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Langnau BE, Johann Martin Labhardt

Keramik von Johann Martin Labhardt in der Bilddatenbank

Andreas Heege, Andreas Kistler 2019

Aus unbekannten Gründen verkaufte Samuel Herrmann (1797–1845, Langnau, Werkstatt  5, «Hand 17c»?) die Liegenschaft Langnau Wiederbergstrasse 5 mit Nutz und Schaden auf 1. Mai 1842 an Peter Herrmann (1809–1871), den ältesten der vier Söhne von Peter Herrmann (1785–1840) aus der Hafnerei Höheweg 1, der sich damit als Hafner selbstständig machte (vgl. Langnau, Stammbaum Herrmann). Aus der Zeit zwischen 1842 und 1853 kennen wir keine Objekte die Peter (1809–1871) zugeordnet werden könnten. Dies ändert sich erst mit dem Arbeitsbeginn des Gesellen Johann Martin Labhardt aus Steckborn, Kanton Thurgau, in seiner Werkstatt (Langnau, Werkstatt 6, «Hand 22»). Die Lebensdaten von Johann Martin Labhardt sind bislang unbekannt (vgl. Früh 2005, 532, wobei unklar ist, ob es sich dabei um unseren Hafner oder einen Verwandten handelt).

Johann Martin hatte vorher, d. h. vom 26. Januar 1849 bis zum 29. April 1853, bei Johannes Krähenbühl (1828–?) in der Werkstatt Langnau, Dorfstrasse 30 gearbeitet (StAB Bez Signau B 19. GAL 671). Möglicherweise entstand dort die  oben abgebildete, ungewöhnliche, von ihm auch signierte Terrine, deren Blumen-Blättchengirlande unverkennbar Wurzeln in der Region Heimberg-Steffisburg und nicht in Langnau hat (MAHN AA 2055). Die Produktion könnte aber auch in Peters Werkstatt erfolgt sein oder in der von Johannes Herrmann (1802–1867) am Sonnweg 1. Dort arbeitete Martin Labhardt zwischen November 1853 und Oktober 1854 ebenfalls, bevor er Langnau endgültig den Rücken kehrte.

Die Terrine (MAHN AA 2055) trägt ungewöhnlich umfangreiche und ansonsten in Langnau unbekannte Sprüche: «Wenn dich die Lästerzunge sticht, so lass es dir zum Troste sagen, die schlechtesten Früchte sind es nicht, woran die Wespen nagen. Alles in der Welt lässt sich ertragen, nur nicht eine Reih, von schönen Tagen.» Auf dem Rand des Deckels steht: «Frisch und fröhlich, fromm und ehrlich, frei von Gemüth, ehrlich von Geblüt, diese Tugend, ziehrt die Jugend. // Vorgethan und nachgedacht, hat manchen in groß Leid gebracht.» Und am Deckelknauf liest man: «Rede wenig, mach es wahr, borge wenig, zahl es baar, sagt ein Sprichwort.» Den ersten Teil hat der Schreiber aus zwei unterschiedlichen Quellen zusammengefügt. Gottfried August Bürger (1747–1794), ein deutscher Dichter der Aufklärung und Autor der «Abenteuer des Freiherrn von Münchhausen», veröffentlichte 1787 im Göttinger Musenalmanach das Gedicht «Trost», das den Passus mit der Lästerzunge enthält. Der zweite Teil stammt von Johann Wolfgang Goethe und erschien 1815 in einer Gedichtsammlung unter dem Motto «Sprichwörtlich». Für den Spruch auf dem Rand der Terrine und unter dem Knauf haben sich nur volkskundliche Nachweise aus Hausinschriften im Elsass, jedoch kein eindeutiges literarisches Zitat beibringen lassen. Die Zitate werfen gleichwohl ein Schlaglicht auf die Belesenheit und Bildung von Johann Martin Labhardt, der seinen Goethe offenbar gut kannte.

Dies zeigt auch ein ungewöhnliches und herausragendes Butterfass, das aufgrund der Signatur durch Johann Martin Labhardt in der Werkstatt von Peter Herrmann (1809–1871) gefertigt wurde (FWMC C.1911-1928). Leider hat jemand die Datierung ausgekratzt, jedoch lässt sich ansatzweise die Jahreszahl 1853 noch entziffern. Das Butterfass BU 7 wurde seitlich mit der alten Griffmulde 2 versehen, die sich von 1781 bis 1825 in der «Werkstatt 3, Hand 5, 6 oder 8» nachweisen lässt. Möglicherweise erbte Peter (1809–1871) den Model also von seinem Vater Peter (1785–1840) und nahm ihn 1842 mit in die neue Hafnerei Wiederbergstrasse 5. Das Butterfass zeigt bei der Dekoration in mehrfacher Hinsicht ungewöhnliche Neuheiten, die es so vorher in Langnau nicht gegeben hat. Zum einen wurde die weisse Grundengobe über einer schwarzbraunen Grundengobe aufgetragen, was nach dem Brand schwarzbraune, stärker hervortretende Ritzlinien ergab (Dekor 10). Zum anderen wurde der Lochdeckel des Butterfasses nicht nur mit einem Spruch von Goethe verziert, sondern zusätzlich mit manganviolettem Schwämmeldekor versehen (Dekor 03h). Der Spruch lautet: «Zwischen heut und morgen, liegt eine lange Frist – drum lerne schnell besorgen, da du noch munter bist.» Die Dekortechnik 10 lässt sich erst ab den späten 1830er-Jahren erstmals in der Region Heimberg/Steffisburg beobachten und gelangte möglicherweise dann, wie der Schwämmeldekor, mit Martin Labhardt nach Langnau (vgl. Heege/Kistler 2017/1, Kat. 164). Zusätzlich wurden dem Butterfass plastische Eicheln, Eichen- und Akanthusblätter auf der Aussenseite aufgelegt. In der oberen geritzten Zierzone finden sich vier Motive. Zum einen handelt es sich um zwei Landsknechte zu Fuss oder zu Pferd, zum anderen um eine in ihrer Art ganz ungewöhnliche Darstellung einer Steinbockjagd. Zwischen den Szenen befindet sich über den Griffmulden einmal die Darstellung eines Paares, das sich umarmt. Handelt es sich um den Gesellen (mit Ballonmütze auf dem Kopf und Pfeife im Mund) und seine Herzallerliebste, der man ihre harte landwirtschaftliche(?) Arbeit am Kopftuch und dem Zustand des Rocks ansehen kann?

Auf der anderen Seite sitzt ein schon etwas kahlköpfiger Mann (ein Narr?) auf einer Art fliegendem Teppich und zieht in spätmittelalterlicher Manier eine Grimasse. Eine unmittelbar vergleichbare Darstellung eines Grimassenschneiders findet sich auf einem anonymen, flämischen Diptychon von 1520–1530, das das Universitätsmuseum in Lüttich verwahrt. Ein sehr ähnlicher Grimassenschneider bildet einen Teil eines mittelalterlichen Chorgestühls in der Abteikirche St. Pierre von Solignac (Limousin) in Frankreich. Eine intensive Literaturrecherche würde sicher noch mehr Beispiele zutage fördern. Hat Johann Martin Labhardt auf seiner Gesellenwanderung irgendeine dieser Darstellungen gesehen? Sollte der Grimassenschneider wirklich auf einem fliegenden Teppich sitzen, so müsste er auch eines der im frühen 19. Jahrhundert erstmals erschienen Bücher mit den «Erzählungen aus Tausendundeiner Nacht» gelesen oder von diesen Geschichten gehört haben.

Der Sinn dieser einzelnen Darstellungen erschliesst sich nicht, auch nicht im Zusammenhang mit den übrigen. Möglicherweise zeigt der Geselle hier vor allem, was er kann! Dies wird deutlicher bei der Weinranke mit Trauben darunter und erst recht bei der Alpfahrt eines Küherhaushalts im unteren Teil des Butterfasses. Der Alpaufzug, vom gemieteten Winterquartier im Tal auf die hochgelegenen Sommerweiden, galt den Kühern als schönste Zeit des Jahres überhaupt. Die Schweine wurden typischerweise dem Herdenzug voran auf die Alp getrieben. Dann folgten wie üblich die Schafe oder Ziegen, die meist von Kindern oder Knechten oder Mägden geleitet wurden. Erst einige Zeit später brach der Küher mit dem eigentlichen Zug auf. Am Anfang ging immer die besonders geschmückte und erfahrene Leitkuh, der man manchmal den einbeinigen Melkstuhl verkehrt herum auf den Kopf band und mit Blumen schmückte. Anschliessend kamen die erfahrenen Kühe mit grossen Treicheln an breiten ledernen Halsriemen. Es folgten die jüngeren Glockentiere mit weiteren Treibern. Den Abschluss bildete der «Plunderwagen» (Gestellwagen, Leiterwagen oder Bernerwägeli), auf dem nicht nur der ganze Hausrat inklusive des hölzernen Milchgeschirrs, sondern oft auch Schweine und Hühner oder ein älteres Küherpaar Platz hatten.

Betrachtet man die Bilder, so könnte man fast meinen, dass ein zweites Butterfass, ebenfalls aus dem Jahr 1853, als Fortsetzung der Bildergeschichte gedacht war (MKGH 1910-401). Wir sehen die Alp oder ein Maiensäss mit Gebäuden. Auf der Alpweide steht eine stattliche Kuh, im Hintergrund sehen wir die Alphütte, vor der der Senn sein kurzes Alphorn bläst. Ein Hund als treuer Bewacher oder Hilfstreiber, oft ein Entlebucher oder Appenzeller, darf natürlich nicht fehlen. In der nächsten Szene wird eine Kuh gemolken und anschliessend wird der Rahm im Stossbutterfass zu Butter verarbeitet. Das Butterfass trägt ebenfalls manganvioletten Schwämmeldekor mit unterschiedlich zugeschnittenen Musterschwämmchen, kombiniert mit einem umlaufenden Rollstempel im oberen Teil. Dazu findet sich eine Blumengirlande, die auch Trauben und Weinblätter enthält, die dem vorhergehenden Butterfass entsprechen. In der zweiten Zierzone mit den tordierten Griffmulden finden sich zwei Sprüche, die man auch heute noch gut beherzigen kann: «Lass einen jeden, wer er ist, so bleibst du auch, wer du bist» und «Auf Freund nicht bau, nicht jedem trau, auf dich selbst schau, sei nicht zu gnau.» Die leider ausgekratzte und überschmierte Datierung lässt sich nach einer restauratorischen Freilegung wieder als «1853» lesen. Die Blumengirlande in der unteren Zierzone findet gute Entsprechungen auf der schon beschriebenen Terrine (MAHN AA 2055). Das ungewöhnliche Butterfass gelangte 1910 als Geschenk von Heinrich Angst, dem ersten Direktor des Schweizerischen Landesmuseums, an das Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg, nachdem es 1909 in Zürich auf einer Auktion als «Bern, Langnau, Museumsstück, Anfang XIX. Jahrh.» angeboten worden war.

  

Zur Thematik der Alp und der Alptiere passt auch ein Nidlenapf auf Pokalfuss, den Johann Martin Labhardt am 1. Juni 1853 dekorierte und durch Einritzen seiner Initialen auf der Unterseite des Fusses signierte (BHM 6408). Im Inneren des Napfs sehen wir zwei Ziegen im spielerischen Kampf und darunter die Ortsangabe «Langnau». Die Umschrift lautet: «Ich kleiner Napf, ich armer Narr, ich wurd gemacht am halben Tag den 1. Juni 1853 // Christen Gerber im Stadel war Alpmeister zu Gmünden im Jahr 1853.» «Im Stadel» ist ein Bauernhof im Gohlgraben südlich unweit der Alp Gmünden.

Hat man Johann Martin Labhardts Handschrift und Dekorationstechnik erst einmal erkannt, dann lassen sich ihm und damit vermutlich auch der Werkstatt Peter Herrmanns weitere Keramiken zuordnen, die ein besonderes Licht auf seine Persönlichkeit oder die des Hafnermeisters werfen. Hierzu gehört vor allem ein 1853 datierter und «P H» signierter Teller TAS 4 mit Abtropfsieb (Privatbesitz). In Kenntnis der Signatur von Johann Martin (vgl. BHM 6408) könnte man das «H» zusätzlich auch als Ligatur der Buchstaben «JML» lesen. Auf dem Rand finden wir die typische Blumengirlande, die Rückseite trägt den üblichen Langnauer Spritzdekor 04b. Etwas ganz Besonderes bietet die Dekoration des Spiegels. Wir sehen einen eher bürgerlich gekleideten, glatzköpfigen alten Mann mit erwartungsvoll aufgerissenem Mund, der dabei ist, mit Messer und Gabel ein geschlachtetes Schwein zu verzehren. Seitlich finden wir Geräte der Landwirtschaft, links einen Pflug, ein Käsereff, eine Giesskanne für den Bauerngarten und ein Kornsieb, rechts Sichel, Sense, Rechen und Mistgabel. Zwei Sprüche ober- und unterhalb erläutern gesellschaftskritisch die Szene:

«Lass dir rathen liebes Herz,
Quäle nie ein Thier zum Scherz»

und

«Ein ieder kennt den Nähr, den Lehr= und Wehrstand,
Es sind in aller guter Dinge drei,
Doch reimet sich auf alle auch der Zehrstand.
Wann ist es denn mit dem einmal vorbei?»

