wurden?

Italienisches Steingut der Società Ceramica Richard.

Erhalten haben sich jedoch auch zwei Servicereste, zum einen eines der mailändischen Firma Società Ceramica Richard (RMC H1975.23–31, H1975.34–39, H1975.41–50, H1975.52–126) und zum anderen eines von Villeroy & Boch aus Mettlach mit grossen Fischplatten mit Abtropfsieben (RMC H1975.127–H1975.151).

«Châlet Planta in St. Moritz (Engadin)» gemalt von Sophie Herzog.

Aus Familienbesitz stammen drei Wächtersbacher Steingutteller (RMC H1975.182–H1975.184). Sie wurden 1899 von einer bislang nicht identifizierten Keramikmalerin mit Namen «Sophie Herzog» handbemalt, signiert und datiert. Die Ansichten zeigen laut rückseitiger Beschriftung: «Châlet Planta in St. Moritz (Engadin)», «Brücke bei Stalden i/Visperthal (Wallis)» und die Burgruine «Birseck (Baselland)».

Marken des Steingutgeschirrs aus dem Lungenheilsanatorium Schatzalp in Davos.

Sechs Steingutobjekte, Seifen- und Bürstenschalen sowie Teller stammen aus dem im Jahr 1900 eröffneten Hotel und Lungenheilsanatorium Schatzalp in Davos (RMC H2014.335a, H2014.336, H2014.339a, H2014.339b, H2014.535a, H2014.535b). Sie wurden in Belgien, Deutschland oder England gefertigt und zeigen, welche Bedeutung die grossen Keramikfirmen Europas für die Keramikausstattung bedeutender Bündner Hotels hatten.

Äusserst seltene «Teekannenruine» aus der Fürstbischöflich-Wormsischen Fayence-Fabrique» von Dirmstein (Hochstift Worms).

Eines der ältesten Steingutobjekte der Sammlung ist ein Altbestand, dessen Herkunft wir nicht kennen. Es handelt sich um eine aufwändig bemalte und gemarkte Teekanne aus der «Fürstbischöflich-Wormsischen Fayence-Fabrique» von Dirmstein (Hochstift Worms), heute Rheinland-Pfalz. Diese Manufaktur existierte nur von 1778–1788 (Zais 1895; Biehn 1959; Jarosch 2005). In zeitgenössischen Werbeanzeigen werden die Produkte der Manufaktur als «porcelaine de pierre», «Fayence fine», und «terre de pipe» angepriesen, ein überwiegender Teil der hergestellten Produkte dürfte also «Steingut» gewesen sein. Nach der Aufgabe der Fabrik wurden die Formen an die Fayencefabrik Flörsheim verkauft. Um 1780 lässt sich ein elsässischer Keramikmaler Laux aus Hagenau nachweisen (Zais 1895, 25; Biehn 1959, 10), dem man die schöne Rose der Teekanne wohl zutrauen würde.

Körbchen und zugehöriger Untersetzer aus Zell am Harmersbach, Baden-Württemberg.

Unter den übrigen Steingutobjekten aus Deutschland dominieren, typischerweise für die Deutschschweiz, die Manufakturen von Schramberg (z. B. RMC H1961.681, H1961.682, H1972.739) und Zell am Harmersbach (z. B. RMC H1990.173, H1990.174, H1990.175a,H1990.175b, XIII.446), die beide das beliebte, mit Umdruckdekoren verzierte «Bildergeschirr», aber auch unverziertes Steingutgeschirr lieferten. Darunter befindet sich u. a. ein schönes geflochtenes Körbchen mit zugehörigem Untersetzer (RMC H1975.95). Eine Reihe von Spruchtellern mit Blumendekor kann nur im Vergleich mit signierten Stücken aus dem Museum Engiadinais versuchsweise Zell am Harmersbach zugewiesen werden (RMC H1961.613, H1961.676–H1961.678). Alternativ wäre an Produkte aus Kilchberg-Schooren zu denken.

Napoleons Leben, romantisierend und politisch überhöht dargestellt auf einer Tellerserie der Firma Villeroy & Boch in Wallerfangen.

Von der Firma Villeroy & Boch aus Wallerfangen stammt eine Serie von 12 Tellern mit schwarzen Umdruckdekoren (RMC H1976.476-487). Sie zeigen auf der Fahne ein gekröntes N und Band mit den Namen wichtiger Orte und Schlachten im Leben Napoleons (Bolender 1987, 111–112). Vorlage der Bilder bilden Stiche aus Jacques de Norvin, Histoire de Napoléon, Paris 1827, 22. Auflage 1839, überwiegend illustriert von Horace Emile Jean Vernet (1789–1863) und Denis Auguste Marie Raffet (1804–1860).

Ungewöhnlicher Steingutteller mit durchbrochenem Rand aus Leeds, zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts.

Aus England, genauer aus Leeds, stammt ebenfalls ein alter Steingutteller der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts (RMC H1966.423). Er trägt einen Reliefdekor in Form einer Tudor- oder York-Rose, Wandung und Fahne sind durchbrochen gearbeitet (Griffin 2005, 124 No. 46, Leeds Design book, nach 1783).

Unter den übrigen Steingutobjekten aus England ist noch auf den Rest eines Service aus der Zeit zwischen etwa 1850 und 1870 hinzuweisen (RMC H1990.177b-i, H1990.178a-e, H1990.179, H1990.180). Es stammt aus Präz oder Sarn, Region Viamala, aus dem Besitz der Familien Marugg-Wazau oder Liver-Wazau. Hergestellt wurde es in Staffordshire, Stoke-on-Trent, von Thomas Till & Sons (1850–1928) (Sytch pottery) für Fedele Primavesi in Cardiff. Dieser führte von 1850–1915 in Cardiff und Swansea ein Grosshandelsgeschäft für Keramik, vor allem aus Wales und Staffordshire (Vgl. http://www.thepotteries.org/allpotters/994.htm; Tolson/Gerth/Cunningham Dobson 2008). Das Muster «Royal Cottage» zeigt eine romantisierende Ansicht der im frühen 19. Jahrhundert tatsächlich existierenden «Royal Lodge» im Windsor Great Park in Berkshire, wenig südlich von Windsor Castle. Welcher Baualterszustand gezeigt wird, ist allerdings unklar.

Französischer Steingutteller mit der Darstellung von Tamins/Reichenau und dem Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein, zwischen 1808 und 1818 hergestellt.

Aus der französischen Steingutmanufaktur von Montereau stammen fünf sechseckige Teller des frühen 19. Jahrhunderts (RMC H1973.1379–H1973.1383). Ein einzelner Teller wurde wohl in Creil hergestellt und in Paris zwischen 1808 und 1818 bei Coquerel et Le Gros verziert (Plinval de Guillebon 1985, 146–147). Der schwarze Unterglasur-Umdruckdekor zeigt Tamins/Reichenau mit dem Zusammenfluss von Vorder- und Hinterrhein, nach einer Ansicht von Alexandre-Charles Besson, gestochen von Francois Denis Née (aus: Beat Fidel Zurlauben, Tableaux topographiques …. 1780–1786). Das Stück stammt aus dem Nachlass der Familie von Salis-Soglio (RMC H1974.392). Beim übrigen Steingut aus Frankreich handelt es sich meist um Nachttöpfe und Waschgeschirr aus der Manufaktur Utzschneider und Cie., Sarreguemines (z. B. H1972.709, H1972.711, H1972.713, H1972.715, H1972.717).

Privataufträge für italienische Manufakturen wurden noch im 20. Jahrhundert erteit (hier Familie von Planta).

Unter dem italienischen Steingut ist nur noch auf vier Schalen auf Standring bzw. hohem Standfuss der SOCIETA CERAMICA RICHARD MILANO aus dem ersten Drittel des 20. Jahrhunderts hinzuweisen (RMC H1975.544–H1975.546, H1978.543). Sie tragen auf der Wandung in blauem Umdruckdekor das Wappen der Familie von Planta (schwarze Bärentatze in silbernem Feld), dazu das Familienmotto «ESSE QUAM VIDERI» (Mehr Sein als Schein).

Eine einzelne Kaffeeschale (RMC H1979.50) dürfte aus der Keramikfabrik von Beniamino Bezzola aus Campione d’Italia, einer italienischen Exklave am Luganersee stammen (Gilardi 2018).

Schweizer Steingutteller – hier aus Kilchberg-Schooren – trugen schon früh Darstellungen touristischer Brennpunkte.

Unter den Steingutprodukten aus der Schweiz befinden sich auch vier Teller mit schwarzem Umdruckdekor aus der Manufaktur von Johannes Scheller in Kilchberg-Schooren, die bald nach der Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden sein dürften (Ducret 2007). Sie zeigen frühe touristische «Topattraktionen», die Tells-Kapelle, das Schloss Chillon und das Hotel auf der Rigi (RMC H1971.732, H1971.1088, H1972.731, H1972.733). Drei Keramiken lassen sich aufgrund ihrer Stempelmarke der Niederweiler AG, Steingutfabrik, Werk Möhlin (bei Rheinfelden) zuweisen (H1961.611, H1985.507, H1999.786).

Steinzeug in der Museumssammlung

Der Bestand an durchweg importierten Steinzeuggefässen ist in der Museumssammlung nicht sehr umfangreich. Er umfasst 44 Objekte, die sich auf die klassischen Gruppen Trink- und Vorratsgeschirr, Heilwasserflaschen und Apothekenbedarf verteilen (vgl. Heege 2009).

Typische Westerwälder Kugelbauchkrüge der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts.

Die ältesten Stücke sind vier geblaute Kugelbauchkrüge der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts mit flächigen kleinen Auflagen, die dem deutschen «Steinzeug Westerwälder Art» zuzurechnen sind (RMC H1972.742–H1972.744, H1972.747).

Steinzeug «Westerwälder Art» mit Reliefauflagen.

Wenig jünger ist ein Birnbauchkrug mit sog. «Gabeldekor», der zusätzlich manganviolette Bemalung aufweist. Seine Vorderseite ziert eine etwas dünn ausgeformte Auflage mit einem Herzen, aus dem Zweige wachsen. Im Herzen befinden sich die Initialen «GSS» (RMC XIII.448). Das Stück wurde im Churer Antiquitätenhandel erworben, möglicherweise mit der Überlegung, dass die Initialen einem Mitglied der Familie von Salis-Soglio zuzuordnen sein könnten. Fragmente eines ähnlichen Birnbauchkruges stammen als Bodenfunde aus Schloss Haldenstein (ADG, 1282, FK 369). Wohl aufgrund ähnlicher Überlegungen gelangte der nächste, 1685 datierte Krug (zu einer Schraubkruke umgearbeitet) bereits 1898 ins Museum (RMC XIII.96). Die bündnerische Familie von Schauenstein (1742 ausgestorben) trug drei silberne Fische auf rotem Grund als Wappen (frdl. Hinweis Hanspeter Lanz, Zürich). Das umlaufende Motto «QVOD GENVS ET PROAVUS ET QVE NON FECIMUS IPSI VIX EA NOSTRA PUTA» (Was das Geschlecht und der Ahn, nicht wir uns selber erringen, ist wohl das unsere kaum; leicht variiert aus den Metamorphosen des Ovid) macht jedoch klar, dass wir es hier mit dem Wappen der deutschen Adelsfamilie von Seydlitz zu tun haben (Otto 1892, 248–253, mit Hinweis auf vergleichbare Wappenauflage).

Steinzeug «Westerwälder Art» aus dem 18. Jahrhundert.

Eine Reihe von Gefässen datiert in die erste Hälfte des 18. Jahrhunderts. Dazu gehören ein «GR»-Krug (GR = Georg Rex = Georg I. 1660–1727, ab 1714 englischer König) mit manganviolettem Hals (RMC H1971.1076), ein ritzverzierter zylindrischer Humpen mit Reliefdekor in Form von Diamantbossen (RMC H1971.1077, Vergleichsstück als Bodenfund aus Schloss Haldenstein, ADG, 1282, FK 167), eine Kanne (RMC H1972.741) und zwei Schraubkruken (RMC XIII.423, XIII.424) mit sechseckig abgeflachtem Körper. Letztere wurden 1919 von Marie von Salis, Haldenstein, gekauft. Bodenfunde identischer Gefässe aus dem Schloss belegen die tatsächliche lokale Nutzung dieser Gefässform (ADG 1282, FK 343).

Steinzeug «Westerwälder Art», vermutlich aus dem Elsass, wertgeschätzt und kunstvoll repariert!

Eine besonders schön verzierte und aufwendig reparierte Kanne wurde 1901 in Maienfeld erworben (RMC H1973.1278). Aufgrund stilistischer Erwägungen würde man das Stück eher der elsässischen Produktionsregion der «Keramik Westerwälder Art» zuschreiben wollen (Schmitter 1965; Faviere/Klein 1978; Schmitter 1982; Ernewein/Dietrich-Schneider 2006; Heege 2013).

Steinzeug «Westerwälder Art», so kennen es noch viele Menschen, Mostkannen.

Kleinere ritzverzierte Exemplare dieses Kannentyps, der vor allem für den Ausschank von Apfelwein diente, lassen sich im 19. und frühen 20. Jahrhundert dann nicht mehr genauer datieren (RMC H1964.127, H1990.170, XI.422). Klassische Vertreter des späten 19. und des 20. Jahrhunderts sind die zylindrischen Einhenkelflaschen (RMC H1985.203) und die typischen Doppelhenkeltöpfe (RMC H1995.330), die vor allem in der Vorratshaltung (für Butterschmalz, Sauerkraut, Marmelade etc.) eingesetzt wurden. Es gibt sie auch als Puppenstubengeschirr (RMC H1986.449).

Eine völlig andere Funktionsgruppe vertritt ein oxidierend braun gebranntes Steinzeugobjekt. Es handelt sich um einen Gärtrichter (Dippold/Zühlcke/Scheja 2008, Kat. 191), weshalb die Herkunft aus dem Churer Rebgut Caluna nicht erstaunt.

Salzglasiertes Steinzeug hat den Vorteil, dass es säurefest und geruchsneutral ist. Es eignet sich daher auch hervorragend als Labor- und Apothekenkeramik.

