Archive

Moudon, Museum Alt-Moudon (MVM)

Musée du Vieux-Moudon (MVM)
rue du Château 50
1510 Moudon

Die Keramiksammlung des Musée du Vieux-Moudon in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Die Vereinigung Vieux-Moudon wurde 1910 auf Anregung von Auguste Burnand (1857–1918) gegründet, einem ehemaligen Pfarrer, Übersetzer in der Bundesverwaltung, Beamten des Bundesarchivs und Mitarbeiter der Revue historique vaudoise (E. M. 1918). Die Gründung der Gesellschaft erfolgte einige Jahre nach den Feierlichkeiten zum 100-Jahr-Jubiläum des Beitritts des Kantons Waadt zur Eidgenossenschaft und stand im Zeichen eines neu erwachten Interesses an der waadtländischen Geschichte. Ziel war es, die historische Forschung zu fördern und die Bewahrung von Zeugen der regionalen Vergangenheit zu unterstützen.

Ab 1912 wurden im jährlichen Bulletin des Vereins historische Studien über die Stadt und ihre Umgebung veröffentlicht. Das zweite grosse Projekt, die Einrichtung eines Museums, liess länger auf sich warten. Das künftige Museum wurde über 30 Jahre lang vor allem von Aloys Cherpillod (1879–1950) getragen, der von 1921 bis 1933 Gemeindepräsident von Moudon war. Es sollte «eine Vielzahl von Gegenständen, die nach und nach verschwanden oder an Antiquitätenhändler ausserhalb Moudons verkauft wurden, in Moudon bewahren» (zitiert in Fontannaz 2010, 11). Die Gemeinde stellte notdürftig Räumlichkeiten zur Verfügung, zunächst im Collège secondaire de la Grenette, später im Dachgeschoss des Collège de l’Ochette. Im Jahr 1916 wurde der erste Konservator des Museums ernannt: Alphonse Meyer, ein gelernter Färber, der das Amt bis 1941 besetzen sollte.

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Museumsprojekt für längere Zeit auf Eis gelegt. Im Jahr 1927 übernahm Cherpillod den Vorsitz der Vereinigung unter der Bedingung, dass der Vorstand sich endlich dazu entschliessen würde, sein Museumsprojekt zu fördern. Er richtete einige Räume im Dachgeschoss der Ochette ein, was er grösstenteils aus eigener Tasche bezahlte. 1941 übernahm Cherpillod, der 1934 den Vorsitz abgegeben hatte, wieder das Amt des Konservators.

1947 teilte die Gemeinde der Vereinigung mit, dass sie das 1933 erworbene und 1945 zum historischen Monument erklärte Schloss Rochefort zur Verfügung stellen würde. Der Transfer der Sammlungen war 1949 abgeschlossen und das Museum öffnete 1950 seine Pforten. Zwischen 1981 und 2001 wurden umfangreiche Restaurierungs- und Umbauarbeiten durchgeführt.

Im Bereich der Keramik haben wir etwa 30 Objekte ausgewählt, ein sehr heterogenes Ensemble, das insbesondere moderne Gedenkobjekte im Zusammenhang mit lokalen Vereinen umfasst (MVM Nr. 1; MVM M 1936; MVM Nr. 2). In diesem Register ist ein wichtiges Referenzobjekt für die Geschichte der Waadtländer Keramik zu Beginn des 20. Jahrhunderts hervorzuheben: das einzige bisher gefundene Stück, das mit der Produktion des Töpfers Samuel Jaccard aus Renens im Rahmen der Hundertjahrfeier von 1903 in Verbindung steht (MVM M 909).

Ebenfalls in der Kategorie der engobierten Irdenware fiel uns ein zweites Objekt auf, insbesondere weil es aus einer lokalen Töpferei stammen könnte: eine Käseglocke mit Schale, die auf 1860 datiert wird und offensichtlich für einen Schmied bestimmt war (MVM M 200).

Die Sammlung umfasst auch andere, weniger prätentiöse Keramiken, für die die Inventare des Museums eine lokale Herkunft vermuten lassen (MVM M 188B; MVM M 188A). Einige dieser Gebrauchskeramiken würden auch in unsere allgemeine Kategorie der «Engobierten Irdenware aus der Genferseeregion» (MVM M 203; MVM M 193; MVM M 195; MVM M 204) passen.

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

E.M. 1918
E. M., Auguste Burnand. Revue historique vaudoise 26/7, 219-220.

Fontannaz 2010
Monique Fontannaz, Historique de l’Association du Vieux-Moudon 1910-2010. Bulletin de l’Association du Vieux-Moudon 25, mai 2010, 7-47.

Müstair, Klostermuseum (KMMÜ)

Stiftung Pro Kloster
St. Johann
CH-7537 Müstair
Tel. +41 (0)81 858 61 89
visit-museum@muestair.ch

Andreas Heege, 2021

Keramik des Klostermuseums Müstair in CERAMICA CH

Im Kloster St. Johann in Müstair erleben die Besucherinnen und Besucher über 1200 Jahre Kloster- und Kulturgeschichte. Das Klostermuseum befindet sich im Plantaturm, einem über tausend Jahre alten Wohn- und Fluchtturm. Folgen Sie der liturgischen Schlagglocke und treten Sie unter kundiger Führung eine Zeitreise durch 1200 Jahre Kloster-, Kunst- und Baugeschichte an. Die Benediktinerinnen von Müstair gewähren Ihnen Einblick in ihr Kloster und in ihr Leben einst und heute. In den historischen Räumen sind Ausstattungen aus dem 8. bis ins 20. Jh. und Kostbarkeiten aus archäologischen Grabungen und aus unserem Kulturgut zu bewundern. Gezeigt werden u.a. karolingische Marmorskulpturen und Fensterglas sowie romanische Wandmalereien aus der Kirche.

Keramik spielt in der Klostersammlung neben Zinn und emailliertem Blechgeschirr nur eine untergeordnete Rolle. Insgesamt konnten 54 Objekte inventarisiert werden, wobei auffällt, dass im Gegensatz z. B. zum Klostermuseum in Disentis, keine keramischen Devotionalien vorhanden sind und auch jüngere Hygienekeramik und Waschgeschirre weitgehend fehlen. Es handelt sich insgesamt um 12 Objekte aus Irdenware, 3 Objekte aus Steingut, 29 Objekte aus Steinzeug und 10 Objekte aus Porzellan. Teile dieser Objekte sind heute im Kloster gelegentlich noch in Benutzung. Aufgrund seiner Lageöstlich des Ofenpasses und der wichtigen Verbindungen nach Tirol und Italien würde man im Klosterinventar und im Münstertal eigentlich einen stärkeren Bezug nach Italien bzw. Tirol erwarten. Dies spiegelt sich allerdings kaum im erhaltenen Inventar.

Unter den Irdenwaren stechen vier Objekte hervor. Ein grosser Doppelhenkeltopf mit grüner Glasur wurde möglicherweise in ein unbekannten Töpferei in Graubünden gefertigt, doch sind ähnliche Randprofilierungen z. B. auch bei Keramik vom Kirchhügel in Bendern FL bekannt. Das Randprofil eines innen schwarz glasierten Henkeltopfes, zu dem es weitere Parallelen aus Graubünden gibt, verweist wohl auf den bayerischen Kröning als Herstellungsregion. Der kleine Milchtopf ist aufgrund der Art seiner Henkelung und dem ungewöhnlichen Spritzdekor (weisse Engobe mit feinen Kupferoxiden unter einer farblosen Glasur) kein Produkt aus der Schweiz. Haben wir hier einen keramischen Hinweis auf Töpfer im Vinschgau oder der Region Bozen/Meran? Auch der kleine zylindrische Humpen aus Irdenware mit grüner Glasur kennt zur Zeit keine Parallelen im restlichen Kanton Graubünden.

Dagegen sind eine Reihe typischer deutschschweizerischer Keramiken aus dem Zeitraum 1920-1950 vertreten. Zumindest eine Schüssel kann aufgrund ihres charakteristischen Gummistempeldekors der Produktion der Landert-Keramik in Embrach ZH zugeordnet werden. Die beiden anderen Stücke sind ungemarkt.

Selbstverständlich darf in der Klosterküche auch das übliche, lehmglasierte Braungeschirr „Bunzlauer Art“ aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nicht fehlen.

Steingut ist nur mit wenigen Exemplaren aus der Zeit zwischen etwa 1920 und 1960 vertreten. Eine leider ungemarkte Stapelschüssel mit farbigem Spritzdekor, der mit der Spritzpistole aufgetragen wurde hat exakte Entsprechungen in Poschiavo in der Casa Tomé. Die zweite Schüssel stammt aus einem Volkseigenen Betrieb (VEB) in Torgau in der ehemaligen DDR und belegt den Export solcher Ostblockkeramik in die Schweiz. Der einzige Nachttopf der Sammlung wurde bei Villeroy & Boch in Mettlach im Saarland unter französischer Besetzung gefertigt. Die Firma war damals einer der ganz grossen Lieferanten für Sanitärkeramik.

Steinzeug ist in der Klosterküche und Sammlung dagegen mit einer grosse Anzahl vertreten. Allein von den typischen Doppelhenkeltöpfen „Westerwälder Art“ gibt es 41 Exemplare unterschiedlicher Grösse, von denen 10 genauer dokumentiert wurden. Mit einer Ausnahme tragen sie alle bereits Stempel mit Liter-Angaben zwischen 1 L und 10 L, d.h. sie dürften vor allem in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg entstanden und in die Schweiz exportiert worden sein. Wie üblich ist keiner dieser Töpfe gemarkt.

Auch eine grössere Anzahl an kleinen Humpen „Westerwälder Art“, meist mit einem Volumen von 1/4 Liter oder darunter, hat sich erhalten. Die Deckel tragen teilweise sekundäre Besitzerinschriften mit Datierungen aus der Zeit zwischen 1880 und 1913. Die Humpen selbst sind vermutlich überwiegend in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden. Sie dienten möglicherweise zur Bewirtung von Besuchern oder Personal.

Erhalten hat sich auch eine schön verzierte Most- oder Apfelweinkanne.

Zwei kleine Historismus-Humpen aus Steinzeug, die möglicherweise im Westerwald produziert wurden, wurden wohl als Souvenir in Meran erworben und dann dem Kloster geschenkt.

Zwei formal sehr ähnliche, aber unterschiedlich dekorierte Teegeschirre sind der einzige erkennbare „Luxus“ in der Sammlung. Alle Stücke sind ungemarkt. Aus stilistischen Gründen dürften sie um 1900 entstanden im damaligen Deutschen Kaiserreich, eventuell in Schlesien entstanden sein. Dieses Geschirr wurde nur bei besonderen Gelegenheiten, wie der Wahl einer neuen Priorin oder dem Namenstag der Priorin verwendet.

Dank

Die CERAMICA-Stiftung dankt den Schwestern von St. Johann in Müstair, dass das keramische Kulturgut des Klosters in das Nationale Keramikinventar der Schweiz integriert werden durfte. Wir danken Patrick Cassitti (Wissenschaftlicher Leiter Stiftung Pro Kloster St.-Johann) und seinem Team herzlich für die Bereitstellung der Objekte und die freundliche und interessierte Unterstützung der Dokumentationsarbeiten.

Neuchâtel, Ethnographisches Museum (MEN)

Musée d’ethnographie Neuchâtel
4, rue Saint-Nicolas
CH-2000 Neuchâtel
Tel. +41 (0)32 7178560
secretariat.men@ne.ch

Die Keramiksammlung in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Die ethnografischen Sammlungen der Stadt Neuenburg haben ihren Ursprung im naturhistorischen Kabinett, das General Charles Daniel de Meuron (1738–1806) in seinem Haus in Saint-Sulpice angelegt und 1795 der Bürgergemeinde des Hauptortes geschenkt hatte. In Neuenburg wurde dieser Schatz, der neben naturalistischen Exemplaren auch Artefakte und eine Bibliothek umfasste, zunächst im Maison de Charité (im Gebäude des heutigen Gemeindehauses) zusammen mit der gerade gegründeten öffentlichen Bibliothek untergebracht. Im Jahr 1838 zogen die Bibliothek und die Sammlungen von de Meuron in das neue Lateingymnasium um. Bei dieser Gelegenheit wurden die verschiedenen Bestände des Kabinetts klar getrennt, da das Naturhistorische Museum und das Ethnografische Museum künftig als zwei getrennte Einheiten auftraten. Die ethnografischen Bestände wurden 1885 mit den historischen und archäologischen Sammlungen im neuen Gebäude des Kunstmuseums zusammengelegt, bevor sie 1904 in der Villa de Pury auf dem Hügel von Saint-Nicolas einen eigenen Standort erhielten. Für den Zeitraum, der uns im Hinblick auf die Geschichte der Keramikensembles interessiert, waren die ethnografischen Sammlungen folgenden Konservatoren unterstellt: Frédéric de Bosset von 1886 bis 1892, Charles Knapp von 1892 bis 1921 und Théodore Delachaux von 1921 bis 1947.

Wir wissen nicht, wie die Aufgaben, als die historischen und ethnografischen Sammlungen noch unter einem Dach vereint waren, genau verteilt waren, aber im Keramikbereich scheint es keine strikte Trennung zwischen einem europäischen und aussereuropäischen Bereich gegeben zu haben. So ist es beispielsweise sehr wahrscheinlich, dass Charles-Alfred Michel auch Einfluss auf den Erwerb chinesischer und japanischer Keramik ausübte. Frédérique Bosset hingegen interessierte sich offenkundig für die Aufstockung der europäischen Keramik: Er schenkte dem Historischen Museum etwa ein Dutzend Objekte, insbesondere Fayencen und Porzellan aus der Zürcher Manufaktur.

Von den keramischen Objekten, die heute im Ethnografischen Museum aufbewahrt werden, wurden nur die Berner Spielzeugsammlung aus Irdenware von Théodore Delachaux und die Bestände aus dem Fernen Osten für das vorliegende Inventar ausgewählt. Théodore Delachaux (1879–1949), Sohn eines naturwissenschaftlich interessierten Arztes und Sammlers, wurde schon früh in die Künste und Wissenschaften eingeführt. Während sein Vater mit ihm seine Leidenschaft für die aquatische Tierwelt teilte, gab ihm seine Tante Marie (Ehefrau von Paul Godet) seine ersten Zeichenstunden und sein Onkel Alfred Godet nahm ihn regelmässig mit hinter die Kulissen des Historischen Museums. Théodore studierte von 1899 bis 1901 Malerei in Paris. Ab 1912 unterrichtete er Zeichnen am Gymnasium in Neuchâtel. Jean Baer zufolge wurde die Ethnografie jedoch zu seinem bevorzugten Gebiet. Immer häufiger widmete er den Grossteil seiner Freizeit ethnografischen Sammlungen zusammen mit dem Ägyptologen Gustave Jéquier. Von 1919 bis 1936 übernahm er eine Assistentenstelle im Fachbereich der Zoologie an der Universität Neuenburg. Gleichzeitig trat er 1921 die Nachfolge von Charles Knapp als Konservator des Ethnografischen Museums an. Ab 1940 kam die Stelle als Konservator des Museums für Frühgeschichte und Archäologie dazu sowie seine Berufung auf den Lehrstuhl für Ethnografie an der Universität (Baer 1950; Kaehr 2005). Delachaux, der in Interlaken geboren wurde und seine Kindheit im Berner Oberland verbracht hatte, interessierte sich schon früh und ganz selbstverständlich für die Erzeugnisse des ländlichen Berner Kunsthandwerks, nicht nur für Spielzeug (siehe unten), sondern auch für Tischgeschirr. Offenbar sammelte er engobierte Irdenware aus dem Kanton Bern, insbesondere aus Heimberg (siehe das Kapitel über das Musée d’art et d’histoire de Neuchâtel).

Keramische Spielzeugtiere und Sparbüchsen aus der Sammlung von Théodore Delachaux

Théodore Delachaux legte eine umfangreiche Sammlung von Keramiken, Holzarbeiten, bemaltem Glas und rustikalen Spielzeugen an. In der letztgenannten Kategorie stellte er eine beachtliche Gruppe von engobierten Exemplaren aus Irdenware aus dem Kanton Bern zusammen. Wenn man seinen kryptischen Eintragungen in seinen Notizbüchern Glauben schenken kann, sammelte er diese Stücke hauptsächlich zwischen 1898 und den 1920er-Jahren. Wie Jean Baer in seinem Nachruf feststellt, sammelte Théodore Delachaux bereits im Alter von neun Jahren Heimberger Tonspielzeug. Das Ensemble wurde 1950 nach dem Tod des Besitzers vom Musée d’ethnographie aufgekauft. Mit fast 300 Exemplaren ist die Sammlung Delachaux wahrscheinlich die grösste Sammlung dieser Art in einem Schweizer Museum (weitere Sammlungen von Spielzeug und Formen, die zu seiner Herstellung verwendet wurden, werden im Schlossmuseum Thun, im Regionalmuseum Langnau, im Museum der Kulturen in Basel und im Musée Ariana in Genf aufbewahrt).

Wir veröffentlichen hier breite Auszüge aus der Sammlung von Delachaux, Objekte, die grösstenteils in die Jahre 1880 bis 1920 datiert werden können. Aus technischer Sicht gehören sie zur Tradition der bernischen ländlichen Töpferwaren: engobierte, geformte und teilweise modellierte Irdenware, dekoriert mit Engoben unter einer transparenten Glasur (Delachaux 1914, Taf. IV-X und Delachaux 1915, Abb. S. 181–183: Auszüge aus der Sammlung von Keramikspielzeug). Die Objekte tragen die ursprüngliche Nummerierung von Delachaux, die auf mehrere handschriftliche Hefte verweist, in denen die Spielzeugsammlung aufgelistet ist. Die wenigen Angaben, die in diesen Heften enthalten sind, stehen am Ende der Einträge in Anführungs- und Schlusszeichen.

Diese Kategorie der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts sehr populären Spielzeuge aus Keramik ist aus keramikhistorischer Sicht noch nie umfassender untersucht worden. Die überwiegende Mehrheit dieser Spielzeuge, die teilweise geformt und mit Engoben in kontrastierenden Farben überzogen sind, lässt sich der Region Heimberg/Steffisburg zuordnen. Einige Beispiele unterscheiden sich durch ihre Formgebungstechnik – frei modelliert ohne Model – und durch weniger bunte Farben wie Braun oder Orangebraun (MEN Nr. 10; MEN Nr. 225; MEN Nr. 227; MEN Nr. 224; MEN Nr. 226; MEN Nr. 149; MEN Nr. 150; MEN Nr. 151). Delachaux ordnet diese kleine Gruppe Langnau zu, eine Zuschreibung, die wir für plausibel halten, es sei denn, wir bekämen neue Informationen (siehe auch Heege 2010, Abb. 92; Heege/Kistler 2017/1, 502-508; Heege/Kistler 2017/2, 177-178).

Ähnliche Objekte sind auch aus anderen Produktionszentren wie Langnau (BE), Schüpbach (BE), Berneck (SG) oder Sankt Antönien (GR) belegt (Lisbonne 1998, Kat. Nr. 178; Frey 2018, Abb. 8; Heege 2019, 338–339).

Die Sammlung asiatischer Keramik

Diese Sammlung besteht aus etwa 200 Objekten aus China (ca. 80 %) und Japan (ca. 20 %). Der Grossteil des Bestandes wurde zwischen 1885 und 1920 zusammengetragen. Bei 6 % der Objekte wissen wir nicht, wie sie erworben wurden. 55 % wurden gekauft, 39 % sind Schenkungen oder wurden vermacht.

Chinesische Keramik

Das Kabinett des Charles Daniel de Meuron – Nachdem er von 1755 bis 1763 im Regiment Hallwyl dem König von Frankreich gedient hatte, liess sich der Neuenburger Charles Daniel de Meuron (1738–1806) im Jahr 1765 in die Schweizergarde aufnehmen. Sechzehn Jahre später verliess er dieses Truppenkorps im Rang eines Obersts, um sein eigenes Regiment im Dienste der niederländischen Ostindien-Kompanie aufzustellen. Als 1795 die batavische Republik gegründet wurde, trat er in den Dienst der englischen Krone. De Meuron zog sich 1800 im Rang eines Generalleutnants nach Neuenburg zurück. Neben seinen militärischen Verpflichtungen, die ihn nach Kapstadt und später nach Indien führten, widmete sich de Meuron dem Handel und interessierte sich für Naturwissenschaften. Die zahlreichen exotischen Objekte und Exemplare, die er bei seinen Aufenthalten in Übersee erwarb, bereicherten sein naturhistorische Kabinett, das er ab den 1780er- Jahren in seinem Heimatdorf Saint-Sulpice im Val-de-Travers eingerichtet hatte. Im Jahr 1795 schenkte er diese Sammlung der Bürgergemeinde von Neuenburg. Das Ensemble, das er bis zu seinem Tod weiter ausbaute, sollte den Grundstein aller musealen Einrichtungen der Stadt Neuenburg bilden, mit Ausnahme des Musée des beaux-arts (Kaehr 2000, siehe auch MAHN).

Das Kabinett von Charles Daniel de Meuron enthielt sieben Porzellane (MEN II.B.134; MEN II.B.135; MEN 95.1.17; MEN II.B.128; MEN II.B.129; MEN II.B.130; MEN II.B.131), darunter vor allem vier bemerkenswerte Tassen mit einer Krakelee-Glasur im Stil der Seladonkeramik, für die wir einige Vergleichsbeispiele in verschiedenen ausländischen Museen mit sehr unterschiedlichen Datierungen gefunden haben. Diese Art von Gefässen, die in den Sammlungen westlicher Museen relativ selten sind, waren offensichtlich für den einheimischen Markt bestimmt (MEN II.B.128; MEN II.B.129; MEN II.B.130; MEN II.B.131).

Ansonsten besteht der chinesische Bestand des MEN vor allem aus Porzellan, das speziell für den Massenexport in den Westen während der Qing-Dynastie (1644–1912), insbesondere während der Regierungszeiten der Kaiser Kangxi (1661–1722) und Qianlong (1736–1796), entworfen wurde. Die Sammlung widerspiegelt ziemlich gut den Handel mit chinesischem Porzellan der verschiedenen europäischen Ostindien-Kompanien im 18. Jahrhundert mit ihrer Vorliebe für die Stile «Blau und Weiss» (blauer Unterglasurdekor) sowie «Famille Rose» (mit polychromen Aufglasurfarben gemalte Dekore mit dem berühmten opaken Rosa, das in den frühen 1720er-Jahren eingeführt wurde). Weniger zahlreich sind die Porzellane des Typs «Famille verte» (gemalte Dekore mit polychromen Aufglasurfarben in mehreren Grüntönen, aber ohne Rosa), des Stils «Imari» (blauer Unterglasurdekor, verziert mit auf der Glasur aufgetragen Details in Rot und Gold) und «Blanc de Chine» (weisses chinesisches Porzellan).

Unter den Kuriositäten ist ein Becher mit Untertasse im «Imari»-Stil mit einem ungewöhnlichen Auftragsdekor zu erwähnen, der wahrscheinlich für den russischen Markt bestimmt war (MEN II.B.619). Im Register der «Famille rose» ist insbesondere eine Kaffeekanne mit europäischer Form und ausgeprägtem Dekor bemerkenswert, von dem wir nur wenige Beispiele kennen, namentlich im Rijksmuseum in Amsterdam (MEN II.B.122). Aussergewöhnlich ist auch eine Wasserkanne mit dazugehörigem Becken, deren Form vom europäischem Tafelsilber inspiriert ist (MEN II.B.70). Krüge dieses Typs sind in westlichen Sammlungen nicht selten, wir kennen jedoch kein anderes Beispiel mit vollständiger Garnitur.

Das japanische Porzellan im «Kakiemon»-Stil, das sich durch luftige Dekore in leuchtenden Farben und einen milchig-weissen Ton auszeichnet, erregte bei der europäischen Aristokratie in den Jahren 1730–40 eine beispiellose Begeisterung. Dies ging so weit, dass die meisten jungen Manufakturen in Frankreich und Deutschland die exotische Eleganz nachahmten (siehe z. B. MAHN AA 2811; MAHN AA 2779; MAHN AA 2825; MAHN AA 2650). In den Niederlanden, wo noch kein Porzellan hergestellt wurde, machten sich Malerwerkstätten die neue Marktnachfrage zunutze und verzierten chinesisches Porzellan mit Motiven, die von japanischen «Kakiemon» inspiriert waren. Das MEN besitzt davon zwei schöne Beispiele (MEN II.B.617; MEN II.B.115).

Die Sammlung umfasst auch eine Reihe von Feinsteinzeug aus Yixing (Provinz Jiangsu). Abgesehen von einer wunderschönen Weinkanne aus der Kangxi-Zeit, von der nur ein Pendant im Rijksmuseum in Amsterdam bekannt ist (MEN II.B.58), besteht die Sammlung hauptsächlich aus Exemplaren aus dem 19. Jahrhundert, darunter ein schönes Stück mit der Marke des Ateliers Zhu Shimei.