In diesem Gedicht ist der altertümliche Begriff «Zehrstand» für die meisten heutigen Leser wohl unverständlich. Johann Christoph Friedrich Haug (1761–1829, deutscher Lyriker) setzte den Zehrstand in seinen 1807 in Zürich gedruckt erschienenen «Epigrammatischen Spielen» mit den «Advocaten» gleich. Der Lehrstand sind entsprechend die Priester, der Wehrstand Soldaten und Adel, der Nährstand der Acker- und Kaufmann. In einem Buch, das 1798 Kaiser Joseph II. gewidmet wurde, wird der Zehrstand mit den Beamten gleichgesetzt. In einem weiteren, 1817 verfassten Artikel wird der Zehrstand mit der «vermöglichen Geistlichkeit» identifiziert, und in einer 1784 erschienen bayerischen Abhandlung werden Geistliche und Beamte, vor allem Gerichts- und Verwaltungsbeamte, mit diesem Begriff assoziiert. Und die «Allgemeine deutsche Bürgerzeitung No. 28 vom 5. April 1832», setzt den Niederen Adel, der nach Staatsstellen strebt, mit dem Zehrstand gleich. Offenbar beschäftigt sich der Teller also mit einem uneinheitlich definierten Begriff, bei dem im Einzelnen nicht klar ist, ob es nun um die Kirche und ihre Priester, Pastöre und Ordensleute oder um den Staat und seine Beamten geht. Das Bild in der Mitte des Tellers impliziert letzteres. Der Teller nimmt also Stellung zu einem immer wieder aktuellen Thema, der Frage nach dem richtigen Mass staatlicher Verwaltung. Heute würden wir die aufgeworfene, so pauschal auch damals sicher nicht gerechtfertigte Frage, wohl als «Verwaltungs-Bashing» bezeichnen. Über wen in Langnau oder Bern haben sich Johann Martin Labhardt und Peter Herrmann 1853 wohl geärgert?

Dem Dekorations- und Zeichenstil nach gehören zur Produktion von Martin Labhardt auch drei weitere Keramiken, zwei Teller TLR 3c und ein Teller TAS 7 mit Abtropfsieb (MAHN AA 1170, MKB VI-02218, SNM LM-040724,). Alle drei zeichnet aus, dass sie aus unbekannten Gründen falsche Datierungen tragen: 1777, 1502 und 1620. Selbst in Unkenntnis der Arbeitszeit Labhardts in Langnau (1849–1854) wäre heute aufgrund der gewählten Gefässformen und der Dekorationstechnologie klar, dass die Datierungen nicht stimmen können. Aber ob dies zu Lebzeiten der Hersteller den potenziellen Kunden der Hafner auch klar war? Oder sollten hier die Daten ein höheres Alter vortäuschen, um auf diesem Weg unerfahrene Kunden – eventuell die ersten englischen Touristen und Andenkensammler oder gar die ersten «Langnau-Sammler» – zum Kauf zu animieren? Der Teller von «1777» zeigt eine aufregende Wildschweinjagd (MKB VI-02218). Die Rückseite trägt den klassischen Langnauer Dekor 06d. Der Teller von «1502» überliefert den Spruch: «Mehr wert als Geld und Gut, ist doch ein froher Mut» (SNM LM-040724). Der stärker beschädigte Teller von «1620» trägt in einer Kartusche den Spruch «Die Zeit die fällt mir gar zu schwer, Ach wenn mir bald die Mahlzeit wer». Darunter befindet sich ein von Blumenzweigen eingefasster Hahn (MAHN AA 1170). Pfarrer Karl Ludwig Gerster (1848–1923) aus Kappelen bei Aarberg hielt den Teller jedenfalls für echt und bezeichnete ihn 1911 als «älteste Langnauer Platte» (Gerster 1911, 141).

Stammbaum Hafner Herrmann, Langnau

Bibliographie

Früh 2005
Margrit Früh, Steckborner Kachelöfen des 18. Jahrhunderts, Frauenfeld 2005.

Gerster 1911
Ludwig Gerster, Sprüche und Inschriften auf Bauerngeschirr und Glas, in: Schweizerisches Archiv für Volkskunde 15, 1911, 138-147, 204-213.

Heege/Kistler 2017/1
Andreas Heege/Andreas Kistler, Poteries décorées de Suisse alémanique, 17e-19e siècles – Collections du Musée Ariana, Genève – Keramik der Deutschschweiz, 17.-19. Jahrhundert – Die Sammlung des Musée Ariana, Genf, Mailand 2017.

Heege/Kistler 2017/2
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017, 380-386

 

 

Langnau-Bärau BE, Hafnerei Aegerter

 

Andreas Heege, Andreas Kistler 2022

Keramik der Hafnerei Aegerter in CERAMICA CH

Ulrich Aegerter (1839–1925) von Langnau (BRL 16, 7) und seine Frau Elisabeth Dolder (1839–1910) hatten sieben Kinder, von denen Albrecht (1872–1943; BRL 22, 16) und Alfred (1876–1940; BRL 22, 524) Hafner wurden. Alfred übernahm von 1904 bis 1940 die Hafnerei Sonnweg 1 in Langnau (vgl. Heege/Kistler 2017b, Kap. 3.8). Albrecht kaufte im November 1903 ein Grundstück im «Goldengrund» (heute Bäraustrasse 12) in Bärau und baute darauf 1904 ein eigenes Wohnhaus mit Hafnerwerkstatt (vgl. Heege/Kistler 2017b, Kap.3.20). Zum Zeitpunkt des Grundstückkaufs wird er als «Hafnermeister in Bärau» bezeichnet. Vor diesem Termin war er mit seiner Produktion im Styggässli 6 in Bärau eingemietet (vgl. Heege/Kistler 2017b, Kap. 3.14). Gesellen lassen sich für Albrecht Aegerter nur für die Zeit zwischen 1905 und 1909 nachweisen, als ein Deutscher und vier Schweizer (u. a. aus Langnau und Lauperswil) bei ihm arbeiteten (StAB Bez Signau Regstamt B 59. GAL 675). Aus seiner Zeit sind keine Produkte überliefert.

Es konnte nur ein einziger Zeitungsbericht gefunden werden, der sich auch auf die Hafnerei Aegerter bezieht. Albrecht Aegerter beteiligte sich 1935 an einem Keramikmarkt des Bernischen Gewerbemuseums.

Im Februar 1943 übernahm der Sohn Friedrich Aegerter (1906–1969; BRL 39, 420) die Werkstatt (GB Sumiswald Bel. II, 5340). Von ihm sind immerhin einige wenige signierte Stücke belegt, die sich formal stark an der führenden Werkstatt Gerber bzw. Stucki in Langnau orientieren.

Platte im Stil von Jakob Stucki, Langnau, datiert 1956 (Privatbesitz Langnau).

Nach seinem Tod übernahm der Sohn Martin Aegerter (1947–) die Werkstatt (GB Sumiswald Bel. III, 866). Leider konnte er wegen rheumatischer Krankheiten die Töpferei nicht mehr weiterführen und der Betrieb musste im Jahr 1970 eingestellt werden (Freundliche Information von Martin Aegerter, Bärau, 6. Juni 2016).

Bibliographie:

Heege/Kistler 2017b
Andreas Heege/Andreas Kistler, Keramik aus Langnau. Zur Geschichte der bedeutendsten Landhafnerei im Kanton Bern (Schriften des Bernischen Historischen Museums 13), Bern 2017.

 

Lausanne VD, Genf GE und Nyon VD, Vallotton, Georges (1870-1948), Dekorationsatelier

Roland Blaettler, 2019

Keramik von Georges Vallotton auf CERAMICA CH

Aus den Nachrufen, die Georges Vallotton (1870-1948) in der Feuille d’avis de Lausanne vom 16. Februar 1948 (S. 24) und in der Gazette de Lausanne vom 17. Februar (S. 2) gewidmet sind, geht hervor, dass er eine Ausbildung an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe absolvierte, bevor er 1899 in Genf das Zertifikat als Zeichenlehrer erwarb. Sein Interesse an der Fayencemalerei ist bereits um 1900 bezeugt. In ihrer Ausgabe vom 31. August (S. 3) machte die Gazette de Lausanne auf ein bemerkenswertes Werk Vallottons aufmerksam, das in einem Lausanner Schaufenster ausgestellt war: ein Keramik-Triptychon (Fayencemalerei). Es illustrierte ein Kapitel der Schweizer Geschichte, nämlich die Schlacht bei St. Jakob an der Birs im Jahr 1444. Die erste Tafel zeigte das Gebet vor der Schlacht, die zweite die Schlacht selbst und die dritte die Protagonisten nach der Konfrontation. Der Kommentar des Journalisten war sehr ermutigend: «Die Malerei ist voller Leben, bewegte Szenen sind korrekt dargestellt, dazu kommen solide zeichnerische Qualitäten, die vielversprechend für die Zukunft sind. Man hätte nicht besser starten können.»

Später – während seiner Anstellung als Zeichenlehrer in Lausanne – kam Vallotton mit Jules Michaud in Kontakt, dem Direktor der Manufacture de poteries fines de Nyon: «Nach langem Forschen und mit sehr kluger Unterstützung von M. Michaud, dem Direktor der Töpferei von Nyon, gelang es ihm, sein Handwerk und die Brenntechnik so weit zu beherrschen, dass er dem Publikum eine ganze Reihe schöner Kunst- und Dekorationsobjekte anbieten kann, von denen einige hier bewundert werden können im Schaufenster des Geschäfts Wenger in Saint-François» (Tribune de Lausanne, 17. Dezember 1905, S. 2). Die Gazette de Lausanne vom 14. Dezember 1905 (S. 3) gibt einen ausführlicheren Bericht über die Lausanner Ausstellung, sie erwähnt «zwei oder drei Dutzend Schüsseln, Teller, Medaillons, Schalen oder Untertassen». Die dargestellten Sujets stammen entweder aus der historisierenden Ikonografie (Bannerträger, Landsknechte, Pfeifer oder Lanzenreiter) oder zeigen Landschaftsszenen. Als Beispiel dazu nennt der Journalist den Turm der Rue du Pré in Chillon, den Palud-Platz in Lausanne und einen «Blick aus der Vogelperspektive auf den Turm von Marsens». Das zuletzt beschriebene Sujet könnte der Schüssel entsprechen, die heute im Historischen Museum Lausanne aufbewahrt wird (MHL AA.VL 91 C 1033A). Unser Chronist weist auch darauf hin, dass «das Delfter Blau, auch wenn es an die schönen Produkte des Landes der Grachten erinnert, sich ebenfalls vortrefflich dazu eignet, die reizvollen Details unserer alten lokalen Architektur wiederzugeben».

Wie bei der Ansicht des Turms von Marsens hat Vallotton tatsächlich mehrere Sujets monochrom in blaugrauer Farbe ausgeführt (siehe MHL AA.VL 91 C 1033B, MHL AA.VL 88 C 470 oder MHPN MH-1999-116). Man könnte versucht sein, diese Werkreihe auf die Zeit um 1905 zu datieren, doch verwendete Vallotton diese Technik bis mindestens 1915, wie aus einem kurzem Bericht über eine weitere Ausstellung von Vallottons Werken hervorgeht, wiederum in den Schaufenstern des Geschäfts Wenger in Lausanne (Gazette de Lausanne vom 28. Dezember 1915, S. 5). Aus dem Artikel erfahren wir, dass «Vallotton, der simple Nachahmungen eines Stils verschmäht und auch gegen ausländische Importe ankämpfen will, gerne die Ansichten des Genfersees, unserer Chalets, und unserer Berge malt: das verschwommene Blau der Keramik passt wunderbar zu den fernen Landschaften».

Alle Keramiken aus dieser frühen Periode wurden aus Steingut hergestellt, die höchstwahrscheinlich von der Nyoner Manufaktur von Jules Michaud geliefert wurden. Die Manufaktur übernahm auch das Brennen der Arbeiten bei hohen Temperaturen, da die Farbe systematisch unter der Glasur aufgetragen wurde. Die von Vallotton dekorierten Keramiken sind mit seinem Monogramm signiert (siehe zum Beispiel MHL AA.VL 88 C 470, MHPN MH-FA-4042).

Die 1905 erwähnten Medaillons zum Beispiel stammen aus einem alten, von der Porzellanfabrik Nyon aufbewahrten Model: Das Landesmuseum Zürich besitzt ein von Vallotton signiertes Exemplar, das eine Traubenpflückerin in Waadtländer Tracht zeigt (Inv. LM-141824). In der gleichen Sammlung, ebenfalls von der Hand Vallottons, befindet sich ein Tablett in einer alten Porzellanform, die ein Bauernpaar in Tracht zeigt (Inv. LM-141825).