Die Apothekengefässe aus Steinzeug lassen sich in weitere Funktionsgruppen aufteilen: Es gibt Schüsseln bzw. Reibschüsseln (RMC H1999.1421–H1999.1423) für das Mischen bzw. die Herstellung von Medikamenten (Dippold/Zühlcke/Scheja 2008, Kat. 376), Lager- oder Standgefässe bzw. Vorratsdosen (RMC H2001.391–H2001.393) und Flaschen (RMC H2001.387, H2001.388), teilweise auch mit Schraubverschluss (vgl. Dippold/Zühlcke/Scheja 2008, Kat. 131–133). Sicher die häufigste Steinzeugform sind jedoch Apothekenabgabegefässe, also die Steinzeugbehälter, in die die Salben und Tinkturen für die Patienten abgefüllt werden konnten. Sie haben meist einen ausbiegenden Binderand, sodass man ein Papier, Ölpapier oder anderen Verschluss festbinden konnte (RMC H1972.775, H1972.776, H1985.504, H1999.1416, H2001.378, H2001.382, H2001.383, H2001.385).

Die wichtigsten medizinischen Heilwässer aus Deutschland und Tschechien wurden im 18. und 19. Jahrhundert auch in die Schweiz exportiert. Die Flaschen als Transportbehälter repräsentieren frühes Einweggeschirr.

Zur Kategorie  der Heilwasserflaschen aus dem 19. Jahrhundert gehören nur vier Exemplare. Zwei Flaschen (RMC H1985.204, H1968.285) waren mit dem Wasser des Marktführers aus SELTERS in Deutschland befüllt (Heege 2009, 62–64, Abb. 70,11.12). Zwei weitere Flaschen enthielten dagegen Bitterwasser aus Püllna im heutigen Tschechien, das wegen seiner purgierenden Wirkung getrunken wurde (Heege 2009, 69–71).

Porzellan in der Museumssammlung

 Die Gruppe der Porzellane umfasst 183 Objekte. Die Zusammensetzung und das Zustandekommen dieses Bestandes sind eher inhomogen, erkennbar sind nur einzelne Sammlungsschwerpunkte wie Apotheke, Tourismus, Zuckerbäcker oder bedeutendere bündnerische Familien. Im Gegensatz zur Fayence sind jedoch keine herausragenden Sammlungsbestände oder Tischservice aus europäischer Produktion vorhanden.

Japanische Teeschälchen, 19. Jahrhundert.

Die asiatischen Objekte scheinen eher zufällig in die Sammlung gelangt zu sein, wie ein Teeset, das Conradin Josti aus Magdeburg 1877 dem Museum schenkte (RMC H1970.164). Erwähnenswert sind ausserdem zwei Sätze japanischer Teeschälchen (RMC H1970.159a-f, RMC H1970.160a-f).

Thüringisches Porzellan des späten 18. und 19. Jahrhunderts.

Beim europäischen Tafelgeschirr fehlen schweizerische Produkte des 18. Jahrhunderts, z.B. aus den Manufakturen in Kilchberg-Schooren oder Nyon, vollständig. Einige wenige Porzellanstücke des späten 18. oder frühen 19. Jahrhunderts stammen aus thüringischer Produktion (RMC H1971.1087, H1971.1089, H1972.799).

Porzellan-Prunkvasen mit Bündner Ansichten:  Ansicht des Bergünersteins (Crap da Bravuogn, 1696 in den Fels gesprengte Strassenpassage zwischen Filisur und Bergün, Teilstück der Strasse über den Albulapass, Zustand vor dem Ausbau 1855-57), Beischrift „Défilé de Stein“ und Ansicht von Tiefenkastel (Kirche St. Stephan mit Friedhof, Steinbrücke über die Albula), Beischrift „Village de Tiefenkasten“ (nach einem Stich von Edouard Henri Théophile Pingret, 1788-1875 in „Promenade sur le Lac de Wallenstadt et dans le pays des Grisons“, Paris 1827).

Etwas aus dem Rahmen fallen zwei sehr aufwendig bemalte Vasen wohl aus französischer Produktion (RMC H1991.484, H1991.485), eine russische Porzellantasse und Untertasse wohl nach französischen Vorbildern (RMC H1993.56) und eine biedermeierliche Tasse mit der Ansicht von Malans (RMC H2001.611).

Biedermeier-Kaffeegeschirr. Tasse: Schauseite braune Bemalung, Schrifttafel mit Frage: „Was ist der Menschen Loos auf Erden“, Untertasse: Schrifttafel mit Antwort: „endstehen und zerstört werden“.

Zu den stilistischen Vorlieben und Motiven des Biedermeier passen sehr schön sechs mit Sprüchen gezierte Tassen und Untertassen aus dem Besitz der Familie von Planta auf Schloss Fürstenau (RMC H1998.37–H1998.42).

Porzellanservice der Firma Carl Tielsch & Co in Waldenburg-Altwasser, Schlesien (heute Polen, Woiwodschaft Niederschlesien, Stary Zdrój), um 1875–1900.

Für das zweite und dritte Drittel des 19. bzw. das frühe 20. Jahrhundert ist auf die Reste von vier Services zu verweisen. Ein ungemarktes, nur mit Kantenvergoldung stammt möglicherweise aus Deutschland (RMC H1997.920-923), ein zweites aus der Porzellanfabrik Carl Tielsch & Co in Waldenburg-Altwasser, Schlesien (heute Polen, Woiwodschaft Niederschlesien, Stary Zdrój). Es datiert in die Zeit um 1875–1900 (RMC H1988.442.a-s). Das dritte ist stammt aus derselben Region, wurde jedoch in der Porzellanfabrik Hermann Ohme (1882–1930) in Niedersalzbrunn (heute Polen, Szczawienko) um 1920–1930 gefertigt (RMC H2013a-t). Der vierte Servicerest stammt aus Frankreich aus der Porzellanfabrik Adolphe Hache & Cie. (1845–1931), Mehun-sur-Yevre (Arr. Vierzon). Das Service entstand um 1900–1920 (RMC H1988.597a-u).

Typische Geschenktassen des späten 19. Jahrhunderts.

Den schlesischen Porzellanprodukten, die die internationale Bedeutung der deutschen Porzellanindustrie im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert unterstreichen, können verschiedene weitere Einzelstücke, meist in Form von Tassen, an die Seite gestellt werden (z. B. RMC H1961.688-H1961.691, H1970.152, H1993.764, H1998.493-H1998.496) zu denen sich auch Stücke aus Böhmen gesellen (RMC H1990.176). Der Bestand an Langenthaler Porzellan (nach 1906) ist gering (RMC H1997.887, H2014.534a).

Geschirr aus dem Hotel Suisse, Plaza de las Tendillas, Cordoba, vor 1936.

Einen besonderen kleinen Bestand bilden «Zuckerbäcker-Porzellane», die aus dem Hotel Suisse, Plaza de las Tendillas, Cordoba stammen (RMC H2010.115-H2010.118, H2010.120, H2010.121). Hotel und Patisserie wurden durch drei Brüder Putzi von Luzein (Nicolaus, 1829-?, Silvester, 1823–1902, Jann Ambrosi, 1827-1896) gegründet. Das Hotel existierte von 1860 bis 1924 (Abbruch). Seit 1909 firmierte das Unternehmen als „Hermanos Puzini“ (Ambrosi Guillermo, 1878–1955 und Thomas Michel, 1973–1948). 1936 kehrte die Familie wegen des spanischen Bürgerkriegs in die Schweiz zurück.

In die Sammlung des Rätischen Museums passen klassischerweise auch Geschirrteile aus der frühen bündnerischen Hotellerie und Gastronomie, die jeweils durch lokale Geschirrgrosshändler mit den gewünschten Aufschriften und Sujets verziert wurden: Kurhaus Tarasp – Kaiser, Lüthie & Cie. Samedan, RMC H1983.52; Waldhaus Arosa – Killias & Hemmi, Chur, RMC H1990.263e; Marsöl – Mahler & Cie., Chur, RMC H2005.13a bzw. Killias & Hemmi, Chur-Davos, RMC H2005.13b; Hotel Adler, Reichenau – Mahler & Cie., Chur, RMC H2017.272a.

Jubiläumstasse zum 100. Geburtstag der Geschäftsgründung der Firma Mahler & Cie. in Chur.

Vor allem die Firma Mahler & Cie. in Chur ist hervorzuheben, da sie in der Sammlung auch mit einer besonderen Jubiläumstasse zum 100. Geburtstag der Geschäftsgründung vertreten ist (RMC H2012.116).

Typische Souvenirvase aus der Zeit vor 1914.

Es verwundert nicht, dass diese Firma auch an der Herstellung oder Versorgung mit frühen Touristikartikeln mit handkolorierten oder polychromen Druckdekoren beteiligt war (RMC H1984.41). Von diesen, vor allem im späten 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beliebten Mitbringseln (Souvenir, Andenken) besitzt das Museum eine kleine Auswahl (RMC H1985.106, H1993.760, H1993.762, H1993.765, H2000.552, H2000.553, H2000.570, H2002.419).

Alle übrigen Porzellangruppen haben nur einen geringen mengenmässigen Umfang, sei es dass es sich um Porzellan-Besteckgriffe handelt (RMC H1972.313-RMC H1972.316) oder um Hygiene- bzw. Gesundheitsgeschirr im weitesten Sinne (Nachttöpfe: H1972.1393, H2014.338; Schnabeltassen: RMC H1991.420, H1998.49, H2000.382; Medikamentenlöffel: H2000.383; Pillen- und Seifendöschen, die sich typologisch nicht von Schnupftabakdosen unterscheiden lassen: RMC H1970.161, H1988.593, H1998.46, H1998.47, H1998.60, H1998.61).

Hierhin gehören auch die französischen Kannen zur Bereitung künstlicher Mineralwässer (Appareil Lhote: RMC H1972.724, H1989.305).

Porzellandöschen – Apothekenabgabegefässe -Salbentöpfchen, St. Martins-Apotheke  Chur.

Der wenig umfangreiche und nicht sehr alte Bestand an Apothekenporzellanen setzt sich im Wesentlichen aus Mörsern und Pistillen (RMC H1989.645, H1989.646, H1989.648, H2014.321) sowie Apothekenstandgefässen und Apothekenabgabgefässen (Salbentöpfchen) zusammen (RMC H1976.395, H1976.396, H1980.91, H1980.92, H1989.803, H1989.804, H1989.806, H1989.838a). Deren kulturhistorischer Wert besteht vor allem in der lokalen Herkunft.

Studentische Verbindungspfeife (Burschenschaftspfeife) mit einem Liktorenbündel mit Tellenhut, das mit dem Schweizerwappen belegt ist, links und rechts Fahnen mit den Farben der Burschenschaft, Überschrift „Helvetia sei‘s Panier“, Wappenumschrift DULCE ET DECORUM EST PRO PATRIA MORI“ darunter ligiertes Burschenschaftsmonogramm (Corps Helvetia IV von Heidelberg, 1859-1862), Rückseite mit Widmung des Schenkenden „H. Plattner whml J.U. v. Rascher, Carlsruhe 1862“.

Bei den Porzellantabakpfeifen finden sich die beiden klassischen Themenbereiche «Studentica» (RMC H2004.3, XIII.447) und «Militaria» (RMC XIII.461) mit drei sehr schönen Objekten.

Staatliche Porzellan-Manufaktur Nymphenburg, «Service d’Autriche Officier du Régiment de Sprecher 1743–1749».

Abschliessend ist noch auf einige wenige Porzellanfiguren hinzuweisen. Conradin Josti (Jousch) aus Magdeburg schenkte 1877 dem Museum zwei Historismus-Porzellanfiguren, die leider nicht gemarkt sind und deren Herstellungsort unbekannt ist (RMC H1971.1120, H1971.1121). Auch eine Meissener Frauenfigur stammt von ihm (RMC H1970.157). Drei weitere Meisssenfiguren waren ursprünglich im Besitz der Familie von Planta auf Schloss Fürstenau (RMC H1988.43–H1988.45). Eine um 1930–1940 in der Staatlichen Porzellan-Manufaktur Nymphenburg entstandene Soldatenfigur trägt rückseitig die Beschriftung «Service d’Autriche Officier du Régiment de Sprecher 1743–1749», jedoch kann die historische Authentizität der Uniformdetails nicht gesichert werden (RMC H1998.1069).

Puppenstubengeschirr aus Porzellan, frühes 20. Jahrhundert.

Die keramische Welt der Erwachsenen spiegelt sich auch in der Zusammensetzung der keramischen Welt der Kinder. Es existieren in der Museumssammlung verschiedene Geschirrminiaturen für Puppenstuben aus Irdenware, Steingut, Steinzeug und Porzellan, die in der zweiten Hälfte des 19. und dem frühen 20. Jahrhunderts entstanden sein dürften (z.B. RMC H1971.3–16, H1981.656–H1981.658, H1981.665–H1981.675, H1985.357, H1986.431–H1986.433, H1986.442-H1986.447, H1986.449, H1986.453-456-461-462, H1990.433, H2014.632).

Dank

Herzlichen Dank an Peter Michael-Caflisch, Arezen, für genealogische Informationen. Herzlichen Dank an Andrea Kauer Loens und ihr Team, das die Erfassung nach allen Regeln der Kunst unterstützt hat!

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Zais 1895
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Davos, Heimatmuseum (HMD)

Heimatmuseum Davos
Museumstr. 1
CH-7260 Davos Dorf
Tel: +41 (0)81 416 26 66
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Keramik des Heimatmuseums Davos in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2021

Das Heimatmuseum Davos zeichnet die Entwicklung des einstigen Bauerndorfs Davos zum heutigen Tourismus- und Kongressort nach. Die reichhaltige Sammlung besteht aus Objekten der Sparten Brauchtum, Handwerk und Alltagsleben sowie aus historischen Dokumenten. Das Heimatmuseum befindet sich im Grossen Jenatschhaus, das im 16. Jahrhundert für die Familie Beeli erbaut und von Paul Jenatsch (1629-1676), dem Sohn des Bündner Politikers und Söldnerführers Jörg Jenatsch (1596-1639), zu einem repräsentativen Bürgerhaus umgebaut wurde (Pfister 1982). Das Heimatmuseum wird von einem 1935 gegründeten Verein getragen. Das heutige Museumsgebäude konnte 1942 bezogen werden.