Japanische Keramik

In der Kategorie des japanischen Porzellans ist ein Paar prunkvolle Vasen im «Imari»-Stil aus dem ersten Drittel des 18. Jahrhunderts hervorzuheben (MEN II.B.770; MEN II.B. 771). Der Rest der Sammlung besteht vor allem aus späteren Stücken, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im Westen äusserst beliebt waren und den Wunsch nach exotischen Objekten nährten, nachdem das Reich der aufgehenden Sonne seine Isolationspolitik aufgegeben hatte und die Weltausstellungen in London 1862 und Paris 1867 eine noch nie dagewesene Vorliebe für die Kunst Japans ausgelöst hatten. Seitdem wurden japanische Keramikprodukte – von sehr unterschiedlicher Qualität – in verschiedenen Geschäften in Europa und Amerika in grossem Umfang angeboten, insbesondere auf dem Grand Bazar in Neuchâtel (MEN II.B.645 MEN II.B.595; MEN II.B.563; MEN II.B.562; MEN 13.110.1 und 13.110.2; MEN II.B.1044; MEN II.B.570; MEN II.B.942; MEN II.B.943; MEN II.B.649; MEN II.B.633; MEN II.B.650).

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie:

 Baer 1950
Jean G. Baer, Théodore Delachaux, 21 mai 1879-24 avril 1949, in: Bulletin de la Société neuchâteloise des sciences naturelles 73, 1950, 5-15.

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013, , 32-35, 158, 466

Delachaux 1914
Théodore Delachaux, Jouets rustiques suisses, in: Archives suisses des traditions populaires XVIII, 1914, 101-112.

Delachaux 1915
Théodore Delachaux, Das Spielzeug, in: Das Werk. Schweizerische Zeitschrift für Baukunst, Gewerbe, Malerei und Plastik 2, 1915, 173-184.

Heege 2010
Andreas Heege, Keramik um 1800. Das historisch datierte Küchen- und Tischgeschirr von Bern, Brunngasshalde, Bern 2010.

Heege 2019
Andreas Heege, Keramik aus St. Antönien. Die Geschichte der Hafnerei Lötscher und ihrer Produkte (1804–1898). Archäologie Graubünden, Sonderhefte 7/1 und 7/2, Chur 2019.

Heege/Kistler 2017/1
Andreas Heege et Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, XVIIe-XIXe siècles. Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.–19. Jahrhundert. Die Sammlung des Musée Ariana, Genf. Milan 2017.

Heege/Kistler 2017/2
Andreas Heege et Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern, 2 Bde (Schriften des Bernischen Historischen Museums, 13.1/2), Bern 2017.

Kaehr 2005
Roland Kaehr, Théodore Delachaux, peintre, conservateur du Musée d’ethnographie (1879-1949), in: Schlup, Michel (éd.), Biographies neuchâteloises, t. 4: 1900-1950, Hauterive 2005, 83-89.

Lisbonne 1998
Cerâmica da Suíça do Renascimento aos nossos dias. Ceramics from Switzerland, from Renaissance until the Present, cat. d’exposition, Museu Nacional do Azulejo, Lisbonne, 23 juillet-4 octobre 1998.

Neuchâtel, Museum für Kunst und Geschichte (MAHN)

Musée d’art et d’histoire
Esplanade Léopold-Robert 1
CH-2000 Neuchâtel
Tel.: +41 (0)32 717 79 20
mahn@ne.ch

Die Keramiksammlung des Museums für Kunst- und Geschichte in CERAMICA CH

Roland Blaettler (in Zusammenarbeit mit Rudolf Schnyder) und Andreas Heege, 2019

Mit mehr als 1700 Objekten aus den Bereichen Geschirr, Tisch- und Vitrinendekorationen ist die Keramiksammlung zweifellos einer der Schwerpunkte der im MAHN aufbewahrten Kulturgüter, insbesondere im Bereich der nationalen Produktionszentren, die mehr als die Hälfte dieses Bestandes ausmachen. In der Gruppe der Schweizer Keramik sind die engobierten und glasierten Irdenwaren – hauptsächlich aus dem Kanton Bern stammend – deutlich in der Überzahl, sie decken die Hälfte des Schweizer Kontingents ab. Insbesondere in dieser Kategorie zählt die Neuenburger Sammlung auch heute noch zu den grössten Referenzensembles des Landes.

Im Allgemeinen haben die Bestände der heutigen Abteilung für angewandte Kunst des MAHN ihren Ursprung in den ersten Sammlungen, die das Historische Museum seit Beginn des 19. Jahrhunderts zusammentrug. Im Jahr 1835 entstand eine Sammlung von Gegenständen, die mit dem Neuenburger Leben in Verbindung standen, dank der Spenden, die durch die Einrichtung des Museums im Lateingymnasium angeregt wurden. Die Behörden der Stadt (1838) und später des Kantons (1858) bereicherten diese ursprünglichen Bestände, indem sie dem Historischen Museum wertvolle Objekte zur Geschichte der Stadt und eine bedeutende Waffensammlung anvertrauten. Im Jahr 1884 zog das Historische Museum in das neue Kunstmuseum um, das 1972 zum Kunst- und Geschichtsmuseum wurde. Die Sammlungen wurden schon damals durch Ankäufe und Schenkungen von Neuenburger Familien weiter ausgebaut. In dieser Zeit erlebten die Keramikbestände einen Aufschwung, wobei der Grossteil der Ankäufe zwischen 1884 und den 1920er-Jahren erfolgte. Das Neuenburger Beispiel passt perfekt in den allgemeinen Kontext der Geschichte der Schweizerischen Museen, insbesondere der Geschichtsmuseen, die zwischen 1870 und 1914 eine erste Welle von Gründungen erlebten (Lafontant Vallotton 2007, 15). Die Bewegung gipfelte in der Einweihung des Nationalmuseums im Jahr 1898. In seiner Monografie über die Bäriswiler Keramik stellt Andreas Heege fest, dass die meisten grossen Keramiksammlungen in Schweizer Museen im Wesentlichen zwischen den 1880er- und den späten 1930er-Jahren aufgebaut wurden (Heege et al. 2011, 61).

Nichts deutete darauf hin, dass das Museum zum Kompetenzzentrum für Keramik werden sollte. Eine solche Entwicklung lässt sich unserer Meinung nach nur dadurch erklären, dass drei Persönlichkeiten gleichzeitig an der Spitze der Institution standen, die sich offensichtlich für dieses Fachgebiet interessierten oder sich sogar dafür begeisterten: Auguste Bachelin (1830–1890), der von 1885 bis 1890 der erste Konservator des Historischen Museums war; Alfred Godet (1846–1902), Unterkonservator von 1886 bis 1890 und dann Konservator von 1890 bis 1902, und Charles Alfred Michel (1854–1935), Mitglied der Museumskommission seit 1888 und stellvertretender Konservator von 1905 bis 1935.

Auguste Bachelin (1830–1890) war von 1885 bis 1890 der erste Konservator des Historischen Museums (Foto COLLECTIONS DU CENTRE D’ICONOGRAPHIE DE LA VILLE DE GENÈVE, Rec Est 0062 16).

Obwohl Auguste Bachelins erste Leidenschaft der Malerei galt, begeisterte er sich ebenso für Geschichte und materielle Zeugnisse der Vergangenheit, was ihn zu einer regen Sammeltätigkeit veranlasste (Calame 2001). Im Jahr 1864 gehörte er zu jener Gruppe aufgeklärter Neuenburger, die die Société d’histoire et d’archéologie de Neuchâtel und ihr Organ, das Musée neuchâtelois, gründeten. Die beeindruckende Liste seiner Beiträge für diese Zeitschrift gibt einen Einblick in die Vielfalt seiner Interessensgebiete. Der Sammler Bachelin verliebte sich neben anderen Gebieten offensichtlich auch in die Keramik. Ein Beweis dafür sind die fünfundfünfzig Objekte, die er dem Museum zwischen 1884 und 1890 schenkte.

Alfred Godet (1846-1902, Foto MAHN).

Alfred Godet, der Bachelin ab 1886 bei der Organisation des neuen Historischen Museums unterstützt hatte und später sein Nachfolger als Konservator wurde, war ebenfalls eine Persönlichkeit mit überbordender Aktivität und offenem Geist für zeitgemässe Strömungen. Als Lehrer, Zeichner und Illustrator, Mitglied der Eidgenössischen Kommission für historische Denkmäler und der französischen Gesellschaft für Archäologie (Société française d’archéologie) setzte sich Godet mit Leidenschaft für die Entwicklung des Museums ein, insbesondere für die Bereicherung seiner Sammlungen (Châtelain 1905). Unter seinen zahlreichen und vielfältigen Beiträgen in der Zeitschrift Musée neuchâtelois in den Bereichen Geschichte und angewandte Kunst nehmen die Studien zur regionalen Keramik – insbesondere zur Hafnerei – einen besonderen Platz ein (z. B. Musée neuchâtelois 1885, 1886, 1888, 1892, 1898).

Charles-Alfred Michel (1854-1935, Foto aus dem Nachruf).

Charles-Alfred Michel war sicherlich die zurückhaltendste der drei Personen. Er trat 1888 in die Kommission des Museums ein und wurde 1895 ihr Sekretär. Nach Godets Tod übernahm er von 1902 bis 1904, dem Jahr, in dem Paul de Pury zum Konservator ernannt wurde, das Amt des Interimskonservators. Von da an musste sich Michel mit dem Titel des stellvertretenden Konservators begnügen, eine Funktion, die er bis zu seinem Tod ausübte. Seine Rolle bei der Entwicklung der Sammlungen (insbesondere der Keramik- und Glassammlungen) bleibt dennoch von grosser Bedeutung, nicht zuletzt aufgrund seiner langen Zugehörigkeit zur Institution. Er war wahrscheinlich ein Mensch, der gerne im Hintergrund blieb, aber auch derjenige, der die Musse und Freude hatte, sich in die Dinge zu vertiefen. Bereits 1914, so scheint es, begann er mit der Erstellung des handschriftlichen Katalogs der Bestände. In dem Bereich, der uns interessiert, führte Michel diese Arbeit mit einer für die damalige Zeit bemerkenswerten Genauigkeit und Kenntnis aus, während die Fachliteratur insbesondere in der Schweiz noch in den Kinderschuhen steckte.

Michel publizierte sehr wenig: Am bekanntesten ist sein Katalog der Doubs-Gläsersammlung des Museums, der im Indicateur d’antiquités suisses (Neue Serie, Bd. 37, 1935, 259–272) erschien. Zwischen 1915 und 1935 hielt er jedoch elf Vorträge vor der Société neuchâteloise des sciences naturelles, der er 1912 beigetreten war. Alle diese Vorträge befassten sich mit Keramik- oder Glastechniken aus verschiedenen europäischen und sogar japanischen Produktionen. In seinem Nachruf von 1935 stellte Montandon fest, dass Michel ein besonders fundiertes Wissen über Keramik angehäuft hatte, was ihm eine weitgehend anerkannte Autorität auf diesem Gebiet verlieh. So bezog sich Hans Lehmann, Direktor des Nationalmuseums von 1904 bis 1936, in einem grundlegenden Artikel zur Geschichte der Schweizer Keramik und zu einer kontroversen Frage tatsächlich auf die Meinung von Michel, «Abteilungschef für die Keramik am Historischen Museum in Neuenburg» (Lehmann 1920, 47). In seiner Würdigung betont Montandon Michels führende Rolle bei der Entwicklung der «Heimberg»-Sammlung (die Bezeichnung wird hier als Sammelbegriff für die Gesamtheit der Berner Irdenware-Produktionen verwendet): «Es gelang ihm, eine Sammlung aufzubauen, die sicherlich die schönste und bedeutendste in der Schweiz ist» (Montandon 1935, 241).

L’Impartial, 2. Dezember 1898.

Charles Alfred Michels Interesse an Keramik wurde auch durch seine berufliche Tätigkeit in einem Geschäft genährt, das neben vielen anderen Dingen auch Antiquitäten und moderne Gebrauchs- und Dekorationsgegenstände verkaufte, insbesondere in den Bereichen Keramik und Glaswaren: der Grand Bazar in Neuenburg. Michel trat mit 14 Jahren in die Dienste des damaligen Bazar Humbert & Cie. ein und blieb bis 1927 in der Firma. Im Jahr 1893 wurde er Teil der Geschäftsleitung des Unternehmens, das nun Schinz, Michel & Cie. hiess.

Abgesehen von den 10% der Keramiken, bei denen wir nicht wissen, wie und wann sie erworben wurden, zeigt sich, dass zwischen 1885 und heute 61% der Objekte gekauft wurden, während 39% durch Schenkungen und Vermächtnisse in die Sammlung gelangten. Ein beeindruckender Anteil des Keramikbestands (85 %) wurde vor 1935 zusammengestellt. Im gleichen Zeitraum betrug der Anteil der Ankäufe sogar 66% – Ausdruck par excellence für ein abgestimmtes Vorgehen der Verantwortlichen der Institution. Die Keramiksammlung des MAHN ist also unbestreitbar das Spiegelbild einer von Bachelin, Godet und Michel getragenen Ankaufspolitik (wobei Letzterer offenbar die Unterstützung seines neuen Konservators Paul de Pury genoss, der von 1904 bis 1964 im Amt war). Unter ihrer Verantwortung wurde zwischen 1885 und 1935 die Sammlung, wie wir sie heute kennen, aufgebaut. Es ist bezeichnend, dass nach Michels Tod im Jahr 1935 die Keramikkäufe abrupt abbrachen. Die einzigen späteren Käufe in diesem Bereich erfolgten in den Jahren 1979, 1987 und 1989.

Insgesamt umfasst die Sammlung etwa 850 Objekte schweizerischer Herkunft (51%), Frankreich steht mit einem Anteil von 15% an den Sammlungen an zweiter Stelle, gefolgt von Deutschland (12%), China (8,5%), Grossbritannien (6,5%), Italien (2%), den Niederlanden (1,3%) und Japan (1%). Der Rest verteilt sich auf verschiedene europäische oder unbestimmte Provenienzen. Quantitativ macht Porzellan 35% des Bestands aus, Irdenware 26%, Fayence 24%, Steingut 10% und Steinzeug 5%.

Die Keramik aus der Schweiz

Unter den Schweizer Produktionen machen die Irdenwaren – engobiert oder einfach glasiert – die Hälfte des Bestands aus, Porzellan 27%, Fayence 15%, Steingut 7% und Steinzeug 1%. Die Irdenwaren des 18. und 19. Jahrhunderts, die mehrheitlich aus den ändlichen Gebieten des Kantons Bern stammen, bilden somit den Kern der Schweizer Sammlung und etablierten sich als hochangesehenes Ensemble unter den Kennern des ausgehenden 19. Jahrhunderts.

Scherzgefäss, datiert 1774.

Glasierte und engobierte Irdenware – Der Bestand an Schweizer Töpferwaren enthält einige grünglasierte Exemplare aus dem späten 17. oder 18. Jahrhundert, die aus dem Kanton Bern stammen (Töpferei Vögeli in Burgdorf? MAHN AA 2063, MAHN AA 1308, MAHN AA 2101; Keramik aus Langnau: MAHN AA 1783, AA 2058, MAHN AA 1806 [unsicher], MAHN AA 1266; siehe Heege 2015; Heege/Kistler 2017/2), oder aus anderen Regionen des Landes (MAHN AA 1251), wie dieses interessante Scherzgefäss, der auf 1774 datiert ist (MAHN AA 2062, Region Burgdorf oder Langnau?).

In der Gruppe der «Irdenwaren mit brauner Grundengobe», die eine zweckdienliche Einteilung darstellt, haben wir Keramiken unterschiedlicher Machart zusammengestellt, die nicht immer klar zu beurteilen sind (mit einfacher farbloser oder brauner Glasur, mit farbloser Glasur auf braunem Engobegrund oder brauner Glasur auf weisser Grundengobe), darunter ein schönes Beispiel, das traditionell Albligen BE zugeschrieben wird (MAHN AA 2040).

In der Gruppe der bernischen engobierten Irdenwaren machen die gemeinhin Heimberg oder Langnau zugeschriebenen Produktionen den Löwenanteil von 56% des Gesamtbestandes aus, zu gleichen Teilen. Der Rest der Gruppe zeugt von der systematischen Vorgehensweise der Museumsverantwortlichen, da sie alle wichtigen Arten von engobierter Keramik mit hellem Grund, die im Kanton Bern verzeichnet sind, umfasst: Werke aus der Werkstatt von Abraham Marti in Blankenburg, mit zwei herausragenden Exemplaren, von denen wir annehmen, dass sie die frühe Phase der Tätigkeit des Töpfers repräsentieren (MAHN AA 1860; MAHN AA 1858; siehe Heege/Kistler 2017/1, 127–173); ein schönes Ensemble, das die verschiedenen Tätigkeitsperioden der Töpferei Kräuchi in Bäriswil repräsentiert, zu dem wir zwei seltene Beispiele der Fayenceproduktion derselben Werkstatt hinzugefügt haben (MAHN AA 1571; MAHN AA 1878; siehe Heege et al. 2011), und wunderschöne Beispiele jener Produktionen mit weissem Engobengrund und bemalten Dekoren (meist in Blau), die lange Zeit fälschlicherweise dem Simmental zugeschrieben wurden und deren genaue Herkunft bis heute unbekannt ist.

Teller mit Unterglasur-Pinseldekor und den Wappen der 13örtigen Eidgenossenschaft.

In der letzteren Kategorie sind zwei schöne Exemplare aus der Serie der Wappenteller der dreizehn Kantone (MAHN AA 1855; MAHN AA 1856; siehe Heege/Kistler 2017/1, 115–125) und drei Beispiele aus der bekannten, aber relativ kleinen Gruppe der engobierten Irdenwaren, die die Ornamentik des rheinischen Steinzeugs nachahmen (MAHN AA 1258; MAHN AA 2030; MAHN AA 1172; siehe Heege 2009, 41-42 und Heege 2021), hervorzuheben.

Langnau, Stegkanne aus demJahr 1724.

Die enorme Produktion an engobierter Irdenware aus Langnau ist in der Sammlung reich illustriert, insbesondere mit einer schönen Reihe von Beispielen aus der frühen polychromen Phase (von den 1720er-Jahren bis zur Mitte des 18. Jahrhunderts) mit ihren dominierenden grünen und braunroten Dekoren (siehe Heege/Kistler 2017/2). Besonders bemerkenswert sind eine seltene Röhrenkanne (Stegkanne) aus dem Jahr 1724 (MAHN AA 2044) und eine Ohrenschale, die auf 1731 datiert wird (MAHN AA 2043). Zwei interessante Exemplare zeugen von den Bemühungen der Töpfer, ihre Farbpalette in den Jahren 1740–50 zu erweitern, insbesondere durch die Hinzufügung von Blau wie bei einer Schüssel aus dem Jahr 1745 (MAHN AA 1157). Die «klassische» Langnauer Periode ist durch zahlreiche Beispiele vertreten, vor allem durch Stücke, die in den Jahren 1780 bis 1800 datiert und hergestellt wurden. Zwei besonders ungewöhnliche Objekte sind hier zu nennen: eine kleine Teedose in Rokokoform, die offensichtlich von Silber- und Fayenceprodukten für eine eher städtische Kundschaft inspiriert wurde (MAHN AA 1225), und eine 1791 datierte Schale, die auf der Vorderseite einen klassischen Dekor mit einem doppelköpfigen Adler zeigt, während die Rückseite mit einer geheimnisvollen Szene verziert ist, in der sich ein Eichhörnchen (?) mit menschlichem Gesicht vor einer Feuerstelle wärmt (MAHN AA 1166). Der Nidlenapf aus dem Jahr 1795 (MAHN AA 1210) ist zwar nicht besonders hochwertig, aber ein wertvolles Referenzobjekt, da er eines der wenigen Exemplare ist, bei denen der Ort der Herstellung angegeben ist.

Zu den Meisterwerken der Sammlung gehört natürlich die wunderschöne «Hochzeitsschüssel» aus dem Jahr 1801, eines von fünf bisher bekannten Beispielen dieses Typs (MAHN AA 3317; siehe Heege/Kistler 2017/1, 267-269).

Der Neuenburger Bestand gibt ein umfangreiches Bild der Langnauer Keramik wieder, da auch die Phase nach der Wende zum 19. Jahrhundert, die einen deutlichen Qualitätsverlust bei der Herstellung der meisten Töpferwaren aus der Region belegt, reichlich illustriert ist.

Langnau, Terinne des Keramikers Martin Labhardt.

Unter den Objekten, die von den Bemühungen um eine ästhetische Erneuerung in einigen Werkstätten in den 1840er- und 1850er- Jahren zeugen, ist eine Suppenterrine mit einer charakteristischen Signatur zu erwähnen (MAHN AA 2055; siehe Heege/Kistler 2017/2, 381-386).

Heimberger Kaffekanne/Bügelkanne.

Heimberg, das andere wichtige Berner Produktionszentrum, ist in den verschiedenen bekannten Entwicklungsphasen vertreten (siehe Heege/Kistler 2017/1, 362-508). So lässt sich eine frühe Phase – von 1780 bis 1800 – unterscheiden, in der der braune Hintergrund allmählich dem typischen schwarzbraunen weicht (MAHN AA 3313; MAHN AA 1269; MAHN AA 3294; MAHN AA 1425; MAHN AA 3295; MAHN AA 1461; MAHN AA 1464; MAHN AA 1472; MAHN AA 1469; MAHN AA 1452; MAHN AA 1465), und eine Phase, die man auch hier als klassisch bezeichnen könnte – zwischen 1800/1810 und 1840 –, in der der polychrome Dekor auf schwarzbraunem Grund seinen Höhepunkt erreicht, wie auf dem imposanten Krug mit den sich gegenüberstehenden Löwen von 1812 (MAHN AA 2014) oder der schönen Platte von 1823 (MAHN AA 1471).

Heimberger tTerrinnen der Mitte und frühen zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts.

Das Aussehen der Heimberger Keramik begann sich ab Ende der 1830er-Jahre radikal zu verändern: Der schwarzbraune Hintergrund wurde zunehmend durch einen hellbeigen ersetzt, die Motive mit menschlichen oder tierischen Figuren verschwanden allmählich, die Bemalung wurde weniger sorgfältig ausgeführt und bei den Formstücken wurde der Dekor durch Reliefornamente bereichert. In der Sammlung ist diese Entwicklung ausführlich dokumentiert, insbesondere durch eine Gruppe von vier Suppenterrinen, die echte Prunkstücke sind (MAHN AA 2048; MAHN AA 1448; MAHN AA 1443; MAHN AA 1446). Ab den 1850er- und 1960er-Jahren kann man in der Heimberger Produktion mehrere individuelle Stile erkennen, auch wenn die Urheber (Urheberinnen/Ausmacherinnen?) nicht immer identifiziert werden können. Die meisten dieser Stile finden sich in den Neuenburger Beständen wieder, wo es sogar ein signiertes Stück gibt: eine Rahmschale von 1864, markiert mit «N. L.» (MAHN AA 2023).

Im Gegensatz zu ihren Kollegen in Langnau konnten sich die Töpfer in der Region Heimberg-Steffisburg an die moderne Welt anpassen und neue Märkte erschliessen, zumindest ein Teil von ihnen. Einige Töpfereien entwickelten sich zu regelrechten Manufakturen, während die kleinen Werkstätten sich an die von den Grosshändlern gelieferten Modelle hielten. Ab den Jahren 1873/74–1878 entwickelte sich allmählich eine Kategorie von Keramik, die gemeinhin als «Thuner Majolika» bezeichnet wurde und vor allem für ausländische Touristen bestimmt war (siehe Heege/Kistler 2017/2, 489-501). Auf dem wiedergefundenen schwarzbraunen Hintergrund finden sich nun Dekore, die sich mal auf einen üppigen «Heimatstil», mal auf einen orientalisierenden oder historistischen Eklektizismus berufen. Die Verantwortlichen des Historischen Museums haben diese Entwicklung bis zu einem gewissen Grad verfolgt und mehrere Beispiele dieser zeitgenössischen Produktion erworben (MAHN AA 2018; MAHN AA 2150; MAHN AA 1433; MAHN AA 1449; MAHN AA 1450; MAHN AA 1420; MAHN AA 1876; MAHN AA 1989-60; MAHN AA 1989-61; MAHN AA 1992-35; MAHN AA 1416; MAHN AA 1417).

In der Geschichte der Schweizer Keramik, was die Technik der engobierten Irdenware betrifft, ist es offensichtlich, dass die Werkstätten in den ländlichen Gebieten Berns die Szene beherrschten, zum einen durch die Anzahl der Betriebe (siehe Heege/Kistler 2017/2, 45, Abb. 7) und zum anderen oft auch durch die Qualität oder den Erfindungsreichtum ihrer Arbeiten. Umso beunruhigender ist es, wie schlecht diese beachtliche Produktion dokumentiert ist. Lange Zeit war das einzige nennenswerte Referenzwerk der Beitrag von Robert Wyss, der 1966 im Rahmen der Berner Heimatbücher erschien (Wyss 1966). Eine noch zu summarische Veröffentlichung, in der man die üblichen grossen Kategorien (Langnau – Heimberg – Bäriswil – Blankenburg – Simmental – Albligen) wiederfindet. Aber dennoch stellte sie eine Studie dar, die zum ersten Mal das Bemühen um eine wissenschaftliche und kritische Annäherung an das Thema widerspiegelte. Eine umfassendere Arbeit über die Berner Keramik vom 16. bis zum 19. Jahrhundert wurde erst rund 40 Jahre später von Adriano Boschetti-Maradi veröffentlicht (Boschetti-Maradi 2006).