Im Museum von Nyon befindet sich ein weiteres Medaillon mit der gleichen Form, das einen Landsknecht zeigt, der sich auf sein Schwert stützt. Der Dekor ist signiert mit «A. Veillon» (MHPN MH-2000-81). Handelte es sich dabei um einen unabhängigen Keramikmaler oder war er ein Mitarbeiter von Vallotton? Der Artikel in der Gazette de Lausanne über die Ausstellung von 1905 lobte Vallottons Werk, insbesondere die Arbeit, die es «einer Anzahl von Arbeitern, die von ihm ausgebildet wurden, verschaffte. Es scheint, dass diese Mitarbeiter bereits eine ‹Schule› bilden, die ihrem Meister und unserer Stadt zur Ehre gereichen». Wir sehen hier, dass Vallotton sich schon sehr früh mit Mitarbeitern umgab, über die Art der Arbeitsteilung zwischen dem Meister und seinen Schülern/Mitarbeitern konnten wir hingegen nichts in Erfahrung bringen.

Nach dem Erfolg der Lausanner Ausstellung hegte Vallotton einen Traum, der ihn noch viele Jahre lang umtreiben sollte: In einem Artikel, der am 12. Januar 1906 in der Feuille d’avis de Lausanne veröffentlicht wurde (S. 4), erklärte er, dass er «die Gründung eines Keramikunternehmens in Angriff nehmen werde und dessen künftige Werkstätten in Nyon einzurichten gedenke, nach Absprache mit M. Michaud».

Zunächst versuchte er in Genf, sein Projekt zumindest vorübergehend zu verwirklichen: «Ein Lausanner Künstler, Herr Georges Vallotton, versucht, eine in Vergessenheit geratene, nationale Industrie, die Fayence-Kunstkeramik, wiederzubeleben. Er hat in Genf eine Werkstatt eingerichtet, in der er junge Leute beschäftigt, die die Genfer Kunstschule absolviert haben. Die von ihm organisierte Ausstellung mit Werken aus seinen Werkstätten hatte grossen Erfolg» (Feuille d’avis de Lausanne vom 14. Dezember 1906, 8). Im gleichen Jahr wurde Vallotton auf der Internationalen Ausstellung in Mailand mit einer Goldmedaille ausgezeichnet, dabei wurde er als Professor in Genf beschrieben (Schweizerisches Handelsamtsblatt, Bd. 25, 1907, S. IV).

Im Januar 1907 informierte Vallotton die städtischen Behörden über seine Absicht, in Nyon «ein Unternehmen im Bereich Kunstkeramik» zu gründen, das Werkstätten und eine Zeichenschule umfassen sollte. Erklärtes Ziel sei es, junge Männer und Frauen auf dem Gebiet der Fayencemalerei auszubilden. Von Anfang an forderte er bestimmte Begünstigungen, wie etwa eine Befreiung von den Gemeindesteuern für mindestens fünf Jahre, die Bereitstellung eines 1500 bis 2000 m² grossen Grundstücks in der Nähe der Manufaktur und einen jährlichen Zuschuss von 2500 Franken (Archives communales de Nyon [ACN], Bleu A-70, Sitzung vom 21. Januar 1907). Überraschenderweise stand die Stadtverwaltung dem Vorhaben prinzipiell positiv gegenüber. Allerdings machte das Kollegium eine komplette Kehrtwende, nachdem es den Antrag an Jules Michaud weitergeleitet hatte. Letzterer hielt es für unklug, sich finanziell an einem Projekt zu beteiligen, das angesichts der Schwierigkeit, Produkte dieser Art in der Region zu verkaufen, kaum eine Chance hatte, rentabel zu sein. Beiläufig erfahren wir, dass Vallotton seine Dekore tatsächlich in den Öfen der Manufacture de poteries fines brennen liess. Die Stadtverwaltung beschloss schliesslich, den Antrag von Vallotton abzulehnen (ibidem, Sitzung vom 2. April).

Einige Jahre später, im Jahr 1914, wurde Vallotton zum Zeichenlehrer am Gymnasium und an der Berufsschule in Nyon berufen; die Ernennung für die Sekundarstufe II war provisorisch, sie wurde erst 1917 bestätigt, nachdem Vallotton die erforderlichen Ergänzungsprüfungen bestanden hatte (ACN, Bleu A-75). Im gleichen Jahr eröffnete er seine erste Werkstatt für Keramikmalerei auf Fayence und Porzellan in der Form einer Kommanditgesellschaft: «Georges Vallotton et Cie» (La Revue vom 1. November 1919, 3 – Tribune de Lausanne vom 17. Februar 1948, 5). Seine Herstellungsmarke, bestehend aus seinem Monogramm «GV» flankiert von zwei «N», liess er eintragen (SHAB, vol. 36, 1918, 5 – für Beispiele dieser Blindmarke, siehe MHL AA.46.B.57; CLS MURO 1236). Die Werkstatt erscheint im Indicateur vaudois ab 1919 in der Rue du Cordon 3, im Jahr darauf in der Rue de la Poterie 17. Die Adressänderung lässt sich durch einen tragischen Zwischenfall erklären, der sich am 27. November 1919 ereignete: In den Presseartikeln des folgenden Tages wurde berichtet, dass ein durch die Explosion des Brennofens ausgelöstes Feuer das Gebäude von «M. Vallotton, potier à Nyon» zerstörte (Le Droit du peuple vom 28. November 1919, 4).

Vor diesem dramatischen Ereignis am 9. Dezember 1918 hatte die Stadtverwaltung ein Schreiben der Firma «G. Valloton et Cie, manufacture de porcelaines décorées» zur Kenntnis genommen, in dem das Unternehmen auf die Schwierigkeiten hinwies, die sich aufgrund des gravierenden Mangels an qualifizierten Arbeitskräften in seinem Geschäftsfeld ergeben hatten. Man schlug daher vor, mit Unterstützung der Gemeinde eine Schule zu gründen, die in gewisser Weise an das Unternehmen angegliedert wäre, mit dem Ziel, «Lehrlinge vorzubereiten». Folglich beantragte das Unternehmen einen städtischen Zuschuss von 1200 Franken pro Jahr (ACN, Bleu-77, Sitzung vom 9. Dezember 1918). Die Gazette de Lausanne griff dieses Projekt im Februar 1919 in mehr als ermutigender Weise auf, indem sie den Einsatz für die Wiederbelebung der lokalen Tradition der Keramikkunst lobte und die von Vallotton geplante Berufsausbildung beschrieb, die «vor allem jungen Mädchen einen Weg eröffnet, der ihrem Geschmack entspricht und ihnen ein Auskommen ermöglicht» (Ausgabe vom 9. Februar 1919, S. 2). Es wird auch erwähnt, dass die für das kommende Frühjahr geplante Schule als Anbau an Vallottons Manufaktur konzipiert sei, in der die Schüler neben dekorativem Zeichnen und Bildkomposition auch die technischen Grundlagen des Handwerks erwerben könnten. Die Kurse sollten vier Monate dauern, gefolgt von einem Praktikum in der Fabrik, «während dem die Schüler bereits bezahlt werden. Das Ziel von Herrn Vallotton ist es nicht, Dilettanten auszubilden, sondern Facharbeiter, die entweder in der Werkstatt oder zu Hause arbeiten können.»

Kurz darauf wurde in der Presse bekanntgegeben, dass die «École de peinture sur porcelaine» im Mai ihre Kurse eröffnen wird, die «dekorative Malerei auf Fayence, Porzellan und eventuell Glas» sowie «dekorative Bildkomposition im Bereich Industrie» umfassen (zum Beispiel in der Gazette de Lausanne vom 20. März 1919, 3). Im April 1919 gab der Gemeinderat eine positive Stellungnahme zu Vallottons Antrag ab (ACN, Bleu-77, Sitzung vom 7. April 1919).

Am 20. Januar 1920 verkündete das Schweizerische Handelsamtsblatt (Bd. 38, 1920, 200) die Gründung der «Manufacture de porcelaines décorées de Nyon S. A.» mit einem Stammkapital von 150.000 Franken. Der Zweck des Unternehmens bestand darin, die Vermögenswerte der Firma «G. Vallotton et Cie» zu übernehmen, sowie in der «Herstellung, Dekoration und im Verkauf von Porzellan, Fayence, Glaswaren, verschiedenen Töpferwaren und anderen keramischen oder ähnlichen Erzeugnissen». Dem Verwaltungsrat unter dem Vorsitz von Eugène Failletaz, einem Geschäftsführer aus Lausanne, gehörten neben Vallotton der Kaufmann Arnold Schenk aus Rolle, der Bankier Alfred Baup aus Nyon, der Rentner Georges Seidl-Binet aus Lausanne, der Färber Alfred Rochat aus Lausanne und der Notar Ernest Bonzon aus Nyon an. Die Leitung des Unternehmens blieb selbstverständlich in den Händen von Vallotton.

Der Indicateur vaudois erwähnt den neuen Firmennamen ab 1921, noch mit Sitz in der Rue de la Poterie 17, während 1922 und 1923 ein Verkaufsgeschäft in der Rue de la Gare 6 gemeldet wird. Das Werkstattzeichen blieb das gleiche wie unter dem bisherigen Firmennamen: «N-GV-N».

Vallottons Unternehmen war, gelinde gesagt, ambivalent und vermischte auf merkwürdige Weise (oder berechnend?) einen rein kommerziellen Aspekt (die Fabrik) mit einem vermeintlich gemeinwohlorientierten Bildungsaspekt (der Schule). Diese Unklarheit bereitete Valloton Schwierigkeiten bei seinen wiederholten Versuchen, eine noch umfangreichere Unterstützung durch die öffentliche Hand zu erhalten. Im Frühjahr 1920 erfuhr die Stadtverwaltung, dass die kantonalen Behörden sich geweigert hatten, die Malschule von Vallotton zu subventionieren, mit der Begründung, sie sei nicht klar von den Produktionswerkstätten getrennt. Vallotton drohte daraufhin, seinen Betrieb in eine andere Gemeinde zu verlegen (ACN, Bleu A-77, Sitzung vom 12. April 1920).

Ein paar Monate später informierte ein Schreiben von Vallotton die kommunalen Behörden, dass die Schule nicht nur vom Kanton, sondern auch von der Eidgenossenschaft subventioniert werde. Man beschloss, den Direktor vorzuladen (ACN, Bleu A-78, Sitzung vom 26. Juli 1920). Da die «École professionnelle de peinture sur porcelaine» immer noch «provisorisch» in den Räumlichkeiten der Fabrik in der Rue de la Poterie untergebracht war (ACN, Bleu A-78, Sitzung vom 22. November 1920), bat Vallotton die Stadtverwaltung mehrmals, grössere Räumlichkeiten für sie zu finden.

Im Juni 1921 wurde der Antragsteller gebeten, Angaben über die Besucherzahl seiner Schule zu machen. Die Antwort war nicht sehr ermutigend: Im zweiten Jahr hatten fünf Schüler ihre Ausbildung abgeschlossen, von denen vier in der «Manufacture de porcelaines décorées» beschäftigt waren; im ersten Jahr waren zwei Personen eingeschrieben und vier standen angeblich wegen Platzmangels auf einer Warteliste (ibidem, Sitzung vom 27. Juni). Im Dezember desselben Jahres lehnte der Gemeinderat eine mögliche Verwaltungsübernahme der Schule durch die Stadt endgültig ab (ibidem, Sitzung vom 12. Dezember 1921).

Vallottons Geschäfte liefen immer schlechter; seine Manufacture de porcelaines décorées wies 1920 eine negative Bilanz von 27 719 Franken, im Jahr 1921 sogar von 44 743 Franken auf (ACN, Bleu A-79, Sitzung vom 8. Mai 1922). Bereits im Januar 1922 veröffentlichte er mehrere Anzeigen, in denen er über Verkäufe nach Inventur informierte und «vorteilhafte Angebote für Kaufleute und Privatpersonen anbot: Tafelgeschirr, Tee- und Kaffeeservices; Wedgwood-Fayencegeschirr in Weiss; viel weisses Porzellan usw.» (zum Beispiel in der Gazette de Lausanne vom 23. Januar 1922, 3). In einigen Anzeigen wird sogar das offizielle Datum der Schliessung des Unternehmens genannt, das auf den 1. März 1923 festgelegt wurde (Gazette de Lausanne, 8. November 1922, 3).

Am 11. Januar 1923 wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt die Auflösung der Firma «Manufacture de porcelaines décorées S. A.» verkündet. Sie wurde von einer ausserordentlichen Hauptversammlung der Aktionäre am 20. September 1922 beschlossen. Die Liquidation sollte durch den Verwaltungsrat durchgeführt werden, «mit Ausnahme von Georges Vallotton, der zurücktrat» (Bd. 41, 1923, S. 119). Erst am 24. September 1923 nahm die Stadtverwaltung die Schliessung des Unternehmens zur Kenntnis, die «zu Beginn des Jahres» erfolgt war (ACN, Bleu A-80). Anschliessend zog Georges Vallotton nach Lausanne, wo er von 1924 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1930 als Lehrer für Zeichnen und Kunstgeschichte an der Berufsschule und am Mädchengymnasium unterrichtete. Danach veröffentlichte er verschiedene Essays und historische Romane, namentlich unter dem Pseudonym Georges Delorbe.