Die Keramik des Heimatmuseums Davos umfasst 343 Objekte, von denen 131 im Grossraum Davos zusammengetragen wurden. Die Sammlung spiegelt wie die des Museum Engiadinais in St. Moritz oder des Nutli Hüschi in Klosters, was bei einem Sammlungsbeginn vor dem 2. Weltkrieg aus familiärem Besitz oder dem Antiquitätenhandel noch alles zusammengetragen werden konnte. Die Zusammensetzung der Sammlung unterscheidet sich daher von der der späteren Museumsneugründungen aus den 1970er- und 1980er-Jahren. Leider ist das alte Museumsinventar wenig aussagekräftig, sodass wir nur selten eine Vorstellung davon haben, aus welchen sozialen Schichten des Ortes die Objekte stammen. Klar ist jedoch, dass Keramiken aus den seit der Mitte des 19. Jahrhunderts entstehenden Pensionen, Sanatorien, Kurhäusern und Hotels nicht vorhanden sind. Die grosse Zeit von Thomas Manns Zauberberg findet in der keramischen Sammlung des Museums keinen Widerhall (vgl. zur Epoche Hess 2021; Bergamin 2013). Dagegen ist das Thema der Bündner Auswanderer und Zuckerbäcker über Keramikobjekte greifbar (zum Thema vgl. Bühler 1985; Michael-Caflisch 2014; Kaiser 1988).

212 Keramiken stammen von der Davoserin Lilly Hohl-Frei, die zu ihren Lebzeiten eine grosse Sammlung an Nachttöpfen, Waschgeschirren und Kaffeebechern auf den Flohmärkten Europas zusammentrug. Nur wenige Stücke stammen auch aus Davoser Hotels. Die Sammlung wurde im Jahr 2003 der Öffentlichkeit im Museum präsentiert (Schmutz 2003). Nach ihrem Tod schenkten die Erben die Sammlung dem Museum (Kaiser 2015). Aufgenommen wurden in CERAMICA CH nur Waschgeschirre und Nachttöpfe, die über ihre Marken auch einem Hersteller zugewiesen werden konnten.

Insgesamt umfasst die dokumentierte Sammlung 30 Objekte aus Irdenware, 21 Keramiken mit Fayenceglasur, 208 Stücke aus Steingut, 5 Töpfe aus Steinzeug und 78 Objekte aus Porzellan und 1 Stück aus Weichporzellan.

Das Heimatmuseum in Davos besitzt nicht nur einen der seltenen Kachelöfen von Christian Lötscher aus St. Antönien, sondern im Sammlungsbestand auch einen Färbetopf (s.o.), einen Milchtopf und zwei sehr schöne Schüsseln. Alle Stücke wurden 2019 umfassend wissenschaftlich bearbeitet (Heege 2019).

Weitere Irdenwaren aus Graubünden sind mit zwei Doppelknauftöpfen belegt, die sich erkennbar an denen von Christian Lötscher orientieren,  jedoch in einer anderen, unbekannten Werkstatt hergestellt worden sein dürften.

Bei einer kleinen Kanne mit grüner Glasur steht das Schild: “Stammt aus der Töpferei Schmelzboden, die in den damaligen Bergwerksgebäuden eigerichtet war.” Dies suggeriert eine Herstellung in Davos, was jedoch durch weitere Inventarinformationen leider nicht erhärtet werden kann (zur Töpferei in und um Davos siehe Fümm 1912). Sollte die Information zutreffen, würde es sich um das erste und einzige bekannte Objekt dieser Töpferei handeln.

 

Irdenwaren aus der Region Berneck SG sind mit einem kleinen charakteristischen Spektrum in der Sammlung vertreten, wobei besonders das seltene Sieb hervorzuheben ist.

Zwei Näpfe und eine Ohrenschale dürften aufgrund ihrer gelbgrünen Dekorfarbe bzw. des Schwämmeldekors mit Musterschwamm irgendwo in der Deutschschweiz im frühen 20. Jahrhundert entstanden sein.

Schwach gelblich glasierte Irdenware aus der Region des Genfersees bzw. Savoyens ist ebenfalls mit einer Schüssel und einem Milchtopf vertreten. Diese Ware scheint erst nach 1900 in Graubünden allmählich auf den Markt zu kommen. Ihre Verbreitung setzt wohl die Eisenbahn als preiswertes Transportmittel voraus.

Manganglasiertes Geschirr aus den Keramikfabriken der Deutschschweiz darf selbstverständlich ebenfalls nicht fehlen. Es kommen die üblichen Terrinen, Schüsseln und Kannen vor, wie sie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in Graubünden gängig sind.

Eine Gugelhupfform dürfte nach der hellen Farbe des Scherbens und der orangeroten Grundengobe im Inneren aus Soufflenheim im Elsass stammen (Demay 2003, 4-23).

Zwischen 1917 und 1930 wurde in Zürich-Wiedikon, bei Bodmer & Co., die vorliegende Vase gefertigt (Bodmer-Huber/Messerli-Bolliger 1986, Taf. 19, 54; 21,5; 25,65; 47,112). Es handelt sich um das einzige Stück dieser Art, das in Graubünden erfasst werden konnte. Insgesamt scheinen die Produkte der Kunstgewerbeabteilung dieser Zürcherischen Keramikfabrik nur sehr selten erhalten geblieben zu sein.

Eine schöne Jugenstilvase mit weissen Flamingoblüten trägt leider keine Herstellermarke und es ist unbekannt, wie sie ins Museum kam. Möglicherweise wurde diese bunt bemalte “Majolikavase” in Böhmen, im ehemaligen Österreich-Ungarn, hergestellt.

Bei der Fayence sind französische, italienische und schweizerische Provenienzen zu unterscheiden.

Ein schöner Teller aus Rambervillers stammt angeblich aus Besitz von Bündner Zuckerbäckern, die im 19. Jahrhundert in St. Petersburg lebten und später wieder in die Heimat zurückwanderten. Er wurde zwischen 1820 und 1840 gefertigt.

 

Die norditalienischen Fayencen (Piemont, Lombardei) des späten 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entsprechen dem, was man in Graubünden erwarten kann. Wie schon in den übrigen Museen, dominieren die farbig bemalten tiefen Schüsseln.

Daneben gibt es aber, wie im Museum Engiadinais in St. Moritz auch, einen flachen Teller und einen Boccalino.

Das Spektrum biedermeierlicher Fayencen aus Kilchberg-Schooren ZH ist variantenreich vorhanden. Es belegt das grosse Absatzgebiet der Manufakturen vom Zürichsee zumindest im 19. Jahrhundert.

Die beliebten Spruchteller sind mit vielfältigen Variationen vorhanden.

Ungewöhnlich sind zwei Teller mit Schuppenrand, bei denen manganviolett auf eine blassgrüne Fayenceglasur gemalt wurde.

Steingut ist mit verschiedenen Herstellern vorhanden. Mindestens drei Stücke des 19. Jahrhunderts stammen aus schweizerischer Produktion, aus Nyon (Manufaktur Robillard & Cie, Manufacture de poteries fines de Nyon S. A.) und aus der Manufaktur von Johannes Scheller in Kilchberg-Schooren.

Beim Geschirr mit oder ohne Umdruckdekor dominieren jedoch die Produkte aus dem württembergischen Schramberg.

Es gibt auch zahlreiche bemalte Spruchteller. Im Gegensatz zu den Produkten aus Kilchberg-Schooren oder Zell am Harmersbach sind die Schramberger Produkte sehr regelmässig gemarkt und damit gut identifizierbar.

 

Steingut aus Zell am Harmersbach kann wegen fehlender Marken oft nur unsicher zugewiesen werden. Diese Art der Blumenmalerei in Kombination mit schablonierten Sprüchen, findet sich auch in Kilchberg-Schooren und Schramberg.

Weitere Steingutobjekte sind wohl etwas jünger (spätes 19. / frühes 20. Jahrhundert) und wurden in grossen Keramikfabriken in Deutschland und in Frankreich gefertigt.

Überraschenderweise fand sich auch in Davos ein Milchkännchen des späten 19. Jahrhunderts aus der Manufaktur von Johann Muck in Znaim-Leska in Mähren (heute Znojmo, Tschechien).

Porzellan war im 18. und frühen 19. Jahrhundert zunächst sehr teuer und gelangte daher nur in reiche Haushalte der bürgerlichen Oberschichten der Schweiz. Es wäre daher eine sehr spannende Frage gewesen, aus welchem Haushalt in Davos drei identische Koppchen und Untertassen aus der italienischen Porzellanmanufaktur von Baccin-Antonibon in Nove (um 1770-1780) ursprünglich stammen. Leider gibt das Inventar dazu keine Auskunft.

Beim Porzellan gibt es verschiedene Servicereste. Hierzu gehört unter anderem ein sehr typisches aus der Zeit um 1900 von der Firma Bauer, Rosenthal & Co. aus Kronach in Bayern.

Ausserdem gibt es ein grösseres Service aus der Produktion von Langenthal BE. Es besteht aus Stücken, die nach den rückseitigen Stempelmarken zwischen 1927 und 1931 gefertigt und dann einheitlich dekoriert wurden.

Vor der Gründung der Langenthaler Porzellanfabrik wurde preiswertes Porzellangeschirr in Graubünden meist aus dem Deutschen Kaiserreich, aus Schlesien, eigeführt, wobei die Firmen von Carl Tielsch in Altwasser und Krister-Porzellan in Waldenburg dominieren.

Verschiedene Porzellangegenständen gehören in den Kontext ausgewanderter bündner Zuckerbäcker. 1873 erhielt der Konditor Johann Valär aus Davos anlässlich seiner Silberhochzeit eine Kaffeeservice als Ehrengeschenk der Zuckerbäcker-Innung der Stadt Leipzig. Das von Valär in Leipzig gegründete «Cafe Helvetia» existierte bis 1964.

Aus Besitz des Bündner Kochs Georg Accola (1817-1905), der eine Zeit lang in St. Petersburg arbeitete und bei seiner Rückkehr seine Angehörigen mit Porzellan beschenkte, stammen zwei Tassen, die wahrscheinlich in Russland gefertigt wurden.

Aus dem Besitz von Bündner Zuckerbäckern, die im 19. Jahrhundert in St. Petersburg lebten und später wieder in die Heimat zurückwanderten, stammen weitere Porzellane, die einerseits in Russland und andererseits in Frankreich gefertigt wurden.

Die Sammlung von Lilly Hohl-Frei aus Davos umfasst drei unterschiedliche Themen: Kaffeetassen der Zeit um 1900 mit Sprüchen und Wünschen, Kaffeebecher desselben Zeithorizontes und Nachtöpfe bzw. Waschgeschirrsets aus der Zeit zwischen etwa 1875 und 1930. Der Sammlungsumfang ist viel zu gross, als dass er hier adäquat vorgestellt werden könnte. Stellvertretend seien einige Beispiele präsentiert.

Die meisten Kaffeebecher sind ungemarkt. Nur zwei Exemplare lassen sich eindeutig Karl Tielsch in Altwasser bzw. der Porzellanfabrik im hessischen Wächtersbach zuordnen. Wir müssen wohl davon ausgehen, dass zahlreiche Firmen solche Becher auch als Weissware fertigten, die dann erst im jeweiligen Absatzland dekoriert wurden. Villeroy & Boch verzeichnet solche Becher unter Nr. 64 und 65 in seiner Preisliste von 1901 für Schramberg. Es gab sie “weiss, einfach bemalt, bedruckt, mit Farbfilet, Farbband, Goldfilet und Golddevise”. letztere waren die teuersten Becher.

In der Nachttopf- und Waschgeschirr-Sammlung sind nur wenige schweizerische Produkte enthalten, u.a. aus der Ziegler’schen Tonwarenfabrik in Schaffhausen und aus der Steingutfabrik Niederweiler AG in Möhlin (bei Rheinfelden) im Kanton Aargau.

Hervorzuheben ist ein Waschgeschirrset der Firma Degrange & Cie bzw. Clément Coppier & Cie in Carouge aus der Zeit um 1904. Unklar bleibt, warum ein Muster mit Pflanzen und Vögeln den Musternamen “Eiger” erhält.

Waschgeschirrsets aus Deutschland, Frankreich, Italien und den USA. Wer es sich um 1900 leisten konnte, kaufte ein einheitlich gestaltetes und dekoriertes Set aus Nachttopf, Waschbecken, Waschkanne, Zahnbürstendose und Seifendose.

Dank

Für die gastfreundliche Aufnahme sowie die herzliche und interessierte Begleitung der Keramikdokumentation bin ich Marianne und Peter Dalbert zu grossem Dank verpflichtet.

Bibliographie: 

Bergamin 2013
Klaus Bergamin, Davos von 1860-1950. Zeit des Krankseins-Zeit des Gesundens, Davos 2013.

Bodmer-Huber/Messerli-Bolliger 1986
Ernst Bodmer-Huber/Barbara E. Messerli-Bolliger, Die Tonwarenfabrik Bodmer in Zürich-Wiedikon Geschichte, Produktion, Firmeninhaber, Entwerfer, in: Keramikfreunde der Schweiz, Mitteilungsblatt, 101. Jahrgang, 1986, 1-60.

Bühler 1985
Roman Bühler, Schweizer im Zarenreich : zur Geschichte der Auswanderung nach Russland (Beiträge zur Geschichte der Russlandschweizer 1), Zürich 1985.

Fümm 1912
Simon Fümm, Über das Erwerbsleben in Davos in früherer Zeit. Mit besonderer Berücksichtigung der Töpferei, in: Jahresbericht der gewerblichen Fortbildungsschule Davos, 1912, 27-35.

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.

Hess 2021
Daniel Hess, Europa auf Kur. Ernst Ludwig Kirchner, Thomas Mann und der Mythos Davos : Begleitband zur Ausstellung im Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg und im Kirchner Museum Davos.  Nürnberg 2021.

Kaiser 1988
Dolf Kaiser, Bündner Zuckerbäcker in der Fremde und ihre Alterssitze in der Heimat. Ein umfassender Ueberblick mit Bildern, Karten und Dokumenten aus drei Jahrhunderten : [Ausstellung, Chesa Planta Zuoz, 28. Juli – 18. August 1988], Zuoz 1988.

Kaiser 2015
Thomas Kaiser, Von der Lust und der Last des Sammelns, in: Davoser Revue 90, 2015, Heft 3, 30-33.