Der Autor erstellt, unter anderem, ein aktualisiertes Profil der damaligen Berner Produktion (Technologie, Typologie vor allem formal) anhand von Museumssammlungen und archäologischen Funden und präsentiert eine erneuerte Zusammenstellung der in den verschiedenen Kantonsteilen nachgewiesenen Töpfer. Boschetti-Maradi betrachtet die konventionellen Zuordnungen mit einem willkommenen kritischen Geist, wie im Falle des «Simmentals» und des «Albligen». In beiden Fällen weist der Autor auf den Mangel an materiellen und dokumentarischen Indizien hin, die diese Zuordnungen vernünftig begründen könnten. In Anlehnung an die Vorbehalte, die Wyss bereits früher deutlich gemacht hatte (Wyss 1966, 25 und 35), schlägt er vor, bei der Zuschreibung von Langnau oder Heimberg mit äusserster Vorsicht vorzugehen. Diese Begriffe verwendet er fast nur noch angeführt, sodass sie sich eher auf Typologien als auf genaue geografische Provenienzen beziehen. Es ist eine Tatsache, dass in den Jahren 1730–50 mehrere Töpfer aus dem Emmental, von denen man annehmen kann, dass sie in Langnau gearbeitet hatten, nach Heimberg zogen, wo sie sehr wohl ihren ursprünglichen Stil weiterführen konnten. Boschetti-Maradi weist zu Recht darauf hin, dass wir nichts über das Aussehen der Keramiken wissen, die vor 1781 in Heimberg hergestellt wurden, als die ersten Objekte mit dem für den lokalen Stil typischen schwarzbraunen Hintergrund datiert wurden (Boschetti-Maradi 2006, 227).

Wir halten uns an die Kategorien Langnau und Heimberg, ohne die Begriffe in Anführungszeichen zu setzen, wie der oben genannte Autor, und räumen ein, dass diese Zuordnungen nicht unbedingt als strenge geografische Angaben zu verstehen sind (zu Langnau siehe auch Heege/Kistler 2017/2; zu Heimberg Heege/Kistler 2017/1). Die Bezeichnungen «Simmental» oder «Albligen» wurden hingegen aufgegeben und vorläufig durch den Oberbegriff «Kanton Bern» ersetzt.

Neben den Berner Töpferwaren umfasst die Sammlung des MAHN eine wesentlich kleinere, aber hochinteressante Gruppe engobierter Irdenwaren, die offensichtlich aus anderen Teilen des Landes stammen und Zeugnisse einer noch weniger bekannten und dokumentierten Produktion darstellen. Hier haben wir manchmal versucht, Provenienzen anzugeben, indem wir sie mit einigen wenigen Exemplaren verglichen, die in anderen Schweizer Sammlungen dokumentiert sind, oder indem wir uns von Michels Angaben in seinem handschriftlichen Inventar inspirieren liessen. Natürlich wird es im Laufe unseres Projekts immer mehr Möglichkeiten für Überschneidungen geben, die hoffentlich zu präziseren Zuschreibungsvorschlägen führen werden.

Hafnerei in Heimberg oder Steffisburg, spätes 19. Jahrhundert.

In dieser Gruppe ist insbesondere ein sehr erstaunlicher Wandbrunnen mit seinem Handwaschbecken hervorzuheben, der sich bislang keiner bekannten Typologie zuordnen lässt (MAHN AA 1415 und MAHN AA 3280). Er wurde in Basel gekauft und im Inventar als «Sakristeibrunnen» beschrieben. Zu dem Wandbrunnen ist eine fast exakte Parallele aus dem Museum Allerheiligen in Schaffhausen bekannt. In der Zwischenzeit konnte Andreas Heege Vergleichsobjekte in anderen Museumskomplexen untersuchen und kam zu dem Schluss, dass diese atypische Produktion wahrscheinlich von einem Berner Töpfer stammt, der im späten 19. oder frühen 20. Jahrhundert tätig war. Der relativ umfangreiche Korpus umfasst auffallend Töpferwaren mit gefälschten Daten und nachträglich ergänzte Objekte. Es scheint, dass der Fälscher seine Werke durch die Vermittlung eines Basler Händlers vermarktet hat (siehe Heege/Kistler 2017/2, CD, Datei mit Zusatztexten «Langnau-Nachahmungen-Fälschungen.pdf»). Heege schlägt vor, zwei weitere Objekte aus der Neuenburger Sammlung demselben Töpfer zuzuschreiben: eine Öllampe mit der gefälschten Datierung «1770» (MAHN AA 3281) und ein neu zusammengesetztes Weihwasserbecken (besonders mit der Wiederverwendung eines Deckel mit dem für Heimberg typischen Perlendekor – MAHN AA 1436).

Im selben Kapitel finden sich einige wenige Objekte, von denen man annehmen kann, dass sie aus dem Kanton Neuenburg stammen, namentlich aus der Hafnerei Champs Girard in der Nähe von Couvet (MAHN AA 2065; MAHN AA 3289). Es besteht kein Zweifel daran, dass die Gemeinde Couvet spätestens im 18. und 19. Jahrhundert ein Zentrum keramischer Aktivitäten war, doch scheint uns, dass das Ausmass dieser Aktivitäten von den lokalen Historikern im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts übertrieben dargestellt wird. Symptomatisch für dieses Phänomen ist die Rede, die Fritz Berthoud, der Präsident der Société d’histoire de Neuchâtel, 1872 zur Eröffnung der Generalversammlung der Gesellschaft hielt, die gerade in Couvet stattfand, wo der Redner behauptete, dass die Werkstätten des Ortes bereits im 16. Jahrhundert weithin bekannt waren (insbesondere im Burgund), «nicht nur für [ihre] Rechauds oder Glutbecken, sondern auch für [ihre] wunderschönen, in leuchtenden Farben bemalten Fayence-Kachelöfen, die die Zierde der Schlösser bildeten» (Berthoud 1872, 168). Der Bereich der Kachelofenpoduktion ist nicht Gegenstand unserer Arbeit, aber es ist offensichtlich, dass es in Couvet Werkstätten gab, die sich auf diesem Gebiet auszeichneten. Erwähnt sei hier nur der schöne Ofen aus engobierter Irdenware mit mehrfarbigem Blumen- und Vogeldekor auf schwarzbraunem Grund, der im MAHN ausgestellt ist und von Henry Frédéric und Jean Henry Borel «à Couvet» signiert wurde. Der Stil dieses Dekors, den wir in das erste Drittel des 19. Jahrhunderts datieren, ähnelt demjenigen, der auf einigen Gefässen der Sammlung zu sehen ist (MAHN AA 1231; MAHN AA 1467; MAHN AA 1768; MAHN AA 1412), jedoch nicht so sehr, dass wir daraus weitere Schlüsse ziehen können. Was die von Berthoud erwähnten «covets» (Glutbecken) betrifft, so werden wir später darauf zurückkommen (siehe das Kapitel «Keramik aus Couvet? Fayencen, Glutbecken und andere Irdenware»).

Was die anderen Schweizer Keramikkategorien betrifft, ist der Neuenburger Bestand weniger üppig ausgestattet. Grund dafür ist, dass einige dieser Produktionen, speziell im Bereich der Fayence, nur von kurzer oder sehr kurzer Dauer waren und weil zur Zeit der Zusammenstellung der Sammlung Fayence und Porzellan bereits zu deutlich höheren Preisen gehandelt wurden als Irdenware. Dennoch ist auch hier das Bestreben der Verantwortlichen zu erkennen, einen möglichst vollständigen Überblick über das nationale Kulturerbe wiederzugeben.

Dünnglasierte Fayence, eine spezielle Keramikvariante aus der Region Kanton Solothurn, bernischer Jura.

Fayencen – Zunächst ist ein besonders reiches Ensemble von sog. dünnglasierten Fayencen zu erwähnen, die zwischen den frühen 1660er- und frühen 1730er-Jahren entstanden und in den grossen Schweizer Sammlungen relativ weit verbreitet sind, deren exakte Herkunft jedoch noch immer unbekannt ist (MAHN AA 3286; MAHN AA 1572; MAHN AA 1577; MAHN AA 1580; MAHN AA 1574; MAHN AA 1579; MAHN AA 1575; MAHN AA1570; MAHN AA 1573; MAHN AA 1827; MAHN AA 1174; MAHN AA 1173; MAHN AA 2151; MAHN AA 1820; MAHN AA 1811; MAHN AA 1576; MAHN AA 1601; MAHN AA 1578). Wie viele andere Berner Keramiken, deren Zuordnung damals problematisch war, wurden diese Fayencen ab den 1880er-Jahren in der Rubrik «Simmental» eingeordnet. Diese Klassifizierung findet sich auch noch achtzig Jahre später bei Wyss, wobei der Autor jedoch einräumt, dass eine solche Zuteilung hauptsächlich auf der Tradition beruhte und durch keinerlei dokumentarische Beweise gestützt wurde (Wyss 1966, 15–23). Dass diese Keramik aus dem Kanton Bern oder Solothurn stammt, ist die einzige gesicherte Tatsache, da archäologische Funde darauf hindeuten, dass sie hauptsächlich im Kanton verbreitet war, vom Oberland bis in die Gegend von Moutier im Berner Jura (siehe dazu zwei Studien, die in der Zwischenzeit erschienen sind: Frey 2015, 221–248 «Dünnglasierte Fayence»; Heege/Kistler 2017/1, 106–113). Diese dünnglasierten Fayencen sind zweifellos handwerklich geprägt, im Gegensatz zu den hoch entwickelten Prozessen in Manufakturen, die vor allem durch das Phänomen der Arbeitsteilung gekennzeichnet sind, weshalb wir sie unter dem Oberbegriff «Töpferfayencen» zusammenfassen. In ihren Formen und Dekoren ähneln sie unbestritten bestimmten Erzeugnissen aus engobierter Irdenware mit hellem Grund, mit denen sie manchmal sogar verwechselt werden. Wir halten es für wahrscheinlich, dass ein und dieselbe Werkstatt beide Techniken anwenden konnte: engobierte Irdenware und zinn-bleiglasierte Fayencen oder sogar eine Kombination aus beiden, ermöglichte doch eine darunter liegende Engobeschicht, das teure Zinn einzusparen.

In der Sammlung des MAHN gibt es nur eine einzige Fayence aus Winterthur (Heege/Kistler 2017/1, 81-99), einen schönen Becher mit Fuss, versehen mit dem Bildnis des Frühlings, den wir auf die Jahre 1630–1640 datieren (MAHN AA 1522). Die Stadt Winterthur ist ebenfalls für ihre engobierten Irdenwaren auf hellem Grund bekannt, die mit gemalten Dekoren in einem ähnlichen Stil wie die lokalen Fayencen verziert sind. Die Sammlung enthält einige Beispiele, die wir der Einfachheit halber mit der oben erwähnten Fayence zusammengefasst haben (MAHN AA 2069; MAHN AA 2068; MAHN AA 2067).

Terrine aus der Zürcher Porzellanmanufaktur in Kilchberg-Schooren.

Im Bereich der Schweizer Fayence des 18. Jahrhundert ist natürlich die Manufaktur Zürich-Schooren, die am längsten und daher am meisten produzierte, am besten vertreten, mit einigen seltenen und qualitativ hochwertigen Beispielen wie einem Kerzenständer (MAHN AA 1944), von dem man vor allem die Porzellanversion (MAHN AA 2303) kannte; eine Sauciere mit Blumendekor (MAHN AA 1565) oder eine Suppenterrine mit «Hecken»-Dekor (MAHN AA 1564).

Manufaktur Frisching, Bern.

Die selteneren Berner Fayencen sind nur mit zwei Exemplaren vorhanden, die jedoch von höchster Qualität und einzigartig sind: eine Potpourri-Vase mit Trompe-l’oeil-Dekor der Manufaktur Frisching aus der Zürcher Sammlung von Heinrich Angst (MAHN AA 1867) und eine Schale mit Rocaille-Rand und Blumendekor in feiner Qualität, die wahrscheinlich aus der Manufaktur Willading stammt (MAHN AA 1520).

Gemäss unseren heutigen Kriterien besitzt das MAHN keine Fayencen aus den Manufakturen Hünerwadel oder Frey in Lenzburg. In seinen Beständen gibt es jedoch eine ganze Reihe von Objekten, die zum Zeitpunkt ihres Erwerbs Lenzburg zugeschrieben wurden – ein Phänomen, das auch in den meisten anderen Sammlungen des Landes und sogar im Ausland zu beobachten ist. Diese Verwechslung nahm in Bezug auf die Produkte der Manufaktur von Jacques Chambrette in Lunéville (MAHN AA 1672; MAHN AA 1669; MAHN AA 1373; MAHN AA 1665; MAHN AA 1666; MAHN AA 1667; MAHN AA 1668; MAHN AA 1666; MAHN AA 1664) ein besonderes Ausmass an.

Fayence aus Fribourg, Fabrik von François-Charles Gendre.

Der Neuenburger Bestand ist relativ reich an Freiburger Fayencen (siehe Maggetti 2007, wo das Neuenburger Korpus nicht berücksichtigt wurde), die in Museumssammlungen eher selten sind, mit einem Exemplar aus der Manufaktur von François Camélique (MAHN AA 2089) und sechs Exemplaren aus der Fabrik von François-Charles Gendre (MAHN AA 1676; MAHN AA 1671; MAHN AA 1677; MAHN AA 1875; MAHN AA 1874; MAHN AA 1885). In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass die Freiburger Produktion Ende des 19. Jahrhunderts noch immer nicht identifiziert war. Anfang der 1930er-Jahre wurde beispielsweise das Wappenservice der Familie de Gendre de Gléresse Frisching aus Bern zugeschrieben, und mit dieser Zuschreibung gelangten die beiden Neuenburger Beispiele in die Sammlung (MAHN AA 1875; MAHN AA 1874). Die anderen Freiburger Objekte wurden als «Schweizer» Fayencen, «aus Lenzburg» oder «aus Beromünster» erworben. Im Rahmen der Ausstellung «Zwanzig Jahrhunderte Keramik in der Schweiz» im Schloss von Nyon im Jahr 1958 wurde die Produktion von Camélique – oft mit «FC» gekennzeichnet – einer hypothetischen Manufaktur in Couvet zugeschrieben (Nyon 1958, 22). Auf den Mythos der Fayence aus Couvet werden wir später im Kapitel über deutsche Fayencen zurückkommen.

Was die von Andreas Dolder in Beromünster und später in Luzern hergestellten Fayencen betrifft, so sind diese durch zwei wahrscheinlich relativ späte Apothekengefässe vertreten, die ebenfalls aus der Sammlung Angst stammen (MAHN AA 3337; MAHN AA 3338). Beide Beispiele könnten aus der Luzerner Phase der Werkstatt stammen, für die bislang nur die Kachelofenproduktion bekannt ist.

Die Sammlung enthält auch einige vereinzelte Fayencen, die höchstwahrscheinlich aus der Schweiz stammen, darunter zwei Beispiele, die zu Hafnerwerkstätten in der Region Neuchâtel-La Neuveville zu gehören scheinen (MAHN AA 1881; MAHN AA 1799).

Porzellan – Die Gruppe der Porzellane aus Zürich-Schooren zeigt einmal mehr das Bestreben, ein möglichst vollständiges Bild der Produktion zu vermitteln, zumindest was das Geschirr betrifft. Zunächst ist ein 1891 erworbenes Set (offenbar ein neu zusammengesetztes Service) zu erwähnen, das einige schöne Beispiele für relativ frühe Blumenmalerei enthält (MAHN AA 2319; MAHN AA 2318; MAHN AA 2317; MAHN AA 2316). Aus demselben Grund wurden 1995 drei Objekte durch eine Schenkung in den Bestand aufgenommen (MAHN AA 1995-2; MAHN AA 1995-1; MAHN AA 1995-3).

Zürcher Porzellanmanufakur, Platte mit Blumen im Stil des Einsiedler-Service.

Zu den aussergewöhnlichen Stücken gehört auch eine grosse Platte mit einem imposanten Blumenstrauss, der in dem Stil gemalt ist, der auf dem berühmten Service vorherrscht, das die Zürcher Behörden 1776 dem Kloster Einsiedeln schenkten (MAHN AA 2378).

Das Porzellan aus Nyon ist vor allem durch eher alltägliche Beispiele vertreten, trotz des besonderen Interesses, das Michel im letzten Teil seiner Karriere für diese Manufaktur entwickelt zu haben scheint. In seinem Nachruf stellt Léon Montandon nämlich fest, dass «er sich neben der Berner Töpferei auch für das Porzellan aus Nyon interessierte» (Montandon 1935, 241). Die grosse Mehrheit der Ankäufe in diesem Bereich erfolgte zwischen 1903 und 1935, als Exemplare von besserer Qualität selten und teuer geworden waren.

Porzellan aus Nyon, Suppenterrine mit Untersetzer.

Zu den bemerkenswerten Objekten gehört die Zuckerdose der Marschallin von Roll in Solothurn, die ein gutes Beispiel für das erstklassige Tafelgeschirr ist, das Nyon um 1790 herstellte, als die Manufaktur auf dem Höhepunkt ihrer Entwicklung war (MAHN AA 2390). Ebenfalls erwähnenswert sind die 1910 erworbene Suppenschüssel mit einem Untersetzer (MAHN AA 2452; MAHN AA 2453) und eine Tasse mit Untertasse, die mit einem Monogramm «MP» verziert ist, das aufgrund der Herkunft der Objekte auf ein Mitglied der Familie de Pury hinweisen könnte (MAHN AA 2416).

Nyon, Kopien zur Ergänzung eines chinesischen Porzellan-Service.

Besonders interessant sind die drei Exemplare, von denen eines 1905 von Jean de Pury und die beiden anderen 1996 von Domique de Montmollin gestiftet wurden (MAHN AA 2456; MAHN AA 1996-1), drei Objekte, von denen man annehmen kann, dass sie aus ein und demselben ursprünglichen Ensemble stammten: Nachfüllstücke, die in Nyon bestellt wurden, um ein Service aus importiertem chinesischem Porzellan («Compagnie des Indes») zu vervollständigen.

Fayence und Steingut des 19. Jahrhunderts – Wir haben diese beiden Arten von Keramikprodukten aus dem einfachen Grund zusammengefasst, weil sie manchmal in ein und derselben Manufaktur parallel produziert wurden, wie in Kilchberg-Schooren ZH und Matzendorf SO. Die Steingutmanufakturen in Nyon und Carouge werden durch relativ einfache und wenige Ensembles illustriert. Offensichtlich waren die Verantwortlichen der Sammlung nicht besonders an diesen Produktionen interessiert, die bereits stark von der Industrialisierung geprägt waren. Die wenigen Erwerbungen in diesem Bereich erfolgten eher spät in den Jahren 1914 und 1932.

Besser vertreten sind die Produkte aus den Betrieben, die in Kilchberg ZH an den Orten «Schooren» und «Böndler» angesiedelt waren, dabei handelt es sich aber fast ausschliesslich um Fayencen. In Kilchberg befanden sich im 19. Jahrhundert zwei Manufakturen, während sich zwei weitere in der Nachbargemeinde Rüschlikon ansiedelten. Stilistisch können die Produkte bis heute nicht getrennt werden.

Kilchberg-Schooren, Manufaktur Hans Jakob Nägeli, um 1810-1815.

Im Schooren hatte Mathias Neeracher (1756–1800) 1792 die alte Fayence- und Porzellanmanufaktur übernommen, um sich dort hauptsächlich der Herstellung von Fayencen, Steingut und braunem Kochgeschirr zu widmen. Nach seinem Tod erbte seine Tochter Anna Magdalena das Unternehmen, bevor sie es an Neerachers zweite Frau Anna Herdener verkaufte. Diese heiratete in zweiter Ehe den Gemeindepräsidenten von Kilchberg, Hans Jakob Nägeli (1772–1830), der die Manufaktur 1802 kaufte. Er gab die Produktion von Steingut sehr bald auf, wahrscheinlich schon 1804. Sein Sohn Johann Jakob (gest. 1860) übernahm 1830 die Leitung. Dieser sah sich mit ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten konfrontiert und musste sich 1849 dazu entscheiden, das Unternehmen zu schliessen. Seine Schwester Louise Nägeli übernahm das Geschäft, das damit in eine Übergangsphase eintrat, über die wir praktisch nichts wissen. Im Jahr 1858 verkaufte Louise das Grundstück und die Anlagen an Johann Jakob Staub (1825–1897), der die Produktion bis zu seinem Tod in kleinerem Umfang vor allem mit manganglasiertem Geschirr fortsetzte, von dem die Museumssammlung keine Belege enthält. Seine Erben setzten dem Unternehmen 1907 einen Schlusspunkt. Die Gebäude wurden 1919 zu Landhäusern umgebaut, bevor sie 2002 ohne Genehmigung abgerissen wurden (Matter 2012, 14-17).

Kilchberg-Schooren, Manufaktur Johannes Scheller, um 1855-1860.

Bereits 1820 eröffnete Johannes Scheller senior in Kilchberg im Böndler eine zweite Fabrik, die 1835 an den Schooren verlegt wurde. Nach dem Tod des Gründers im Jahr 1846 übernahm Johannes Scheller junior die Leitung des Unternehmens. In den Jahren 1847/48 führte er die Produktion von Steingut ein. Die Manufaktur Scheller stellte 1869 den Betrieb ein (Matter 2012, 17).

In Rüschlikon entstanden in den 1830er-Jahren zwei weitere kleinere Fayencefabriken: die von Jakob Fehr, die von 1832 bis 1866 tätig war, und die der Gebrüder Abegg, die nur wenige Jahre, von 1836 bis 1842, produzierte (Matter 2012, 17).

Alle diese Produktionen sind in Form und Dekor relativ homogen, und es nicht immer einfach, sie voneinander zu unterscheiden (Schnyder 1990). Auf den ersten Blick besteht das Neuenburger Ensemble hauptsächlich aus Objekten, die den beiden Kilchberger Manufakturen zuzuordnen sind. In den Fällen, in denen eine Entscheidung nicht möglich ist, haben wir die Bezeichnung «Kilchberg» (entweder Nägeli im Schooren oder Scheller im Böndler, vor 1835) oder «Kilchberg-Schooren» (entweder Nägeli oder Scheller, nach 1835) verwendet.

Matzendorf-Aedermannsdorf, Manufaktur Matzendorf, 1845.

Die Manufaktur in Matzendorf im Kanton Solothurn wurde 1798 auf Anregung von Louis von Roll (1771–1839) gegründet, einem prominenten Mitglied einer Solothurner Patrizierfamilie, die sich über mehrere Jahrhunderte hinweg in der Industriegeschichte der Schweiz auszeichnen sollte. Aller Wahrscheinlichkeit nach kam seine Produktion von Fayence und Steingut ab etwa 1800 zum Tragen. Die letzten datierten Beispiele für Steingut stammen aus dem Jahr 1820, während die Fayenceproduktion nachhaltiger war und sich mindestens bis 1884 hielt, als das Unternehmen unter dem Namen «Thonwarenfabrik Aedermannsdorf» endgültig in das Industriezeitalter eintrat (siehe Vogt et al. 2000; Schnyder 2008). Die Solothurner Produktion erreichte bei Weitem nicht das Ausmass der Zürcher Fabriken, zumindest nicht im Bereich der dekorierten Fayencen. Entsprechend selten sind die Objekte in unseren Museen, insbesondere für die Zeit vor den 1840er- und 1950er-Jahren.

Matzendorf, Steingut, 1816.

In diesem Zusammenhang ist das im Museum von Neuenburg aufbewahrte Ensemble bemerkenswert, mit insbesondere drei äusserst seltenen Beispielen aus Steingut (MAHN AA 2213; MAHN AA 1697; MAHN AA 1696) und einem frühen Exemplar aus Fayence mit einem unveröffentlichten Dekor (MAHN AA 1930 und 1931), das wir auf einem zweiten im Kanton aufbewahrten Objekt im Regionalmuseum Val-de-Travers (MRVT Nr. 70) wiedergefunden haben.

Die Sammlung europäischer Keramik

Die Begeisterung der Museumsleiter für Keramik machte nicht Halt an den nationalen Grenzen, sondern öffnete sich auch nach Europa – vor allem in die Nachbarländer – und, wie wir sehen werden, sogar nach Asien. Diese Öffnung führte in der Regel zu bescheideneren Ergebnissen als im Bereich der schweizerischen Keramik, da der Zugang zu ausländischen Objekten natürlich weniger direkt war. Wie wir später sehen werden, unterhielt das Museum gelegentlich Kontakte zu einigen deutschen Antiquitätenhändlern, aber der Grossteil der europäischen Sammlung bestand aus Objekten, die sich wahrscheinlich schon seit einiger Zeit im Land befanden und im Wesentlichen das widerspiegeln, was wir über die Geschichte der Keramikimporte in die Schweiz im 18. und 19. Jahrhundert wissen.

Angesichts der Anstrengungen, die das Museum für die Entwicklung der Schweizer Bestände unternahm, ist es leicht verständlich, dass sein Engagement im europäischen Sektor geringer war: Während beispielsweise im Bereich der Schweizer Fayencen die Ankäufe 75% der Ankäufe ausmachten, waren es bei der Entwicklung der Bestände an französischer und deutscher Fayence nur 40%. Und auch im Bereich Porzellan ist das Verhältnis ungefähr gleich. Es fällt auch auf, dass eine Reihe ausländischer Objekte – insbesondere im Bereich der französischen und deutschen Fayencen – nur deshalb in die Bestände aufgenommen wurden, weil sie damals nationalen Produktionszentren zugeordnet wurden, wie wir später noch sehen werden. Insgesamt zeigt der europäische Bestand, schon durch die Tatsache, dass er sich stärker auf Spenden stützte, ein weniger kohärentes Bild als der schweizerische Sammlungsteil.