Seit 1917 dekorierten die Werkstätten von Vallotton weiterhin Steingut, vor allem im Bereich der Gedenkobjekte (MHL AA.46.B.57; MHPN MH-FA-4644), aber auch und immer häufiger Porzellan, weisse Importstücke. Die Motive zeigen manchmal eine gewisse Originalität, mehr oder weniger dem Zeitgeist entsprechend (MHPN MH-PO-10033; MHPN MH-1999-119); oft greifen sie die traditionellen Dekore des alten Porzellans von Nyon auf, die Werkstattmarke wird dann durch einen auf die Glasur gemalten blauen Fisch ergänzt (CLS MURO 1234, CLS MURO 1235, CLS MURO 1236).

Übersetzung Stephanie Tremp

Quellen:

 Archives communales de Nyon [ACN], Registres de la Municipalité.

Feuille officielle suisse du commerce (consultée sur le site e-periodica.ch)

Les annuaires et la presse vaudois (consultés sur le site Scriptorium de la Bibliothèque cantonale et universitaire de Lausanne).

Bibliographie:

Blaettler 2017
Roland Blaettler, CERAMICA CH III/1: Vaud (Nationales Inventar der Keramik in den öffentlichen Sammlungen der Schweiz, 1500-1950), Sulgen 2017, 65-67.

Lauterburg, Frieda (1877-1943), Langnau BE

Frieda Lauterburg (1877- 1943), Keramikmalerin in Langnau. Foto in Familienbesitz.

Arbeiten von Frieda Lauterburg in CERAMICA CH

Andreas Heege, Susan Roethlisberger (Langnau), 2022

Die folgenden Ausführungen basieren vor allem auf eigenen Briefen Frieda Lauterburgs, die sich in Familienbesitz erhalten haben.

Die elterliche Villa, Langnau BE, Schlossstrasse 5, gemalt von Frieda Lauterburg für einen nicht erhaltenen Kachelofen im Haus ihrer Schwester Anna Joost-Lauterburg, Dorfbergstrasse 3. Privatbesitz.

Frieda Lauterburg, mit vollständigem Namen „Maria Frieda Lauterburg“, wurde am 17. August 1877 als ältestes von sieben Kindern von Karl Alfred Lauterburg (1847-1914) und Maria Sophia Lauterburg  (1855-1923)  in Langnau BE in der Lauterburgvilla, Schlossstrasse 5 geboren. Der Vater war Mitinhaber der Leinwandfabrik Lauterburg & Joost in Langnau. Daneben verfügte er über ein beachtliches Zeichentalent und vor allem seine ornithologischen Kenntnisse verhalfen ihm zu einiger Beachtung in der Fachwelt. Die Mutter ihrerseits, eine Pfarrerstochter aus Lützelflüh sorgte für eine gottesfürchtige und kunstliebende Erziehung ihrer Kinder. So besuchte Frieda nach der Sekundarschule ein Pensionat in Lutry und anschliessend die Haushaltungsschule in Worb. Der krumme Rücken Friedas veranlasste die Familie, sie für längere Zeit zusammen mit einer sieben Jahre jüngeren Schwester zur medizinischen Behandlung nach Zürich zu schicken (Vorläuferinstitution der Anstalt Balgrist). Leider wurde diese Massnahme für Frieda zu spät ergriffen, so dass sie ihr Leben lang bucklig blieb, während ihrer Schwester dieses Schicksal erspart blieb.

Danach scheint sie zu Hause geblieben zu sein, um die Eltern zu unterstützen. Im Oktober 1901 bestand sie die Aufnahmeprüfung an der Gewerbeschule in Zürich. Auf Drängen ihrer Lehrer, die ihr Talent erkannten, entschloss sie sich mit Unterstützung ihrer Eltern, die vier Jahre dauernde Ausbildung zur Musterzeichnerin zu absolvieren, anstatt, wie geplant, nur einen Kurs zu belegen. Zu dieser Zeit war es absolut unüblich, dass eine Tochter aus sog. «gutem Hause» einen Beruf erlernte. In dieser Hinsicht zeigten sich die Eltern Lauterburg sehr aufgeschlossen. Andererseits musste ihre Tochter bis zum Tod der Eltern für jeden kleinsten Ausflug daheim um Erlaubnis bitten.

Im Mai 1902, nach den langen Frühlingsferien, langweilte sie das Musterzeichnen und Patronieren. Sie bat darum ihre Eltern, ihr Fr. 75 monatlich für einen Kurs im Landschaftszeichnen zu bewilligen. Dafür sollte ein Nachmittag Musterzeichnen geopfert werden. Im gleichen Brief schrieb sie auch, sie habe beschlossen, nur zwei Jahre weiter zu studieren.

Aus einem Skizzenbuch von Frieda Lauterburg, Privatbesitz.

Ihr Zeugnis nach dem ersten Semester fiel sehr gut aus, mit 5,6 im Blumenzeichnen und 6 im Musterzeichnen.

In ihrer Freizeit übte sich Frieda im Fotografieren und im Entwickeln ihrer Aufnahmen. Leider sind die Bilder nicht sehr gelungen und unscharf. Daneben genoss sie die vielen Konzerte und Theater in der Stadt Zürich.

Im Januar 1904 eröffnete ihr der Zürcher Gewerbeschullehrer Brügger, dass er nach St. Gallen wechseln werde und gerne hätte, wenn sie auch dahin käme. Dort würde dann das ungeliebte Musterzeichnen wegfallen und nur Malen und Zeichnen unterrichtet. Nach erfolgtem Umzug nach St. Gallen schrieb sie nach Hause, dass die Hospitanten montags u. dienstags frei hätten, und sie dafür einen Nachmittag mit Stickkursen belegt habe. Sie nutzte die freien Tage, um viel zu zeichnen und auch Radierungen herzustellen. Im Frühling 1905 schloss sie das Studium in St. Gallen ab, ob mit oder ohne Abschlussprüfung schreibt sie nirgends.

Frieda Lauterburg, Pflanzenzeichnungen 1900-1905, Regionalmuseum Langnau und Privatbesitz.

Aus der Zeit in Zürich und St. Gallen haben sich eine Reihe an Pflanzenzeichnungen erhalten, die ihr zeichnerisches Talent bestätigen (Sommerausstellung im KulturRaum Langnau, 2010).

Zwischen Oktober 1906 und dem 1. Januar 1907 arbeitete sie  im Atelier Vallotton in Genf,  in der Meinung, sich dort im Geschirrmalen weiterbilden zu können. Leider handelte es sich aber um lauter Serienarbeit, wo bloss Technik und keine Kreativität gefragt war. Auch die langen Arbeitstage von 9 Stunden, die sich oft bis nachts um 11 Uhr ausdehnten, behagten ihr gar nicht.

Aus einem Skizzenbuch von Frieda Lauterburg, Privatbesitz.

Etwas später, als ihr die Arbeit des Kopierens allzu langweilig wurde, zeigte sie ihrem Arbeitgeber ihre Landschaftsbilder, worauf sie Wandteller mit ihren eigenen Bildern bemalen durfte. Wieder zwei Wochen später schrieb sie ihrer Schwester von der geisttötenden Arbeit, indem sie 15 Schüsselchen mit dem gleichen Motiv bemalen musste. Auch die Bequemlichkeit des Ateliers war nicht erstklassig. Sie beklagte sich über die Kälte und verlangte von zu Hause einen Fusssack und ein Kissen für den Hocker. Für ihre Arbeit erhielt sie Fr. 90 im Monat.

Anfang des Jahres 1907 ging im Atelier Vallotton alles drunter und drüber. Monsieur Vallotton war angeblich in den Bergen zum Skifahren und Madame Vallotton hatte schlechte Laune. Niemand befahl und niemand gehorchte. Eine der besten Arbeiterinnen wurde entlassen und Frieda kündigte ebenfalls auf Ende Januar. Sie schrieb nach Hause, dass sie nach ihrem Austritt aber noch ein paar Tage in Genf bleiben wolle, um für sich zu arbeiten, da sie im Sommer in Langnau an einer Ausstellung für Industrie u. Gewerbe teilzunehmen gedenke. In einem Brief erwähnt sie nebenbei, sie wolle vielleicht auch noch das Drehen von Keramik lernen. Vor der Heimfahrt machte sie Ende Januar 1907 mit einer Kollegin noch einen Besuch in der Fayencefabrik in Nyon, wo sie ein dort arbeitender Maler von Langnau herumführte.

Offizielle Postkarte von der Keramikausstellung anlässlich der Langnauer Industrie- und Gewerbeausstellung 1907.

Im Juni 1907 wurde sie neben anderen prominenten Langnauern als einzige Frau ins Komitee für die Gewerbe-Ausstellung gewählt. Emil Aeschlimann plante dort eine Auswahl alter Langnauertöpfereien zu zeigen, die als Leihgaben vom Schweizerischen Landesmuseum und dem Historischen Museum in Bern zur Verfügung gestellt werden sollten.

Geschirr von Frieda Lauterburg, zumindest teilweise wohl 1907 für die Langnauer Industrie- und Gewerbeausstellung gefertigt (Regionalmuseum Langnau).

Frieda selber hatte bereits eine grosse Auswahl an Geschirr angefertigt, das ausgestellt werden sollte. Aus einem Brief ist zu entnehmen, dass die fertig bemalte Keramik offenbar zum Brennen nach Nyon geschickt wurde. Im Juli 1907 stellte sie neben Johann Röthlisberger ihre Keramiken auf der Industrie- und Gewerbeausstellung in Langnau aus (Der BUND 2. Juli 1907; NZZ 3.7.1907).

Entwurf von Paul Wyss zum Kinderumzug des Kantonalschützenfestes 1906 in Langnau, Originale im Regionalmuseum Langnau.

Als Vorlagen für Ihre Dekore verwendete sie Entwürfe von Paul Wyss, dem bernischen Keramikfachschullehrer, u. a. Szenen aus dem Kinderumzug anlässlich des Kantonalschützenfestes in Langnau 1906 (diese wurden auch als Postkartenserie gedruckt und verkauft).

Leider tragen die erhaltenen Irdenwaren  nur ihre Signatur, sodass wir nicht wissen mit wem sie das erhaltene Service (siehe oben) fertigte, denn es ist eigentlich kaum vorstellbar, dass sie das Drehen perfekter Formen in so kurzer Zeit erlernt haben sollte. Vermutlich hat Frieda Lauterburg nicht selbst die Gefässformen gedreht, sondern vor allem Keramik bemalt und diese dann ab 1911/1912 in der Werkstatt von Adolf Gerber in Langnau, Güterstrasse 3, brennen lassen. Vorher wäre eine Zusammenarbeit mit Johann Röthlisberger, Hafnerei in der Oberstrasse, denkbar, da beide 1907 auf der Langnauer Gewerbeausstellung ausstellten. Da sich viele ihrer Formen jedoch deutlich vom üblichen „Gerberspektrum“ unterscheiden, ist denkbar, dass sie die Formen per Skizze vorgab und dann die lederharten Rohlinge engobierte, ritzte, bemalte und anschliessend signierte, was die oft zu beobachtenden Ausrisse an den Signaturkanten (s.o.) erklären würde. Leider haben sich aber in ihrem Nachlass keinerlei zeichnerische Form- oder Dekorentwürfe gefunden.

Ungemarkte Steingutteller, aber mit einer Unterglasur-Pinselmarke „FL“ von Frieda Lauterburg.

Denkbar wäre jedoch auch, dass es sich bei den nach Nyon geschickten Keramiken um bemalte, ungemarkte Steingut-Schrühbrände gehandelt haben könnte, wie sie sich in Langnau in Privatbesitz erhalten haben. Diese wurden dann in Nyon glasiert und gebrannt. Diese Stücke zeigen wie bemalte Ofenkacheln, ebenfalls den Kinderumzug nach Paul Wyss.

Reste eines abgebrochenen, von Frieda Lauterburg bemalten Kachelofens aus der Schlossstrasse (eventuell Schlossstrasse 1 oder 3, Berger-Villa), Szenen aus dem Kinderumzug zum Kantonalschützenfest in Langnau 1906, nach Entwürfen von Paul Wyss.

Für das Jahr 1909 lassen sich verschiedene Kachelofenarbeiten in Langnau in der Schlossstrasse, u. a. in der elterlichen „Lauterburgvilla“ (Schlossstrasse 5) und den benachbarten Villen der Weinhändlerfamilie Berger (Schlossstrasse 1 und 3), nachweisen. Die Kacheln wurden bei einem uns nicht bekannten Hafner in Langnau oder in einem Nachbarort gebrannt. In der Schlossstrasse 5 steht heute noch ein Ofenrest mit einem Fries mit dem Kinderumzug zum Kantonalschützenfest in Langnau 1906.

Als Grundlage für ihre Dekore verwendete sie in dieser Zeit und auch später (siehe unten) Rohlinge der Kachelofenfirma Kohler & Grimm bzw. Kohler AG in Biel (Neugründung 1898: Illustrierte schweizerische Handwerker-Zeitung : unabhängiges Geschäftsblatt der gesamten Meisterschaft aller Handwerke und Gewerbe, Band 14, 1898, 536).