Michael-Caflisch 2014
Peter Michael-Caflisch, Die vorzüglichsten Zuckerbäcker auf der ganzen Erde kommen aus Graubünden, in: Schweizerische Gesellschaft für Familienforschung (SGFF), Jahrbuch, 2014, 233-299.

Pfister 1982
Max Pfister, Grosses Jenatschhaus in Davos – Heimatmuseum der Landschaft Davos (Schweizerische Kunstführer 310), Bern 1982.

Schmutz 2003
Christine Schmutz, Liebe und Leidenschaft um ein Tabu, in: Davoser Revue 78, 2003, Heft 2, 31-39.

 

 

Disentis, Klostermuseum (KMDis)

Benediktinerkloster Disentis
Klostermuseum
Via Claustra 1
7180 Disentis/Mustér
Tel.: 081 929 69 00
E-Mail: museum@kloster-disentis.ch

Keramiksammlung des KMDis in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2020

Das Kloster Disentis konnte im Jahr 2014 sein 1400-Jahr-Jubiläum feiern, eine ungebrochene Tradition benediktinischen Klosterlebens in der Schweiz (zur Klostergeschichte vgl. Kloster Disentis 2014 und Müller 1942-1971; Kurzfassung siehe HLS). Die lange Tradition macht das Kloster zu einem Ort der Religionsgeschichte, der Baugeschichte und der Regionalgeschichte. Das Kloster und die umliegenden Dörfer des Tujetsch (deutsch: Tavetsch), der Talschaft zwischen Oberalppass und Lukmanier, sind konfessionell, historisch und kulturell eng aufeinander bezogen. All dies schlägt sich auch in den materiellen Hinterlassenschaften, die die Klostersammlung in sich vereinigt, nieder, auch wenn hier der Brand von Dorf und Kloster Disentis im Jahr 1799 vieles unwiederbringlich zerstört hat (Curti 1917). Die bedeutendsten archäologischen Ausgrabungsfunde (Karolingerzeit) und wichtige Objekte aus der Kloster- und Ordensgeschichte zeigt die 1992 eröffnete Dauerausstellung im Klostermuseum (hierzu: Theiler 2016).

Klostermuseum Disentis: Spätgotische Figur der “Anna selbdritt” aus der Kapelle St. Gall am Lukmanierpass.

Zu sehen sind sakrale Objekte, Textilien, Objekte der religiösen Volkskunde, Ikonen, Hinterglasmalereien und eine naturgeschichtliche Abteilung, die der Geologie, der Flora und der Fauna gewidmet ist.

Pater Notker Curti O.S.B. (1880-1948).

Die Sammlung speist sich aus unterschiedlichen Quellen. Hervorzuheben ist dabei die Sammlungstätigkeit von Pater Notker Curti (1880-1948), der 1903 ins Kloster eintrat, 1906 die Priesterweihe erhielt und nach einem Studium in Freiburg i.Br. ab 1909 als Lehrer an der Klosterschule Disentis wirkte (zahlreiche Nachrufe, siehe z.B.: Müller 1948; Vasella 1948; vgl. auch HLS). Er begründete als Kustos seit 1915 die eigentlichen kulturhistorischen Sammlungen des Klosters, indem er, wie ein Mitbruder schilderte „…auf die Dachböden der Häuser und Sakristeien stieg, um alte Textilien und ehrwürdige Statuen des Bündnerlandes zu sammeln, nicht ohne jeweils über seine kunst- und kulturgeschichtlichen Funde in Fachzeitschriften entsprechende Abhandlungen zu veröffentlichen“ (Schriftenverzeichnis Henggeler 1955, 101–104).

In der Sammlung des Klostermuseums Disentis konnten insgesamt 312 Datensätze mit Keramik erfasst werden. Dabei handelt es sich um 118 Datensätze für Objekte aus Irdenware, 16 aus Fayence, 129 aus Steingut, 7 aus Steinzeug und 42 aus Porzellan.

Tonfigur der Einsiedler Madonna, rückseitig mit dem Klosterwappen von Einsiedeln und der seitlichen Datierung 1697.

Die Masse der Objekte ist jünger als 1800 bzw. 1900, nur sehr wenige Stücke lassen sich eindeutig in das späte 17. Jh. (KMDis K191) oder das frühe 18. Jahrhundert einordnen (1715 – KMDis 1996-247M; 1730-1750, KMDis R96; 1740-1750, KMDis U094). Keramische Objekte, die das Klosterleben vor 1800 illustrieren könnten, scheinen vollständig zu fehlen, wobei unklar bleibt, ob dies am Schadensfeuer von 1799 liegt oder das Kloster vorher im Alltag nur wenig Keramik verwendete.

Pater Notker hatte bereits sehr früh die Idee eines Klostermuseums, dessen erste Räumlichkeiten er 1923 beziehen konnte. 1935 beschreibt er in seinem Buch zur Disentiser Klostersammlung seine Vorstellungen folgendermassen (Curti 1935):

„Während früher künstlerische und kunsthistorische Sachen sozusagen ausschliesslich von grossen Museen, denen reiche öffentliche Mittel zur Verfügung standen, oder von ganz reichen Liebhabern erstanden wurden, tauchte schon vor vielen Jahren die Idee auf, solche Gegenstände hätten nur den vollen Wert an der Stelle, für die sie geschaffen, für die Gegend, in der sie entstanden. Diesen Gedanken sollen die Heimatmuseen verwirklichen und das künstlerische und kulturelle Leben einer Talschaft in typischen Stücken zur Anschauung bringen. Einen ähnlichen Zweck verfolgt auch das Museum im Kloster Disentis. Es will, in nicht gar zu engem Rahmen und mit naheliegenden Vergleichsobjekten, die Entwicklung der Kunst in Graubünden, besonders im Vorderrheintal, veranschaulichen und ein Bild geben von der Kultur, die in der Surselva gewachsen ist.“

Keramik der Hafnerei Deragisch aus Bugnei GR.

Es verwundert daher kaum, dass Pater Notker die materielle Kultur zu vielen Lebensbereichen der Surselva zusammentrug und neben einer religiösen Sammlung eine beachtliche volkskundliche Sammlung anlegte, die auch, und das ist ein besonderer Glücksfall, die Produkte der Hafner Deragisch von Bugnei umfasste. In seinem handschriftlichen Inventar finden sich Hinweise auf Keramik aus Bugnei vor allem in den Jahren 1920 (zahlreiche Objekte gesammelt in der ganzen Landschaft Tujetsch/Tavetsch) und 1947 (zahlreiche Objekte explizit aus Bugnei). 1920 veröffentlichte er dann auch die bis heute wichtigsten historischen Informationen zur Hafnerei (Curti 1920). Heute verwahrt das Klostermuseum 55 Objekte, die nach Ausscheidung anderer Herstellungsregionen oder -orte (Berneck SG, Kilchberg-Schooren ZH oder allgemein Graubünden) als Keramik aus Bugnei angesprochen werden können. Die Sammlung war jedoch ursprünglich grösser, denn Pater Notker verkaufte 1920 und 1921 allein 18 Dubletten der Sammlung an das Rätische Museum in Chur.

In der Sammlung des Klostermuseums sind nahezu alle bekannten Gefässformen der Töpferei in Bugnei mit einem Beleg-Exemplar vertreten. Im Bugnei-Bestand ist auf ein paar Besonderheiten oder „Probleme“ hinzuweisen.

Da ist zum einen die Frage, ob in Bugnei überhaupt jemand jemals aktiv eine Brennkapsel für Teller im Produktionsprozess verwendet hat (KMDis U143a). War das vielleicht ein im Hafnerhaus verbliebenes Erinnerungsstück an die Ausbildung in Wangen i.A. oder in Flüelen?

Auch ein 1835 datierter Teller (KMDis U148) ist nicht ganz unproblematisch, da die Form später nicht mehr auftaucht. Haben wir hier wirklich ein Produkt vor uns, das Sep Anthoni Deragisch 1 Jahr nach Ende seiner Gesellenzeit und vielleicht in seinem ersten Produktionsjahr in Bugnei fertigte?

Und welche Funktion hatte der grosse Trichter, den Pater Notker 1947 ausdrücklich als aus Bugnei stammend inventarisierte (KMDis 1999-343)? Handelt es sich wirklich um einen „keramischen Abtritt-Trichter“?

 

Besonders erfreulich ist die Existenz eines signierten, keramischen Models für die Herstellung von Weihwasserbecken (KMDis 1999-345) und das Vorkommen zahlreicher glasierter und unglasierter Blumentöpfe sowie zweier Fässchen, wohl für Schnaps oder Wein.

Zu den besonderen Religiosa aus Bugnei gehören kleine Kruzifixe (KMDis U109b) und keramische Weihwasserbecken (KMDis 1996-298, KMDis 1996-299).

Aufgrund eines neuerdings in Privatbesitz aufgefundenen Vergleichsstücks, kann die Funktion eines halbrunden Kästchens mit Blumenschmuck hinter einer Glasscheibe korrekt bestimmt werden (KMDis U121). Es handelt sich um eine Art Bilderrahmen von Sep Anthoni d.J. aus den 1880er-Jahren, in dem man den aus Papier-, Seide- und Draht bestehenden Brautschmuck aufbewahren und an einem geeigneten Ort (in der Stube?) zur Erinnerung aufhängen konnte. Dies ist eine der wenigen Formen, die wir Sep Anthoni d.J. eindeutig zuschreiben können, denn ansonsten lassen sich Vater und Sohn anhand der Produkte derzeit nicht unterscheiden.

Zahlreiche andere Keramiken stammen aus Haushalten der weiteren Region rund um Disentis oder aber aus dem Kloster. Das lässt sich leider aufgrund fehlender Informationen im ersten Museumsinventar nicht immer sicher festlegen. Es handelt sich durchweg um Importe nach Graubünden. Unter den Irdenwaren finden sich dabei Formen und Dekore, wie es sie ähnlich schon im Rätischen Museum oder in Ilanz im Museum regiunal gab.

Töpfe aus dem süddeutschen Raum.

Neben Stücken wohl aus der Region Berneck SG (z.B. KMDis 1989-35, KMDis 1999-23) finden sich wenige Töpfe aus dem süddeutschen Raum (z.B. KMDis 2006-89, KMDis U134) oder aus Graubünden im weitesten Sinne (KMDis U125, KMDis ohneInv2, KMDis 1999-354).

Hervorzuheben ist eine aus dem Kanton Jura (Region Porrentruy/Bonfol) importierte Dreibeinpfanne aus hitzebeständiger Kochkeramik (KMDis U113). Als besondere Funktionsform ist auf einen „Bienenfütterer“ unbekannten Produktionsortes zu verweisen (KMDis 1999-352).

Das zahlreiche Vorkommen für das späte 19. Jahrhundert zeittypischer manganglasierter, dunkelbrauner Kaffee- und Teekannen sowie Guglhupfformen, erstaunt nicht (z.B. KMDis 1999-14, KMDis 2006-86, KMDis U025). Wie üblich trägt keines dieser Stücke eine Herstellermarke.

Bei der Fayence begegnen uns die für Graubünden üblichen Gruppen: Italien (Salznäpfchen und Teller: KMDis U072, KMDis U099) und Kilchberg-Schooren (z.B. KMDis U036, KMDis U040, KMDis U041). Auch Boccalini unbekannten Produktionsortes (KMDis U049-U050), wie sie schon in Poschiavo vorkamen (KM-SMP 024), sind belegt.

Ein ungewöhnliches Einzelstück ist eine Nürnberger oder Ansbacher Fächerplatte, die aus Obersaxen stammt (freundlicher Hinweis Peter Vogt, München) und in die Zeit um 1740-1750 datiert (KMDis U094).

Unter dem überwiegend sehr einfachen Steinzeug (Humpen) sticht nur ein Krug aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts aus dem Westerwald etwas hervor (KMDis R96).

Das Spektrum des vorhandenen Porzellans ist nicht sehr spektakulär. Es wird von Vasen (Kirchenvasen, Altarvasen?) des 19. Jahrhunderts dominiert (z.B. KMDis_1999-18-1999-19, KMDis U152, KMDis U132, KMDis U043-U044). Aus dem Rahmen fallen zwei chinesische Exportporzellanteller des frühen 18. Jahrhunderts, die aus Truns stammen sollen (KMDis U100, KMDis U101).

Weisses oder cremefarbenes Steingut des 19. Jahrhunderts ist deutlich häufiger vorhanden, meist in Form von Tischgeschirr, das mit Umdruckdekor und seltener Pinseldekor dekoriert wurde. Sofern Marken vorhanden sind, handelt es sich meist um die drei grossen baden-württembergischen Hersteller, Hornberg, Schramberg (einmal mit Ortsansicht: KMDis U060c) und Zell am Harmersbach (z.B. KMDis U115, KMDis U123d, KMDis U120). Jedoch sind auch andere deutsche (KMDis 1999-27), französische (KMDis 2006-90), italienische (KMDis U112) und englische Hersteller (KMDis U149) vertreten. Es begegnen schweizerische, alpine, deutsch-romantische Landschaften, Jagdmotive, Vögel und Blumen und auch Napoleon darf nicht fehlen (KMDis U068).

Hervorzuheben ist eine schöne Zuckerdose aus Schramberg aus dem „Kaffee- und Teeservice, viereckige Form“ (KMDis U079), die auf der Bodenunterseite die Marke „Goldene Denkmünze“ trägt, die nach 1845 verwendet wurde.

Darüber hinaus gibt es ein grösseres Spektrum an «Hygiene-Keramik» (Waschkannen, Waschschüsseln, Nachttöpfe), die unmittelbar auf die Klosterbewohner der Zeit zwischen etwa 1880 und 1930/40 zurückgehen. Hier wurden durch das Projekt CERAMICA CH nur gemarkte und verzierte Stücke für das Klostermuseum nachinventarisiert und Dubletten ausgeschieden. Vertreten sind vor allem Produkte grösserer, auch international agierender Hersteller (Villeroy&Boch – KMDis 2020-39a, Utzschneider&Co. – KMDis 2020-31, Wächtersbach – KMDis 2020-54, Schramberger Majolikafabrik – KMDis 2020-24a, Annaburger Steingut – KMDis 2020-26a, Colditzer Steingutfabrik – KMDis 2020-29a). Dagegen sind Produkte aus der Schweiz (Möhlin bei Rheinfelden – KMDis 2020-47, Ziegler’sche Tonwarenfabrik Schaffhausen – KMDis 2020-48) oder Italien (Laveno – KMDis 2020-32) selten. Viele der Waschgarnituren tragen den typischen mit der Spritzpistole und Schablone aufgetragenen Dekor der 1920er- und 1930er-Jahre.