Französische Fayencen – Dieses Segment der Sammlungen zeichnet sich durch ein spektakuläres Vorherrschen an Fayencen aus dem Osten Frankreichs aus, wie es auch in anderen Schweizer Sammlungen zu beobachten ist, insbesondere aus Gebieten entlang des Juras und des Mittellands. Diese Regionen waren in der Tat ein natürlicher Absatzmarkt für die unzähligen Manufakturen, die in der Franche-Comté, im Elsass und bis nach Lothringen ansässig waren. Die Importe nahmen in den Jahren 1750-60 ein beträchtliches Ausmass an, zu einer Zeit, als die einheimische Fayenceproduktion praktisch inexistent war oder zumindest bei Weitem nicht ausreichte, um den Bedarf einer Bevölkerung zu decken, die immer empfänglicher für die Mode des Fayence-Geschirrs wurde (Schnyder 1973). Die beiden grossen Manufakturen, die sich in diesem Zusammenhang am prägnantesten hervortaten, waren die der Hannongs in Strassburg für das obere Marktsegment und die von Jacques Chambrette in Lunéville, die auch günstigere Produkte anbot, die hauptsächlich mit der Scharffeuermalerei dekoriert waren.

Fayence aus Strassburg.

Die Sammlung umfasst nur neun Fayencen aus Strassburg, darunter fünf bemerkenswerte Beispiele: Ein Wandbrunnen mit einer bekannten Form, der aber mit einem bisher unbekannten Dekor versehen ist (MAHN AA 1336), eine klassische Wasserkanne aus der Zeit von Paul Hannong (MAHN AA 1337), einen relativ kleinen Teller, der jedoch sehr selten ist (MAHN AA 1389), eine Sauciere mit dem Dekor «Indische Blumen» (MAHN AA 1380) und eine Terrine mit Trompe-l’œil-Dekor in Form eines Kohls (MAHN AA 1279). Sowohl die Kanne als auch die Sauciere tragen die gleiche Malermarke: «IHK». Es ist bemerkenswert, dass diese Marke kurz vor dem Erwerb der Objekte als Eigentum von J. H. C. Klug interpretiert wurde, einem der Partner von Marx Hünerwadel, dem Gründer der ersten Manufaktur in Lenzburg, die 1762 ihre Arbeit aufnahm (Lehmann 1920, 38-39, 43 und 53). Im Zuge dessen schlug Hans Lehmann vor, mit «Indischen Blumen» verzierte Fayencen in der Art unserer Sauciere Lenzburg zuzuschreiben. Erklärt diese falsche Zuordnung – es sei hier daran erinnert, dass Lehmann der erste Autor war, der versuchte, eine Geschichte der Lenzburger Fayence zu entwerfen – die Präsenz dieser Strassburger Objekte in Neuchâtel? Die Entscheidung ist nicht einfach zu treffen.

Lunéville, Manufaktur von Jacques Chambrette.

Bei den Fayencen aus Lunéville, von denen das Museum ein Dutzend Exemplare besitzt (MAHN AA 1672; MAHN AA 1669; MAHN AA 1373; MAHN AA 1665; MAHN AA 1668; MAHN AA 1666; MAHN AA 1664; MAHN AA 1405; MAHN AA 1795; MAHN AA 1358; MAHN AA 1357; MAHN AA 1359), ist die Zuteilung klarer. Im selben Artikel schrieb Lehmann Lenzburg mehrere Arten von Fayencen zu, die in den Sammlungen des Landes besonders verbreitet sind: Objekte mit violetter Scharffeuermalerei, namentlich dem berühmten «Kranichdekor» (MAHN AA 1669; MAHN AA 1665; MAHN AA 1668; MAHN AA 1664), «Indische Blumen»-Motive in polychromer Scharffeuer- (MAHN AA 1672; MAHN AA 1373) oder Aufglasurmalerei (MAHN AA 1795) oder Dekore mit Purpurrosen in Aufglasurmalerei (MAHN AA 1358; MAHN AA 1357; MAHN AA 1359). Aus den alten Inventaren geht klar hervor, dass zumindest ein Teil dieser Fayencen tatsächlich als Lenzburger Produkte erworben wurden.

Lunéville, Manufaktur von Jacques Chambrette.

Dieses Missverständnis, das sich in Lehmanns Artikel herauszukristallisieren beginnt, bevor es dreissig Jahre später von Siegfried Ducret (Ducret 1950) bestätigt und weiterverfolgt wurde, wurde erst 1973 von Rudolf Schnyder aufgelöst. Ausgehend von der einfachen Feststellung, dass die kleine Manufaktur von Hünerwadel, von der man inzwischen wusste, dass sie kaum länger als ein Jahr bestanden hatte, niemals in der Lage gewesen wäre, eine so umfangreiche und vielfältige Produktion zu realisieren, schlug Schnyder vor, diese der Manufaktur von Jacques Chambrette in Lunéville zuzuschreiben. Eine Einrichtung, deren Bedeutung bekannt war und die seinerzeit von der prestigeträchtigen Unterstützung Stanislas Leszczynskis profitiert hatte, deren gesamte Produktion aber immer noch nicht identifiziert worden war. Später wurde die Herkunft der Fayencen aus Lothringen durch Nachforschungen in den Archiven der Manufaktur, Vergleiche mit dokumentierten Objekten und archäometrische Analysen endgültig bestätigt (siehe insbesondere Bastian und Bastian 2009, 70–71; Rosen und Maggetti 2012, 39-60). Die Produktion der Manufaktur von Jacques Chambrette ist unter anderem auch in archäologischen Funden aus Mülldeponien in der Stadt Bern belegt (Heege 2010, 68, Abb. 51).

Produktion der Manufaktur von Claude Gautherot in Boult (Haute-Saône).

Die Kreationen aus Lunéville hatten einen grossen Einfluss auf viele kleine Manufakturen in Lothringen, aber auch in der Franche-Comté, die die in Chambrettes Unternehmen erdachten Dekorformeln mit mehr oder weniger grosser Genauigkeit neu interpretierten. Unter diesen Werken, die auch in der Schweiz weit verbreitet waren, gibt es eine stilistisch kohärente Gruppe, die häufig mit einer Marke versehen ist, die mal als «9», mal als «g» interpretiert wird. Zusammen mit Rudolf Schnyder schlagen wir vor, diese relativ typische Produktion der Manufaktur von Claude Gautherot zuzuschreiben, die zwischen 1752 und 1772 in Boult (Haute-Saône) tätig war (MAHN AA 1288; MAHN AA 1289; MAHN AA 1280; MAHN AA 1769; MAHN AA 1282; MAHN AA 1285; MRVT Nr. 96; MRVT Nr. 79; MAHN AA 1286; MAHN AA 1281; MHLCF Nr. 7; MAHN AA 1797). Siehe hierzu das Kapitel über «Boult, Manufacture de Claude Gautherot».

Tischbrunnen aus Meillonnas (Ain).

Die anderen Regionen Frankreichs sind in der Sammlung durch eher vereinzelte Beispiele vertreten wie beispielsweise ein Fayenceexemplar aus Meillonnas (Ain) aus dem ausgehenden 18. Jahrhundert: ein Tischbrunnen mit einem mehrfarbigen Dekor, der von den Groteskenmotiven aus Moustiers inspiriert ist (MAHN AA 1291; MAHN AA 3355). Bemerkenswert ist auch eine vermutlich aus Paris stammende Schüssel mit einem blauen Lambrequin-Dekor von aussergewöhnlicher Qualität (MAHN AA 1275) oder eine Schüssel mit Chinesen-Dekor aus der Manufaktur Leroy in Marseille (MAHN AA 1339).

Hanau, um 1760-1770.

Deutsche Fayencen – Die Gruppe der deutschen Fayencen ist zwar zahlenmässig etwas kleiner als die französische Gruppe, umfasst aber dennoch etwa 60 Objekte, darunter eine relativ grosse Gruppe von Fayencen mit blau-weissen Dekoren aus süddeutschen Manufakturen (insbesondere Hanau und Nürnberg). Es ist mittlerweile gut belegt, insbesondere durch eine Reihe archäologischer Funde, dass diese Art von Keramik reichlich in die helvetischen Gebiete exportiert wurde. Die starke Präsenz dieser Art von Fayencen in der Neuenburger Sammlung lässt sich jedoch auch durch ein weiteres Missverständnis erklären: Aus den Inventaren des Museums geht hervor, dass eine beträchtliche Anzahl dieser Objekte zum Zeitpunkt ihres Erwerbs als Schweizer Produkte galten und entweder mit dem Etikett «Alt Zurich» (MAHN AA 1516; MAHN AA 1861; MAHN AA 1545; MAHN AA 1888; MAHN AA 1542; MAHN AA 1527; MAHN AA 1889; MAHN AA 1891; MAHN AA 1546; MAHN AA 1541; MAHN AA 1523), «Ostschweiz» (MAHN AA 2125 ) oder «Winterthur» (MAHN AA 1861) in die Bestände aufgenommen wurden, wobei diese Zuordnungen erst viel später beiläufig von Kennern korrigiert wurden.

Eine weitere relativ grosse Gruppe bilden die Fayencen aus Durlach oder Mosbach in Baden-Württemberg (MAHN AA 1382; MAHN AA 3342; MAHN AA 1904; MAHN AA 1921; MAHN AA 1927; MAHN AA 1920), die ebenfalls Gegenstand falscher Zuordnungen waren. Wir werden auf dieses Neuenburger Phänomen im Zusammenhang mit dem Regionalmuseum Val-de-Travers zurückkommen.

Majolika aus Venedig, um 1540-1550.

Italienische Fayence – Das einzige Beispiel für die italienische Majolika-Kunst des 16. Jahrhunderts ist eine schöne, wenn auch fragmentarische Schale, die in Venedig vom «Maler der Éloquence» (MAHN AA 1758) dekoriert wurde. Obwohl das Objekt beschädigt war, wurde es offensichtlich hochgeschätzt, da einer seiner früheren Besitzer darauf geachtet hatte, es mit einer Metallleiste zu umranden. Angesichts der neuen – überraschend symmetrischen – Form des Tellers muss man annehmen, dass bei der Montage ein mehr oder weniger grosser Teil des ursprünglichen Gefässes geopfert wurde. Die kleine Gruppe der italienischen Fayencen umfasst ausserdem eine Reihe von Beispielen von Deruta, von denen die meisten mit den stereotypen Groteskendekoren verziert sind, die in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts in Massenproduktion hergestellt wurden (MAHN AA 1727; MAHN AA 1725; MAHN AA 1739; MAHN AA 1729; MAHN AA 1728; MAHN AA 1737; MAHN AA 1738; MAHN AA 1740). Die meisten dieser Beispiele wurden 1892 bei einer «Auktion Léon Berthoud» in Neuchâtel erworben. Der Neuenburger Maler Rodolphe Léon Berthoud (1822–1892) hatte diese Fayencen höchstwahrscheinlich aus Italien mitgebracht, das er 1845 zum ersten Mal besuchte, bevor er in Rom arbeitete.

Unter den späteren Objekten sind zwei schöne Beispiele aus Castelli zu erwähnen, darunter ein Becher, der offenbar von Carmine Gentili, einem der dortigen Fayencemeister, verziert wurde (MAHN AA 1718; MAHN AA 1719) sowie zwei Apothekengefässe, die einer noch wenig bekannten Manufaktur zugeschrieben werden können, die 1769 von dem berühmten Geminiano Cozzi in Venedig gegründet wurde (MAHN AA 3336; MAHN AA 3335). Bemerkenswert ist auch ein Teller mit Blumendekor aus der Manufaktur Ferretti in Lodi, der 1932 mit der Erwähnung «Lenzburg» erworben wurde (MAHN AA 1667).

Delft, Schlittenmodell (Nippes), um 1740-1760.

Niederländische Fayence – Die enorme Produktion der zahlreichen Manufakturen in Delft ist durch einige klassische, wenn nicht sogar einfache Stücke vertreten (MAHN AA 1599; MAHN AA 1507; MAHN AA 1514; MAHN AA 1509; MAHN AA 1515; MAHN AA 1512; MAHN AA 1528; MAHN AA 1511; MAHN AA 1501; MAHN AA 1513; MAHN AA 1510). Zwei Objekte stechen besonders hervor: ein kleiner Teller mit chinesisch inspiriertem Dekor, der aus einem der besten Betriebe des Ortes, der Manufaktur «A Grec», stammt (MAHN AA 1599), und ein Schlittenmodell aus den Jahren 1740-60 (MAHN AA 1528).

Enghalskanne aus dem deutschen Westerwald, auflagendatiert 1693.

Deutsches Steinzeug – Fast die gesamte kleine Gruppe, die repräsentativ für die Produkte ist, die zwischen dem letzten Viertel des 17. und dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts in grossem Umfang aus dem Westerwald in die Schweiz importiert wurden, gelangte durch Ankäufe in die Sammlung (MAHN AA 2282; MAHN AA 3364; MAHN AA 2277; MAHN AA 3372; MAHN AA 2281; MAHN AA 3368; MAHN AA 2278; MAHN AA 3365; MAHN AA 2279; MAHN AA 3371; MAHN AA 2280; MAHN AA 2292; MAHN AA 2291; MAHN AA 3366; MAHN AA 2286; MAHN AA 3367; MAHN AA 3369; MAHN AA 3370; MAHN AA 2289; MAHN AA 2285; MAHN AA 2287; MAHN AA 2293; MAHN AA 3319; MAHN AA 2284; MAHN AA 2288; MAHN AA 1748; MAHN AA 1752). Vier Kannen aus dem späten 17. Jahrhundert zeichnen sich durch aufwendigere Verzierungen, Monogramme von Auftraggebern oder sogar durch ein datiertes Motiv aus (MAHN AA 2276; MAHN AA 2283; MAHN AA 3320; MAHN AA 2274).

Es sei übrigens bemerkt, dass alle diese Steinzeugformen– in kleinen Mengen, aber regelmässig – in archäologischen Funden aus städtischen Deponien in der Schweiz für den Zeitraum 1600–1850 belegt sind. Dasselbe – in seiner Vielfalt stark eingeschränkte – Formenrepertoire findet sich auch beim Servier- und Trinkgeschirr wie Kannen, kleinen Krügen und Bierhumpen (Heege 2009).

Zuckerdose aus Fürstenberg.

Deutsches Porzellan – Um das Meissener Porzellan zu illustrieren, kauften die Museumsverantwortlichen einige Beispiele, die hauptsächlich aus der laufenden Produktion stammten. Sechs Teller und ein Korb mit «Kakiemon»-Dekor, die wahrscheinlich aus demselben Service stammten, wurden 1912 als Schenkung aufgenommen (MAHN AA 2783; MAHN AA 2816). Die meisten der grossen deutschen Manufakturen sind vertreten, manchmal mit einem einzigen Stück (Fürstenberg, Nymphenburg – MAHN AA 2720; MAHN AA 2841), manchmal mit einer kleinen Gruppe von Beispielen unterschiedlicher Qualität: Höchst (MAHN AA 2724; MAHN AA 2725; MAHN AA 2722; MAHN AA 2721; MAHN AA 2727; MAHN AA 2723), Frankenthal (MAHN AA 2824; MAHN AA 2825; MAHN AA 2826), Ludwigsburg (MAHN AA 2758; MAHN AA 2759; MAHN AA 2763; MAHN AA 2758; MAHN AA 2759; MAHN AA 2763; MAHN AA 2764; MAHN AA 2760; MAHN AA 2766; MAHN AA 2765; MAHN AA 2761; MAHN AA 2767; MAHN AA 2762; MAHN AA 2812; MAHN AA 2769; MAHN AA 2768; MAHN AA 2771) und Ansbach (MAHN AA 2845; MAHN AA 2843; MAHN AA 2844). Besonders erwähnenswert ist ein unvollständiges Trinkgeschirr aus Frankenthal, das neoklassizistische Formen aufweist, die uns bisher nicht bekannt waren (MAHN AA 2716; MAHN AA 2717; MAHN AA 2718; MAHN AA 2719).

Staatsporzellan (KPM), Gastgeschenk an Louis de Pourtalès, Staatsrat von Neuenburg.

Wie zu erwarten hat die preussische Vergangenheit Neuenburgs ihre Spuren in diesem Teil der deutschen Bestände des Museums hinterlassen: Porzellan aus der Königlichen Manufaktur in Berlin bildet die grösste und qualitativ bemerkenswerteste Gruppe. Sieben Objekte sind von historischer Bedeutung: eine Fussschale (MAHN AA 4120) und sechs Tassen mit Untertassen (MAHN AA 2926; MAHN AA 2925; MAHN AA 2923; MAHN AA 2921; MAHN AA 2924; MAHN AA 2922). Sie waren Geschenke von Friedrich Wilhelm III., König von Preussen und Prinz von Neuenburg, an Graf Louis de Pourtalès, Staatsrat von Neuenburg, als Dank für seine Dienste bei der Reise des Königs in die Schweiz und nach Neuenburg im Jahr 1814 und bei der Reise des königlichen Prinzen, des späteren Friedrich Wilhelm IV. im Jahr 1819. Diese eigens für den Anlass bestellten und – was die Ornamentik betrifft – einzigartigen Objekte wurden mit situationsbezogenen Sujets aufgewertet, die auf Schweizer Stichvorlagen basierten und von erstklassigen Malern ausgeführt wurden.

Vasen KPM mit Darstellungen von Feldmarschall Blücher und Staatskanzlers Karl August von Hardenberg.

Ebenfalls sehr schön sind die beiden Vasen mit den Abbildungen des Marschalls Blücher und des Staatskanzlers Karl August von Hardenberg, deren Herkunft nicht geklärt werden konnte (MAHN AA 2813; MAHN AA 2814). Mehrere Tassen und Untertassen mit dem Bildnis der Herrscher zeugen von der Verbundenheit der lokalen Aristokratie mit dem Haus Preussen und sind typische Beispiele für diese Art von Souvenirs (MAHN AA 3849; MAHN AA 2754; MAHN AA 2755; MAHN AA 2933; MAHN AA 2934; MAHN AA 2740; MAHN AA 2739).

Frankreich, Île-de-France, Paris, Rue de la Fontaine-au-Roi, Manufaktur Locré et Russinger, um 1780-1785.

Französisches Porzellan – Abgesehen von einigen Exemplaren aus der lothringischen Manufaktur Niderviller (MAHN AA 2664; MAHN AA 2673; MAHN AA 2687; MAHN AA 2679), besteht diese Sammlung hauptsächlich aus Porzellan von Manufakturen aus Paris oder der Pariser Umgebung. Zuerst sind zwei Gefässe aus Weichporzellan aus Saint-Cloud (MAHN AA 2657; MAHN AA 2658) zu erwähnen, klassische Modelle, die in Schweizer Sammlungen nicht so häufig anzutreffen sind. Die königliche Manufaktur in Sèvres ist mit einigen relativ einfachen Exemplaren und einer interessanteren Tasse und Untertasse aus dem Jahr 1789 vertreten, deren Dekor einen ruhenden Soldaten zeigt, ein Thema, das wahrscheinlich mit den Ereignissen in Frankreich in diesem entscheidenden Moment seiner Geschichte in Verbindung steht (MAHN AA 2617). Die Pariser Fabriken sind durch Beispiele aus der laufenden Produktion dokumentiert, die insbesondere einen Einblick in die tausendundeine Variation rund um das Kornblumenthema bieten (MAHN AA 2641; MAHN AA 2638; MAHN AA 2647; MAHN AA 2534; MAHN AA 2663; MAHN AA 2636; MAHN AA 2642). Seltener ist ein vermutlich unvollständiger Tafelaufsatz aus der Manufaktur Locré in Paris (MAHN AA 2606; MAHN AA 2607; MAHN AA 2608; MAHN AA 2609; MAHN AA 2610; MAHN AA 2611; MAHN AA 2612) sowie ein Service mit Schmetterlingsdekor, dessen Marke den Experten für Pariser Porzellan bislang unbekannt war (MAHN AA 2381; MAHN AA 2389; MAHN AA 2387; MAHN AA 2382; MAHN AA 2383).

Körbchen mit Untersetzer, creamware, Yorkshire, um 1780-1800.

Europäisches Steingut und Feinsteinzeug – Im Bereich des englischen Steinguts besitzt das Museum unter anderem zahlreiche Überbleibsel von zwei Services (oder einem gemischten Service) der Manufakturen Wedgwood und Neale, die von ein und derselben Neuenburger Familie stammen. Es handelt sich um ein Ensemble von Grundmodellen, die offensichtlich häufig verwendet wurden (MAHN AA 2156; MAHN AA 1935; MAHN AA 1934; MAHN AA 1936; MAHN AA 1965; MAHN AA 1942; MAHN AA 1968; MAHN AA 1961; MAHN AA 1958; MAHN AA 1979; MAHN AA 1992; MAHN AA 1967).

Teekanne „Black Basalt“, Manufaktur Neale.

Die Manufakturen Neale und Wedgwood sind auch mit Feinsteinzeug vertreten, insbesondere mit dem Typ «Black Basalt», der in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts in ganz Europa äusserst beliebt war (MAHN AA 1607; MAHN AA 1612; MAHN AA 1609; MAHN AA 1611; MAHN AA 1608; MAHN AA 1613; MAHN AA 2600; MAHN AA 1614). Das von Wedgwood erfundene schwarze Feinsteinzeug war so beliebt, dass zahlreiche Manufakturen, vor allem in Frankreich, mit dieser englischen Spezialität konkurrierten (MAHN AA 1332; MAHN AA 1329 und 3353; MAHN AA 1325; MAHN AA 1327; MAHN AA 1330; MAHN AA 1326).

Tasse und Untertasse, Zell am Harmersbach, Baden-Württemberg.

Im Bereich des französischen und deutschen Steinguts finden sich in Neuchâtel die gleichen Typen wie in anderen Schweizer Sammlungen. Die meisten Produkte stammen aus den ostfranzösischen Manufakturen Creil und Montereau (MAHN AA 1365; MAHN AA 1370; MAHN AA 1369; MAHN AA 1324; MAHN AA 1993-8; MAHN AA 1368; MAHN AA 1368; MAHN AA 1397; MAHN AA 1397; MAHN AA 1397; MAHN AA 1397; MAHN AA 1397; MAHN AA 1397; MAHN AA 1367; MAHN AA 1378) oder aus der Fabrik in Zell am Harmersbach in Baden-Württemberg (MAHN AA 1992-61; MAHN AA 1992-47; MAHN AA 1992-42; MAHN AA 1992-41; MAHN AA 1992-46; MAHN AA 1786). All diese Produkte, die die Industrialisierung einläuteten, wurden ab Ende des 18. und in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts in grossen Mengen in einen Grossteil der Eidgenossenschaft importiert. Eine seltene und schöne Kaffeekanne mit polychromem Dekor aus der berühmten Manufaktur Boch in Septfontaines, Luxemburg (MAHN AA 1505), ist bei dieser Gelegenheit ebenfalls erwähnenswert.

Der asiatische Sammlungsbestand

Der Grossteil der chinesischen und japanischen Keramik, die der Stadt Neuenburg gehört, wird heute im Musée d’ethnographie aufbewahrt; diese Objekte werden daher im Kapitel über diese Institution besprochen. Es ist jedoch anzumerken, dass die Hälfte dieses Bestands vor 1904 entstanden ist, dem Jahr, in dem die ethnografischen Sammlungen endgültig von den historischen Sammlungen getrennt wurden, um an einem eigenen Standort untergebracht zu werden. Nach der Trennung der Bestände ab den 1920er-Jahren baute das Historische Museum vor allem dank Schenkungen und Nachlässen eine Sammlung von chinesischem (etwa 150 Objekte) und japanischem Porzellan (etwa 15 Objekte) wieder auf. Darunter befinden sich einfache Beispiele von Importporzellan mit blau-weissem Dekor oder mit Dekor «Famille rose» die hauptsächlich aus der Regierungszeit der Kaiser Kangxi (1661–1722) oder Qianlong (1736–1796) stammen.

China, Jiangxi, Jingdezhen, Epoche Kangxi, ums 1710-1720, dekoriert in den Niederlanden um 1740-1745.

Das bemerkenswerteste Objekt ist zweifellos eine chinesische Porzellanschale, die in den Niederlanden mit einem Motiv verziert wurde, das sich wahrscheinlich auf die Hochzeit von Prinz Wilhelm IV. von Oranien und Prinzessin Anne von England im Jahr 1734 bezieht (MAHN AA 2881). Keramische Gefässe mit Darstellungen zu Ehren des Hauses Oranien waren in den Niederlanden und in England seit dem 16. Jahrhundert sehr beliebt. Das vorliegende Beispiel zeichnet sich jedoch durch seine reiche Verzierung aus; es ist nur ein zweites Exemplar bekannt, das noch in den Niederlanden aufbewahrt wird. Aus der kleinen Gruppe der japanischen Porzellane, die ebenfalls nur für den Exportmarkt bestimmt waren, ist schliesslich eine imposante, mehrfarbige Terrine im «Imari»-Stil zu erwähnen (MAHN AA 2908).