Kachelofen Langnau, Schlossstrasse 7.

Im Mai 1909 unternahm sie mit einer entfernten Cousine eine Reise nach Nordfrankreich, schickte im selben Jahr auch Geschirr zu einer regionalen Ausstellung des Gewerbevereins nach Zürich und malte für Hans Zürcher, den Nachbarn in der Schlossstrasse 7 einen Ofen mit Jagdszenen.

Wohnhaus von Anna und Ernst Joost-Lauterburg, Dorfbergstrasse 3. Privatbesitz Langnau.

Ansicht der Langnauer Kirche. Privatbesitz Langnau.

Aufgrund des dort vorkommenden Tannenzweigdekors mit Zapfen, gehören möglicherweise auch zwei weitere, von ihr signierte Steingutteller mit Unterglasur-Pinseldekor in diesen Produktionszeitraum.

Ab 1909 belegte sie an zwei Tagen in der Woche auch Ausbildungskurse an der keramischen Fachschule in Bern, wo sie sich seit dem Wintersemester 1910/1911 neben Emil Loder (Steffisburg, später Luzern), Adele Schwander (als Malerin auch bei Bendicht Loder-Walder, Heimberg) und Elisabeth Strasser, als Schülerin nachweisen lässt. Sie blieb bis zum Wintersemester 1911/1912 in Bern und lernte in dieser Zeit auch noch Anna Müller (Ausbildung zur Porzellanmalerin) und Adolf Schweizer (Keramiker, Steffisburg) kennen (Messerli 2017, 228).

Tellerchen mit Landschaftsdarstellung von Frieda Lauterburg, Privatbesitz Langnau.

1909/1910 schrieb sie in einem Brief sie habe „gehafnert“ und Tellerchen und Schalen mit Landschaften bemalt.

Keramik von Frieda Lauterburg, Privatbesitz.

Keramik von Frieda Lauterburg im Regionalmuseum Langnau.

Im Januar 1911 erhielt sie Fr. 52 für Geschirr, das an einer Ausstellung in Biel verkauft werden konnte. Da Frieda Lauterburg ihre Keramiken zwar signierte, aber nicht datierte, haben wir keine korrekte Vorstellung, was sie in diesen Jahren genau produzierte. Ihre überlieferten Geschirrdekore ähneln jedoch denen anderer zeitgleich arbeitender Betriebe in Langnau oder der Region Heimberg-Steffisburg.

Im März 1911 unternahm sie mit einer entfernten Cousine eine lange Reise nach Nordafrka. 1912 und 1913 arbeitet sie zusammen mit der lithographischen Anstalt Hubacher in Bern an einer Druckausgabe eigener Zeichnungen. Ob diese Arbeiten zu einem Abschluss kamen, ist unklar. 1914 starb ihr Vater und fortan lebte sie allein mit ihrer Mutter und einer Magd im grossen Haus an der Schlossstrasse. 1914 beteiligte sie sich an der Kollektivausstellung der Langnauer Hafner auf der Landesausstellung in Bern (Kiefer 1914, 74; auch Der BUND, 9.10.1914). Wir haben jedoch keine Vorstellung, was sie zeigte. 1915 töpferte sie wieder viel für eine Ausstellung in Genf und konnte auch zahlreiche Keramiken verkaufen.

Keramik von Frieda Lauterburg im Jahr 1916, in: Franziska Anner, Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz, Chur 1916, Taf. 40.

Offenbar waren ihre Arbeiten in einem grösseren Kreis aktiver Kunstgewerbler bekannt und geschätzt, denn 1916 findet sie, zusammen mit Elisabeth Eberhardt, Elisabeth Gött-Strasser,  Nora Gross und Anna Müller, Aufnahme in das Buch „Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz“.

Sie dekorierte immer wieder auch Kachelöfen, oft nach Entwürfen von Paul Wyss, von denen einige bis heute erhalten sind.

Kachelofen Langnau, Lenggen, Signatur: „F. Lauterburg“.

Signatur: P. Wyss“.

Kachelofen 1918/1919 bemalt von Frieda Lauterburg, Schlossstrasse 7, Langnau.

1919 misslang ein ganzer Brand mit Ofenkacheln, die vermutlich für einen weiteren Jagdofen in der benachbarten Villa von Hans Zürcher gedacht waren.  Der Ersatz dieser Arbeit bereitete ihr grosse Mühe. Der Ofen trägt wohl aus diesem Grund das Datum der Bestellung (1918) und das der Fertigstellung (1919 auf einer Eckkachel mit Wappen).

Die Jahre nach dem Krieg waren sehr arbeitsreich. Einerseits kränkelte die Mutter und war öfter abwesend im Spital oder zur Kur. Zudem wohnten meist mindestens zwei der vier Buben ihrer Schwester aus Wien zur Erholung in der Schlossstrasse. Die Schwester, Konzertsängerin in Wien, weilte oft den ganzen Sommer mit der ganzen Familie in Langnau. Zwischendurch vertrat Frieda Mutterstelle in Wien, wenn sie auf Konzerttournee war. Von ihrer keramischen Arbeit ist in diesen Jahren in ihren Briefen nichts zu lesen. Stattdessen war sie sehr engagiert im Chorsingen und in verschiedenen wohltätigen Vereinen im Dorf. Erst 1922 schreibt sie wieder, dass Kacheln mit Vogelmotiven fertig seien und der Ofen im eigenen Haus in der Schlossstrasse aufgebaut werden könne (erhalten?). Ende 1923 starb die Mutter nach langer Krankheit und Frieda lebte nun allein im grossen Haus und sorgte weiterhin für den Zusammenhalt in der Familie.

Einer Katastrophe gleich erschien ihr der Umbau des Elternhauses in den 1930er-Jahren. Die Firma Lauterburg verlegte ihre Büros von Bärau nach Langnau ins Erdgeschoss der Villa an der Schlossstrasse. Ein noch grösserer Schock war für sie, als die Familie eines Neffen ihre Wohnung zu beziehen wünschte und sie verzweifelt auf der Suche nach einer neuen Bleibe war. Diese fand sich dann glücklicherweise in praktisch identischer Ausführung samt der geliebten Laube im Nachbarhaus der Familie Berger, wo sie ihr Leben wie vorher weiterführen konnte.

1927 animierte sie eine Reise nach Griechenland wieder zum Töpfern. Die von ihr gezeichneten Formen wurden aber vom Töpfer (Name leider nicht genannt) nicht so gut umgesetzt. Sie nahm 1927 an einer Ausstellung in Genf teil (Der Bund, Band 78, Nummer 395, 14. September 1927).

1928 beteiligte sie sich an der Saffa (Schweizerische Ausstellung für Frauenarbeit, Bern 1928).

Mit Feldstühlchen, Malgerät und Sonnenschirm spazierte sie viel in der Gegend, malte und zeichnete. 1930 hören wir von einem beim Brennen verunglückten Cache-pot. Auch Radierungen wurden wieder gemacht.

Möglicherweise entstanden weitere Öfen mit Vogelmotiven für das Haus der Schwester Anna Joost-Lauterburg, Dorfbergstrasse 3, noch in den 1930er-Jahren, denn Susan Röthlisberger (Enkelin von Anna Joost-Lauterburg und damit Grossnichte von Frieda Lauterburg) erinnert sich daran, dass der Glattbrand der bemalten Kacheln jeweils die ganze Familie in Aufregung versetzte.

Berner Woche 33, 1943, 1350.

Im November 1943 starb Frieda Lauterburg an einem Krebsleiden. Ein kurzer Nachruf in der Berner Woche verweist ausdrücklich auf ihre Keramikmalereien, für die sie bekannt gewesen sei.

Frieda Lauterburgs Werk hat bisher keine systematische Aufarbeitung und kunsthistorische Einordnung  erfahren.

Bibliographie: 

Anner 1916
Franziska Anner, Die kunstgewerbliche Arbeit der Frau in der Schweiz, Chur 1916.

Kiefer 1914
Georges Kiefer, 23: Gruppe: keramische und Glaswaren. Schweizerische Landesausstellung in Bern 1914, Fachberichte Band VI.

Messerli 2017
Christoph Messerli, 100 Jahre Berner Keramik. Von der Tuner Majolika bis zum künstlerischen Werk von Margrit Linck-Daepp (1987-1983). Hochschulschrift (Datenträger CD-ROM), Bern 2017.

Le Locle NE, Olivier Mathey, Atelier für Porzellan- und Fayencemalerei

Keramik von Olivier Mathey in CERAMICA CH

Roland Blaettler, 2019

Das Historische Museum in Le Locle und das Kunsthistorische Museum in Neuenburg verwahren zwei Werke von Olivier Mathey, der in Le Locle als Keramikmaler tätig war: eine Untertasse aus Steingut mit Farbpalette, datiert 1874 (MHLo 0163 MH), und einen Porzellanteller ebenfalls mit Farbpalette (MAHN AA 5357 – Genava 28, 1980, Abb. 28, S. 282).

Auch das Musée Ariana in Genf besitzt eine Porzellantasse und eine Untertasse mit emailliertem Dekor (Medaillon mit weiblichem Porträt und Girlandenfries im Stil Ludwigs XVI.), signiert und datiert «Olivier Mathey – Le Locle – 1877» (MAG AR 6079).

Bei unseren Recherchen stiessen wir auf einen Auguste Olivier Mathey, Chemiker und amtlich beeidigter Edelmetallprüfer im Amt für Edelmetallkontrolle in Le Locle. Er war aber auch bekannt als Autor mehrerer weltbekannter Publikationen zum Thema «Vergoldung und Versilberung nach der elektrochemischen Methode», die vor allem in der Uhrmacherei angewandt wurde. Die Publikationen erschienen in den Jahren 1855 bis 1890. In den 1870er-Jahren hielt er auch Vorträge vor der Neuenburger Gesellschaft für Naturwissenschaften über Versuche mit Malerei auf Glasur. 1873 präsentierte er beispielsweise, vor derselben Gesellschaft, eine kurze Abhandlung über Malerei auf Glasuren, insbesondere im keramischen Bereich, illustriert mit einigen Beispielen von polychromer Inglasurmalerei auf Fayence (Bulletin de la Société des sciences naturelles de Neuchâtel, t. IX, 376-380). Mathey verwies auch auf Arbeiten seiner Schüler, was darauf schliessen lässt, dass er in Le Locle eine Schule für Keramik- und Emailmalerei gegründet hatte.

Bibliographie:

Blaettler/Ducret/Schnyder 2013
Roland Blaettler/Peter Ducret/Rudolf Schnyder, CERAMICA CH I: Neuchâtel (Inventaire national de la céramique dans les collections publiques suisses, 1500-1950), Sulgen 2013, 496.

Lentigny FR, Fabrik für Feinkeramik (1945-1953) und Porzellan (1954-1961)

Alfred Gasser (Foto aus dem Reisepass vom 12.12.1951).
Archiv von M. Gonzalez Gasser. Photo: M. Maggetti.

Marino Maggetti, 2021

Das Langenthaler Porzellan und die Firma Rössler in Matzendorf sind den meisten ein Begriff – aber eine Porzellanmanufaktur im tiefsten Kanton Freiburg? Tatsächlich gab es eine solche Manufaktur von 1954 bis 19611.

Alfred Henri Gasser (1918–20112) war das zweite Kind von Ernst Gasser (1887–1972) und Emma, geborene Gonet (1889–1978). Sein Vater, der aus einer Dynastie von Ziegelmachern aus Rüschegg (Kanton Bern) stammte, war von 1918 bis zur Schliessung des Betriebs im Jahr 1931 der technische Leiter der Ziegelei und Brikettfabrik in Lentigny3. Die örtlichen Lehmvorkommen, die bereits in den Jahren 1865 oder 1869 abgebaut wurden, waren zu diesem Zeitpunkt erschöpft. Ernst Gasser baute eine neue Fabrik in Corbières, verlegte die Maschinen dorthin und nahm 1932 die Produktion auf.

Über Alfred Gassers beruflichen Werdegang ist wenig bekannt, da beim Brand seiner Fabrik im Jahr 1962 nicht nur alles, was sich in den Räumlichkeiten befand (Maschinen, Produktion usw.), sondern auch das Firmenarchiv zerstört wurde. Der Familientradition zufolge soll er an der Schweizer Keramikschule in Chavannes-près-Renens (VD) ein Diplom erworben haben. Anschliessend schuf er sich während des Zweiten Weltkriegs ein kleines Vermögen durch den Abbau des Torfmoors von Lentigny, das er 1941 erworben hatte. Der Torf ersetzte ausländische Kohle zum Heizen der Häuser und wurde zum Antrieb von gasbetriebenen Fahrzeugen verwendet. Mit diesem Geld gründete er 19454 in den grossflächigen Räumen der ehemaligen Ziegelei und Brikettfabrik in Lentigny eine Töpfermanufaktur, der er den Namen «Industrie de céramique fine» (ICF)5 gab.