Für eine Klostersammlung nicht überraschend, ist die Vielzahl an Weihwasserbecken und sonstigen «Religiosa» und «Devotionalien». Zu diesen zählt vor allem auch eine sehr schöne Sammlung von Figuren/Statuetten des Einsiedler Gnadenbildes.

Gemeinhin als «Schabmadonnen» tituliert und mit religiöser Volksmedizin in Zusammenhang gebracht (Keck 1999; Lustenberger 2000; Rothkegel 2006) zeigt die Disentiser Sammlung auch sehr schöne Beispiele einer alternativen Verwendung in kleinen Hausaltärchen.

Bei den Weihwasserbecken gibt es zahlreiche ungemarkte Stücke, sodass die regionale Einordnung nicht leicht fällt. Die beiden ältesten Stücke stammen aus Italien (KMDis 1996-247, 1715, wohl Deruta; KMDis 1996-296, 18. Jahrhundert, wohl Pavia oder Lodi).

Jüngere Exemplare des 19. Jahrhunderts bestehen aus Steingut und stammen aus Hornberg, Schramberg oder Zell am Harmersbach (KMDis 2020-01, KMDis 2020-02, KMDis 2020-03). Ein weiteres Stück kann nach dem Motiv der Wallfahrtskirche Maria zu den Ketten in Zell am Harmersbach zugewiesen werden. Es wurde in Schramberg gefertigt (KMDis 2020-10).

Abschliessend ist auf einige wenige keramische Krippenfiguren hinzuweisen. Aus der Ältesten Volkstedter Porzellanfabrik, AG, vorm. Dressel, Kister & Co., Passau stammt die Figur eines der Heiligen Drei Könige, aus der Zeit um 1920-1940. Sie wurde dem Kloster von Prinzessin Hildegard von Bayern geschenkt (KMDis U103).

Zwei fast 40 cm hohe Königsfiguren sind wohl im späten 19. Jahrhundert in Südtirol entstanden und gelangten aus Einsiedeln nach Disentis (KMDis Z34a, KMDis Z34b).

Dank

Ich danke Abt Vigeli Monn  und dem Museumskustos Pater Theo Theiler für die aktive und interessierte Unterstützung der Inventarisationsarbeiten, die gastfreundliche Unterbringung im Gästehaus des Klosters und die Möglichkeit, für 14 Tage am Klosterleben ein wenig teilnehmen zu dürfen.

Bibliographie:

Curti 1917
Notker Curti, Die Kriegscontribution von Disentis 1799, in: Bündnerisches Monatsblatt, Zeitschrift für bündnerische Geschichte, Landes- und Volkskunde 1917, 284-289.

Curti 1920
Notker Curti, Eine Töpferei im Tavetsch, in: Bündnerisches Monatsblatt, Zeitschrift für bündnerische Geschichte, Landes- und Volkskunde 1920, 269-273.

Curti 1935
Notker Curti, Disentiser Klostersammlung. Disentis 1935.

Henggeler 1955
Rudolf Henggeler, Professbücher der Benediktinerabteien St. Martin in Disentis, St. Vinzenz in Beinwil und U.L. Frau von Mariastein, St. Leodegar und St. Mauritius im Hof zu Luzern, Allerheiligen in Schaffhausen, St. Georg zu Stein am Rhein, Sta. Maria zu Wagenhausen, Hl. Kreuz und St. Johannes Ev. zu Trub, St. Johann im Thurtal, Zug 1955.

Keck 1999
Gabriele Keck, Tonstatuetten vom Typ des Einsiedler Gnadenbildes, in: Bärbel Kerkhoff-Hader/Werner Endres (Hrsg.), Keramische Produktion zwischen Handwerk und Industrie, Alltag – Souvenir – Technik, Beiträge zum 31. Internationalen Hafnerei – Symposion des Arbeitskreises für Keramikforschung in Bamberg vom 28. September bis 4. Oktober 1998 (Bamberger Beiträge zur Volkskunde 7), Hildburghausen 1999, 315-324.

Kloster Disentis 2014
Benediktiner Kloster Disentis (Hrsg.), 1400 Jahre Stabilitas in Progressu. Disentis 2014.

Lustenberger 2000
Othmar Lustenberger, Bild und Abbild, Einsiedler Pilgerzeichen, Einsiedler (Gnaden)-Kapelle, Einsiedler Gnadenbilder. Ein Forschungbericht, in: Odo Lang, Sankt Meginrat. Festschrift zur zwölften Zentenarfeier seiner Geburt, Einsiedeln 2000, 257-295.

Müller 1942-1971
Iso Müller, Geschichte der Abtei Disentis von den Anfängen bis zur Gegenwart, Zürich, Einsiedeln, Köln 1942-1971.

Müller 1948
Iso Müller, Pater Dr. Notker Curti [Nachruf], in: Schweizer Volkskunde, 1948, Heft 5, 77-78.

Rothkegel 2006
Rüdiger Rothkegel, Mittelalterliche und neuzeitliche Tonstatuetten aus dem Kanton Zug, in: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 63, 2006, 141-198.

Theiler 2016
Theo Theiler, Raum um Raum, Ein Rundgang durch das Museum Kloster Disentis, in: Disentis 2016, Heft 1, 10-19.

Vasella 1948
O. Vasella, Lic. rer nat. Dr. phil. h.c. P. Notker Vurti O.S.B. (1880-1948), in: Zeischrift für schweizerische Kirchengeschichte 42, 1948, 350-352.

Grüsch, Heimatmuseum Prättigau (HMP)

Kulturhaus Rosengarten
Landstrasse 5
7214 Grüsch
Tel. +41 (0)81 325 16 82
museum@kulturhaus-rosengarten.ch
www.kulturhaus-rosengarten.ch

Keramik des HMP in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2021

Das Heimatmuseum Prättigau präsentiert seit 1980 im Kulturhaus Rosengarten Grüsch eine Dauerausstellung zur Talkultur und richtet regelmässig Sonderausstellungen zu Themen aus, die in Verbindung mit dem Tal stehen.  Das Museum arbeitet eng mit dem Kulturarchiv Prättigau zusammen, das ebenfalls im Kulturhaus Rosengarten untergebracht ist. Das Museum wird von einem Verein getragen. Das Prättigauer Heimatmuseum sammelt vor allem Objekte, die mit der Geschichte und Eigenart des Tales und seiner BewohnerInnen verknüpft sind.

Die Museumssammlung beinhaltet 72 Datensätze Keramik. Bei 37 Keramiken handelt es sich um die Sammlung von Peter Baumann aus Zürich, der in Davos-Monstein eine Ferienwohnung besass und mit Begeisterung Keramik aus Graubünden sammelte, die ihm von den lokalen Antiquitätenhändlern mehrheitlich als “Lötscher-Keramik” aus St. Antönien verkauft wurde. Heute wissen wir aufgrund einer umfassenden Aufarbeitung des Themas (Heege 2019), dass das nur in wenigen Fällen zutrifft. Die bündnerische Keramiklandschaft wird abgesehen von der Keramik aus St. Antönien von zahlreichen Importen ganz unterschiedlicher Herkunft geprägt. 1992 kaufte der Vorstand des Heimatmuseums Prättigau die Sammlung von Peter Baumann, die aufgrund des lokalen Ankaufs aus dem Antiquitätenhandel gleichwohl schlaglichtartig die Keramiklandschaft im Prättigau erhellt und damit eine erhebliche kulturhistorische Bedeutung hat.

Der Anteil der Irdenwaren an der Sammlung ist mit 49 Datensätzen besonders hoch.  Darunter befinden sich auch drei Objekte aus der Töpferei Lötscher in St. Antönien. Aus der Hand von Andrea Lötscher d. Ä. stammt ein Teller.

Aus Christian Lötschers Werkstatt liegen der Steckdeckel eines Farbtopfes und ein besonders schöner Aktenbeschwerer in Löwenform vor.

Die grösste Gruppe der Irdenware bilden die Keramiken aus Berneck SG, die auch ansonsten in Graubünden weit verbreitet sind. Es handelt sich um die typischen Formen: Henkeltöpfe (Milchtöpfe), Rösti-Platten (in Graubünden vielleicht eher Maluns-Schüsseln?) und Schüsseln.

  

Bei den Milchtöpfen und bei den Schüsseln begegnen auch Exemplare mit Farbkörper in der Grundengobe, wie sie für das ganze 19. Jh.  in der Deutschschweiz, in Liechtenstein und Vorarlberg typisch sind.

Sonstiges Tafel- oder Kaffeegeschirr aus Berneck ist selten vertreten.

Eher ungewöhnlich ist die Spardose in Form eines liegenden Widders.

Singulär sind ein Rasierbecken, das mit einem Spruch geziert ist und eine Wandvase, eine Form, die man sonst eigentlich aus Fayence kennt.

Spruch: “Dieser Mann ist Lobenswert, der seinen Bart selber scherd 1864”.

Manganglasiertes Geschirr, das in den übrigen Bündner Museen regelhaft mit grösseren Mengen vertreten ist, fehlt in der Museumssammlung weitgehend. Die wenigen vorhandenen Stapelschüsseln und eine Schüssel mit dekoriertem Rand sind alle ungemarkt, sodass für diese Ware der oder die Herstellungsorte in der Deutschschweiz unbekannt bleiben.

Zwei weitere Herkunftsregionen sind, wie sonst auch in Graubünden, ebenfalls vorhanden:

Hellscherbige, glasierte Keramik aus der Region Augsburg (19. Jh.) und Keramik mit auffälliger, meist gelber Glasur und charakteristischen Formen aus der Genferseeregion (spätes 19. und 20. Jh.).

Industriell gefertigte Irdenwaren der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind ebenfalls vorhanden. Es sind dies die typischen dickrandigen Kragenrandschüsseln, Teigschüsseln, Henkeltöpfe (auch mit Schablonen- oder Spritzdekor) und die Entrahmer der Landert-Keramik aus Embrach. Im Gegensatz zu diesen, sind die übrigen Stücke regelhaft ohne Marke.

Bei der Fayence gibt es nur drei Schüsseln, die aber für Graubünden absolut charakteristisch sind und sich dort zwischen dem 18. und späten 19. Jahrhundert auch archäologisch belegen lassen (Schiers, S-chanf). Sie dürften im späten 18. und frühen 19. Jh. in Norditalien gefertigt worden sein. Leider ist nicht wirklich klar, ob nur an einem oder mehreren Produktionsorten (u. a. Pavia und Lodi?).  Umfangreichere Sammlungen dieser Schüsseln besitzen das Rätische Museum und das Museum Engiadinais in St. Moritz (RMC H1972.803, H1974.41, H2016.553, ME-STM 0362, ME-STM 0364, ME-STM 0365, ME-STM 3363). Aber auch in verschiedenen Privatsammlungen in Graubünden sind diese auffälligen und schönen Schüsseln vorhanden.

Der Bestand an importiertem Steinzeug aus Deutschland bzw. dem französischen Elsass entspricht den Erwartungen. Neben einem üblichen Doppelhenkeltopf (Vorratstopf  für Schmalz oder Sauerkraut) befinden sich in der Sammlung unterschiedlich grosse, zylindrische Flaschen, die gerne mit auf Feld genommen wurden oder der Schnapslagerung dienten. Eine Flasche weist schon den modernen, kurz vor 1900 erfundenen Bügelverschluss mit Porzellanstopfen auf.

Erfreulich ist die Existenz von zwei typischen, vierfüssigen Essigfässchen aus dem 19. Jahrhundert. Sie belegen, dass der Absatz dieses für den schweizerischen und süddeutschen Keramikmarkt produzierten Keramiktyps auch bis ins Prättigau hineinreichte (vgl. bisher:  Heege 2013 und Heege 2016, 300-309). Solche Fässchen dienten der häuslichen Essigbereitung aus Weinresten oder aus Apfelsaft. Die Fässchen standen normalerweise auf dem Kachelofen und waren mit einem Korken verschlossen.

Aus dem Haus zum Rosengarten selbst stammt eine einzige Steinzeug-Heilwasserflasche des Brunnens von Niederselters (Marktführer und Hauptlieferant für die Schweiz). Sie stammt aus preussischer Zeit und wurde mit der Mineralwasserflaschenpresse teilmechanisiert hergestellt. Die Flaschenpresse wurde 1879 erfunden.

Steingut und Porzellan sind nur mit wenigen Stücken vorhanden. Hierbei handelt es sich wie so oft mehrheitlich um medizinische Keramik, Apothekenbedarf oder Hygienekeramik (Nachttöpfe, Seifen- und Bürstenschalen aus Saargemünd bzw. Wallerfangen).

Ungewöhnlich ist ein Urinal aus der Produktion von Villeroy & Boch in Schramberg (1883-1912).

Tafelgeschirr wird nur durch eine unverzierte Tasse aus dem deutschen Zell am Harmersbach repräsentiert.

Den touristischen Sektor deckt eine einzige, leider ungemarkte Souvenirtasse aus Porzellan ab. Sie trägt auf der Vorderseite die Ansicht der Kirche von Serneus.

Dank

Die CERAMICA-Stiftung dankt Hansluzi Kessler (Vereinsvorsitzender Heimatmuseum Prättigau), Schiers, und dem Stiftungspräsidenten des Kulturhauses Rosengarten, Hans Sprecher, herzlich für die freundliche und hilfsbereite Unterstützung der Inventarisationsarbeiten.

Bibliographie:

Heege 2013
Andreas Heege, Essigsäuli-Essigfässchen-baril à vinaigre-vinaigrier. Eine elsässische Keramik-Sonderform aus Steinzeug “Westerwälder Art”, in: Harald Siebenmorgen, Blick nach Westen. Keramik in Baden und im Elsass. . 45. Internationales Symposium Keramikforschung Badisches Landesmuseum Karlsruhe 24.8.-28.8.2012, Karlsruhe 2013, 99-105.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.