Der Sammlungsbestand der Moderne

In seiner Jahreschronik 1899 (Heft 3, 153) berichtete Alfred Godet «[…] zahlreiche Stücke moderner Glas-, Porzellan- und Fayencewaren, Werke […], die wir in geschlossenen Schubladen für die Nachwelt aufbewahren. Wir haben uns, wie ich glaube, zu Recht gesagt, dass die schönen Produkte der modernen Kunst […] eines Tages selten werden und dass unsere Nachkommen uns dankbar sein werden, dass wir ihnen einige Stücke erhalten haben, die heute schon nicht mehr erhältlich sind». Eine derart vorausschauende Haltung ist für ein historisches Museum sicherlich ungewöhnlich, noch dazu zu dieser Zeit. Ein genauerer Blick auf die zahlenmässig relativ bescheidene Anzahl moderner Keramiken im Museum zeigt, dass die meisten dieser Objekte aus der Tradition der bernischen engobierten Irdenware – insbesondere aus der Region Heimberg/Steffisburg – stammen und in gewisser Weise eine natürliche Fortsetzung der historischen Sammlung darstellen.

Langenthal, Porzellanmanufaktur, um 1917-1918.

Im Bereich des Modernismus sind einige Steinzeugarbeiten von Paul Bonifas (MAHN AA 2238; MAHN AA 2241; MAHN AA 2242; MAHN AA 2243; MAHN AA 2244), Beispiele französischer Jugendstilfayencen und Steingutarbeiten (MAHN AA 2314; MAHN AA 1044; MAHN AA 2313; MAHN AA 3329) sowie Porzellan aus Langenthal bemerkenswert (MAHN AA 2604; MAHN AA 2649; MAHN AA 2640; MAHN AA 2691; MAHN AA 2692; MAHN AA 2693; MAHN AA 2694).

La Chapelle-sur-Carouge, Poterie de la Chapelle – Marcel Noverraz, um 1930-1931.

Dazu kommt eine Reihe von Fayencen von Marcel Noverraz in Carouge, die erst viel später in den Bestand aufgenommen wurden (MAHN AA 1992-95; MAHN AA 1992-76; MAHN AA 1992-77; MAHN AA 1992-75; MAHN AA 1992-86; MAHN AA 1992-79; MAHN AA 1992-78).

Vase der Faïencerie Laurin in Bourg-la-Reine, bemalt vom Neuenburger Maler Gustave Jeanneret.

Hervorzuheben ist ein Objekt, das für das künstlerische Erbe Neuenburgs besonders wichtig ist: die spektakuläre Vase, die der Neuenburger Maler Gustave Jeanneret (1847–1927) im Rahmen seiner Zusammenarbeit mit der Faïencerie Laurin in Bourg-la-Reine dekoriert hat (MAHN AA 2028).

Ebenfalls aus dem Neuenburger Raum sind einige Objekte aus einer lokalen Werkstatt zu erwähnen, die völlig in Vergessenheit geraten ist: die des Keramikers Vincent Diana in Champ-du-Moulin. Er war zwischen 1899 und 1905 tätig (MAHN AA 1321; MAHN AA 1320; MAHN AA 2072; MAHN AA 1870; MAHN AA 2084). Dieser Sonderfall wird im Kapitel «Champ-du-Moulin (Boudry) NE, L’atelier de Vincent Diana (1899–1905)» erläutert.

Die Herkunft der Objekte des MAHN: Antiquitätenhändler und Privatsammlungen

Dank des von Charles Alfred Michel in den Jahren 1914–1920 erstellten Inventars haben wir ein recht gutes Bild von den Umständen, unter denen die meisten Keramikobjekte des MAHN in die Sammlung aufgenommen wurden. Die Ankäufe erfolgten in der Regel bei Antiquitätenhändlern.

Anzeige im FAN – L’Express, 29. Oktober 1892.

Bei unseren Recherchen sind wir in Neuenburg auf den Namen Ferdinand Beck gestossen, der unter dem Namen «Bazar de Jérusalem» insbesondere in den 1890er-Jahren mit Münzen, Medaillen, Stichen, Pfahlbau-Antiquitäten, Porzellan und Silber handelte (laut Werbeanzeigen im Hinkenden Boten). Er lieferte dem Museum zwischen 1887 und 1911 etwa 60 Objekte, vor allem engobierte bernische Irdenwaren und Porzellan aus Nyon.

Werbeanzeige des Grand Bazar, La Suisse Libérale, Band 49, Nummer 305, 30. Dezember 1913.

Ein weiterer wichtiger lokaler Anbieter war der Grand Bazar, der zwischen 1891 und 1919 rund 50 Objekte verkaufte (Heimberger Töpferwaren, Zürcher Porzellan, orientalische Keramik und vor allem moderne Produktionen aus der Schweiz und aus anderen Ländern). Dieses berühmte Neuenburger Geschäft war aus einem 1825 von Frédéric Jeanneret und Henri Baumann in der Rue de l’Hôpital eröffneten Kunstladen mit Ausstellungsgalerie hervorgegangen, in dem vor allem Gemälde, Stiche und verschiedene Statuetten angeboten wurden. In der Folge hatte das Unternehmen mehrere Firmennamen und zog zunächst an die Rue du Trésor (1830) und dann an den Place du Port (1862) um, in das Gebäude, in dem später die Brasserie du Théâtre untergebracht war. In der Zwischenzeit hatte sich das Sortiment erheblich erweitert und umfasste nun auch Papierwaren, Korbwaren, Porzellan und Kristallwaren. Im Jahr 1882 lautete der Firmenname «Schütz und Schinz». Elf Jahre später schloss sich Charles Rodolphe Schinz mit Charles Alfred Michel zusammen, der schon seit fünfundzwanzig Jahren im Haus arbeitete. 1895 liess «Schinz, Michel & Cie.» das Untergeschoss des Gebäudes am Place du Port ausheben, um dort eine Abteilung einzurichten, die speziell für Porzellan und Kristallwaren zuständig war. Das Geschäft prosperierte derart, dass es 1909 in ein von Schinz senior gebautes Gebäude in der Rue Saint-Maurice Nr. 10 transferiert wurde, wo es nicht weniger als fünf Stockwerke belegte. Vier Etagen waren für Parfümeriewaren, Schreibwaren, Arzneimittel, Lampen, Schmuck, Lederwaren, Sport- und Reiseartikel, Zeichen- und Malbedarf, altes Porzellan, Spielwaren, Haushaltswaren, China- und Japanartikel sowie «Artikel für Ausländer» vorgesehen. Die erste Etage war für Porzellan und Kristallwaren reserviert (Grand Bazar 1909). Keramik – sowohl alte als auch zeitgenössische – hatte also einen festen Platz im reichhaltigen Sortiment dieses Geschäfts eingenommen, wahrscheinlich unter dem wachsenden Einfluss von Charles Alfred Michel.

Versoix, Paul Ami Bonifas, um 1915-1917.

Der Grand Bazar war offen für die modernsten Neuheiten auf dem Gebiet, das uns interessiert, und war einer der ersten Händler des Genfer Keramikers Paul Bonifas (MAHN AA 2238; MAHN AA 2241; MAHN AA 2242; MAHN AA 2243; MAHN AA 2244).

Frankreich, Indre-et-Loire, Tours, Faïencerie d’art de Sainte-Radegonde, um 1890-1891.

Unter Michels Leitung arbeitete das Unternehmen auch mit der Keramikindustrie zusammen und gab spezielle Modelle in Auftrag, die als Touristensouvenir (MAHN AA 1277) oder als Gedenkobjekt gedacht waren, wie zum Beispiel die in Zusammenarbeit mit dem Neuenburger Heraldiker Maurice Tripet entworfenen Teller (MAHN AA 1606; MAHN AA 2061; MAHN AA 3360) oder den Teller, der das Schloss Oberhofen zeigt, das damals der Neuenburger Familie Pourtalès gehörte (MAHN AA 1764).

Um seinen umfangreichen Bestand an engobierten bernischen Irdenwaren aufzubauen, nahm das MAHN die Dienste mehrerer Händler in Anspruch, die im Kanton Bern ansässig waren. Émile Bader in Biel verkaufte zwischen 1910 und 1914 rund zwanzig Keramiken. 1887 lieferte Antiquar Nachtigall in Interlaken und 1910 ein gewisser Jaquet in Bern einige Objekte, wahrscheinlich in einer einmaligen Transaktion, sodass man sich fragen kann, ob letzterer eine Privatperson war.

Heimberger Terrine, bei Jean Jasselin in Bern erworben.

Zu den Antiquitätenhändlern, die eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des Keramikbestands spielten, gehörte Jean Jasselin in Bern, der auf den Handel mit Keramik und antiken Möbeln spezialisiert war und sein Geschäft an der Kramgasse hatte, wie aus seinem Eintrag im Adressbuch der Stadt Bern von 1896 hervorgeht. Wie bereits Andreas Heege (Heege et al. 2011, 61; Heege/Kistler 2017/2, 24–25) feststellte, war Jasselin im Emmentaler Keramikmilieu und sogar in der Bevölkerung eine bekannte Persönlichkeit. Emil Aeschlimann berichtet in seinem 1928 erschienenen Werk über die Langnauer Keramik, dass sich die Alten noch an die Person erinnerten und wie er immer wieder im Tal herumlief und alte Töpferwaren gegen Kochtöpfe und Rattenfallen eintauschte (Aeschlimann 1928, 9). Das Museum kaufte ihm zwischen 1896 und 1919 rund 40 Objekte ab, vor allem aus Langnau und Bäriswil, in der Regel Beispiele von hoher Qualität, sowie einige Exemplare von schweizerischen und europäischen Fayencen.

Schüssel mit blauem Unterglasur-Pinseldekor, datiert 1747, gekauft bei Antiquar Gottfried Schumacher-Breit.

Gottfried Schumacher-Breit aus Bümpliz (später Huttwil und Langenthal), ein weiterer bedeutender Lieferant, taucht im Inventar für die Jahre 1913 bis 1934 auf, hauptsächlich in Bezug auf Keramiken von Langnau, Heimberg und Bäriswil (47 Objekte). Zwischen 1887 und 1890 verkaufte Heinrich Messikommer in Wetzikon ZH einige Objekte an das Museum, vor allem Steinzeug aus dem Westerwald. Ausserhalb der Landesgrenzen machten die Verantwortlichen gelegentlich Geschäfte mit deutschen Händlern. Im Jahr 1889 besorgte Neumann in Nürnberg einige deutsche Porzellane und die drei braunen Stücke aus Irdenware aus Bayreuth (die damals als Steinzeug von Böttger in Meissen verkauft wurden, MAHN AA 1632; MAHN AA 1638). 1934 verkaufte Göhringer in Freiburg im Breisgau einige lohtringische Fayencen und tauschte einen Teller aus Züricher Porzellan gegen einen «modernen Korb aus Berlin» ein. Bei A.S. Drey, einem bekannten Antiquitätenhändler in München, wurden – wahrscheinlich 1903 – die einzigen beiden Zürcher Porzellanfiguren der Sammlung im Tausch gegen zwei Nymphenburger Statuetten erworben (MAHN AA 2352; MAHN AA 2353).

Kauf 1887 bei Pfarrer Ludwig Gerster, Kappelen.

Etwa dreissig Objekte, Irdenwaren aus der Schweiz und dem Kanton Bern, vor allem aber dünnglasierte Fayencen, wurden zwischen 1887 und 1922 von einer schillernden Persönlichkeit erworben, die nicht zu den offiziellen Antiquitätenhändlern gehörte: Ludwig Gerster (1846–1923), der Pfarrer von Kappelen bei Aarberg BE. Dieser erstaunliche Kirchenmann war nicht nur ein gewissenhafter Pfarrer, sondern auch ein talentierter Kunsttischler, der antike Möbel kaufte, um sie nach der Restaurierung weiterzuverkaufen oder um Reproduktionen anzufertigen mit den besten Absichten. Er war auch einer der Ersten in der Schweiz, der sich ernsthaft für die Kunst des Exlibris interessierte, nachdem Alfred Godet, der Konservator des Historischen Museums von Neuenburg, ihn 1893 besucht hatte, um sich nach solchen Dokumenten zu erkundigen (Türler 1923, 207). Gerster kam auf den Geschmack und wurde schliesslich innerhalb weniger Jahre nicht nur einer von Godets Lieferanten in diesem Bereich, sondern auch einer der besten Spezialisten der damaligen Zeit in einem noch relativ wenig erforschten Gebiet. Die Exlibris brachten ihn bald dazu, sich mit der Heraldik zu beschäftigen und regelmässig auf den Seiten des Schweizerischen Heraldischen Archivs Artikel zum Thema zu veröffentlichen (Aeberhardt 1933). Mit zunehmendem Alter wandte sich der Pfarrer von der Kunsttischlerei ab und erlernte die Kunst des Buchbindens! Gerster sammelte Antiquitäten und es ist sehr wahrscheinlich, dass er auch als «Kundenfänger» für den einen oder anderen Sammler aus seinem Bekanntenkreis fungierte. Offenbar hatte er schon lange vor Godets berühmtem Besuch Kontakt mit dem Neuenburger Museum, denn laut Inventarliste wurden die ersten drei Keramiken bereits 1887 von ihm gekauft. Die meisten Transaktionen fanden zwischen 1904 und 1921 statt. Türler übertreibt natürlich, wenn er in seinem Nachruf schreibt, dass «die schöne Sammlung von Langnauer und Heimberger Töpferwaren des Historischen Museums Neuenburg mehrheitlich aus der Sammlung von Gerster stammt» (Türler 1923, 208), es sei denn, die oben erwähnten Antiquitätenhändler hätten sich ebenfalls bei dem Pfarrer eingedeckt!

Kauf 1887 aus der Sammlung de Reynier in Bern.

Neben den Antiquitätenhändlern waren private Sammlungen eine weitere Quelle für Objekte – oft von hoher Qualität –, weil sie mit dem anspruchsvollen Blick eines erfahrenen Kenners ausgewählt wurden. In der Geschichte des Keramikbestands des MAHN wird dies beispielhaft durch den Erwerb eines Teils der Sammlung von Édouard de Reynier in Bern im Jahr 1887 illustriert. Édouard (1828–1907) war der Sohn des wohlhabenden Neuenburger Kaufmanns Henry de Reynier (1792–1876) und von Sophie, geborene Beaujon. Dank einer beträchtlichen Erbschaft, die er von seinem Schwiegervater erhalten hatte, übergab Henry sein Tuchgeschäft, um von seinen Renten zu leben, zunächst in Neuenburg, dann in Ins, bevor er sich 1862 in Bern niederliess. Sein Sohn ging 1847 nach Paris, um dort seine Ausbildung fortzusetzen. Dort führte er vor allem ein kostspieliges Leben und profitierte über alle Massen von den väterlichen Zuwendungen. Nach seiner Rückkehr nach Bern kaufte Édouard die Villa Mon Terrier in der Rabbentalstrasse 73 im Stadtteil Altenberg, in der er weiterhin auf grossem Fuss lebte. Laut dem Autor der Familienchronik arbeitete er gelegentlich als Korrespondent für die eine oder andere Zeitung und als «Hobby-Antiquitätenhändler» (Reynier 2006, 97–99). Mit der Zeit wurde das Geld ernsthaft knapp und 1887 war de Reynier gezwungen, seine Villa zu verkaufen. Im selben Jahr trennte er sich von einem Teil seiner Sammlung, offenbar auf einer öffentlichen Auktion, zumindest was die Keramik betraf. Der Rest dieses bemerkenswerten Ensembles wurde 1907 als Ganzes vom Historischen Museum Bern erworben (Heege et al. 2011, 61; Heege/Kistler 2017/2, 23).

Das Historische Museum von Neuenburg erwarb bei der Auktion von 1887 etwa 50 Stücke, teilweise mithilfe des Spenders Frédéric de Perregaux, der den Kauf einiger der schönsten Exemplare der Sammlung an engobierten Irdenwaren finanzierte (MAHN AA 3309; MAHN AA 2044; MAHN AA 3317; MAHN AA 2032). Zu den Objekten, die das Museum aus eigenen Mitteln erwarb, gehörten vor allem Irdenware aus Langnau und Heimberg, dünnglasierte Fayencen und Steinzeug aus dem Westerwald. In den Inventaren der Institution sind einige Erwerbungen aus der Sammlung von Reynier auf das Jahr 1888 datiert. Es ist nicht bekannt, ob es sich dabei um einen Fehler im Inventar handelt, ob 1888 ein zweiter Verkauf stattfand oder ob es sich um Folgekäufe von Objekten handelt, die bei der Auktion von 1887 unverkauft geblieben waren.

Aus der Sammlung von Heinrich Angst, Ankauf 1909.

Eine weitere hochkarätige Sammlung, insbesondere im Bereich der Keramik, war die von Heinrich Angst (1847–1922) in Zürich. Angst zeichnete sich als Kunstsammler und -händler aus, bevor er von 1892 bis 1903 der erste Direktor des Schweizerischen Nationalmuseums wurde. Wie kein anderer erkannte er das Potenzial der alten schweizerischen Keramik (Zürcher Porzellan, Winterthurer Fayence und andere) und trug wesentlich zu deren kultureller und kommerzieller Aufwertung bei. Zwischen 1878 und 1885 sammelte er allein im bereich Geschirrkeramik über 1500 Exemplare, zu einer Zeit, als diese Art von Objekten noch relativ wenig gefragt war. Er erweiterte seine Sammlung kontinuierlich und machte sie zur grössten Sammlung dieser Art, die je von einer Privatperson in der Schweiz zusammengetragen wurde (Lafontant Vallotton 2007, 62; Heege/Kistler 2017/2, 23-24). Aufgrund seiner Kenntnisse auf diesem Gebiet wurde Angst mit der Organisation des Keramikteils der Abteilung «Alte Kunst» der Landesausstellung von 1883 beauftragt. Später verlieh er Teile seiner Sammlungen an das 1898 eröffnete Landesmuseum, um die Säle auszustatten, bevor er sie 1903 in einer geschickten Mischung aus Verkauf und Schenkung an die Institution übertrug. Man kann sagen, dass Heinrich Angst einen grossen Anteil an der Wiederentdeckung der Geschichte der Schweizer Keramik am Ende des 19. Jahrhunderts und vor allem an der Entstehung des Sammlertums in diesem Bereich hatte. Ein Verdienst, das nicht frei von Zweideutigkeit war, denn das Engagement der Person schien ständig und weitgehend von merkantilen Anliegen genährt zu sein, selbst in der Zeit, als er das Nationalmuseum leitete.

Wurden die Verantwortlichen des Neuenburger Museums durch Angsts Bemühungen um die Aufwertung der Schweizer Keramik, insbesondere im Rahmen der Ausstellung von 1883, inspiriert? Jedenfalls kannten sie den Mann und die Sammlung, und als Angst 1909 in Zürich einen Teil der Sammlung zum Verkauf anbot, versuchten sie ihr Glück und erwarben schliesslich die wunderschöne Pot-pourri-Vase von Frisching (MAHN AA 1867), zwei interessante Salzstreuer aus Zürcher Steingut (MAHN AA 1525), einen Teller derselben Herkunft (MAHN AA 1552), zwei Dolder zugeschriebene Apothekengefässe (MAHN AA 3337; MAHN AA 3338) sowie eine Terrine aus Lunéville, die damals Lenzburg zugeschrieben wurde (MAHN AA 1669). Wir wissen ausserdem, dass Heinrich Angst auch Geschäftsbeziehungen mit dem Haus Schütz & Schinz in Neuenburg unterhielt, dem sogenannten Grand Bazar (Lafontant Vallotton 2007, 109). Es ist daher nicht auszuschliessen, dass die schönsten Exemplare aus Zürcher Porzellan in der Neuenburger Sammlung, die 1891 bei Schütz & Schinz erworben wurden, ebenfalls aus der Sammlung Angst stammten (MAHN AA 2318; MAHN AA 2319; MAHN AA 2317; MAHN AA 2316).

Angst war auch mit Alfred Siegfried (gest. 1909) befreundet, einem anderen Zürcher Sammler, der als Seidenhändler für die Firma Nägely & Cie. tätig war. Siegfried liess sich in Marseille und später in Lausanne nieder. Das Museum kaufte von ihm zwei interessante Porzellane aus Höchst (MAHN AA 2724; MAHN AA 2275), eine seltene Sauciere und eine sehr schöne Fayence-Terrine aus Zürich (MAHN AA 1565; MAHN AA 1564) sowie fünf Teller mit Druckdekor und eine Milchkanne aus Porzellan derselben Manufaktur.

Berneck, Töpferei Richard Grüninger, um 1883?, Teilnehmer an der Landesausstellung Zürich 1883

Auguste Bachelin, für den das Historische Museum ein «Lebenstraum» war, hatte in seinem Haus in Marin eine beachtliche Sammlung von Neuenburger Antiquitäten zusammengetragen, die er zum grössten Teil für die entstehende Institution bestimmte (Schnegg 1974, 174–176). Bachelin begeisterte sich nicht nur für Objekte, die in direktem Zusammenhang mit Neuenburg standen, sein Interesse reicht insbesondere im Bereich der Keramik, weit über die regionalen Grenzen hinaus. Seine Schenkungen an das Museum – vor allem in den Jahren 1885 und 1886, als man die historischen Sammlungen in den neuen Räumlichkeiten installierte – umfassten Irdenware aus der Schweiz (darunter wichtige Objekte aus Berneck SG), Fayencen aus der Schweiz, Deutschland und vor allem aus Frankreich, zwei Porzellane aus Zürich, verschiedene Arten von Keramik aus England, Delft und China sowie mehrere Exemplare aus der zeitgenössischen Produktion. Einige Monate nach Bachelins Tod kaufte das Museum zwei Fayencen bei einer «Auktion Bachelin», die 1891 in Marin stattfand und sehr wahrscheinlich von der Familie des Verstorbenen organisiert wurde.

Früher Heimberger Teller, datiert 1786, gekauft von Théodore Delachaux.

Auf den Stellenwert der Keramik in den persönlichen Sammlungen von Théodore Delachaux werden wir später im Zusammenhang mit den Beständen des Ethnografischen Museums eingehen. Im Jahr 1910 verkaufte er rund 30 Berner Keramiken an das Historische Museum, Irdenware unbestimmter Herkunft, aber vor allem Heimberger Teller. Im Zusammenhang mit den Neuenburger Sammlungen sei auch auf die Keramiken aus dem Besitz des Malers Léon Berthoud hingewiesen, die das Museum bei einer Auktion nach seinem Tod 1892 erwarb: die sieben Fayencen von Deruta, die der Künstler wahrscheinlich von seinen Aufenthalten in Italien mitgebracht hatte, und ein interessanter Fayence-Brunnen, der möglicherweise aus einer Werkstatt in der Region stammte (MAHN AA 1799). Zudem schenkten in den 1920-30er Jahren Paul Vouga (1880–1940), Kurator der archäologischen Sammlungen, oder seine Frau rund 20 Objekte – darunter einige Exemplare von Deruta, aber auch Fayencen aus Ostfrankreich.

Übersetzung Stephanie Tremp

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Vogt et al. 2000
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Wyss 1966
Robert Ludwig Wyss, Berner Bauernkeramik. Berner Heimatbücher 100–103. Berne 1966.

Nufenen, Walserama (Stiftung Walserkultur)

Walserama
Stiftung Walserkultur
Alpstrasse 11
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Tel.: 081 6641402
E-Mail: stiftung-walserkultur@bluewin.ch
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Keramik des Walseramas in CERAMICA CH

Die im Jahr 2016 gegründete Stiftung zur Wahrung der Walserkultur an der Bernhardinerstrasse hat sich in erster Linie die Rettung des Kulturerbes der Rheinwalder Walser, insbesondere der noch vorhandenen Objekte aus Haushalt, Stall und den verschiedenen Tätigkeiten zur Aufgabe gemacht. In einer weiteren Phase werden diese geretteten Artefakte ausgestellt und der Öffentlichkeit zugänglich gemacht . Zu diesem Zweck konnte die Stiftung den historischen Bünlastall in Nufenen (alte Suste erbaut ca. 1680-1700) erwerben und sanieren. Hier wird momentan die Sammlung, die aus Objekten der Region Hinterrhein/Rheinwald besteht, auf Wunsch Einzelpersonen oder Gruppen gezeigt.

Aus dem etwas umfangreicheren Sammlungsbestand der Stiftung wurden 63 Keramikobjekte ausgewählt und dokumentiert (14 Irdenware, 5 Fayence, 27 Steingut, 12 Steinzeug und 5 Porzellan). Alle diese Objekte stammen aus dem Verbrauchermilieu der Region Hinterrhein/Rheinwald, die, wie die übrigen Talschaften Graubündens, in der Regel durch Hausierer oder Säumer mit Haushaltskeramik versorgt wurde. Die Keramik wurde ausserhalb des Kantons oder sogar im Ausland produziert. Lokal hergestellte Keramik gibt es nicht. Bündnerische Keramik aus St. Antönien oder Bugnei fehlt erklärlicherweise aufgrund der Distanzen. Das vorhandene Keramikspektrum des Walseramas deckt sich mit wenigen Ausnahmen ansonsten sehr gut mit den Vorstellungen, was man in einer so jungen Museumsgründung in Graubünden an Keramik erwarten kann. Es sind Exponate aus quasi allen nach Graubünden exportierenden Herstellungsregionen vertreten.

Hierzu gehören Schüsseln mit scharfkantigem Kragenrand und Henkeltöpfe mit charakteristischem Horizontalstreifendekor aus der Region Berneck SG. Sie dürften in die Zeit zwischen etwa 1870 und 1920 gehören.

Selbstverständlich ist auch manganglasiertes Geschirr mit den charakteristischen Kaffeekannen und Suppenschüsseln vertreten, wobei zwei Kaffeekannen, aufgrund der Blindmarken aus der Tonwarenfabrik Aedermannsdorf SO stammen und zu den jüngsten Produkten dieser Keramikgattung gehören (um 1935-1950).