Abb. 1 Beispiele aus der Produktion von Alfred Gasser zwischen 1945 und 1953: Kaffeekanne, Irdenware, braune Engobe auf Innen- und Aussenseite, transparente Bleiglasur. Blindmarke LENTIGNY. Höhe 16 cm. Privatbesitz; Dose aus Fayence, gemalter Dekor. Blindmarke ICF LENTIGNY. 12,7 x 8,7 x 6,7 cm. Aus privater Sammlung.  Fotos: M. Maggetti.

Gasser stellte Irdenware, Fayencen6 und sogar Keramik für industrielle Zwecke7 her. Der Ton wurde mit Lastwagen aus der Gegend von Hauteville8 angeliefert. Die Produktion umfasste Alltagsgeschirr (Dosen, Kaffeekannen, Aschenbecher als Werbemittel, Krüge für Brennereien, Likörflaschen, runde und rechteckige Platten, Milchkannen, Tassen, Blumenvasen) und künstlerische Keramiken (Abb. 1). Der Scherben weist eine ziegelrote Farbe auf. Die Irdenware ist oft mit einer weisslichen Engobe überzogen, ihre bleihaltigen, transparenten Glasuren sind in einem monochromen Braunton gehalten. Eine kleine Gruppe von Objekten zeigt schwarz gemalte Dekore, feine Verzierungen mit Gold sind jedoch häufig. Die Fayencen sind mit Spritzdekoren (mit opaken, einfarbigen Glasuren in Blau, Grün oder Violett) oder sehr einfachen gemalten Dekoren versehen, vor allem grüne und rote Blumenmotive (Abb. 1). Die Unterglasur-Blindmarke LENTIGNY oder ICF LENTIGNY ist sehr selten.

Abb. 2 Porzellan von Alfred Gasser (1954–1961). Krug, polychromer Dekor. Unterglasur-Stempelmarke LENTIGNY SWITZERLAND 55. Höhe 16,6 cm. Aus privater Sammlung. Foto M. Maggetti.

1953–19549 wandelte Alfred sein Unternehmen in eine Porzellanmanufaktur um, die einzige in der Westschweiz. Diese Umstellung erfolgte aus wirtschaftlichen Erwägungen, da diese Art von Keramik in Mode war, zudem hygienisch und wesentlich stossfester als herkömmliche Töpferware. Der höhere Preis von Porzellan war nicht mehr so ausschlaggebend, denn um 1950–1960 konnte sich die Mehrheit der Bevölkerung einen solchen Luxus leisten. Alfred sah einen zusätzlichen Absatzmarkt in der Elektroindustrie (Schalter, Sicherungen, Isolatoren), in Laboratorien (Laborporzellan) und anderen industriellen Anwendungen. Der 30 Meter lange Ofen wurde von Fachleuten aus Deutschland installiert. Es waren auch deutsche Arbeiter, die ihm bei der Aufnahme der Produktion halfen. Im oberen Stockwerk der Fabrik wurden diesen und anderen Arbeitern elf Zimmer zur Verfügung gestellt. Doch die Arbeitskräfte bestanden nicht nur aus diesen Fachkräften, sondern auch aus Alfreds vier Kindern, die von ihrem Vater immer wieder hartnäckig angehalten wurden, ihm zu helfen. Die verwendete Tonpaste war die klassische Mischung für Hartporzellan, wie es in Langenthal hergestellt wurde: 50 Prozent tschechisches Kaolin, 25 Prozent weisser Sand und 25 Prozent Kalifeldspat. Die Produktion umfasste eine breite Palette von Gegenständen10: Babyteller, Preisteller, Erinnerungsstücke, Bonbonnièren, Aschenbecher, Eierbecher, Sahnekännchen für Restaurants, Krüge, Schnapsflaschen, kleine Krüge, Wappenschalen, Fischplatten, Milchkannen (Inhalt 1, 1,5 und 2 Liter), Salzstreuer, Tassen und Vasen (Abb. 2–4).

Abb. 3 Porzellan von Alfred Gasser (1954–1961). Ein Salzstreuer, ein Eierbecher mit Golddekor und ein Sahnekrug für ein Restaurant, verschiedene Arten von kleinen Vasen. Stempelmarken LENTIGNY oder LENTIGNY SWITZERLAND. Höhe des Sahnekrugs 5,5 cm. Aus privater Sammlung. Foto M. Maggetti

Bedeutende Freiburger Betriebe wie die Schokoladenfabrik Villars gaben grosse Bestellungen für die Weihnachtsfeiertage auf. Andere Aufträge kamen von den Sport-, Wirtschafts- und Kunstvereinen des Kantons. Die Produkte der Manufaktur wurden entweder von Unternehmen aus der Region oder durch Vertreterbesuche von Dorf zu Dorf vertrieben.11 Bereits 1955 stellte die «Manufacture de porcelaine, Lentigny» ihre Waren auf der 39. Schweizer Mustermesse in Basel aus12. Laut Aussagen seiner Kinder geriet Alfred Gasser zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten. Die beiden anderen Schweizer Porzellanfabriken waren sicherlich nicht sehr glücklich über die Existenz einer Konkurrentin in der Westschweiz. Gerüchten zufolge soll Langenthal sogar Arbeiter geschickt haben, um Sabotage zu betreiben. Die Produktion wurde 196113 eingestellt. In der Folgezeit wurde ein Teil der Räumlichkeiten für die Aufzucht von Küken oder die Mast von Kälbern genutzt14. Am 12. August 1962 brannte die Fabrik nieder15. In den 1970er-Jahren beherbergten die wiederaufgebauten Gebäude einen prominenten Mieter: den Freiburger Autorennfahrer Jo Siffert, der hier seine Rennwagen lagerte und seine Motoren testete16. Sein Mechaniker André Marti betrieb in den angrenzenden Räumlichkeiten eine Garage.

Abb. 4 Porzellan von Alfred Gasser (1954–1961). Teller mit Aufglasur-Dekorproben (in Polychromie und russbrauner Monochromie, zentrales schwarzes Medaillon schlecht lesbar). Unterglasur-Stempelmarke LENTIGNY SWITZERLAND 55. Durchmesser 19,8 cm. Aus privater Sammlung.  Foto M. Maggetti.

Die Dekore des Porzellans sind vielfältig. Hervorzuheben sind transparente farblose oder blaue Glasuren, Glanzglasuren in verschiedenen Farben, Unterglasurdekore, florale Aufglasur-Sruckdekore und feine Goldverzierungen. Eine Stempelmarke ist auf fast allen Objekten zu sehen. Sie wurde mit Chromgrün auf dem Schrühbrand angebracht und dann überglasiert.

Abb. 5 Tabelle der bislang erfassten Marken des Lentigny-Porzellans. Sieben mit Stempel gesetzte Marken und eine Blindmarke (unten rechts). Fotos M. Maggetti.

Die Markenvielfalt ist erstaunlich gross, wenn man die kurze Dauer der Herstellung bedenkt: LENTIGNY, LENTIGNY 59, LENTIGNY SWITZERLAND (mit oder ohne horizontalem Strich unter SWITZERLAND), LENTIGNY SWITZERLAND 54, LENTIGNY SWITZERLAND 55 und Porcelaine LENTIGNY 61 (Abb. 5). Nur ein Objekt trägt die eingetiefte Marke LENTIGNY.

Das Werk von Alfred Gasser ist leider in Vergessenheit geraten. Seine Objekte sind weder in den Sammlungen der Schweizer Museen noch im Inventar CERAMICA CH zu finden. Dieser kurze Artikel soll die Neugier der Mitglieder unserer Gesellschaft wecken und die Aufmerksamkeit der Sammler auf diesen so wenig bekannten Freiburger lenken. Der Autor dieser Zeilen hat sich vorgenommen, einen Katalog der Werke von Alfred Gasser zu erstellen. Er wäre sehr dankbar, wenn er auf Keramiken von Alfred Gasser aufmerksam gemacht würde17.

Ich möchte der Schwester von Alfred Gasser, Nelly Anna Tschanz Gasser, den beiden Töchtern von Alfred, Madeleine Gonzalez Gasser und Elisabeth Boscacci Gasser, sowie seiner Nichte Claudine Buchs Gasser meinen herzlichen Dank für ihren herzlichen Empfang in diesen Zeiten der Pandemie und die wertvollen Informationen aussprechen, die sie mir über das Leben und die keramische Tätigkeit ihres  Verwandten gegeben haben. Mein Dank gilt auch Patrick Dietsche für seine bibliografischen Recherchen, Roland Blaettler für seine kritische Lektüre des Textes und Daniel Diezi für das sorgfältige Layout.

Online-Veröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis der Keramikfreunde der Schweiz, 2021.

Übersetzung Stephanie Tremp

Anmerkungen:

  1. Rolle 2006. Der Artikel von Kim de Gottrau «Tuiles, porcelaines … et même poulets» (La Liberté, 21.8.2019), enthält wertvolle Informationen über die Ziegelei und die Keramikunternehmen von Alfred Gasser.
  2. Maggetti/Galetti 2020, 68, geben, basierend auf der mündlichen Mitteilung seiner Kinder vom 17.9.2020, als Todesjahr 2014 an. Seitdem haben unsere Recherchen die Todesanzeige in La Liberté vom 14.10.2011 gefunden, wonach Alfred Gasser am Freitag, dem 14. Oktober 2011, im Alter von 94 Jahren verstorben ist.
  3. Die Ziegelei trug den Namen des nahe gelegenen Dorfes Lentigny, obwohl sie auf dem Gebiet der Gemeinde Autigny lag.
  4. Die Plakette, die Alfred Gasser gravieren und an einer Maschine anbringen ließ, gibt Aufschluss über den Beginn seiner keramischen Aktivitäten in Lentigny: «Masseknetmaschine/für die Herstellung von Hartporzellan (1420 °C)/war von 1953 bis 1961 in Gebrauch/Überbleibsel der Keramikfabrik hier in Lentigny/1945–1961.» Diese Knetmaschine befindet sich heute im Garten des Hauses, in dem die Familie Gasser lebte.
  5. La Liberté, 9.10.1953: ««Die Keramikfabrik von Lentigny» (unterzeichnet mit E. M.): «In den geräumigen Räumlichkeiten […] entstand […] die Industrie de céramique fine (ICF)». Diesem Artikel zufolge soll die Manufaktur um 1948 gegründet worden sein, was jedoch nicht stimmt (siehe Anmerkung 4). Der Name dieser Manufaktur taucht auch in Werbeanzeigen auf. (La Liberté 23.5.1947, 21.7.1948, 24.9.1948).
  6. Zur Erinnerung: Fayence ist Irdenware, die mit einer opaken, blei- und zinnhaltigen Glasur überzogen ist.
  7. Werbeanzeige in La Liberté, 23.5.1947: «Die Isolatoren für elektrische Anlagen, die aus extrem hartem Material hergestellt sind, eine unbegrenzte Lebensdauer haben und allen Witterungseinflüssen standhalten, werden von Industrie de céramique fine, Lentigny-Fribourg, hergestellt und geliefert. Telefon 3.71.24. Sonderkonditionen für Händler.»
  8. Wahrscheinlich das Vorkommen Le Rux, das von der Ziegelei von Corbières unter der Leitung seines Vaters Ernst ausgebeutet wurde (Maggetti/Galetti 2020, 69).
  9. La Liberté, 18 et 19.12.1954: «Eine Porzellanmanufaktur in Lentigny» (unterzeichnet mit E. M.) verrät uns, dass Alfred Gasser 1953 mit dem Umbau seiner Manufaktur begonnen hatte und dass diese Arbeiten ein Jahr gedauert hatten. Die Porzellanproduktion begann also 1954 und nicht 1953, wie auf der Plakette der Masseknetmaschine angegeben (siehe Anmerkung 4).
  10. Artikel in La Liberté du 26.10.1955: «Ein Besuch in der Porzellanmanufaktur von Lentigny» (unterzeichnet mit E. M.) zählt einige davon auf.
  11. Vgl. Anmerkung 1 (La Liberté).
  12. La Liberté, 18.4.1955: «In Basel. Die 39. Schweizer Mustermesse hat ihre Pforten geöffnet» (unterzeichnet mit F. B.).
  13. La Liberté, 13.8.1862, «Großbrand in Lentigny»; Freiburger Nachrichten, 13.8.1962, «Brand»; La Sentinelle, 13.8.1962, «Brand einer ehemaligen Fabrik».
  14. Anmerkungen 1 und 13.
  15. Anmerkung 13. Der Schaden wurde auf 250 000 Franken geschätzt. Der Walliser Nouvelliste («Incendie») und das Journal de Sierre et du Valais Central (unter der Rubrik «En quelques lignes») berichteten am 13.8.1962 bzw. am 14.8.1962 über dieses Unglück.
  16. Anmerkung 1 (La Liberté).
  17. Wenn möglich mit Foto an folgende E-Mail-Adresse: marino.maggetti@unifr.ch.

Bibliographie :

Marino Maggetti / Giulio Galetti (2020): Dachziegel der freiburgischen Ziegeleien Düdingen, Le Mouret und Corbières – chemische, geologische und historische Aspekte. In: Bulletin de la Société fribourgeoise des Sciences Naturelles, 109, 40-104.