 

 

Ilanz, Museum Regiunal Surselva (MRS)

Museum Regiunal Surselva
Städtlistrasse 10
7130 Ilanz
0041 81 925 41 81
info@museumregiunal.ch

Keramiksammlung des MRS in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2020

Museumsgeschichte

Die Bestrebungen zur Einrichtung einer ethnographischen Museumssammlung in der Surselva reichen bis in das Jahr 1978 zurück. Am 4. April 1979 kam es zur offiziellen Gründung der Stiftung Museum Regiunal Surselva  (MRS). Die Stiftung wurde in einer Zeit ins Leben gerufen, als der Schutz des einheimischen Kulturgutes im Vordergrund stand. Die “Moderne” führte auch in der Surselva zu radikalen Veränderungen der Arbeitsweise und des Lebensstils. Unzählige Geräte, ja ganze Wohnungseinrichtungen hatten ausgedient und fanden den Weg auf Deponien oder in den Antiquitätenhandel. Ein lokales Komitee ergriff die Initiative und gründete die heute noch bestehende Stiftung mit der Zielsetzung:

“Bewahrung und Ausstellung von bedeutungsvollen Gegenständen und Einrichtungen von regionaler Bedeutung (Betriebsabläufe und Arbeitsprozesse) aus dem traditionellen bäuerlichen und handwerklich-gewerblichen Kulturbereich”.

Manganglasiertes Kaffeegeschirr aus der zweiten Hälfte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts, hergestellt in der Deutschschweiz, in Graubünden und der Surselva  weit verbreitet.

Diesem Grundsatz wurde nachgelebt und Objekte aus der Surselva Grischuna, gesammelt, wobei die rätoromanischen Siedlungsräume  genauso berücksichtigt wurden, wie die Siedlungen der Walser (Vals, Obersaxen, Valendas, Versam und Safien). Das heutige Sammelgebiet umfasst etwa 40 Ortschaften.  In der Altstadt von Ilanz konnte als Museum der älteste Sitz der Ilanzer Patrizierfamilie Schmid von Grüneck erworben werden. Das Museum wurde 1988 eröffnet. Heute verfügt es über eine reichhaltige Sammlung von Gegenständen  “regionaler Bedeutung” (Jenny 1989;  Maissen 1988;  Maissen 1990; Maissen 1993; Maissen 1998).

Eine der treibenden Kräfte für das Museum war der Lehrer und Volkskundler Alfons Maissen (1905-2003) aus Ilanz/Glion (Nachrufe Spescha 2004, Spescha 2005), der 1943 über “Werkzeuge und Arbeitsmethoden des Holzhandwerks in romanisch Bünden, die sachlichen Grundlagen einer Berufssprache” promoviert hatte. Der Titel seiner Dissertation lässt die Interessen Maissens deutlich werden: Sprache und Objekte, Wörter und Sachen. Später sollte sich dazu ein starkes Interesse am rätoromanischen Liedgut und rätoromanischer Literatur und Lokal- und Handwerksgeschichte gesellen.

In den Jahren 1994-2006 wurden die Sammlungshintergründe in der hausinternen Dokumentation recherchiert, abgelegt und erschlossen. Seit 2008 erfährt das Museum Regiunal mit einer neuen Strategie einen sanften Richtungswechsel. Dieser wird auch im Stiftungszweck nachvollzogen. Vom “Sammeln, Bewahren und Ausstellen” macht die Stiftung MRS den Schritt zum “Vermitteln”. Der neue Zweckartikel räumt zudem neu auch die Möglichkeit ein, Gegenstände aus dem 20./21. Jahrhundert (“Moderne”, “Industriezeitalter”) in die Sammlung zu integrieren.

Die Keramiksammlung des MRS

Graubünden ist in der Neuzeit ein Kanton mit sehr geringer eigener Keramikproduktion  und überwiegendem Keramikimport (dazu ausführlich Heege 2019).  Dies spiegelt sich auch in der Keramiksammlung, die  in CERAMICA CH 238 Datensätze umfasst. Das Museum stellt zudem eine relativ junge Gründung dar  und die Sammlungsschwerpunkte betrafen insgesamt eher andere Handwerke und Themen (vgl. Maissen 1998, bes. 110-111), was ebenfalls Auswirkungen hatte. So fehlen, vermutlich aufgrund des intensiven bündnerischen Antiquitätenhandels des späten 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts durchweg Keramiken, die vor 1800 zu datieren wären. Und auch Objekte aus der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts sind selten. Italienische, schweizerische, deutsche und französische Fayencen fehlen ebenso, wie qualitätsvollere deutsche Steinzeuge oder schweizerische und deutsche Porzellane, die sich mit bündnerischem Gebrauchsort z.B. im Rätischen Museum in Chur oder im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich finden.

Keramik aus der Region Berneck SG, zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Selbst die preiswerte Gebrauchskeramik aus einem  einfachen Haushalt, in diesem Fall eine Suppenschüssel,  wurde  auf jeden Fall geflickt, nachdem sie zu Bruch gegangen war.

Grundsätzlich mag sich in der Zusammensetzung der Sammlung des MRS jedoch auch die generelle Armut des überwiegenden Teils der Bauern und Handwerker der Region spiegeln, während der Reichtum der bedeutenderen Familien der Stadt Ilanz (z.B. die Grafer, Schönögli und Janig) und aus dem Bereich des Grauen Bundes (z.B. der Familie Capol von Flims/Laax) in der Keramik des Museums nicht sichtbar wird.

Aufwendig verzierte, aus Italien importierte Fayenceteller mit Wappen der Familen Capol bzw. von Salis, heute im Rätischen Museum in Chur.

Quellenkritisch ist anzumerken, dass etwa ein Drittel der im Museum aufbewahrten Keramiken aus nur einer Antiquitätenhandlung in Laax angekauft wurde, die Toja Isenring-Maissen gehörte (zur Person: Maissen 1979). Da grundlegende, materialbasierte Forschungen zur mittelalterlichen und neuzeitlichen Keramik in Graubünden bis in die jüngste Vergangenheit (Heege 2016; Heege 2019) fehlten, verwundert es nicht, dass ein grösserer Teil der in den 1980er-Jahren angekauften Objekte vom Handel falsch zugewiesen oder in seiner bündnerischen Herkunft nicht erkannt wurde. So gelangte eine grössere Serie manganglasierter, dunkelbrauner Keramiken aus der Deutschschweiz (z.B. aus Kilchberg-Schooren ZH, Aedermannsdorf SO oder Schaffhausen SH) in das Museum, weil man sie fälschlich als Produkte der Hafnerei Deragisch in Bugnei einstufte.

Manganglasiertes Geschirr aus der zweiten Hälfte des 19. und des frühen 20. Jahrhunderts, hergestellt in der Deutschschweiz.

Sie passen aber gleichwohl in die Sammlung, denn manganglasiertes Geschirr war in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts überall in Graubünden ein preiswerter und sehr beliebter Artikel bei Kaffee- und Tischgeschirr (Tee- und Kaffeekannen, Töpfe, Terrinen, Platten, Backmodel für Gugelhupf – rätoromanisch: butschella). Zahlreiche Töpfereien und Keramikfabriken in der Deutschschweiz stellten dieses Artikel her.

Keramik aus Vallauris, Südfrankreich (vorne) und aus Vallauris oder Albisola, Ligurien (hinten links) und aus Albisola (hinten rechts).

Unter den Irdenwaren befinden sich, wie im Museum in Bergün (MB 0597) bzw. Poschiavo (MPO 10495), auch “Fremdlinge”, vermutlich aus Italien aus der Region Albisola oder aus Vallauris in Südfrankreich (“SOCIÉTÉ INDUSTRIELLE VALLAURIS“). Wie die Töpfe nach Graubünden gelangten (Tourismus-Mitbringsel? Keramik italienischer Gastarbeiter?), ist leider nicht überliefert. Link auf die Produktion von Emanuele Barile in Albisola, um 1900.

Unverständlich bleibt dagegen der Verkauf dieser dreier Töpfe  (MRS 1988.330, MRS 1988.332, MRS 1988.342), einmal sogar mit dem ausdrücklichen Hinweis, es handele sich um Keramik der Hafnerei Lötscher in St. Antönien, obwohl immerhin einer der Töpfe erkennbar „SOCIÉTÉ INDUSTRIELLE VALLAURIS“ gemarkt ist (MRS 1988.332)!

“Ferienhauskeramik”,  mittel- und ostdeutscher Steinzeugtopf, ostdeutsche Mohnreibeschüssel.

Und auch langfristige, ausländische  Ferienhausmieter bzw. -besitzer tragen immer wieder zur Verfälschung des Gefässspektrums einer Kulturlandschaft bei, wenn sie Keramiken aus ihren Herkunftsregionen importieren, die später unerkannt in die Museumssammlungen gelangen. Dies ist z.B. bei zwei mittel- oder ostdeutschen Keramiken – einem typischen Steinzeugtopf und einer unschweizerischen Mohnreibeschüssel – der Fall (MRS 2016.8, MRS 2016.9).

Im Gesamtüberblick und im Vergleich mit der Sammlung des Rätischen Museums in Chur entspricht die Keramiksammlung des MRS jedoch sehr gut dem, was man aus der Zeit zwischen etwa 1850 und 1950 in Graubünden erwarten kann. Trotz aller Quellenkritik spiegelt sich in ihr also gleichwohl ein Stück realer Alltags- und Lebensgeschichte in der Surselva. Spezifische Eigenheiten des Sammlungsgebietes des Museums (z.B. Unterscheidung rätoromanische Gebiete, Walsergebiete oder Unterschiede zum übrigen deutschsprachigen Graubünden) lassen sich, sieht man von den wenigen echten Bugnei-Keramiken ab, dagegen jedoch nicht erkennen und sind meiner Meinung nach im 19. und 20. Jahrhundert auch nicht (mehr?) zu erwarten.

Färbetopf für Indigofärbung, hergestellt von Christian Lötscher  in St. Antönien zwischen 1843 und 1879.

Dass die Keramik der Hafnerei-Lötscher aus St. Antönien im Prättigau, abgesehen von einem Objekt aus dem Antiquitätenhandel, in der Sammlung nicht vertreten ist, stützt die üblichen Vorstellungen über Absatzgebiete handwerklich arbeitender Töpfereien (Radius von etwa 20/25 km). Umgekehrt kann man sich kaum vorstellen, dass das Absatzgebiet der Hafnerei Deragisch aus Bugnei wesentlich weiter als Ilanz gereicht haben könnte (Distanz 37 km).

Haushaltskeramik aus Berneck SG. Sie war in Graubünden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts weit verbreitet und sehr beliebt. Die Bernecker waren die grössen Konkurrenten der Töpfer aus St. Antönien.

Bei den Irdenwaren finden wir mit wenigen Abweichungen dieselben Gruppen wie im Rätischen Museum wieder. Graubünden ist wichtiger Absatzmarkt für die rheintalischen Töpfereien der Region Berneck SG, weshalb die üblichen Typen – Henkeltöpfe, Terrinen und Röstiplatten – vertreten sind.

Milchtöpfe, dekoriert mit Farbkörpern in der Grundengobe. Dieser Dekor war im 19. Jahrhundert in der gesamten Deutschschweiz und in Vorarlberg bzw. dem Fürstentum Liechtenstein sehr beliebt.

Hierzu gehört auch ein grösseres Spektrum an Milchtöpfen, die mit Farbkörpern in der Grundengobe verziert sind, was der Geschirroberfläche ihr charakteristisches violett-gesprenkeltes Aussehen verleiht.

Keramik aus der Region des Genfer Sees.

Auch Geschirr mit der typischen hellgelben Glasur und den charakteristischen zylindrischen Henkeltöpfen (Milchtöpfen) ist vertreten. Zur Zeit nehmen wir an, dass diese Keramik im frühen 20. Jahrhundert in der Region des Genfer Sees in der Westschweiz produziert wurde. Sie hat in Graubünden eine weite Verbreitung.

Keramik mit rosafarbener Grundengobe, Schablonen- oder Spritzpistoledekor und farbloser Glasur, der preiswerte Geschirrklassiker der 1930er- bis 1950er-Jahre in Graubünden.

Eine in Graubünden oft anzutreffende Geschirrgruppe datiert aufgrund stilistischer Erwägungen in die 1930er- bis 1950er-Jahre. Leider konnte bis heute kein gemarktes Stück aufgefunden werden, sodass zur Zeit unlar ist, wer der oder die Hersteller sind.

Kaffeekanne aus der Keramikfabrik in Aedermannsdorf SO. Die Armbrustmarke datiert das Stück zweifelsfrei in die 1930er- oder 1940er-Jare.

Auf die bedeutende Anzahl manganglasierten Geschirrs aus der Deutschschweiz wurde bereits hingewiesen. Diese Keramiken sind meistens ungemarkt, weshalb ein gestempeltes Stück aus Aedermannsdorf SO eine erfreuliche Ausnahme darstellt (MRS 1988.324).

Töpfe und Gugelhupfformen mit einer braunen Lehmglasur, sog. „Braungeschirr Bunzlauer Art“ ist ebenfalls in grösserer Zahl vertreten. Diese Ware, die in den Horizont spätes 19. und erste Hälfte 20. Jahrhundert gehört, wurde wohl via Eisenbahn aus Schlesien (heute Polen) auf die Märkte Graubündens gebracht. Die Glasur galt als „bleifrei“, weshalb die Ware auch als Gesundheitsgeschirr vermarktet wurde.

Süddeutscher Keramikimport nach Graubünden. Identische Gefässe finden sich z.B. auch im Fürstentum Liechtenstein.

Typisch sind für Graubünden im 19. Jahrhundert auch hellscherbige, meist nur gelblich, grünlich oder manganschwarz glasierte Keramikimporte aus dem bayerischen Raum, möglicherweise der Region Augsburg bzw. des Kröning (Heege 2016, 162–169). Hierbei handelt es sich meist um Henkeltöpfe (Milch- oder Vorratstöpfe) und um typische, im Querschnitt rechteckige Bräter mit oberrandständigen Henkeln.

   

Typische Topfformen, die in Graubünden in grösserer Anzahl vorkommen und im späteren 19. Jh. wohl innerhalb des Kantons gefertigt wurden. Allerdings ist der Herstellungsort unbekannt.