Importe aus der Region des Genfersees sind ebenfalls vorhanden. Man erkennt sie regelhaft an der hellgelben Glasur über der weissen Grundengobe und den charakteristischen Formen. Im Kanton Graubünden sind vor allem die zylindrischen Henkeltöpfe (Milchtöpfe) beliebt, aber auch zylindrische Vorratsgefässe (Einmachtöpfe) vorhanden. Die Masse dieser Objekte scheint aus der Zeit um 1900 bzw. dem frühen 20. Jahrhundert zu stammen.

Jüngere Henkeltöpfe aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts sind auch vorhanden. Der Henkeltopf mit den braunen Horizontalstreifen lässt sich stilistisch der Töpferei Otto Dünner (ab 1904 oder 1909?) oder der Tonwarenfabrik Dünner AG (ab 1938 bis 1999) aus Kradolf-Schönenberg im Kanton Thurgau zuordnen (Heege 2016, 100-101). Keramik dieser Töpferei fand sich verschiedentlich in Graubünden (MRS_1986.6039, MTS_2020-12, MVO_2041_V587, NH-KL_NH_ohneInv_01, OMS_44). Es gibt auch Vergleichsobjekte im Schweizerischen Nationalmuseum in Zürich (SNM LM-71489) und in der Ortsgeschichtlichen Sammlung Berneck (Inv. 2010-1587).

Der rosafarbige Milchtopf mit dem schablonierten und aufgespritzten Blumendekor gehört in eine in Graubünden häufige, aber immer ungemarkte Keramikgruppe der 1920er-1950er-Jahre. deren Produktionsort unbekannt ist. Möglicherweise wurde diese Ware vor allem über Versandhauskataloge (z. B. Jelmoli, Zürich) vertrieben.

Eine bunte Jugendstilkanne stammt aus dem Kanton Bern und wurde wohl zwischen 1916 und 1920 in der „DESA“ in Steffisburg hergestellt.

Eine kleine Schnapsflasche (Stöpsel fehlt) wurde um 1935/1936 in der Luzerner Keramik unter Emil Loder hergestellt. Als Dekoration zeigt sie Bauerntanzszenen nach Renaissancevorbildern.

Zwei weitere Irdenwareobjekte finden auch andernorts in Graubünden Parallelen:

Aus der Keramikfabrik Heinrich Landert in Embrach im Kanton Zürich stammt ein patentierter Milchentrahmer, der vermutlich für eher kleinere Haushaltsmengen gedacht war.

Eine typische, innen weiss engobierte Schüssel wurde durch die Firma Chapuis & Cie. in Bonfol im Kanton Jura hergestellt.

Die wenigen vorhandenen Fayencen spiegeln ebenfalls die Situation im übrigen Graubünden.

Überraschend ist allein die Tatsache, dass das älteste Stück der Sammlung (ca. 1700-1750?) ein unverzierter Fayence- Breitrandteller ist. Identische Formen im Rätischen Museum tragen ansonsten als Auftragsarbeiten die Wappen reicher Bündner Familien (von Salis, von Planta: z.B. RMC_H1971.501, RMC_H1971.1103, RMC_H1971.1105).

Eine schöne, bunt bemalte Schüssel gehört zu einem charakteristischen Gefässtyp, der sowohl im Rätischen Museum , als auch in zahlreichen Museums- und Privatsammlungen in Graubünden (ME-STM 0362, ME-STM 0364, ME-STM 0365, ME-STM 3363, HMP 2230, 2074, 2199) vertreten ist und für den ausserhalb Graubündens bislang der Nachweis fehlt. Momentan gehen wir davon aus, dass dieser Schüsseltyp an zahlreichen Orten in der Lombardei und im Piemont (u.a. Pavia, Lodi, Cunardo und Premia) zwischen etwa 1750 und 1850 gefertigt worden sein kann (Novasconi/Ferrari/Corvi 1964; Martelli/Bianchetti/Volorio 2003, 94-98; Salsi 2001, Kat. 204; auch Musei Civici die Pavia Inv. H185, H191, H194, H195), doch fehlen offenbar umfangreichere italienische Studien zum Thema. Warum gerade dieser Schüsseltyp in Graubünden so beliebt war und wer ihn importierte (Direktimport durch Säumer?), entzieht sich unserer Kenntnis.

Aus der Fayenceproduktion des Kantons Zürich in Kilchberg-Schooren liegt ein Teller mit Schuppenrand vor. Da der zentrale Spruch „Der Freundschaft geweiht“ mit einer Schablone aufgemalt wurde, können wir wohl von einer Datierung um die Mitte des 19. Jahrhunderts ausgehen. Leider sind nur wenige Kilchberg-Schooren-Fayencen datiert, sodass uns immer noch ein verlässliches Gerüst für die Datierung der Dekorentwicklung fehlt (vgl. zuletzt Ducret 2021).

Selbstverständlich dürfen Fayence-„Boccalini“ wohl aus italienischer Produktion der zweiten Hälfte oder des späten 19. Jahrhunderts nicht fehlen. Auch hier ist der exakte Hersteller unbekannt. Parallelen sind u.a. aus dem Puschlav und dem Engadin bekannt (KM-SMP_024, CPS_0054).

Erstaunlicherweise hat sich auch die Werkstatt von Heinrich Meister und Gertrud Meister-Zingg in Dübendorf-Stettbach bei Zürich in der Zeit des Zweiten Weltkrieges oder kurz danach mit der Produktion dieser Gefässform befasst.

Beim Steingut sind, wie üblich, zahlreiche europäische Hersteller vertreten, darunter auch solche aus der Schweiz.

Hervorzuheben ist ein zylindrischer Henkeltopf (Milchtopf) mit Deckel aus der Zeit um 1850-1860, dessen Form sich auch im Musterbuch der Manufaktur Scheller in Kilchberg-Schooren unter Nr. 18 findet. Der blaue, immer leicht verlaufen wirkende Umdruckdekor „Rosen“, ist für die Scheller’sche Manufaktur auch andernorts zahlreicher belegt (Ducret 2007, 89-90 Abb. 300-303).

Möglicherweise stammt auch eine ungemarkte Ohrenschale mit Schwämmeldekor aus Kilchberg-Schooren.

Die Ziegler’sche Tonwarenfabrik in Schaffhausen ist mit einer kleinen, gemarkten Terrine vertreten, die wohl bald nach 1876 entstanden sein dürfte (Ziegler-Keramik 2003, 27).

Ein weiterer Teller mit Pinsel- und Schablonendekor entstand vermutlich erst in der Zeit um 1940-1950. Er trägt einen Teil des „Unser Vater“-Gebetes „Unser täglich Brot gib uns heute“, was in dieser Zeit sehr typisch ist.

Blumenmalereien auf Steingutgeschirr waren auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts immer noch beliebt und wurden von unterschiedlichen Herstellern produziert. Im vorliegenden Fall handelt es sich um einen Teller aus der Manufacture de poteries fines de Nyon S. A., der zwischen etwa 1940 und 1950 entstanden sein dürfte (vgl. HMO.8249). Im Prinzip setzt dieser Teller die Motivtraditionen fort, die schon vor der Mitte des 19. Jahrhunderts in Kilchberg-Schooren begannen und vor allem auch charakteristisch für die süddeutschen Steingutmanufakturen waren.

Zwei ungemarkte Teller dürften um 1850-1860 in Zell am Harmersbach entstanden sein (vgl. HMD_SaPa_109, ME-STM 1137, 1138, 1468, 1470, alle gemarkt ZELL), jedoch lassen sich Teller aus Kilchberg-Schooren davon nur schlecht unterscheiden (vgl. auch Ducret 2007).

Ebenfalls in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gehört eine Ohrenschale mit schwarzem Umdruckdekor, die bei Utzschneider und Cie. im französischen Sarreguemines entstand.

Zahlreich belegt sind die typischen Hygiene- und Waschgeschirre des späten 19. und der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Meist handelt es sich um die Produkte grosser deutscher oder französischer Hersteller, wie Villeroy & Boch in Mettlach oder Wallerfangen.

Gut vertreten sind aber auch die mitteldeutschen Werke in Elsterwerda oder Colditz mit ihren typischen, grossen Formnamen, die als Blindmarke mitgegossen wurden.

Eine besonders schöne Jugenstil-Waschschüssel wurde in der Steingutfabrik von Franz Anton Mehlem in Poppelsdorf bei Bonn hergestellt.

Zwei weitere Steingutobjekte stammen aus der Steingutfabrik im hessischen Wächtersbach bzw. der Schramberger Majolika-Fabrik im württembergischen Schramberg. Sie datieren ebenfalls in das frühe 20. Jahrhundert.

Graues und kobaltblau bemaltes Steinzeug „Westerwälder Art“ ist mit typischen Vorratsgefässen und Mostkannen vertreten.

Doppelhenkeltöpfe dieser Form wurden im 18. Jahrhundert entwickelt und bis ins 20. Jahrhundert kontinuierlich produziert. Jüngere Töpfe sind zylindrisch. Eingestempelte Litermarken unter einem Henkel verweisen auf eine Produktion im 20. Jahrhundert. Die in der Schweiz verwendeten Töpfe können aus dem elsässischen Oberbetschdorf stammen oder wurden aus dem deutschen Westerwald importiert. Da sie wasserdicht und chemisch stabil sind, eignen sie sich besonders gut für die Einlagerung von Sauerkraut oder anderem saurem Gemüse, für Butterschmalz oder die mehrmonatige Konservierung von Eiern mit Hilfe von Wasserglas (wasserlösliche glasartige, also amorphe, nicht-kristalline Alkalisilikate, Verbindungen mit der Zusammensetzung M2O · n SiO2 mit n = 1 bis 4), was auf der Innenseite der Gefässe charakteristische weisse, steinartig harte Spuren hinterlässt.

Wasserglas wurde u.a. in Apotheken und Drogerien unter dem Namen Garantol verhandelt.

Schenkkannen mit einfachem Ritz- oder Pinseldekor sind quasi nicht genauer datierbar. Sie wurden noch bis weit ins 20. Jahrhundert in identischer Form und Dekoration hergestellt (Dippold/Zühlcke/Scheja 2008, 491-507).

Aus der Sammlung des Walseramas wurde nur wenig Porzellan aufgenommen, da die vorhandenen Stücke meist ungemarkt sind oder erst nach 1950 angefertigt wurden. Es gibt davon nur wenige Ausnahmen.

 

Dabei handelt e sich z.B. um zwei japanische Porzellan-Teller aus Kutani, Kaga Provinz, die wohl im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts gefertigt wurden. Sie stammen aus dem Besitz von Dr. Andreas Trepp aus Nufenen „Haus Gruaba“ (27.10.1887-30.08.1945), der als Tuberkulosearzt seit 1931 Direktor des Quezon Instituts bei Manila und Leibarzt von Manuel L. Quezon, dem ersten Präsidenten der Philippinen, war (gestorben 1.8.1944). Er floh mit Quezon während der Eroberung der Philippinen durch Japan via Australien in die USA, wo er 1942 ankam. Möglicherweise stellen die Teller ein früheres Reisemitbringsel oder ein Geschenk an Dr. Trepps Eltern in Nufenen dar.

Wesentlich profaner ist eine Suppenterrine aus bayerischem Porzellan, die in die Zeit zwischen 1930 und 1950 datiert werden kann.

Den Abschluss bilden eine Sauciere und eine ovale Platte mit Aufglasur-Druckdekor. Die beiden wurden 1942 und 1950 gerfertigt.

Dank

Die CERAMICA-Stiftung dankt den Mitarbeitern des Walseramas, vor allem aber J.F. Tschopp, sehr herzlich für die freundliche und interessierte Unterstützung der Inventarisationsarbeiten.

Bibliographie:

Dippold/Zühlcke/Scheja 2008
Christine Dippold/Sabine Zühlcke/Dagmar Scheja, Westerwälder Gebrauchsgeschirr von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die 1960er Jahre. Teil 1: Texte und Firmenverzeichnis. Teil 2: Katalog der Gefässe und Nachdrucke ausgewählter Warenverzeichnisse, Nürnberg 2008.

Ducret 2007
Peter Ducret, Bedrucktes Steingut aus der Manufaktur Scheller in Kilchberg, in: Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt Nr. 119/120, 2007.

Ducret 2021
Peter Ducret, Seltene Dekore auf Fayencen der Manufaktur Nägeli in Kilchberg, in: Revue Keramikfreunde der Schweiz 136, 2021, 51-82.

Heege 2016
Andreas Heege, Die Ausgrabungen auf dem Kirchhügel von Bendern, Gemeinde Gamprin, Fürstentum Liechtenstein. Bd. 2: Geschirrkeramik 12. bis 20. Jahrhundert, Vaduz 2016.

Martelli/Bianchetti/Volorio 2003
Alessandro Martelli/Gianfranco Bianchetti/Paolo Volorio, La manifattura delle ceramiche di Premia (1808–1862), Villadossola 2003.

Novasconi/Ferrari/Corvi 1964
Armando Novasconi/Severo Ferrari/Socrate Corvi, La ceramica Lodigiana, Lodi 1964.

Salsi 2001
Claudio Salsi, Museo d’Arti Applicate – Le ceramiche, Tomo secondo, Milano 2001.

Ziegler-Keramik 1993
Museum zu Allerheiligen (Hrsg.), Ziegler-Keramik. Ziegler’sche Thonwarenfabrik AG Schaffhausen (1828-1973), Schaffhausen 1993.

Nyon, Geschichts- und Porzellanmuseum, Schloss Nyon (MHPN)

Château de Nyon – Musée historique et des porcelaines
Place du Château
CH-1260 Nyon
Tel. +41 (0)22 316 42 73
info@chateaudenyon.ch

Die Keramiksammlung in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Die Entstehung der Museen der Stadt Nyon geht auf das Jahr 1841 zurück, als eine Gruppe von angesehenen Bürgern den Wunsch äusserte, eine Museumsgesellschaft zu gründen, deren Ziel es war, Sammlungen aufzubauen und einen Ort für ihre Aufbewahrung und sogar für Ausstellungen zu finden. Die formelle Gründung der Gesellschaft fand aber erst am 23. September 1860 statt. Mehrere neu gebildete Kommissionen bestimmten die Bereiche, die man fördern wollte: Objekte der Pfahlbauer, Numismatik, römische Antiquitäten usw. Vor allem dank Spenden aus der Bevölkerung nahmen die ersten Bestände Gestalt an und wurden zunächst im Kollegiumsgebäude gelagert und ausgestellt.

Die Museumsgesellschaft wurde 1888 aufgelöst und die Sammlungen gingen gemäss den Bestimmungen ihrer Statuten in den Besitz der Stadt Nyon über. Sie wurden im Schloss Nyon in den vier Räumen auf der Seeseite des Erdgeschosses untergebracht. In der Folge nahm die Stadtverwaltung einen noch sehr bescheidenen Betrag in ihr Jahresbudget auf, um den Unterhalt und die Vergrösserung der Bestände zu finanzieren. Im Jahr 1901 gab Théodore Wellauer, der das Museum mitbegründet hatte und bis zu seinem Tod im Jahr 1908 als Konservator fungierte, einen Führer über die Stadt Nyon heraus (Wellauer 1901). Das Buch enthält eine Beschreibung des Inhalts der Vitrinen des Museums zu jener Zeit (die Passage ist in voller Länge in Lieber 2011, 72, abgedruckt). Zu sehen waren unter anderem Antiquitäten aus der Pfahlbauer- und der Römerzeit, Zeichnungen und Stiche, eine Sammlung von Wachssiegeln, naturhistorische Sammlungen, alte Münzen, Gegenstände aus dem Mittelalter und der Neuzeit, Waffen, Gemälde, darunter einige Porträts von Notabeln. Wie bei den meisten Museen, die zu dieser Zeit gegründet wurden, war die Ausrichtung der neuen Institution klar enzyklopädisch. Im Bereich der Keramik wurden Ofenkacheln und Teller aus engobierter Irdenware gezeigt, die für den Schiffer Jacques Populus hergestellt worden waren (MHPN MH-FA-521; MHPN MH-FA-520; MHPN MH-FA-519; MHPN MH-FA-536), während das Porzellan aus Nyon zu diesem Zeitpunkt nur durch «einige Muster» vertreten war (Lieber 2011, 68-83, 168 und 169).

Diese Tatsache wurde bald als störend empfunden, umso mehr als die Öffentlichkeit und Keramikliebhaber das alte Porzellan «Vieux Nyon» wiederentdeckten. Laut Grégoire Gonin scheint das Porzellan aus Nyon bereits in den Jahren 1871–1874 in Ausstellungen über alte Keramik im Genfer Athenäum aufgetaucht zu sein. Das Thema wurde auch auf der Eidgenössischen Kunstausstellung in Lausanne 1880 und auf den Landesausstellungen in Zürich (1883) und Genf (1896) behandelt. Im Jahr 1908 widmete das Musée Jenisch in Vevey dem Nyoner Porzellan sogar eine eigene Ausstellung (für eine detaillierte Geschichte der Wiederentdeckung des «Vieux Nyon» ab dem letzten Viertel des 19. Jahrhunderts siehe Gonin 2017).

In Nyon reagierten die politischen Entscheidungsträger, obwohl sie sich der Bedeutung dieses Aspekts ihres lokalen Erbes immer mehr bewusst wurden, mit wenig Begeisterung und Tatendrang. Um beispielsweise einer Anfrage der Museumskommission im April 1912 Folge zu leisten, beauftragte die Stadtverwaltung diese damit, die «Frage der Schaffung einer Sammlung von altem Porzellan aus Nyon im Museum sowie die Beschaffung von Exemplaren dieses Porzellans von Privatpersonen» zu prüfen (Gemeindearchiv Nyon [ACN], Bleu A-73, Sitzung vom 29. April 1912). Obwohl wir nicht die Gelegenheit hatten, die Protokolle der Stadtverwaltung systematisch auszuwerten, scheint es, dass die Frage viele Jahre lang ungelöst blieb. Am 16. Januar 1933 wurde die Stadtverwaltung darüber informiert, dass eine vom Kurator geleitete Delegation die Porzellansammlung von Herrn de Palézieux-Du Pan in Genf im Hinblick auf einen möglichen Erwerb für das Museum begutachtet hatte. Angesichts des hohen Preises – 7000 Franken für 120 bis 130 Stücke, «von denen etwa drei Viertel Risse aufweisen oder repariert sind» – wurde beschlossen, «für den Moment» auf den Kauf zu verzichten (ACN, Bleu A-86). Im folgenden Jahr entschloss sich die Behörde schliesslich, ein Porzellanservice «Vieux Nyon» von Frau C. Dreyfus-Reymond in La Chaux-de-Fonds zum Preis von 122 Franken zu erwerben (ACN, Bleu A-87, Sitzung vom 18. Juni 1934). Das alte Inventar des Museums ermöglichte es uns nicht, dieses Service zu identifizieren. Das einzige Porzellanservice, dessen Herkunft nicht eindeutig geklärt ist, stammt aus der Pariser Fabrik von Guérhard und Dihl (MHPN MH-PO-4353; MHPN MH-PO-4354; MHPN MH-PO-4355; MHPN MH-PO-4356; MHPN MH-PO-4358 und -4359). Das Ensemble trägt zwar ein Kornblumendekor, das den in Nyon bekannten Kornblumen ähnelt, aber alle Stücke tragen die eindeutige Marke der Manufaktur!

1938 trat das Museum mit der Nominierung von Edgar Pelichet (1905–2002) in eine neue Ära. Er war der Sohn des ehemaligen Syndikus Ernest Pelichet und hatte als Konservator ein Jahresgehalt von 100 Franken (ACN, Bleu A-89, Sitzung vom 5. Januar 1938). Der Neueinsteiger bekleidete sein Amt neben seinem Beruf als Anwalt. Ab 1950 übernahm er zusätzlich den Posten des Kantonsarchäologen und Denkmalpflegers, ein Amt, das er bis 1975 halbtags und als völliger Autodidakt ausübte. Als wäre diese Ämterkumulation nicht schon genug, wurde er 1961 zum Konservator des Musée Ariana in Genf ernannt, wo er bis 1976 tätig war!

Porzellan und Steingut aus Nyon

Die Porzellansammlung hatte sich bis dahin kaum verändert. In einer Kolumne in La Revue du dimanche vom 27. April 1941 (S. 1) erwähnte Félix Bonjour einen Austausch von Objekten, der 1939 zwischen dem Genfer Sammler Jean Albert Mottu (1874–1951) und dem Museum stattgefunden haben soll, wobei die «fünf ersten schönen Exemplare» so in die Sammlungen von Nyon gelangten. Auch hier sind wir nicht in der Lage, die betreffenden Objekte zu identifizieren. Die Sammlung kam erst 1940 so richtig in Schwung, nachdem die Stadtverwaltung die grosszügige Schenkung von Julie Monastier-Mugnier (gestorben im Dezember 1939) angenommen hatte, die der Stadt Nyon die Sammlung vermachte, die ihr Mann, Dr. André Monastier (1868–1931), ein in Céligny niedergelassener Arzt, zusammengetragen hatte.

Die Sammlung umfasste etwa 300 Stücke, darunter das berühmte Service «Napolitain» (MHPN MH-PO-1730; MHPN MH-PO-1534; MHPN MH-PO-1532; MHPN MH-PO-1518; MHPN MH-PO-1542; MHPN MH-PO-1544; MHPN MH-PO-1522 und -1366; MHPN MH-PO-1546; MHPN MH-PO-1555 und -1556, unter anderem). Die wertvollen Keramiken wurden schnell im Schloss untergebracht und die Präsentation der neuen Stücke wurde am 24. Februar 1940 eingeweiht (La Revue vom 26. Februar 1940, S. 5).

Da Pelichet nun endlich über einen ersten Korpus an Nyoner Porzellan verfügte, der diesen Namen verdiente, konnte er sich mit der Problematik des lokalen Porzellans befassen. Bereits 1940, noch in den Anfängen seiner Erforschungen der Materie, veröffentlichte er eine kleine Broschüre mit dem Titel «Porcelaine de Nyon, 1781–1813», die vom Willen der Behörden zeugt, die neuen Reichtümer des Museums zur Geltung zu bringen (Pelichet 1940). Doch schon bald entwickelte der Kurator eine grosse Leidenschaft für sein Thema und künftig führte in Bezug auf Nyoner Porzellan kein Weg an ihm vorbei. Seine erste Glanzleistung war die Organisation der Nationalen Porzellanausstellung von Nyon im Jahr 1947, die vom 19. Mai bis zum 19. Juni im Schloss stattfand. Die Veranstaltung, die bis heute die wichtigste Ausstellung ist, die jemals diesem Thema gewidmet wurde, stand unter anderem unter der Schirmherrschaft der Gesellschaft der Freunde der Schweizer Keramik. Der Katalog listete über 700 Objekte auf, die von mehr als vierzig Privatpersonen und den wichtigsten Museen des Landes ausgeliehen wurden (Nyon 1947).

Mehrere prominente Sammler der damaligen Zeit, von denen einige Schätze später in der Sammlung von Nyon landeten, gewährten Darlehen: Der Ingenieur Jean Nicolet (1896–1970), der Gutsverwalter Bernard Naef (1892–1984), der Bankier Roger de Cérenville (1881–1960), Paul Grand d’Hauteville (1875–1947), der Genfer Kaufmann Jacques Salmanowitz (1884–1966), der Notar Henri-Samuel Bergier (1875–1958), der Bankier Maurice Golay (1890–1948) und der Genfer Antiquitätenhändler Aimé Martinet (1879–1963). Für die Geschichte des Sammlertums in dem uns interessierenden Bereich sei noch einmal auf das Werk von Grégoire Gonin verwiesen (Gonin 2017).

1948 organisierte die Gesellschaft der Freunde der Schweizer Keramik ihre erste Ausstellung von Schweizer Keramik des 18. und 19. Jahrhunderts in Schloss Jegenstorf. Das Porzellan aus Nyon war mit 160 Katalognummern gut vertreten und zu diesem Anlass verfasste Martinet das Kapitel im Katalog über die Manufaktur aus Nyon. Die grosse Mehrheit der Stücke stammte aus Privatsammlungen. Obwohl die Herkunft nicht genau angegeben wird, sind zahlreiche Exemplare aus den Sammlungen von Martinet selber und Roger de Cérenville zu erkennen. Das Schlossmuseum beteiligte sich an der Veranstaltung, indem es etwa 15 Porzellane auslieh (Jegenstorf 1948).

Das Porzellan hatte endlich einen angemessenen Platz in der musealen Einrichtung in Nyon gefunden, die bald in «Musée historique et des porcelaines» umbenannt werden sollte. Edgar Pelichet wiederum hatte durch die Ausstellung von 1947 enge Beziehungen zu Sammlern und Antiquitätenhändlern geknüpft und sich vor allem sehr konkret mit der Produktion in Nyon in all ihrer Vielfalt auseinandergesetzt. Sein wichtigster Beitrag zur Geschichte der Manufaktur in Nyon war das 1957 erschienene Buch «Porcelaines de Nyon» (siehe unten).

1958 stellte Pelichet im Rahmen der Veranstaltungen zur Feier des zweitausendjährigen Bestehens der Stadt Nyon und in enger Verbindung mit den Freunden der Schweizer Keramik die Ausstellung «Zwanzig Jahrhunderte Keramik in der Schweiz» auf die Beine, die vom 21. Juni bis 31. August im Schloss stattfand. Die lokalen Produktionen waren dort umfassend vertreten, nicht nur Porzellan, sondern auch Steingut aus den verschiedenen Perioden. Paradoxerweise ist der dem Porzellan aus Nyon gewidmete Teil des Katalogs der am wenigsten detaillierte: Pelichet, der wahrscheinlich zu sehr mit seinen organisatorischen Aufgaben beschäftigt war, begnügte sich mit einer kurzen Beschreibung der zwanzig Vitrinen, in denen Porzellan präsentiert wurde (Nyon 1958).