Marino Maggetti (2021): Alfred Henri Gasser- manufactures de céramique fine (1945-1953) et de porcelaine  (1954-1961) à Lentigny. Bulletin Keramikfreunde der Schweiz 97, 2021, 5-12.

Rolle, Marianne (2006): Lentigny. In: Dictionnaire historique de la Suisse.

Luzern-Ebikon LU, Kunstkeramik Luzern A.G. (1925-1996)

Andreas Heege und Margret Loder, 2022

Luzerner Keramik in CERAMICA CH

Markentafeln Kunstkeramik Luzern A.G.

Firmengeschichte-Kurzversion

17. Februar 1890 Emil Loder (1890-1971) wird in Brenzikofen, Kanton Bern geboren (Stammbaum).

28. Dezember 1900 Emil Loder kommt nach dem Tod des Vaters als Verdingkind zusammen mit seinen beiden Brüdern Ernst und Walter, zu seinem Vetter Karl Loder-Eyer, einem Töpfer in Steffisburg.

Werkstatt von Karl Loder-Eyer in Steffisburg.

10. Mai 1906 Emil Loder wird Lehrling bei Karl Loder-Eyer.

Arbeiten der Töpferschule in Steffisburg 1907/1908.

Er besucht ab 1906 die neu gegründete Töpferschule in Steffisburg.

1909–1911 Besuch der Keramikfachklasse der Handwerker- und Kunstgewerbeschule Bern, Ausbildung zum Keramikfachlehrer.

1912–1915 «Gesellenwanderung» von Emil Loder. Arbeit u.a. in der Kunstkeramischen Werkstatt von Friedrich Festersen (1880–1915) in Berlin. In dieser Zeit und den anschliessenden Jahren füllt sich ein Skizzenbuch mit Keramikformen und Dekorentwürfen (heute im Staatsarchiv Luzern, PA 1421/PLA 202, Firmenarchiv Kunstkeramik Luzern).

11. Mai 1915 Tod von Karl Loder-Eyer, Rückkehr von Emil Loder nach Steffisburg am 20. September 1915. Emil erbt mit seinen zwei Brüdern die Werkstatt, verkauft sie jedoch an die Witwe Anna Loder-Eyer, die die Töpferei unmittelbar anschliessend an eine Genossenschaft, die spätere DESA in Steffisburg, weiterverkaufte.

Ende 1915 Emil Loder tritt (als Geschäftsführer?) in die Keramikmanufaktur Wanzenried ein.

11. Dezember 1918 Emil Loder und Adolf Schweizer kaufen zu gleichen Teilen die Manufaktur Wanzenried (Gesellschaft Loder & Schweizer). Dort produzieren Sie bis Ende 1924 gemeinsam charakteristische Engobewaren mit Dekoren des Jugendstils und des Art Déco (Fotoalbum der Produkte; heute im Staatsarchiv Luzern, PA 1421/PLA 202, Firmenarchiv Kunstkeramik Luzern).

Emil Loder und Frieda Schenk.

1922 Emil Loder lernt Frieda Schenk (1900-1972), die Tochter des Hafners und Bienenzüchters Karl Schenk aus Heimberg kennen.

1924 Emil Loder plant und realisiert (1925) die Übernahme der Genossenschaft Keramik Luzern «KeraLuz». Dabei kauft er nur die Werkstatt nebst Gerätschaften, nicht jedoch das Grundstück.

1. März 1925 Auflösung der Steffisburger Kollektivgesellschaft «Loder & Schweizer, Kunstkeramik».

13. März 1925 Emil Loder heiratet Frieda Schenk. Das Paar lässt sich am 16. April 1925 in Luzern nieder. 1926, 1927, 1928 und 1932 Geburt einer Tochter und dreier Söhne.

30. März 1925 Firma «Loder-Schenk Kunstkeramik» wird mit der Adresse Maihofstrasse 30 offiziell in das Schweizerische Handelsamtsblatt eingetragen. Produktionsbeginn in der Töpferei der „Genossenschaft Keramik Luzern“ aber schon am 1. Februar 1925. Töpferei mit elektrisch angetriebenen Töpferscheiben und einem holzbefeuerten Töpferofen und einem kleineren Muffelofen. Anschaffung einer Spritzkabine für Engoben und Glasuren schon 1925. Frieda Loder kümmert sich im Betrieb um die Buchhaltung, den Messestand auf der MUBA, und zusammen mit dem Mitarbeiter Thaddäus Rigert, um den Warenversand.

Das Hafnereigebäude in den Anfangsjahren um 1925/1930.

1925-1927 Beschickung der Mustermesse in Basel zur Gewinnung von Grosskunden, meist bedeutenden Haushaltswarengeschäften in Basel, Bern und Zürich. Für die neue Produktion werden auch neue Form- und Dekorentwürfe gezeichnet (Musterblätter, um 1925).

1928 zum Eidgenössischen Turnfest in Luzern fertigt die Kunstkeramik Ehrengaben und Festkeramik. Die typische Vereins-, Wettbewerbs-, Firmen-, Werbungs- oder Jubiläumskeramik bzw. Keramik mit Familienwappen entwickelt sich zu einem der wichtigen Produktionsstränge der Kunstkeramik Luzern.

Eine reisende Vertreterin macht die Produkte mit Hilfe von Zeichnungen (erstes handgezeichnetes Werbeheft, ca. 1930/1932) und Fotos (erstes Fotoalbum, ca. 1931/1932) bekannt und nimmt Bestellungen entgegen. Das Produktionsspektrum dieser Jahre ist ein unmittelbarer Spiegel der schweizerischen Kulturdebatte zwischen Traditionalismus, Bodenständigkeit und Heimatstil auf der einen und Modernismus auf der anderen Seite.

Dem Fotoalbum von 1931/1932 und existierenden Entwurfszeichnungen kann man entnehmen, dass die Kunstkeramik Luzern sich in dieser Zeit auch intensiv mit der Langnauer Keramik des 18. und  frühen 19. Jahrhunderts auseinandersetzt  und auf diese Weise zur Gestaltung des Stils „Alt-Langnau“ (siehe Hafnerei Adolf Gerber in Langnau) beiträgt.

25. Mai bis 29. Juni 1930 Teilnahme an der Jubiläumsausstellung «25 Jahre Keramische Fachschule Bern».

1931 Planungen für den Bau einer Erschliessungsstrasse (Hünenbergstrasse) tangieren den Standort der Töpferei.

1932 erste gedruckte Werbebroschüre, die die Keramik aus der Produktion zwischen 1927 und 1932 versammelt. Beginnende Zusammenarbeit der Kunstkeramik mit lokalen Künstlern: Emil Wiederkehr (1898–1963), Leopold Häfliger (1906–1974), Marc Piccard (1905–1989), Josef Alois Zurkirchen (1912–1996) und Plinio Barzaghi-Cattaneo (1868–1929).

1932 Herstellung der Festkeramik für die Centenarfeier «Luzern 600 Jahre in der Eidgenossenschaft» nach einem Entwurf des Luzerner Architekten August am Rhyn (1898–1953).

1931/1932 Beginn des Aufbaus eines neuen, systematischeren Formen- und Preiskataloges zunächst wohl nur für die interne Firmenorganisation. Erhalten haben sich zwei darauf aufbauende jüngere Formenkataloge mit Fotos und teilweise Preisangaben (um 1945, mit Preisnachträgen bis 1953).

Vor 1933: Es existiert in der Werkstatt ein zweiter, kleinerer Muffelofen.

19. Dezember 1933 Umwandlung der Einzelfirma «Loder-Schenk, Kunstkeramik» in die Aktiengesellschaft «Kunstkeramik A.G. Luzern». Hintergrund waren zwingend notwendige Um- und Erweiterungsbauten, die auch durch stadtluzernische Erschliessungsarbeiten im Bereich des Rankhofs ausgelöst wurden und die Emil Loder nicht alleine finanzieren konnte. Emil Loder und Frieda Loder-Schenk blieben mit 30% am Aktienkapital der Firma beteiligt.

Ab 1934/1935 vermehrt auch Herstellung religiöser Kleinkunst. 1934 produzierte die Luzerner Keramik zur Jahrtausendfeier des Klosters Einsiedeln in unbekannter Stückzahl Einsiedler Madonnen als Wallfahrtsandenken.

Auftragsarbeiten für das «Orchester des Kaufmännischen Vereins Luzern», Entwurf Emil Wiederkehr (1898–1963), 1934.

Zusammenarbeit mit Emil Wiederkehr (1898‒1963, Goldschmied, Plastiker und Medailleur, Lehrer an der luzernischen Kunstgewerbeschule).

Entwürfe für den Dekor Beromünster, um 1934-1940.

1934–1936: Verstärkung der traditionell-bodenständigen Tendenzen in der Keramikproduktion, vor allem mit Blumenmalereien, dem Entwurf des Dekors «Beromünster» und zahlreichen Erinnerungs-, Wettbewerbs- und Vereinskeramiken.

Um 1935 Verlegung des Ladengeschäftes vom Hirschenplatz in Luzern in die «Passage zum Stein».

1936 Um- und Ausbau der Werkstatt Maihofstrasse 30.

November/Dezember 1936 Anschaffung eines elektrischen Brennofens (Volumen 0,5 m3) der Firma Salvis A.G., Emmenbrücke.

1937 Der neue Dekor «Beromünster» wird intensiv in der Presse besprochen und als «traditionelles heimatliches Kunsthandwerk» gefeiert.

1938 Teilnahme an der MUBA. Neue Werbepostkarte.

1939 Grossveranstaltung «Luzern im Blumenschmuck» mit zahlreichen Vasen der Luzerner Keramik.

1939 Grossveranstaltung «Eidgenössische Schützenfest» in Luzern (16. Juni bis 3. Juli 1939). Die Kunstkeramik A.G. fertigte das offizielle Festgeschirr «Brettmeisterkrug und Schöppli».

1939 Erhöhung des Aktienkapitals auf 50.000 Fr.

27.11.1941 die Kunstkeramik A.G. wird dem eidgenössischen Fabrikgesetz unterstellt. Zu diesem Zeitpunkt wurden angeblich sieben männliche und (nur!) drei weibliche Personen beschäftigt, wobei die Zahlen möglicherweise auch aus Teilzeitpensen zusammengerechnet sind. Die Kunstkeramik A.G. erhielt am 29.1.1942 eine Fabrikordnung, die die Arbeitszeiten regelte (8 ¾ Stunden je Tag, 6-Tage-Woche).

1942 Emil Loder prognostiziert, dass die Kunstkeramik A.G. aufgrund rechtzeitigen Rohmaterialeinkaufs noch vor Kriegsausbruch wohl noch 2,5 Jahre produzieren könne.

Herbst 1942/Frühjahr 1943 Erweiterung der Werkstatt um einen Lagerraum, ein Büro und zusätzliche Fläche im Malsaal. Vermutlich gleichzeitig wird ein zweiter elektrischer Brennofen angeschafft.

Standbilder der Kunstkeramik A.G. Luzern auf der Mustermesse Basel (MUBA), 1944, 1946 und 1947. Die Bilder dokumentieren die Dominanz des Dekors Beromünster.

1940-1950: In der Produktion übertrifft der Dekor Beromünster alle anderen Sparten, wie weiterhin produzierte Schützenfestkannen im Stil Alt-Langnau, Vereinskeramiken, Likörflaschen mit dem Dekor «Landschaften nach Zürcher Vorbild», plastische Arbeiten und Aktfiguren.

Kunstkeramik A.G. Luzern, verschiedene plastische Arbeiten 1945‒1950. 1 Raffael Raffaelli (1917‒1977). 2‒4 Paul Kyburz (1913‒1994. 5 Rolf Brem (1926‒2014). 6 Hans Huggler-Wyss (1877‒1947).

Gleichzeitig gab es eine künstlerische Zusammenarbeit mit Meinrad «Mädi» Zünd (1916–1998), Raffael Raffaelli (1917–1977), Paul Kyburz (1913–1994), Rolf Brem (1926–2014) und Hans Huggler-Wyss (1877–1947). Nach 1951 wurden Figuren wie auch die religiöse Plastik auf der MUBA nicht mehr angeboten. Die Vereins-, Wettbewerbs- und Militärerinnerungskeramik wurde bruchlos weiterproduziert.

Um 1944/1945 dekorative Neuentwicklungen (z. B. Dekor Apfelblüte, Dekor Wiesenblumen, Dekor Ritzpflanze).

Um 1945 Beginn der Planungen für einen Firmenneubau.

13. Juni 1946 Erhöhung des Aktienkapitals auf 100.000 Fr.

6./8. Oktober 1947 Erhöhung des Aktienkapitals auf 150.000 Fr. und Verlegung des Firmensitzes nach Ebikon, wo man einen Bauplatz gefunden hatte.

26. Juni 1948 Präsentation des Firmenneubaus des Luzerner Architekten Anton Mozzatti (1902–1965) in der Presse. Die Firma befand sich nun in Ebikon bei Luzern, Luzernerstrasse 71.