Einige wenige Topfformen, die man gerne bündnerischer Produktion zurechnen würde (Heege 2019, 408-412), ohne dass wir die Töpfereien benennen könnten, finden sich ebenfalls im Inventar. Es handelt sich überwiegend um grosse, innen glasierte Doppelhenkeltöpfe mit oder ohne Stülpdeckel (Schmalztöpfe oder Vorratstöpfe) oder um Färbetöpfe für die Indigofärbung. Von dieser funktionalen Topfform ist auch ein charakteristisches Exemplar des Töpfers Christian Lötscher von St. Antönien vorhanden (MRS 1988.347).

Keramik aus der Hafnerei Deragisch in Bugnei, typische Kaffeekanne und Honigtopf.

Auf die Keramik von Bugnei im Tavetsch wurde bereits hingewiesen. Vorhanden sind drei der sehr typischen Bügelkannen (Kaffeekannen mit Röhrenausguss). Hinzu kommt ein typischer Flachdeckel und ein Honigtopf mit breitem Ausguss (Heege 2016, 59-61), zu dem es passende Gegenstücke im Rätischen Museum gibt (RMC H1964.235, H1971.457, Blindmarke -Herstellermarke “Bugnei”).

Steingut aus Möhlin bei Rheinfelden und aus der Firma Utzschneider & Co. in Sarreguemines.

Das Spektrum an Steingut ist sehr variabel und wird von Kaffee-, Tisch- und Waschgeschirr dominiert. Es kommen beim Tischgeschirr die für die Schweiz üblichen französischen, deutschen und schweizerischen Manufakturen vor (Sarreguemines, Schramberg, Möhlin bei Rheinfelden), jedoch fehlen auch belgische und englische Produzenten nicht.

Waschgeschirr-Set aus der Steingutfabrik von Franz-Anton Mehlem in Bonn.

Beim Waschgeschirr und der Hygienekeramik (Nachttöpfe), dominieren dagegen die Produkte von Villeroy und Boch (Mettlach, Wallerfangen, Schramberg) oder Utzschneider & Co (Sarreguemines) neben solchen aus der Steingutfabrik von Franz-Anton Mehlem in Bonn.

Steinzeug-Vorratstöpfe “Westerwälder Art” aus dem deutschen Westerwald oder aus dem französischen Elsass. Wegen der Volumenangabe mit “L” (=Liter) wurden sie nach dem 1. Weltkrieg gefertigt.

Deutsches oder elsässisches Steinzeug ist vor allem durch die üblichen Doppelgrifftöpfe des späten 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts (Vorratstöpfe, Schmalztöpfe, Sauerkrauttöpfe) und Konserventöpfe sowie Apothekenabgabegefässe vertreten.

 

Porzellan-Service aus Deutschland (oben) und der Schweiz (unten, links Langenthal, rechts Sevelen).

Das Spektrum des Porzellans ist inhomogen und setzt sich sowohl aus Nippes in Schuhform (unbekannte Hersteller) als auch Kaffee- und Tischgeschirr (verschiedene Servicereste), Weihwasserbecken und Vasen zusammen. Einzelnen deutschen und tschechischen Herstellern stehen auch Produkte aus den Porzellanfabriken in Langenthal BE und Sevelen SG (mit dem Motiv des Obertors von Ilanz) gegenüber.

Hervorzuheben sind Anfertigungen für die Region, einmal mit einer Ortsansicht von Ilanz (MRS 1992.1) und einmal für das Berghotel „Villa Buenos Aires“ in Surcuolm unterhalb des Piz Mundaun (MRS 1994.86).

Dank

Ich danke der derzeitigen Museumsleiterin Ursina Jecklin und ihrem Team sehr herzlich für die gute Vorbereitung meines Aufenthalts und die unkomplizierte, freundliche  und interessierte Zusammenarbeit!

Bibliographie:

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.

Jenny 1989
Georg Jenny, Museum Regiunal Surselva, Ilanz, in: Terra Grischuna 48, 1989, 61-64.

Maissen 1943
Alfons Maissen, Werkzeuge und Arbeitsmethoden des Holzhandwerks in romanisch Bünden, die sachlichen Grundlagen einer Berufssprache (Romanica Helvetica), Winterthur 1943.

Maissen 1979
Alfons Maissen, Die Bündner Malerin Toja Isenring, in: Heimatwerk 44, 1979, 32-36.

Maissen 1988
Alfons Maissen, Museum Regiunal Surselva, Ilanz. Pflege des Althergebrachten, in: Schweizer Hotel Journal 18, 1988, 25-28.

Maissen 1990
Alfons Maissen, Das Museum Regiunal Surselva, Casa Carniec in Ilanz, in: Bündner Schulblatt 49, 1990, 67-73.

Maissen 1993
Alfons Maissen, Kleiner Begleiter durch das Museum Regional Surselva, Ohne Ort 1993.

Maissen 1998
Alfons Maissen, Casa Carniec Glion en survesta.  Museum Regiunal Surselva (MRS) = Casa Carniec Ilanz im Überblick / Regionalmuseum Surselva, Chur 1998.

Spescha 2004
Arnold Spescha, Prof. Dr. Alfons Maissen Glion/Cuera (1905-2003), in: Calender romontsch 145, 2004, 398-406.

Spescha 2005
Arnold  Spescha, Prof. Dr. Alfons Maissen (1905-2003), in: Bündner Jahrbuch N.F. 47, 2005, 148-152

 

Klosters, Museum Nutli Hüschi (NH-KL)

Museum Nutli Hüschi Klosters
Monbielerstrasse 11
Ch-7250 Klosters-Serneus
Tel. +41 (0)79 440 69 48
info@museum-klosters.ch

Film zum Nutli Hüschi Klosters

Keramik aus dem Nutli Hüschi in CERAMICA CH

Andreas Heege 2021

In die Zeit zwischen den beiden Weltkriegen fällt die Sammlungstätigkeit von Fritz Schoellhorn (1863–1933), dem Direktor der Haldengut-Brauerei in Winterthur (zur Person siehe Stichwort «Fritz Schoellhorn» im HLS. Ausserdem: Schoellhorn 1923 und Nekrologe Schoellhorn 1933).

Dieser war kulturhistorisch sehr interessiert und besass schon in den 1890er-Jahren eines der ersten Ferienhäuser in Klosters. Auf diesem Wege kam er mit der Kultur und den materiellen Hinterlassenschaften des Prättigaus in Kontakt. Er erwarb eines der ältesten Wohnhäuser des Ortes, das «Nutli-Hüsli» und bewahrte es vor der Zerstörung, indem er es sorgfältig abtragen und als Heimatmuseum in der Nähe wieder aufbauen liess. In einer 1925 von ihm selbst verfassten Informationsbroschüre zum Haus schrieb er: «…1889 wurde die Eisenbahn Landquart-Klosters und 1890 die Strecke Klosters-Davos dem Verkehr übergeben. Damit begann für das bisher abgelegene Tal eine neue Zeit! Zeugen der alten Zeit zu erhalten, war mein Ziel.»

Keramik der Hafnerei Lötscher aus St. Antönien.

Er stattete das Heimatmuseum zusätzlich mit Mobiliar, Keramik und Gerätschaften aus. Dabei erstaunt es nicht, dass auch Keramik der Hafnerei Lötscher aus St. Antönien, Kilchberg-Schoorener Fayencen, Bernecker Irdenwaren „Heimberger Art“ und vieles mehr in die Sammlung gelangte. Zumindest für einige Stücke kann belegt werden, dass Fritz Schoellhorn sie  zwischen 1918 und 1921 beim Churer Antiquitätenhändler Hablützel bzw. beim Antiquar Schwabe in Davos käuflich erwarb. Neun weitere Lötscher-Keramikobjekte gelangten erst 1954 als Schenkung des Sohnes Georg Schoellhorn (1891–1973) in den Besitz des Museums (Schoellhorn 1954). Wir gehen aber wohl nicht fehl in der Annahme, dass sie schon zu Lebzeiten von Fritz Schoellhorn, d. h. vor 1933, erworben wurden (Ich danke Andreas Schoellhorn, Winterthur, für Informationen über seinen Urgrossvater und Grossvater). Darunter befinden sich eine ganze Reihe wichtiger und singulärer Stücke, wie ein 1841 datierter Wandbrunnen von Andreas Lötscher, eine ungewöhnliche Schenkkanne mit keramischem Klappdeckel sowie mehrere Kaffee- und Teekannen  und einer von zwei bekannten Blumentöpfen.  Cordula Hitz-Walser verfasste 1997 einen kurzen Bericht über die Museumssammlung und die weitere Entwicklung des Museums (Hitz-Walser 1997). Heute wird das Museum von der Gemeinde getragen und von einem kleinen Museumsteam liebevoll betreut.

Die 15 Lötscher Geschirrkeramiken der Sammlung wurden wissenschaftlich umfänglich bearbeitet (Heege 2019). Der Rest der keramischen Museumssammlung wurde 2021 erfasst. Insgesamt konnten zusätzlich 149 Objekte dokumentiert werden. Dabei handelt es sich um 53 Gefässe aus Irdenware, 26 Stücke aus Fayence, 45 Steingutgefässe, 21 Töpfe aus Steinzeug und 4 Stücke aus Porzellan.

Bei den Irdenwaren hat sich von einem weiteren Bündner Hafner, dessen Namen wir nicht kennen,  aus der Zeit um 1800-1850 eine Kaffeekanne erhalten. Von derselben Hand hat sich eine weitere Kaffeekanne im Museum im Postchäller in St. Antönien gefunden (MPK-STA_100). Der Hafner stellte auch Kachelöfen her (Heege 2019, 425 Abb. 405,2).

Weitere, wohl in Graubünden hergestellte Keramiken lassen sich nur schwer ausmachen. Von Antiquar Schwabe in Davos wurde 1921 ein Wandbrunnen mit mehrfarbigem Unterglasur-Pinseldekor erworben, der im späten 18. Jahrhundert entstanden sein dürfte (Heege 2016, 123). Zu ihm gibt es verschiedene Parallelen in den Museen Graubündens (vgl. z. B. RMC H1970.192 ).

Und auch ein Tintengeschirr ist möglicherweise in einer Bündner Werkstatt gefertigt wurden. Aus formalen Gründen scheidet eine Herstellung durch die Hafner Lötscher allerdings aus. Die Hafner aus Bugnei fertigten zumindest in der Spätphase ihres Betriebes andere Tintengeschirre. Eine Werkstattzuweisung muss offen bleiben und selbst die Zuweisung an einen anderen Hersteller im Kanton Graubünden ist als hypothetisch zu betrachten.

Aus der Werkstatt der Hafner Deragisch in Bugnei stammen vier Objekte der Museumssammlung. Dazu gehört eine der typischen Bügelkannen sowie ein Kästchen, wie wir es vergleichbar schon aus dem Rätischen Museum und der Klostermuseum Disentis kennen (RMC H1971.454, RMC H1971.1165., KMDis U003). Auch zu dem grossen Handwaschbecken, dessen Datierung leider unlesbar ist, gibt es Parallelen (RMC H1971.455;  KMDis U029). Singulär ist bislang ein vasenartiges Objekt, das jedoch aufgrund der tordierten Leiste sicher zugeordnet werden kann.

Ansonsten finden sich in der Sammlung nur wenige der charakteristischen Irdenwaren “Heimberger Art” aus Berneck SG. Die Terrinen und Tassen sind typisch, formal aber kaum von den Heimberger Originalen aus dem Kanton Bern zu unterscheiden.

Eines der seltenen, inschriftlich datierten Stücke aus der Produktion von Berneck ist die 1854 datierte Kaffeekanne für Kristina Dicht. Dicht ist ein Familienname, der um 1800 nur in Klosters und Davos vorkommt.

Zu den in Museumssammlungen generell seltenen, aber für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts typischen Museumsobjekten, gehört eine bunt bemalte Blumenampel/Hängevase (vgl. zur Form MBS 1912.169, MBS 1912.239, HMO 8777, HMO 8778, HMO 8027), die in der Deutschschweiz gefertigt worden sein dürfte.

Zwei Röstiplatten sind so qualitätvoll gemalt und geritzt, dass man sie für bernische Originale halten möchte.

Alle weiteren Irdenwaren gehören zu den für Graubünden typischen Importdestinationen. Hierzu gehört eine Bräter aus der Region Porrentruy/Bonfol JU.

Aber natürlich findet sich auch die typische Keramik aus dem süddeutschen Raum, manganglasiertes Geschirr wohl aus der Deutschschweiz, marmorierte Ware aus der Region des Genfersees bzw. Savoyens und lehmglasiertes Braungeschirr aus dem deutschen Kaiserreich.

Für eine Reihe von Objekten bleibt die Herkunftszuschreibung problematisch. Bei der grünen Röhrenkanne möchte man am ehesten an die Ostschweiz denken.

Der Tabaktopf mit Löwengriff wirkt eher unschweizerisch, was aber daran liegt, dass wir keine exakte Parallele kennen. Hat in diesem Fall ein süddeutscher Geselle in einer schweizerischen Werkstatt gearbeitet? Der umlaufende Spruch lautet: «Toback und ein munters Weib, ist das schönste Zeitvert(reib)». Der Deckel trägt die Umschrift: «Ich habe dier ja erst gefallen unter diesen Mädchen allen: Daniel Graf in der Girba».

Auch für das kleine, 1797 datierte Schreibgeschirr gibt es keine Parallelen, an denen sich ein Herstellungsort festmachen liesse.

Die Henkelflasche mit ihrem dunkelbraunen Spritzdekor, ist in der Schweiz ein “Fremdling”. Sie dürfte ursprünglich aus dem bayerischen Kröning stammen (Vgl. Grasmann 2010, 244-246; Endres 1996, Abb. 39, Farbtaf. I und III; Bauer 1976, 95-100). Nur zu gern würde man wissen, ob es sich um ein vom Antiquitätenhandel verschobenes Stück oder um einen in Graubünden benutzten Gebrauchsgegenstand handelt.

Bleibt abschliessend für das Kapitel Irdenwaren noch zu erwähnen, dass das Museum in späterer Zeit auch weitere Keramiken geschenkt erhielt unter denen sich z.B. Keramik aus Embrach ZH (Landert-Keramik) und Kradolf-Schönenberg TG (Töpferei Otto Dünner AG) befand. Beide Firmen sind auch in anderen Museen Graubündens vertreten.