Die Sammlung des Museums wurde in den dreissig Jahren nach dem Monastier-Vermächtnis nicht weiter ausgebaut. Nur einzelne Schenkungen von Sammlern, die an der grossen Ausstellung von 1947 beteiligt waren, und einige Ankäufe von Steingut aus verschiedenen Fabriken in Nyon aus dem 19. Jahrhundert fanden ihren Weg ins Museum. Im Jahr 1950 schenkten beispielsweise die Kinder von Mme Robert David-Rogivue aus Corseaux – Mathilde, geborene Rogivue, verstarb 1949 – drei Porzellane aus Nyon zum Andenken an ihre Mutter (La Nouvelle Revue de Lausanne vom 25. Juli 1950, 5). Wir haben zwei dieser Objekte gefunden, die bereits in der Ausstellung von 1947 zu sehen waren: ein Sahnekännchen mit Trophäendekor (MHPN MH-PO-3103) und ein Körbchen mit Untersetzer (MHPN MH-PO-3104 und -3105). Vier Jahre später ergänzten dieselben Personen ihre Schenkung um etwa 20 Porzellane, die leider anhand des alten Inventars nur schwer zu identifizieren waren (Journal de Nyon vom 2. Juni 1954, 2). In der zu diesem Anlass erschienenen Zeitungsnachricht hiess es, dass die Gegenstände in Mathildes Besitz aus der Sammlung ihres Vaters, des in Lausanne niedergelassenen Arztes Rogivue, stammten..

1969 vermachte Julien Richard etwa zwanzig Porzellanstücke von eher gewöhnlicher Qualität. André-Laurent Kunkler hingegen schenkte 1973 etwa 40 wertvolle Stücke aus der Sammlung seines Vaters, des Architekten Édouard Kunkler (1858–1939), der aus der Waadt stammte und in Genf lebte. Das qualitativ hochwertige Ensemble besteht überwiegend aus Stücken aus der Anfangszeit der Manufaktur, insbesondere aus dem Service mit dem Monogramm «FPM» (MHPN MH-PO-4288; MHPN MH-PO-4287; MHPN MH-PO-4290; MHPN MH-PO-4289; MHPN MH-PO-4286; MHPN MH-PO-4285; MHPN MH-PO-4291-7 und -8; MHPN MH-PO-4291-12 und -13). Die Gruppe enthielt auch einige Objekte, die Kunkler einst im Rahmen der Landesausstellung von 1896 ausgeliehen hatte. Zwei Jahre später schenkte Pierre Nicolet, der Sohn eines anderen bekannten Sammlers, des Ingenieurs Jean Nicolet (1896–1970), als Andenken an seinen Vater das prächtige Schweizer Trachtenservice, das in seiner ursprünglichen Reisekassette aufbewahrt wurde (MHPN MH-PO-4306; MHPN MH-PO-4302; MHPN MH-PO-4295; MHPN MH-PO-4305 und -4298; MHPN MH-PO-4297 und -4301; MHPN MH-PO-4303 und -4299; MHPN MH-PO-4304 und -4300).

Edgar Pelichet ging 1980 in den Ruhestand, worauf Pascale Bonnard ihm als Leiterin der Institution folgte. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin mit einer Halbtagsstelle war sie nicht nur für das Musée historique et des porcelaines zuständig, sondern auch für das 1954 auf Anregung von Pelichet gegründete Musée du Léman und das 1979 eröffnete Musée romain. Unter diesen prekären Arbeitsbedingungn gelang es ihr dennoch, 1987 eine Ausstellung über Steingut aus Nyon aus dem 19. und 20. Jahrhundert zu organisieren, die erste Einzelausstellung über diesen lange Zeit vernachlässigten Aspekt der lokalen Keramiktradition. Obwohl das Museum nicht über ein eigenes Ankaufsbudget verfügte, konnte Pascale Bonnard einen ersten bedeutenden Korpus von Objekten aus der lokalen Steingutmanufaktur AG (Manufacture de poteries fines) erwerben, hauptsächlich aus den Jahren 1925–1960. Die meisten dieser Objekte stammten aus der Sammlung von Josué Rieben, einem ehemaligen Vorarbeiter in der Manufaktur.

1989 strukturierten die städtischen Behörden das Museumsamt um, die Sammlungen sollten in Zukunft professioneller betreut werden. Die drei Museen erhielten jeweils einen in Teilzeit angestellten Kurator. Pascale Bonnard übernahm die Leitung des Musée romain und Pierre-Antoine Troillet wurde mit der Leitung des Musée historique et des porcelaines betraut. Jede Institution verfügte nun über ein eigenes, wenn auch sehr bescheidenes Budget für Ankäufe. Dank der Kontakte, die Bonnard bei der Vorbereitung der Ausstellung von 1987 geknüpft hatte, konnte Troillet den Anteil der Produkte der Manufacture de poteries fines aus den Jahren 1920–1960 weiter ausbauen, indem er 1990 rund 90 Objekte aus der Sammlung von Marcelle Dugerdil in Genf erwarb. Der neue Kurator erwarb ausserdem eine schöne Gruppe von Steingutobjekten aus der Robillard-Epoche.

Im Jahr 1995 wurde mit Vincent Lieber ein neuer Konservator ernannt, der sich nun als Vollzeitangestellter seiner Aufgabe widmen konnte. Von 1999 bis 2006 war das Schloss geschlossen, um umfangreiche Restaurierungsarbeiten durchzuführen, die zu Gunsten des Porzellans ausfielen. In den neuen Räumlichkeiten erhielt das Musée historique et des porcelaines zusätzliche Ausstellungsmöglichkeiten, da es sich nun auf allen Etagen des Gebäudes ausbreiten konnte. Die Präsentation von Porzellan erstrahlte in neuem Glanz, zumal die Sammlung eine beispiellose Entwicklung erfahren sollte.

Im Jahr 2007 erhielt das Museum beispielsweise rund 100 Stücke aus der berühmten Sammlung von Roger de Cérenville (1881–1960), die ihm von seiner 2006 verstorbenen Tochter Anne Bischoff-De Cérenville vermacht worden waren. Besonders hervorzuheben aus diesem hochwertigen Ensemble sind die Trembleuse mit dem Wappen und dem Namenszug von Frédéric de Chambrier (MHPN MH-2007-154), eine Terrine und eine Trembleuse mit frühen floralen Motiven von grossem Wert (MHPN MH-2007-176; MHPN MH-2007-196), eine grosse gedeckte Tasse mit einem Medaillon, das ein Kind im Stil von Boucher darstellt, ausgeführt in höchster malerischer Qualität (MHPN MH-2007-113) oder die Spülschale des mit rosafarbenem Rand und Medaillons verzierten Services. Diese Schale wurde auf der Landesausstellung von 1896 ausgestellt, als sie damals noch Amélie Reverdin aus Genf gehörte (MHPN MH-2007-114).

Dank eines erhöhten Ankaufsbudgets und eines allgemeinen Preisverfalls von altem Porzellan auf dem Kunstmarkt war Vincent Lieber in der Lage, in den folgenden Jahren eine nie dagewesene Ankaufspolitik zu betreiben. Zwischen 1995 und 2015 wurde der Porzellanbestand in Nyon um etwa 250 Stücke erweitert, zusätzlich zu den 115 Objekten, die durch Nachlässe und Schenkungen hinzukamen. Unter diesen Ankäufen befinden sich viele bemerkenswerte Exemplare aus grossen Sammlungen: Das mit antiken Kriegerköpfen in Graumalerei verzierte Service aus dem Besitz der Familie Couvreu de Deckersberg in Vevey (MHPN MH-1999-49; MHPN MH-1999-47; MHPN MH-1999-57 und -62; MHPN MH-1999-48; MHPN MH-1999-49; MHPN MH-1999-49; MHPN MH-1999-65) oder die Salatschüssel aus der Sammlung von Paul Oberer in Basel, mit der ein Auftragsservice aus China ergänzt werden sollte. Paul Oberer war zur Zeit der Ausstellung von 1947 Präsident der Gesellschaft der Freunde der Schweizer Keramik (MHPN MH-2012-99).

Der Genfer Geschäftsmann Jacques Salmanowitz (1884–1966) besass zweifellos eine der prächtigsten Sammlungen, die er in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts angelegt hatte. Grosse Teile dieses prestigeträchtigen Ensembles wurden 2008 in Genf und 2014 in Zürich veräussert, auch wenn in den Verkaufskatalogen diese Provenienz nicht erwähnt wurde (Gonin 2017). Anlässlich dieser beiden Versteigerungen konnte das Museum etwa 20 Stücke erwerben, darunter eines der sinnbildlichsten Beispiele für die Produktion in Nyon, die berühmte Trophäenvase (MHPN MH-2015-178). Zudem ist ein seltenes Beispiel einer Suppenterrine aus der ersten Periode zu bewundern (MHPN MH-2015-143) und eine Schale mit einem der schönsten Blumendekore, die wir in Nyon gesehen haben, in dieser lockeren und natürlichen Malweise, die nur in den ersten Jahren der Produktion beibehalten wurde (MHPN MH-2015-144).

Die Auktion von 2014 umfasste auch eine bemerkenswerte Serie von drei Wasserkrügen, die von Étienne Gide dekoriert wurden, darunter eines der beiden einzigen signierten Exemplare, die bislang aus der gesamten Produktion von Nyon bekannt sind (MHPN MH-2015-132). Letzteres befand sich 1947 im Besitz von Salmanowitz, das zweite wies Pelichet 1957 als Eigentum von Aimé Martinet aus (MHPN MH-2015-133) und das dritte wurde 1950 bei Martinet und 1985 bei Jean Nicolet gemeldet (MHPN MH-2015-134). Ob Salmanowitz die drei Krüge im Laufe der Zeit für seine Sammlung erworben hatte oder ob das Auktionshaus sie in getrennten Sammlungen fand, wird wahrscheinlich nie geklärt werden. Immerhin gilt diese Serie als eines der Juwele in der Sammlung des Museums.

Eine Anschaffungspolitik besteht zum einen darin, Lücken in einer Sammlung zu schliessen, um ihr mehr Kohärenz zu verleihen, zum anderen kann sie auch dazu führen, dass im Laufe der Zeit verstreute Sammlungen zumindest teilweise wieder vervollständigt werden. Das Beispiel des oben erwähnten Services mit den Medaillons mit rosafarbenem Rand ist in dieser Hinsicht bezeichnend. Im Jahr 1947 hatte der Antiquitätenhändler Rehfous eine Tasse und eine Untertasse dem Museum in Nyon geschenkt (MHPN MH-PO-1587 – gleichzeitig schenkte er die Kaffeekanne dem Musée Ariana, Inv. 018710). Im Jahr 2003 konnte Lieber die Teekanne kaufen (MHPN MH-2003-137) und vier Jahre später wurde die Spülschale dank des Vermächtnisses von Anne Bischoff in die Sammlung aufgenommen (MHPN MH-2007-114). 2008 schliesslich erwarb der Kurator drei weitere Tassen mit Untertassen (MHPN MH-2008-2; MHPN MH-2008-46A; MHPN MH-2008-46B).

Die schönsten personalisierten Service aus Nyon, die mit Wappen und Namenszügen verziert waren, wurden in den frühen 1790er-Jahren für reiche Kunden in Norditalien hergestellt. Lange Zeit gab es in der Sammlung des Museums nur ein einziges Beispiel: eine Tasse mit dem Namenszug des Grafen Gustav von Wrangel aus der ehemaligen Monastier-Sammlung (MHPN MH-PO-1423 und -1422). Im Jahr 2008 behob der Kurator diesen Schwachpunkt der Sammlung, indem er die Trembleuse mit dem Wappen und der Inschrift von Anna Pieri Brignole-Sale erwarb (MHPN MH-2008-48). Zwischen 1999 und 2008 stellte er mit dem Kauf der Teekanne und drei Tassen und Untertassen aus dem Service mit dem Allianzwappen von Vallesa und Filippa di Martiniana (MHPN MH-2002-300; MHPN MH-1999-120; MHPN MH-2015-452) eine repräsentative Gruppe für diese Art von erstklassiger Produktion zusammen; die anderen Teile dieses wahrscheinlich unvollständigen Ensembles, so verstreut wie es 1975 in Genf war, befinden sich heute im Landesmuseum Zürich (die Zuckerdose, eine Tasse und Untertasse – Inv. LM-59584; LM-59585; LM-59586) und im Musée Ariana (die Kaffeekanne, zwei Tassen und Untertassen – Inv. AR 10715; AR 10716; AR 10717).

Im Jahr 2013 hatte das Museum die Gelegenheit, einen wichtigen Restbestand eines chinesischen Auftragsservices zu erwerben, das in den 1780er-Jahren in Nyon neu aufgelegt wurde, das sogenannte «Service Cuénod» (MHPN MH-2013-117; MHPN MH-2013-113M; MHPN MH-2013-112E; MHPN MH-2013-106; MHPN MH-2013-105B; MHPN MH-2013-111; MHPN MH-2013-101; MHPN MH-2013-108A; MHPN MH-2013-104; MHPN MH-2013-102; MHPN MH-2013-110; MHPN MH-2013-103; MHPN MH-2013-107). Ein sehr seltener Teil des Ensembles ist durch eine Notiz aus dem Jahr 1784 dokumentiert, in der der Auftraggeber seine Verhandlungen mit der Manufaktur beschreibt, um einen günstigeren Preis zu erzielen (das Dokument wurde zusammen mit dem Porzellan erworben und wird im Archiv des Schlosses Nyon aufbewahrt).

Diese Gruppe von acht chinesischen Stücken (eine Terrine – MHPN MH-2013-117 – sechs Schalen und sieben Untertassen – MHPN MH-2013-118B und –118J) und von 47 Stücken aus Nyon umfasst 20 flache Teller und drei Schüsseln, die laut der oben erwähnten Notiz (MHPN MH-2013-113M; MHPN MH-2013-106; MHPN MH-2013-105B) mit Sicherheit Ende 1784 oder Anfang 1785 hergestellt wurden. Die erwähnten Produkte zeigen drei oder vier ziemlich einheitliche Arten von Fischmarken, die wir nun ziemlich genau datieren können. Diese Entdeckung hat es uns ermöglicht, die relative Chronologie, die wir für die Produktion in Nyon aufzustellen versuchen, weiter zu verfeinern (siehe Kapitel «Porzellan aus Nyon»).

Der letzte bedeutende Erwerb zum Zeitpunkt der Abfassung dieses Artikels war die «Kamingarnitur» des Schlosses Hauteville (MHPN MH-2015-156; MHPN MH-2015-154; MHPN MH-2015-155). Die drei Zwiebelkisten mit ihrem aussergewöhnlichen Affendekor wurden wahrscheinlich von Daniel Grand de la Chaise (1761–1828) erworben, kurz nachdem er Herr von Hauteville geworden war. Sie blieben bis zur Auflösung seines Mobiliars im Jahr 2014 im Schloss.

Die Ankaufspolitik, die das Museum seit dem Amtsantritt von Vincent Lieber verfolgte, hatte besonders bemerkenswerte Auswirkungen auf das Porzellan, vernachlässigte jedoch nicht die anderen Aspekte der lokalen Keramiktradition. Der Bestand an Steingut aus dem 19. Jahrhundert wurde im Rahmen der auf dem Markt verfügbaren Objekte um etwa 50 Exemplare aufgestockt. Auch die Bestände der modernen Produktion wurden regelmässig erweitert, insbesondere mit Keramiken aus der Manufacture de poteries fines de Nyon, mit Kunsttöpfereien des Typs «Pflüger Frères» oder mit Objekten aus der Werkstatt der Gebrüder Richard und mit der Marke des Ateliers «Kaeppeli & Rüegger» versehene Irdenware.

Im Jahr 2000 erwarb das Museum die ehemalige Sammlung von Edgar Pelichet, die unter anderem ein breites Sortiment an Tierfiguren umfasste, die von verschiedenen Künstlern entworfen und in der Manufacture de poteries fines de Nyon in den Jahren 1935–1950 hergestellt wurden (z. B. MHPN MH-2015-354; MHPN MH-2015-342; MHPN MH-2015-361; MHPN MH-2015-362; MHPN MH-2015-357; MHPN MH-2015-375; MHPN MH-2015-378; MHPN MH-2015-367). Wie ein Katalogentwurf aus dem Jahr 1992 im Archiv des Museums belegt, hatte Pelichet eine kleine Publikation zum Thema Nyoner Figuren aus seiner persönlichen Sammlung geplant (Pelichet 1992). Seine Notizen liefern einige Hinweise, insbesondere zur Urheberschaft bestimmter Modelle. In unseren eigenen Beschreibungen beziehen wir uns auf diese Informationen, die oft auf den von Pelichet gesammelten Aussagen ehemaliger Mitarbeiter beruhen, jedoch mit der gebotenen Vorsicht.

Europäisches Porzellan und Fayencen

1983 erhielt das Museum von Jean Bulla de Villaret, einem Bekannten von Pelichet, ein Dutzend europäischer Porzellane, die eine kleine, eher isolierte Gruppe in den Sammlungen bilden.

Diese hervorragenden Objekte waren offensichtlich von einem Keramikkenner gesammelt worden: Besonders hervorzuheben sind ein Teller aus einem der berühmtesten Service, das der Graf von Brühl in Meissen bestellt hatte (MHPN MH-PO-4382), eine Suppenschale aus dem «Japanischen Service», entworfen von der Königlichen Manufaktur in Berlin für Friedrich II. von Preussen (MHPN MH-PO-4377), sowie eine Kaffeekanne aus Höchst mit einer Genreszene, die wahrscheinlich von Louis-Victor Gerverot gemalt wurde (MHPN MH-PO-4378).

Über Jean Bulla de Villaret wissen wir so gut wie nichts, ausser dass sein Adelsprädikat rein kosmetischer Natur war und er zu der Zeit, als Pelichet Kurator des Musée Ariana war, hinter den Kulissen seine Finger im Spiel hatte.

Die Sammlung Held

Arthur-Jean Held (1905–1999), ein angesehener Professor für Zahnmedizin an der Universität Genf, galt als grosser Liebhaber der Fayencen von Moustiers aus dem 18. Jahrhundert. Er freundete sich mit Joseph Chompret (1869–1956) an, der ebenfalls Zahnarzt und ein grosser Kenner alter Fayencen war. Chompret setzte sich sehr aktiv für die Förderung der Geschichte der Keramik ein und war insbesondere eine der treibenden Kräfte hinter dem berühmten Répertoire de la faïence française, das zwischen 1933 und 1935 veröffentlicht wurde. Ausserdem war er ein Vierteljahrhundert lang Vorsitzender der Freunde des Musée de Sèvres. Chompret schenkte einen Grossteil seiner umfangreichen Sammlung dem Musée de Sèvres und dem Musée des arts décoratifs in Paris. Vielleicht unter dem Einfluss seines Freundes und Kollegen entwickelte Arthur-Jean Held seine Vorliebe für alte Fayencen und baute ab 1950 eine reiche Sammlung von etwa hundert Stücken auf, die damals fast hauptsächlich den verschiedenen Manufakturen in Moustiers-Sainte-Marie zugeschrieben wurden. Im Jahr 1960 veröffentlichte er in den Cahiers de la céramique et du verre, der Zeitschrift der Amis de Sèvres, einen Artikel zu diesem Thema, der reichlich mit Objekten aus seiner Sammlung illustriert war (Held 1960).

Held stand auch Henry Reynaud nahe, der mehrere Werke über die Produktion in Moustiers verfasste und Präsident der Académie de Moustiers war, der Held übrigens als Ehrenmitglied angehörte. Eine Reihe von Objekten aus Helds Besitz wurden in einem Buch abgebildet, das Reynaud 1961 in Bern unter dem Titel Faïences anciennes de Moustiers veröffentlichte (Reynaud 1961).

Die Sammlung Held wurde 1986 vorerst im Historischen Museum deponiert, bevor sie 1993 als Schenkung an die Stadt Nyon ging als Erinnerung an die Nyoner Herkunft der Ehefrau des Sammlers, Marcelle Held, geborene Lüscher. Die Präsentation dieses Ensembles in der Dauerausstellung im Schloss wurde am 3. September 1993 eröffnet (24 Heures vom 6. September 1993, 16). Zu diesem Anlass gab das Museum eine kleine, vom Spender verfasste Publikation heraus, die zwar eine schöne Hommage an die Fayencehersteller von Moustiers darstellt, aber nicht mehr den heutigen wissenschaftlichen Anforderungen entspricht (Held 1993). Die Sammlung blieb nur bis 1999 ausgestellt.

Die Schenkung Held ist bis heute die bedeutendste Sammlung von Fayencen aus Moustiers und Südfrankreich, die in einer öffentlichen Schweizer Institution aufbewahrt wird. Sie enthält einige Anthologiestücke südländischer Fayencen wie die Schale mit der Darstellung von Herkules, der Antäus hochhebt (MHPN MH-HE-1), die sich einst in der renommierten Sammlung von Charles Damiron befand, und den Brunnen mit dem Bildnis von Neptun, der 1919 von Damiron veröffentlicht wurde und heute der Manufaktur von Jacques Ollivier in Montpellier zugeschrieben wird (MHPN MH-HE-39). Die Schale mit einem aussergewöhnlich reichen Dekor im Bérain-Stil, der Orpheus zeigt, der die Tiere bezaubert, ist ein weiteres Meisterwerk, dessen Zuschreibung an Clérissy de Moustiers aber infrage gestellt wird (MHPN MH-HE-2). Dasselbe gilt für den prächtigen Brunnen mit Bérain-Dekor (MHPN MH-HE-45), bei dem eine mögliche Zuschreibung an die spanische Manufaktur in Alcora nicht ausgeschlossen werden kann.

Neben zwei Gruppen von Werken, die die wichtigsten Manufakturen repräsentieren, nämlich die der Clérissy und der Olérys-Laugier, umfasst die Sammlung auch eine Reihe von Fayencen aus anderen, mehr oder weniger identifizierten Werkstätten in Moustiers. Ein Teil der einst Moustiers zugeschriebenen Objekte wird heute anderen Fayence-Zentren in Frankreich oder anderswo zugeordnet. Besonders hervorzuheben ist hier ein schönes Ensemble aus der Produktion in Montpellier, deren Umfang und Qualität mittlerweile auch dank zahlreicher archäologischer Funde belegt ist (Montpellier 2012).

Das Musée historique et des porcelaines verwahrt auch einen weiteren Keramikschatz, nämlich die Sammlung von Apothekengefässen von Burkhard Reber (1848–1926), die der Universität Lausanne gehörte und 1962 der Institution in Nyon anvertraut wurde. Diese bemerkenswerte Sammlung von Schweizer und europäischen Fayencen wurde bis 1999 teilweise im Schloss ausgestellt. Siehe Kapitel «Die Sammlung Apothekengefässe von Burkhard Reber».

Übersetzung Stephanie Tremp

Bibliographie

Blaettler 2017
Roland Blaettler, CERAMICA CH III/1: Vaud (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2017, 13-20.

Gonin 2017
Grégoire Gonin, Redécouvrir la porcelaine de Nyon (1781-1813). Diffusion et réception d’un artisanat de luxe en Suisse et en Europe du XVIIIe siècle à nos jours. Neuchâtel 2017.

Held 1960
Arthur-Jean Held, L’art de la faïence à Moustiers-Sainte-Marie. Cahiers de la céramique, du verre et des arts du feu 18, 90-119.

Held 1993
Arthur-Jean Held, Faïences de Moustiers-Sainte-Marie dans les musées de Nyon. Nyon 1993.

Jegenstorf 1948
Ausstellung Schweizer Keramik des 18. und 19. Jahrhunderts im Schloss Jegenstorf/Bern. Ausstellungskatalog, Jegenstorf 1948.

Lieber 2011
Vincent Lieber, Histoire(s) du château de Nyon. Nyon 2011.

Montpellier 2012
Montpellier, terre de faïences. Potiers et faïenciers entre Moyen Âge et XVIIIe siècle. Collection Archéologie de Montpellier Agglomération, AMA 3. Milan 2012.

Nyon 1947
Porcelaines de Nyon. Publié à l’occasion de l’exposition nationale de porcelaines de Nyon. Cat. d’exposition, Château de Nyon. Nyon 1947.

Nyon 1958
Vingt siècles de céramique en Suisse. Cat. d’exposition, Château de Nyon. Nyon 1958.

Pelichet 1940
Edgar Pelichet, La porcelaine de Nyon 1781-1813. Nyon 1940.

Pelichet 1957
Edgar Pelichet, Porcelaines de Nyon. Nyon 1957.

Pelichet 1992
Edgar Pelichet, Les charmantes faïences de Nyon. De surprenants animaux et des vases. Manuscrit inachevé. Nyon 1992 (Archives du Château de Nyon).

Reynaud 1961
Henry Jean Reynaud, Faïences anciennes de Moustiers. Berne 1961.

Wellauer 1901
Théodore Wellauer, Nyon à travers les siècles. Guide de la ville de Nyon avec indicateur administratif, commercial et industriel. Genève 1901.

 

 

 

Olten, Historisches Museum (HMO)

Historisches Museum Olten 
c/o Stadthaus
Dornacherstrasse 1
CH-4601 Olten
Tel. +41 (0)62 212 89 89
info@historischesmuseum-olten.ch

Die Sammlung des Historischen Museums Olten in CERAMICA CH

Roland Blaettler 2019

Das Historische Museum Olten ist der Initiative von drei hervorragenden Persönlichkeiten zu verdanken, die im politischen und kulturellen Leben der Stadt eine grosse Rolle spielten. Hugo Dietschi (1864–1955) war von 1902 bis 1933 Stadtammann und weiter auch Kantons- und Ständerat, Dr. Marx von Arx, Chefarzt am Spital Olten, und Otto Häfliger, Geschichtslehrer und ab 1905 erster Konservator des Museums. Auf ihr Betreiben wurde 1901 eine Museumsgesellschaft gegründet, die bewirkte, dass die alten Sammlungen der Stadt neu gruppiert wurden und erste Geschenke eingingen. 1903 erhielten die Sammlungen im ersten Stock des Frohheimschulhauses zuerst einen Raum, dann mehrere Zimmer zur Aufbewahrung und zur Ausstellung. 1931 bekam das Museum endlich neue Lokalitäten im Neubau auf dem Hübeli, den es mit der Feuerwehr und Schulklassen zu teilen hatte. Mit der Zeit aber dehnte es sich aus und füllte schliesslich fast das ganze Gebäude. Die wichtigsten Bestände der jungen Institution galten zunächst den Waffen und Uniformen. Mit der Zeit aber bildeten auch die archäologische und ethnografische Sammlung, die Sammlung an Trachten und Trachtenschmuck, die religiöse Volkskunst, die Sammlung lokalen Silbers und die Keramik eigene Schwerpunkte (Häfliger 1951; Schätzle 1970).

Die alten Register und Inventare des Museums sind vor allem für die Keramik sehr lückenhaft, so dass es schwierig ist, die Geschichte der Sammlung zu rekonstruieren. Um hier zusätzliche Auskünfte zu erhalten, haben wir uns die Verwaltungsberichte vorgenommen mit den jährlichen Berichten der Konservatoren der Museen und Sammlungen von 1912 bis 1965. Diese Berichte enthalten Angaben über die wichtigsten Erwerbungen und Ereignisse im Museumsbetrieb. Leider aber werden Geschenke nicht systematisch erwähnt, und die Beschreibung der angekauften Objekte ist oft zu mangelhaft, um Stücke eindeutig identifizieren zu können. Für die Jahre 1978 bis 1996 hat der Konservator Hans Brunner eine den früheren Berichten entsprechende, jedoch genauere Chronik in den Jurablättern veröffentlicht. Schliesslich fehlen für mehr als die Hälfte der keramischen Objekte Herkunftsangaben, weshalb die hier folgenden Angaben nur Hinweischarakter haben können.

Mit etwa 920 im Rahmen unserer Arbeit aufgenommenen Objekten ist Olten mit Matzendorf die von der Menge her wichtigste Keramiksammlung des Kantons Solothurn. Dabei machen schweizerische Produkte die Hälfte des Bestandes aus. Ausländisch, vor allem deutsch, sind 25 Prozent, französisch 10 Prozent. Von 451 Schweizer Stücken sind 72 Erzeugnisse von Matzendorf, 120 solche von Kilchberg und Umgebung.

Die ersten bezeugten Erwerbungen datieren von 1915. Schon früher aber muss es einen beachtlichen Bestand an Keramik besonders von Matzendorf gegeben haben. So lesen wir im Jahresbericht des Konservators von 1918, dass das Museum auf diesem Gebiet in den vorangegangenen Jahren vor allem dank der Schenkung von Frau Adolf Munzinger-Vogt eine schöne Sammlung aufbauen konnte. Das Geschenk bestand hauptsächlich aus Teilen des berühmten Steingut-Services Munzinger (HMO 8531 und 8904; HMO 8534; HMO 8905; HMO 8539; HMO 8535; HMO 8903; HMO 8533; HMO 8532).

1916 konnte das Museum elf Stücke aus dem Service des Georg von Rohr erwerben (HMO 8143; HMO 8888; HMO 8699; HMO 8889; HMO 8708; HMO 8715; HMO 8890; HMO 8746; HMO 8071). 1930 nahm die Keramiksammlung einen derart wichtigen Platz ein, dass die Verantwortlichen ins Auge fassten, ihr bei der Einrichtung des neuen Museums einen eigenen Saal zu widmen, was dann aber wohl erst in den fünfziger Jahren geschah. 1932, ein Jahr nach dem Umzug, erwähnt der Berichterstatter, dass der grösste Teil des Ankaufskredits für die Entwicklung der Sammlung von Matzendorfer Fayencen ausgegeben wurde. Die Mittel erlaubten unter anderem, 16 Stücke des Service von Jakob Fluri und seiner Gattin Barbara Bläsi bei einer im Tessin lebenden Nachfahrin des Ehepaars zu erwerben (HMO 8156; HMO 8139; HMO 8891; HMO 8897; HMO 8893; HMO 8045; HMO 8171; HMO 8175; HMO 8894; HMO 8710).

1932 taucht erstmals der Name von Maria Felchlin in der Chronik des Museums in Verbindung mit einem Geschenk von zwei leider nicht bestimmten Fayencen auf. Zwei Jahre später erfährt man: «Fräulein Felchlin, Kennerin und eifrige Sammlerin, hat die ganze Geschirrsammlung geordnet.» 1936 wird mitgeteilt, dass der grösste Teil des Kredites für den Ankauf mehrerer guter Stücke von Matzendorf und für Trachtenschmuck verwendet wurde. In den vierziger und fünfziger Jahren kaufte das Museum regelmässig Fayencen von Kilchberg-Schooren. 1945 spricht der Jahresbericht von einem «erfreulichen Zuwachs in der Matzendorfer Sammlung», ohne dass es möglich gewesen wäre, einzelne damals erworbene Stücke zu identifizieren.

1952 teilt der Jahresbericht mit, dass Maria Felchlin mit der Inventarisation der Keramiksammlung begonnen und schon 132 Objekte aufgenommen habe. Gleichzeitig richtete sie die Ausstellung neu ein, indem sie das «Aedermannsdorfer» (die «Blaue Familie», die sie Niklaus Stampfli zuwies) von dem trennte, was sie als wirkliche Matzendorfer Produktion ansah und jede Gruppe in einer eigenen Vitrine präsentierte. Nebst den Fayencen mit «Berner Dekor» enthielt die Matzendorfer Vitrine auch zehn Objekte aus Steingut. Nach dieser Neuaufstellung stellte der Konservator Ernst Schätzle fest, dass «auswärtige Keramik» keinen Platz mehr hatte. Im folgenden Jahr hatte Felchlin schon 300 Fayencen inventarisiert, 108 von Matzendorf, wobei die «Berner Dekore» von Kilchberg mitgezählt sind, 42 Stück «Aedermannsdorfer» sowie 150 Geschirre anderer schweizerischer oder ausländischer Provenienz. Die neue keramische Ausstellung wurde am 23. Februar 1954 eingeweiht und war die erste museale Präsentation der Theorien von Maria Felchlin. Je mehr der Einfluss von Maria Felchlin im Museum zunahm, desto mehr erwarb man nun Fayencen mit «Berner Dekor» und nach 1958/59 auch Fayencen ostfranzösischer Herkunft, die Felchlin nach der Veröffentlichung ihrer These vom «Matzendorfer im Strassburger Stil» meinte mit Urs Studer in Verbindung bringen zu können.

1959 erhielt das Museum unverhofften Zuwachs an ausländischem Porzellan mit dem Legat von Maria Christen-Faesch, der 1959 in Lugano verstorbenen Witwe des Oltener Bürgers Otto Christen. Dem Wunsch der Erblasserin entsprechend, wurde die Sammlung mit 156 deutschen, schweizerischen, österreichischen, französischen und chinesischen Porzellanen in zwei grossen Vitrinen der im zweiten Stock des Museums gezeigten Keramikausstellung zur Schau gestellt und im Dezember 1960 eröffnet.

Offensichtlich bemühten sich die Verantwortlichen des Museums Olten mit oft sehr bescheidenen Mitteln und seit den dreissiger Jahren unter Mitwirkung von Maria Felchlin, eine Sammlung von lokal gefertigten Fayencen anzulegen. Hans Brunner, Konservator von 1970 bis 2001, entschied dann, diese Politik auf schweizerische Erzeugnisse auszuweiten. Im Jahresbericht von 1980 erklärte er seine Absicht, «die keramische Sammlung so weiter auszubauen, dass die Schweizer Manufakturen vertreten sind» (Brunner 1981). Dementsprechend erwarb er unter anderem ein Ensemble aus Nyon-Porzellan mit dem klassischen Streublumendekor (HMO 8516; HMO 8513; HMO 8511; HMO 8497; HMO 8510; HMO 8496; HMO 8498 ; HMO 8512; HMO 8207; HMO 8210), Berner Keramiken mit Engobedekor aus der Region Heimberg-Steffisburg, eine Tasse mit Untertasse aus Zürcher Porzellan, zwei einst Lenzburg zugeschriebene Fayencen, die aber Lunéville sind, und einen Fayencekorb von Sceaux (HMO 8347), der als vermeintliches Erzeugnis der Berner Manufaktur Willading gekauft wurde.

An modernen Stücken sammelte Brunner vor allem Porzellan von Langenthal der Jahre 1920 bis 1960. Im Allgemeinen beschränkten sich die Ankäufe des Museums auf Solothurner und Schweizer Keramik. Die einzigen Ausnahmen bilden falsche Zuschreibungen wie im Fall der genannten Fayencen oder von zwei Fayencen aus Durlach, die mit «m» markiert sind und deshalb Matzendorf zugewiesen wurden (HMO 8378; HMO 8377).

Unter den in den Registern erwähnten Verkäufern stösst man auch hier auf Th. Boner, Küfer von Laupersdorf und die Antiquitätenhändler G. Moser in Derendingen und Knecht in Solothurn, später auf Kurmann in Biberist und Weiss-Hesse in Olten. Bei Hans Thiersteins Witwe in Bern wurden wohl in den fünfziger Jahren ausschliesslich «Berner Dekore» aus Kilchberg-Schooren gekauft.

Schweizer Keramik

Die Sammlung der Keramik von Matzendorf umfasst 72 Objekte, davon zwölf aus Steingut, von denen neun zum Service für den Amtschreiber Bernhard Munzinger in Balsthal gehören (HMO 8531; HMO 8904; HMO 8534; HMO 8905; HMO 8539; HMO 8535; HMO 8533; HMO 8903; HMO 8532). An Fayencen aus dem Zeitraum 1800 bis 1840 gibt es zehn Objekte mit der Bartschale für Jakob Howald im Kleinholz von 1832 (HMO 8681) und einer bedeutenden Suppenschüssel für Johann Bosset in Zunzgen (BL) von 1835 (HMO 8833). Die Produktion der Jahre 1840 bis 1850 ist besonders gut vertreten mit den Rasierbecken von 1844 für Josef Studer (HMO 8682) und Joseph Schärmeli (HMO 8896). Für diese Periode besitzt das Museum zudem Beispiele von Services mit drei von Jakob Fluri 1842 bestellten Stücken (HMO 8156; HMO 8139; HMO 8891) und drei weiteren von 1843 (HMO 8897; HMO 8893). Fluri war Spross einer begüterten Bauernfamilie von Aedermannsdorf, heiratete 1844 Barbara Bläsi und wurde wenig später Ammann. Im Jahr seiner Heirat vervollständigte er sein Tafelservice mit Stücken, die seinen oder seiner Frau Namen tragen (HMO 8171; HMO 8175). Barbara Bläsi erhielt 1844 auch die schöne Milchkanne mit dem in Matzendorf sehr seltenen Landschaftsdekor (HMO 8894). Zur gleichen Gruppe gehören die 1842 von Joseph Bloch, dem Metzger in Oensingen und seiner Frau bestellte Suppenschüssel und eine Zuckerdose mit der einzigen in Matzendorf bezeugten Malermarke «G. F.» (HMO 8348), ferner eine Bartschale mit der gleichen Marke von 1843 (HMO 8892). Dreissig Fayencen sind später und gehören zur «Blauen Familie»; elf Stücke davon sind Teil des schönen, 1850 für Georg und Elisabeth von Rohr hergestellten Services (HMO 8071; HMO 8143; HMO 8708; HMO 8715; HMO 8743; HMO 8744; HMO 8745; HMO 8746; HMO 8888; HMO 8889; HMO 8890).

Der grosse Bestand an Fayencen von Kilchberg gibt ein reiches Bild vom Geschirr des zürcherischen Biedermeiers. Nebenbei notiert man hier eine Suppenschüssel von 1829, deren Deckel leider nicht erhalten ist (HMO 8144) und ein Tintengeschirr mit der Jahreszahl 1833 (HMO 8219), ferner eine Suppenschüssel von seltener Form, die vielleicht ein Rüschlikoner Erzeugnis ist (HMO 8141), und Schüsseln mit reichem Blumendekor wohl aus der Scheller’schen Fabrik im Schooren (HMO 8140; HMO 8149). Von dort dürfte auch das Giessfass mit erhaltenem Waschbecken kommen, was sehr selten ist (HMO 8142).

Zwei irdene Blumenlampen, die hier erstmals veröffentlicht werden, zeugen vom bisher unbekannten Schaffen des im Katalog der Solothurner Gewerbeausstellung von 1847 und in jenem der zweiten allgemeinen schweizerischen Gewerbe- und Industrieausstellung von 1848 erwähnten Keramikers Franz von Arx. An beiden Ausstellungen zeigte dieser ausschliesslich Objekte der genannten Art (HMO 8778; HMO 8777). Bei ihm dürfte es sich um Franz Joseph von Arx handeln (1794–1851), den Neffen des Ofenhafners Franz von Arx-Hofmann (1759–1821), von dessen Arbeit noch eine signierte Ofenkachel mit Datum 1819 im Museum Olten zeugt. Es scheint, dass der Neffe die Werkstatt seines Onkels übernahm (Fischer 1989).

Ausländische Keramik

An ausländischer Keramik enthält die Sammlung eine Gruppe von sechzig Stücken aus bedrucktem Steingut der Zeit von 1830 bis 1860 aus den württembergischen Manufakturen Hornberg und Schramberg, vor allem aber aus dem badischen Zell am Harmersbach (Beispiele: HMO 8013; HMO 8283; HMO 8284; HMO 8396; HMO 8404; HMO 8280; HMO 8281; HMO 8068; HMO 8275; HMO 8276). Dies Geschirr wurde in Mengen importiert und gab damit Anlass für die Klagen von Matzendorf über die ausländische Konkurrenz.

Das Museum besitzt zudem an die vierzig ostfranzösische Fayencen mit in Aufglasurfarben gemalten Blumen der Zeit um 1800, die Maria Felchlin als «Matzendorfer im Strassburger Stil» der Werkstatt von Urs Studer zuwies (HMO 8713; HMO 8129; HMO 8066; HMO 8064; HMO 8065; HMO 8114; HMO 8113; HMO 8108; HMO 8692; HMO 8723). Es ist noch unklar, wo genau diese Stücke fabriziert wurden. Jean Rosen denkt hier an Bois d’Épense (siehe z. B. Rosen und Maggetti 2012). Interessanter sind die zwei von Hans Brunner als «Lenzburg» angekauften Fayencen, zum einen die Schale mit dem originalen Lunéviller «Kranich-Dekor» (HMO 8346), einem Motiv, das in der Franche-Comté in etwas vereinfachter Form übernommen und von Maria Felchlin für Matzendorf reklamiert wurde (z. B. HMO 8712 – siehe auch «Fayencen aus der Franche-Comté in Solothurner Sammlungen»), zum andern die schöne, von einem vorzüglichen Hausmaler mit indianische Blumen bemalte Suppenschüssel von Lunéville (HMO 8093).

Das Legat von Maria Christen-Faesch

Das Legat Christen-Faesch enthält vor allem Porzellane deutscher Manufakturen mit Geschirr und Figuren sowie chinesisches, vor allem blau-weisses Exportporzellan der Kangxi-Zeit. Stark vertreten ist Meissen mit vier Tellern aus dem berühmten «Brühl’schen Allerlei»-Service, welches zwischen 1742 und 1747 für Graf Heinrich von Brühl geschaffen wurde (HMO 8565; HMO 8566; HMO 8765; HMO 8766). Zu diesen Meisterwerken kommt ein mit Früchten und Gemüse bemaltes Tee- und Kaffeeservice der Jahre 1740 bis 1750 von hervorragender Qualität (HMO 8328; HMO 8559; HMO 8747; HMO 8748; HMO 8749; HMO 8750; HMO 8751; HMO 8752; HMO 8753; HMO 8754; HMO 8755, HMO 8757; HMO 8758; HMO 8759; HMO 8761; HMO 8762; HMO 8763; HMO 8764). Unter dem Geschirr fällt ferner eine schöne, mit «Holländischen Bauern» bemalte Kaffeekanne von Nymphenburg auf, die leider keinen Deckel hat (HMO 8562), dann eine Sauciere von nicht veröffentlichter Form aus Ludwigsburger Porzellan (HMO 8561) und zwei Wiener Platten vom Ende des 18. Jahrhunderts mit ungewöhnlicher Camaieu-Landschaftsmalerei (HMO 8767; HMO 8768).

Was die Porzellanplastik angeht, kommen die schönsten Exemplare aus Ludwigsburg, wie die eindrückliche Potpourrivase, von der nur wenige Ausformungen bekannt sind (HMO 8652). Geläufiger sind die Figuren des Trinkers (HMO 8646) und des Wirts (HMO 8638) von Jean-Jacques Louis sowie der Fischerin (HMO 8637) und des Leiermanns (HMO 8644) von Johann Christian Beyer. Die Manufaktur Fürstenberg ist mit zwei Gruppen vertreten, welche die vier Kontinente darstellen (HMO 8657; HMO 8658). Sie sind nach Meissener Modellen von Friedrich Elias Meyer geformt, wobei in der Kollektion auch das Meissener Originalmodell von «Asien und Afrika» vorhanden ist (HMO 8651). Zu den besten Stücken gehören ferner ein «Elsässer Bauer mit Rückentragkorb» von Frankenthal (HMO 7195) und eine Schäferin und ein Flötenspieler von Wien (HMO 8643; HMO 8635).

Das Legat umfasst auch etwa dreissig Figuren neueren Datums, darunter spätere Ausformungen von Meissener Originalen (HMO 7184; HMO 8664; HMO 7180; HMO 8665; HMO 8668) und plagiatartige Nachbildungen nach Meissen (HMO 8667; HMO 8663; HMO 7187), Ludwigsburg (HMO 8832), oder auch Sèvres (HMO 8756). Die zwei Figuren aus der berühmten Manufaktur von Samson bei Paris imitieren klar den Stil von Meissen, ohne dass wir die entsprechenden Meissener Modelle gefunden hätten (HMO 8666; HMO 7183). Und die Marke, die Samson hier verwendet hat, ist jener von Meissen sehr ähnlich. Die Kinderbüste mit der Ludwigsburger Marke (HMO 7185) entspricht keinem Modell der Manufaktur. Die meisten dieser Plagiate können für einen wenig erfahrenen Liebhaber gefährlich sein und leicht dazu führen, dass er Opfer einer Täuschung wird. Das gilt auch für die absolut rechtmässigen Neuausformungen nach den alten Modellen von Höchst. Der Fall ist verhältnismässig klar, wenn beispielsweise die Manufaktur Damm der Höchster Radmarke ihre Initiale beigibt (HMO 8661), wird aber heikel, wenn ein solches Zeichen fehlt (HMO 8662; HMO 7186; HMO 7197; HMO 7198; HMO 7199; HMO 7200; HMO 7201; HMO 7202).

Als vom Museum beigezogene Expertin hat Maria Felchlin das Legat mithilfe des Basler Antiquars Fritz Klingelfuss dokumentiert und ausgestellt. Klingelfuss war offenbar schon der Berater und Lieferant von Maria Christen-Faesch (Felchlin 1961).

Moderne Keramik

An moderner Keramik zählt die Sammlung rund 140 Objekte. Dabei handelt es sich hauptsächlich um Schweizer Erzeugnisse, Porzellan von Langenthal und engobierte Ware aus Heimberg-Steffisburg, die von Hans Brunner erworben wurden. Hier heben wir die charmante Porzellanfigur eines vom Heimberger Plastiker Adolf Schmalz modellierten Bauernpaares hervor (HMO 7179), die unseres Wissens das erste Beispiel für die Zusammenarbeit von Schmalz mit Langenthal ist. Das Museum besitzt aber auch eine von Schmalz in der traditionellen Technik der Heimberger Irdenware geschaffene Figur des Langnauer Alpendoktors Michael Schüpbach (HMO 8342).

Moderne ausländische Keramik ist dem Museum in Form von Geschenken zugekommen. Erwähnenswert ist hier eine Sammlung von dreissig Münzen und Medaillen aus Porzellan und Steinzeug von Meissen aus dem Jahr 1921, wie sie in öffentlichen Sammlungen der Schweiz selten sein dürfte (HMO 8854 bis HMO 8883).

Bibliographie

 Blaettler/Schnyder 2014
Roland Blaettler/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH II: Solothurn (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2014, 28–34.

Brunner 1981
Hans Brunner, Historisches Museum Olten. Jahresbericht 1980. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1981, 154–156.

Brunner 1983
Hans Brunner, Das Historische Museum Olten. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1983, 17–19.

Brunner 1987
Hans Brunner, Historisches Museum Olten. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1987, 27–30.

Brunner 1991
Hans Brunner, Historisches Museum Olten. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1991, 33–34.

Brunner 1992
Hans Brunner, Historisches Museum Olten. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1992, 26–27.

Brunner 1994
Hans Brunner, Historisches Museum Olten. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1994, 28–30.

Brunner 1996
Hans Brunner, Historisches Museum Olten. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1996, 27–29.

Felchlin 1961
Maria Felchlin, Die Bedeutung der Porzellansammlung Maria Christen-Faesch im Historischen Museum Olten (Sonderdruck aus Heimat und Volk, Beilage zum Oltner Tagblatt), Olten 1961.

Fischer 1989
Martin Eduard Fischer, Hafner und Hafnerhandwerk in Olten. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1989, 189–196.

Häfliger 1951
Eduard Häfliger, 50 Jahre Historisches Museum Olten. Oltner Neujahrsblätter, 1951, 13–24.

Rosen et Maggetti 2012
Jean Rosen et Marino Maggetti, En passant par la Lorraine… Un nouvel éclairage sur les faïences et les «terres blanches» du Bois d’Épense/Les Islettes, de Lunéville et de Saint-Clément. Keramik-Freunde der Schweiz, Mitteilungsblatt 126, 2012, 1-115.

Schätzle 1970
Ernst Schätzle, Das historische Museum Olten. Jurablätter. Monatszeitschrift für Heimat- und Volkskunde, 1970, 114–118.

 

Orbe, Museum für Ortsgeschichte Pro Urba (MO)

Musée d’Orbe (MO)
Rue Centrale 23
1350 Orbe

Die Keramiksammlung des Musée d’Orbe in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Die ersten Bemühungen um die Einrichtung eines Museums in Orbe gehen auf das Jahr 1878 zurück, als die Stadtverwaltung Pastor Narbel beauftragte, in einem Schulzimmer Gegenstände aller Art zu sammeln, die Aufschluss über die Vergangenheit der Stadt geben könnten. Die Sammlung wurde ab 1883 in einem kleinen Saal des Rathauses untergebracht, bevor sie auf den Dachboden verbannt wurde.

1923 wurde die «Vereinigung Vieil-Orbe, Pro Urba» gegründet mit dem Ziel, das geplante Museum zu fördern, die berühmten Mosaiken von Boscéaz zu erhalten und archäologische Ausgrabungen bei den Überresten der ehemaligen römischen Villa von Urba durchzuführen. Nach dem Zweiten Weltkrieg konnte das Museum von Orbe schliesslich in einem Stadthaus eingerichtet werden, das Hélène Martin der Vereinigung vermacht hatte.

1995 wurde der Verein in zwei verschiedene Institutionen aufgeteilt: die Stiftung Pro Urba, die für den täglichen Betrieb und die Erschliessung des Mosaiks sowie für die Betreuung des Museums von Orbe zuständig ist, und den Verein der Freunde von Pro Urba, der die Aktivitäten der Stiftung unterstützt und kulturelle Veranstaltungen im Zusammenhang mit der Geschichte der Stadt fördert.

Die Sammlungen des Museums sind sehr unterschiedlich und Keramik nimmt nur wenig Platz ein. Wir haben vier Objekte für unsere Bestandsaufnahme ausgewählt, die zumindest für den Fachmann sehr interessant sind: Eine Teekanne und eine Kaffeekanne aus der frühen Produktion der sächsischen Manufaktur in Meissen mit kaltvergoldeten Verzierungen, die bislang offenbar noch nicht bekannt waren (MO 603; MO 604); eine Fayence-Bartschale aus Matzendorf (SO), datiert 1829, mit einem einzigartigen heraldischen und patronymischen Dekor (MO 922). Das vierte Objekt, ein relativ bescheidenes Stück aus Irdenware in schlechtem Erhaltungszustand aus dem Jahr 1903, ist das einzige Beispiel, das wir bislang mit Sicherheit der Fabrique de poterie de Renens S. A. zuschreiben können, «der führenden Töpferfabrik für Irdenware des Kantons», wie ihr damaliger Direktor verkündete (MO Nr. 1).

Übersetzung Stephanie Tremp