Die vorhandenen Fayencen lassen sich in drei Herkunftsregionen aufteilen: Deutschland, Italien und Schweiz.

Aus der Produktion von Durlach stammt ein schöner, grosser Teller mit fassoniertem Rand. Er wurde um 1755-1760 gefertigt.

Dank der fachlichen Unterstützung durch Roland Blaettler und Jean Rosen kann ein weiterer Teller der Manufaktur von Pasquale Rubati in Mailand, um 1760-1780, zugeordnet werden.

Wesentlich mehr Objekte gehören zu einem in ganz Graubünden verbreiteten Schüsseltyp für Salat oder Gemüse, der im Piemont oder in der Lombardei in der zweiten Hälfte des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gefertigt worden sein dürfte.

Noch häufiger sind in der Museumssammlung aber die Fayencen der ersten Hälfte und Mitte des 19. Jahrhunderts aus der Region Kilchberg-Schooren ZH. Dazu gehören eine Terrine der Manufaktur von Johannes Scheller, Ohrenschalen und die typischen, spruchverzierten Teller mit Schuppenrand.

Auch in der Museumssammlung in Klosters zeigt sich sehr deutlich der Wettbewerb zwischen den süddeutschen und schweizerischen Steingutproduzenten im zweiten Drittel des 19. Jahrhunderts. Es dominiert das Steingut aus Schramberg in Württemberg.

Neben eindeutig gemarktem Steingut aus Kilchberg-Schooren (nach 1846) gibt es zahlreiche weitere Stücke, die man nur aufgrund stilistischer Überlegungen oder aufgrund eindeutiger Umdruckmotive der Produktion vom Zürichsee zuweisen möchte.

Ganz ungewöhnlich ist das Vorkommen eines Topfes für Gänseleberpastete (Foie gras), der wohl in Frankreich (Sarreguemines) im frühen 20. Jahrhundert hergestellt worden sein dürfte.  Er trägt unterseitig die Stempelmarke «TERRINE BREVETEE S.G.D.G. SIMPLEX MODELE DEPOSEE 91».

Bei den Keramiken aus dem letzten Drittel des 19. Jahrhunderts und des frühen 20. Jahrhunderts ändert sich sowohl das Gefässformenspektrum (Dominanz der Waschgeschirr-Sets und Nachttöpfe) als auch die Zusammensetzung der Lieferanten. Neben den wenigen Produzenten der Schweiz, wie z.B.  Möhlin, finden sich vor allem die grossen, weltweit tätigen Unternehmen aus Deutschland, Frankreich und den Niederlanden (Villeroy & Boch, Utzschneider & Cie und Société céramique, Maastricht)

Unter den Museumsobjekten befand sich erstmals auch ein Waschgeschirrset eines bislang unbekannten Keramikproduzenten, der Gebrüder Bauscher Luzern. Eine Recherche im Schweizerischen Handelsamtsblatt ergab folgenden Sachverhalt: Laut SHAB 28, 1910, No, 53, gründeten die Gebrüder August und Konrad Bauscher eine Kollektivgesellschaft mit Sitz in Luzern, behufs Vertrieb der Fabrikate der Porzellanfabrik Weiden, Gebrüder Bauscher G.m.b.H.. Einzelprokura für Walter Bosshardt, Natur des Geschäftes: Hoteleinrichtungen.  Aufgrund von Zeitungsanzeigen bestand eine Filiale aber offenbar bereits seit mindestens 1907. SHAB 35, 1917, Nr. 68, 17. 3.1917: Verlegung des Geschäftslokals in die Industriestrasse 17.  SHAB 37, 1919, Nr. 48, 21. Februar 1919: Firma wegen Ableben beider Gesellschafter aufgelöst. Übergang der Aktiven und Passiven auf die Firma Bosshardt & Co in Luzern.

Das Steinzeug-Ensemble aus dem Nutli-Hüschi umfasst die üblichen Gefässformen: Schenkkannen und Doppelhenkeltöpfe unterschiedlicher Grösse.

 

Daneben gibt es jedoch ein paar Besonderheiten, u.a. einen Kugelbauchkrug aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts und ein Essigfässchen ohne Füsse.

Eine besondere Überraschung ist der gemarkte Vorratstopf aus grauem Steinzeug mit kobaltblauer Bemalung, der Landert-Keramik in Embrach ZH. Da die Markeneintragung am 8. Juli 1943 erfolgte (SHAB), dürfte der Topf in der späten Kriegs- oder baldigen Nachkriegszeit gefertigt worden sein und ist ein Beleg für sie sonst in der Schweiz eigentlich unübliche Steinzeugproduktion. Woher Landerts den passenden Ton bezogen, ist unbekannt.

Porzellan ist in der Sammlung in Klosters nur mit wenigen, aber zeittypischen Stücken vertreten. Hierzu gehört eine von Killias & Hemmi in Chur bzw. Davos mit Aufglasur-Druckdekor verzierte Platte, eine typische Tasse mit Rosendekor aus Schlesien und eine Geschenktasse “Dem guten Kinde”, die wohl ebenfalls im Deutschen Reich hergestellt worden sein dürfte.

Dank

Wir danken den Mitarbeiterinnen des Museums Nutli Hüschi, allen voran Barbara Gujan-Dönier, sehr herzlich für die langjährige und überaus hilfreiche und erfreuliche Zusammenarbeit.  Es waren stets angenehme und erfreuliche Stunden in einem der schönsten Lokalmuseen Graubündens.

 

Bibliographie:

Bauer 1976
Ingolf Bauer, Hafnergeschirr aus Altbayern (Kataloge des Bayerischen Nationalmuseums München 15,1), München 1976.

Endres 1996
Werner Endres, Gefässe und Formen. Eine Typologie für Museen und Sammlungen (Museums-Bausteine 3), München 1996.

Grasmann 2010
Lambert Grasmann, Die Hafner auf dem Kröning und an der Bina, Straubing 2010.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804-1898) (Archäologie Graubünden – Sonderheft 7), Glarus/Chur 2019.

Hitz-Walser 1997
Cordula  Hitz-Walser, Das alte Bauernhaus und der Stall. Zur Erweiterung des Heimatmuseums Nutli Hüsli in Klosters, in: Mitteilungen der Walser-Vereinigung, 1997.

Nekrologe Schoellhorn  1933
Fritz Schoelhorn (1863-1933) und Lilly Schoellhorn-Sträuli (1868-1933), Winterthur 1933.

Ruprecht 1993
Heinz Ruprecht, Ferdinand Ernst (1819-1857), Johann Georg Schoellhorn (1837-1890), Fritz Schoellhorn (1863-1933). Brauerei Haldengut – vom gewerblichen zum industriellen Brauen (Schweizer Pioniere der Wirtschaft und Technik 57), Meilen 1993.

Schoellhorn 1923
Fritz Schoellhorn, Bausteine zu einer Familiengeschichte der Schellhorn und Schöllhorn, Einsiedeln 1923.

Schoellhorn 1925
Fritz Schoellhorn, Das Nutli-Hüsli in Klosters (Prätigau) – Ein Heimat-Museum, Einsiedeln 1925.

Schoellhorn 1935
Georg Schoellhorn, Das Nutli-Hüsli in Klosters (Prätigau): ein Heimat-Museum, Zürich 1935.

Schoellhorn 1954
Georg Schoellhorn, Das Nutli-Hüsli in Klosters, in: Bündner Monatsblatt: Zeitschrift für Bündner Geschichte, Landeskunde und Baukultur, 1954, 25-29.

Müstair, Klostermuseum (KMMÜ)

Stiftung Pro Kloster
St. Johann
CH-7537 Müstair
Tel. +41 (0)81 858 61 89
visit-museum@muestair.ch

Andreas Heege, 2021

Keramik des Klostermuseums Müstair in CERAMICA CH

Im Kloster St. Johann in Müstair erleben die Besucherinnen und Besucher über 1200 Jahre Kloster- und Kulturgeschichte.  Das Klostermuseum befindet sich im Plantaturm, einem über tausend Jahre alten Wohn- und Fluchtturm. Folgen Sie der liturgischen Schlagglocke und treten Sie unter kundiger Führung eine Zeitreise durch 1200 Jahre Kloster-, Kunst- und Baugeschichte an. Die Benediktinerinnen von Müstair gewähren Ihnen Einblick in ihr Kloster und in ihr Leben einst und heute. In den historischen Räumen sind Ausstattungen aus dem 8. bis ins 20. Jh. und Kostbarkeiten aus archäologischen Grabungen und aus unserem Kulturgut zu bewundern. Gezeigt werden u.a. karolingische Marmorskulpturen und Fensterglas sowie romanische Wandmalereien aus der Kirche.

Keramik spielt in der Klostersammlung neben Zinn und emailliertem Blechgeschirr nur eine untergeordnete Rolle. Insgesamt konnten 54 Objekte inventarisiert werden, wobei auffällt, dass im Gegensatz z. B. zum Klostermuseum in Disentis, keine keramischen Devotionalien vorhanden sind und auch jüngere Hygienekeramik und  Waschgeschirre weitgehend fehlen. Es handelt sich insgesamt um 12 Objekte aus Irdenware, 3 Objekte aus Steingut, 29 Objekte aus Steinzeug und 10 Objekte aus Porzellan. Teile dieser Objekte sind heute im Kloster gelegentlich noch in Benutzung. Aufgrund seiner Lageöstlich des Ofenpasses und der wichtigen Verbindungen nach Tirol und Italien würde man im Klosterinventar und im Münstertal eigentlich einen stärkeren Bezug nach Italien bzw. Tirol erwarten. Dies spiegelt sich allerdings kaum im erhaltenen Inventar.

Unter den Irdenwaren stechen vier Objekte hervor. Ein grosser Doppelhenkeltopf mit grüner Glasur wurde möglicherweise in ein unbekannten Töpferei in Graubünden gefertigt, doch sind ähnliche Randprofilierungen z. B. auch bei Keramik vom Kirchhügel in Bendern FL bekannt. Das Randprofil eines innen schwarz glasierten Henkeltopfes, zu dem es weitere Parallelen aus Graubünden gibt, verweist wohl auf den bayerischen Kröning als Herstellungsregion. Der kleine Milchtopf ist aufgrund der Art seiner Henkelung und dem ungewöhnlichen Spritzdekor (weisse Engobe mit feinen Kupferoxiden unter einer farblosen Glasur) kein Produkt aus der Schweiz. Haben wir hier einen keramischen Hinweis auf Töpfer im Vinschgau oder der Region Bozen/Meran? Auch der kleine zylindrische Humpen aus Irdenware mit grüner Glasur kennt zur Zeit keine Parallelen im restlichen Kanton Graubünden.

Dagegen sind eine Reihe typischer deutschschweizerischer Keramiken aus dem Zeitraum 1920-1950 vertreten. Zumindest eine Schüssel kann aufgrund ihres charakteristischen Gummistempeldekors der Produktion der Landert-Keramik in Embrach ZH zugeordnet werden. Die beiden anderen Stücke sind ungemarkt.

Selbstverständlich darf in der Klosterküche auch das übliche, lehmglasierte Braungeschirr “Bunzlauer Art” aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht  fehlen.

     

Steingut ist nur mit wenigen Exemplaren aus der Zeit zwischen etwa 1920 und 1960 vertreten. Eine leider ungemarkte Stapelschüssel mit farbigem Spritzdekor, der mit der Spritzpistole aufgetragen wurde hat exakte Entsprechungen in Poschiavo in der Casa Tomé. Die zweite Schüssel stammt aus einem Volkseigenen Betrieb (VEB) in Torgau in der ehemaligen DDR und belegt den Export solcher Ostblockkeramik in die Schweiz. Der einzige Nachttopf der Sammlung wurde bei Villeroy  & Boch in Mettlach im Saarland unter französischer Besetzung gefertigt. Die Firma war damals einer der ganz grossen Lieferanten für Sanitärkeramik.

Steinzeug ist in der Klosterküche und Sammlung dagegen mit einer grosse Anzahl vertreten. Allein von den typischen Doppelhenkeltöpfen “Westerwälder Art” gibt es 41 Exemplare unterschiedlicher Grösse, von denen 10 genauer dokumentiert wurden. Mit einer Ausnahme tragen sie alle bereits Stempel mit Liter-Angaben zwischen 1 L und 10 L, d.h. sie dürften vor allem in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg entstanden und in die Schweiz exportiert worden sein. Wie üblich ist keiner dieser Töpfe gemarkt.

Auch eine grössere Anzahl an kleinen Humpen “Westerwälder Art”, meist mit einem Volumen von 1/4 Liter oder darunter, hat sich erhalten. Die Deckel tragen teilweise sekundäre Besitzerinschriften mit Datierungen aus der Zeit zwischen 1880 und 1913. Die Humpen selbst sind vermutlich überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Sie dienten möglicherweise zur Bewirtung von Besuchern oder Personal.

Erhalten hat sich auch eine schön verzierte Most- oder Apfelweinkanne.

Zwei kleine Historismus-Humpen aus Steinzeug, die möglicherweise im Westerwald produziert wurden, wurden wohl als Souvenir in Meran erworben und dann dem Kloster geschenkt.

Zwei formal sehr ähnliche, aber unterschiedlich dekorierte Teegeschirre sind der einzige erkennbare “Luxus” in der Sammlung. Alle Stücke sind ungemarkt. Aus stilistischen Gründen dürften sie um 1900 entstanden im damaligen Deutschen Kaiserreich, eventuell in Schlesien entstanden sein. Dieses Geschirr wurde nur bei besonderen Gelegenheiten, wie der Wahl einer neuen Priorin oder dem Namenstag der Priorin verwendet.

Dank

Die CERAMICA-Stiftung dankt den Schwestern von St. Johann in Müstair, dass das keramische Kulturgut des Klosters in das Nationale Keramikinventar der Schweiz integriert werden durfte. Wir danken Patrick Cassitti (Wissenschaftlicher Leiter Stiftung Pro Kloster St.-Johann) und seinem Team herzlich für die Bereitstellung der Objekte und die freundliche und interessierte Unterstützung der Dokumentationsarbeiten.