1944-1947 Paul Loder (1927–1977), der älteste Sohn von Emil Loder und Frieda Schenk, absolvierte eine Ausbildung zum Töpfer (Dreher) an der «Ecole suisse de céramique» in Chavannes-Renens VD. Parallel zur Arbeit im neuen Betrieb besuchte er in Luzern noch die Handelsschule. Von Dezember 1951 bis August 1952 bildete er sich in Beesel, nördlich von Maastricht, in den Niederlanden weiter. Paul reorganisierte im väterlichen Betrieb den Ablauf, von der Bestellung bis zur Auslieferung.

Standbilder der Kunstkeramik A.G. Luzern auf der Mustermesse Basel (MUBA), 1950 und 1951. Die Bilder dokumentieren das allmähliche Auslaufen des Dekors Beromünster, bei traditioneller Kontinuität.

Die existierende Produktion wurde zu seiner Zeit in Form und Dekor fortgesetzt. Neue künstlerische Ideen wurden von den Malerinnen und Malern erwartet (Dekor Wiesenblumen, Dekor Ritzpflanze).

Oktober 1949: Ausstellung der Luzerner Keramik im Kammermusiksaal des Kongresshauses in Zürich-Seebach in Kontrast mit Porzellan aus Rosenthal, Nymphenburg, Meissen, Copeland, Herend und Langenthal.

1948–1951 Franz Loder (1932–2001) der jüngste Sohn von Emil Loder und Frieda Schenk, schrieb sich ab 1948 ebenfalls in der Keramikfachschule in Chavannes-près-Renens VD ein. Zum Frühjahrssemester 1949 wechselte er an die Keramische Fachschule in Bern, die er Anfang 1951 als Keramikmaler erfolgreich abschloss, um anschliessend in den elterlichen Betrieb einzutreten. In Bern wurde er von den beiden bedeutenden bernischen Keramikern Benno Geiger und von Werner Burri ausgebildet, was die Anfänge seiner eigenen Arbeiten und Entwürfe erkennbar prägen sollte.

In der Fachschule lernte Franz Margret Rettenmund (1932– ) kennen und lieben.

1948–1951 Margret Rettenmund (1932– ) aus Langnau im Emmental, absolvierte an der Keramikfachschule in Bern die Ausbildung zur Keramikmalerin. Während der Fachschulzeit absolvierte sie ein längeres Praktikum in der Töpferei Stucki-Moser in Wichtrach im Kanton Bern. Es folgten ein kurzes Praktikum in der Keramikfabrik Aedermannsdorf, und dann zwischen dem 30. April 1951 und 28. März 1952 ein Arbeitsjahr in der Töpferei Meister in Stettbach-Dübendorf bei Zürich unter Gertrud Meister-Zingg. Anschliessend folgte vom 15. April 1952 bis 31. Januar 1953 ein knappes Arbeitsjahr als Keramikmalerin bei Fritz Iseli in Münsingen. Nach einem mehrmonatigen Aufenthalt als Au-Pair-Mädchen in Paris, folgte schliesslich eine Anstellung bei Jakob Stucki in Langnau. Die Arbeit in Langnau hinterliess deutliche Spuren in Margret Loders frühen Kreationen, da die farbige Schlickermalerei ihr persönlich mehr entsprach als der feine Pinseldekor der Fayencemalerei.

1951 Produktion der keramischen Wandbilder von Alfred Sidler für das neue Telephongebäude in Luzern in der Kunstkeramik.

Ab 1951: Franz Loder belebte mit seinen neuen Kreationen die traditionelle Kollektion. Dabei führte er neue Dekore ein, die auch auf älteren Formen angebracht wurden und schuf auch neue Form/Dekorkombinationen. Franz steuerte spätestens ab 1952/1953 zunehmend das Erscheinungsbild der Luzerner Keramik. Franz Aus- und Umbau des Sortiments waren sehr erwünscht, da vorher im Betrieb eine Art stilistisch-künstlerischer Stagnation bestand. Der alte Formenkatalog von Emil Loder wurde nur noch für eine kurze Zeit anfangs der 1950er-Jahre weitergeführt und dann zugunsten einer Werkstattkartei mit allen neuen Entwürfen aufgegeben.

Die Investitionen wurden auf der MUBA 1954 mit der Schweizerischen Werkbund Auszeichnung «Die gute Form» belohnt.

Dezember 1952: Franz Loder und Margret Rettenmund zeigen zum ersten Mal gemeinsam ihre Kreationen und Dekore im Weihnachts-Schaufenster der Firma Manz & Co. in Langnau.

Zwischen 1952/1953 und 1975: Die übliche Vereins-, Jubiläums-, Wettkampf- und Preiskeramik wurde mit abnehmenden Mengen ganz im vorhergehenden Stil weiter produziert.

Standbilder der Kunstkeramik A.G. Luzern auf der Mustermesse Basel (MUBA), 1954, 1956 und 1957. Die Bilder dokumentieren das durch Franz Loder und Margret Rettemund-Loder radikal veränderte Produktionssortiment.

Zwischen 1953 und 1961 spielten für die Keramik der Kunstkeramik A.G. zusätzliche Akzentuierungen durch Ritzlinien eine grosse Rolle. Mediterran anmutende Gesichter von Frauen, Meerwesen und Landschaften bzw. Städtebildern gehören ebenfalls in diesen Kontext.

1953 bis 1970er-Jahre: Der Luzerner Künstler Hans Erni (1909–2015) arbeitet immer wieder in der Kunstkeramik. Für ihn wurden gezielt Keramiken, Schalen und Vasen gedreht und engobiert, die er dann ritzte, bemalte und signierte. Sie tragen keine Marken der Kunstkeramik A.G.

Am 1. November 1954 trat Margret Rettenmund als Keramikmalerin in den Betrieb der Kunstkeramik A.G. in Luzern ein. Neben den Arbeiten und den Ausbildungsgrundlagen von Geiger und Burri waren für Franz Loder und Margret Rettenmund Weiterbildungskurse des Keramikers Mario Mascarin (1901–1966) eine wichtige Orientierungshilfe, um in den Folgejahren ihren eigenen Weg und Stil zu finden. Auf die Frage was Franz Loder von seinen Lehrmeistern gelernt habe sagte er einmal: «Vom Geiger den Leichtsinn, von Burri den Starrsinn und von Mascarin das Mass». Die Beziehungen zu Mario Mascarin führten 1955 auch zu einer ersten internationalen Ausstellungsteilnahme von Franz Loder und Margret Rettenmund. Sie stellten am XIII Concorso Nazionale della Ceramica in Faenza aus und erhielten eine Silbermedaille.

Briefkopf der Firma, verwendet im Jahr 1956.

1956 brannte die Kunstkeramik ein grosses Keramikwandbild von Hedwig Aregger-Marazzi (1909–1986).

Dezember 1956: Franz Loder und Margret Rettenmund waren neben Mario Mascarin, Edouard Chappallaz, Benno Geiger, Fritz Portner, Hanni Krebs-Nencki, Elisabeth Langsch, Bruno Platten, Pierette Favarger, Jakob Stucki und Philippe Lambercy auf der Ausstellung «Moderne schweizerische Keramikkünstler» im Gewerbemuseum in Bern vertreten.

Ab etwa 1956 wurde eine neue, dreizeilige Firmenmarke eingeführt, mit der die Masse der Keramik gestempelt wurde: «LUZERNER KERAMIK HANDARBEIT».

Zwischen 1956 und 1967: Franz Loder malte seine ausdrucksstarke Serie der schwarzen Vögel, Fische und Katzen. Hier wurden grosse matte Flächen mit einer glänzenden Binnenzeichnung versehen. Zusätzlich fertigte er Dekore, die mit dem Verhältnis von matt und glänzend spielten und deren besondere Schwierigkeit in der Regelmässigkeit der Glasurtropfenverteilung lag.

27. Mai 1957: Franz Loder und Margret Rettenmund heirateten in Luzern. In den folgenden Jahren werden die Kinder Andreas, Christian, Kathrin und Annelies geboren, während gleichzeitig die gemeinsame Arbeit in der Werkstatt weiterlief.

Nach 1952/1953 bzw. 1957: Allmählicher Übergang in der wirtschaftlichen Betriebsführung von Frieda Loder-Schenk an Franz Loder und dann an Margret und Franz. Spätestens ab 1965/66 fungierte Franz Loder als Betriebsleiter.

Zwischen 1952/1953 und 1974 sicherten die MUBA-Bestellungen verschiedener grosser Haushaltswarengeschäfte der Schweiz und Kunstgewerbe-Boutiquen den Löwenanteil der Produktion der Kunstkeramik A.G. Zu erwähnen sind hier, neben anderen, vor allem die Geschäfte Séquin an der Bahnhofstrasse in Zürich, Füglistaller an der Freiestrasse in Basel und Steiger in Bern.

Ab den späten 1950er-Jahren bis in die frühen 1970er-Jahre entwickelte sich ein lukrativer Exporthandel nach Amerika über die beiden Einkäufer Amberg & Hirt, die vor allem für die Firma Hudson & Rissmann aus Los Angeles. tätig waren. Einmal im Jahr schickten die Amerikaner einer Farbkarte, nach der die Keramik für die kommende Saison möglichst dekoriert und bemalt werden sollte.

1959: Franz Loder bzw. die Kunstkeramik A.G. erhielten auf der MUBA erneut die Auszeichnung «Die gute Form» für drei der ausgestellten Keramiken. Dies dürfte mit ein Grund gewesen sein, weshalb Franz Loder von der Eidgenössischen Kommission für Angewandte Kunst des Departements des Inneren zur Beschickung zweier Ausstellungen in Gmunden in Österreich und Ostende in Belgien ausgewählt wurde.

Herbst 1959: Auf Initiative von Mario Mascarin schlossen sich verschiedene Keramiker zur «ASK – Arbeitsgemeinschaft Schweizerischer Keramiker» zusammen. Franz und Margret Loder waren Gründungsmitglieder. So verwundert es nicht, dass wir Franz Loder auch als Aussteller auf der ersten ASK-Ausstellung 1960 in Solothurn, dem XIX Concorso Nazionale della Ceramica 1961 in Faenza, der Exposition internationale de la céramique contemporaine Prag 1962, oder 1965 in der grossen ASK-Helmhaus-Ausstellung in Zürich, sowie der Sonderausstellung «3000 Jahre Keramik» im Kunstgewerbemuseum Zürich finden.

Nach 1960: Paul Loder verlies die Kunstkeramik A.G. und wurde Designer bei Kristallglas Häfeli in Sarnen und später in der Glashütte Hergiswil.

Nach 1960: Der Laden in Luzern entwickelte sich nach Margret Loders Vorstellungen allmählich zu einem Geschäft für gehobenen Haushaltsbedarf und Innendekoration, in dem die selbst hergestellte Keramik einen deutlichen Anteil hatte.

1961 beteiligte sich die Kunstkeramik A.G. auch einmal an der Frankfurter Messe.

1965 bis 1973: Franz Loder fertigt Gefässe aus einem stark schamottierten, schwarzbraun eingefärbten Manganton mit Matt- oder Chromglasuren.

1964 bis 1996: Neben die schwarz-weiss, schwarz oder chromgrün, matt oder glänzend glasierten Keramiken von Franz Loder trat erstmals der von Margret Loder entworfene, kobaltblaue Dekor 210. Dabei wurde blaue Glasur mit breitem Pinsel auf eine weisse Schmelzglasur aufgetragen und mit normalen Fayencefarben mit feineren Pinselstrichen akzentuiert. In den fröhlich-naiven oder floral-dekorativen Motiven vielfältig variiert, bildete der Dekor 210, in den Varianten blau, braun und braun-rot bis 1996 eine der sich gut verkaufenden Kontinuitätslinien der Kunstkeramik A.G.

1967 wurden Keramiken von Franz Loder auf der Hannover Messe ausgestellt. Hierbei handelte es sich um eine neue Serie scharfkantig abgedrehter Formen mit schwarzen, glänzenden Glasuren, auch in Kombination mit Mattglasuren. Diese Serie wurde bis 1974 produziert und auch weiss und mattblau glasiert.

10. Mai 1967 Anstelle des mittlerweile 77 Jahre alten Emil Loder wurde Franz Loder offiziell Geschäftsleiter und Mitglied des Verwaltungsrates der Kunstkeramik A.G., zu dessen Vizepräsident er schliesslich im Mai 1970 aufstieg.

Ab spätestens 1968/1969 entwickelte Franz Loder eine eigenständige, exklusive Dekorserie mit roten Rosen. Daneben fertigte er aber immer noch grosse Vasen mit chromhaltigen Glasuren.

Ab 1969: Von der Firma Heini Landert in Embrach kaufte man auch geschrühte Rohware in Form von Caquelons hinzu, die dann mit dem Dekor 210 verziert wurden, um vollständige Fondue-Sets in guter Qualität anbieten zu können.

Messestände MUBA 1970 und 1974.

Die frühen 1970er-Jahre waren für die Kunstkeramik A.G. eine Zeit des Umbruchs. Emil Loder starb am 27.12.1971 in Luzern. Frieda Loder folgte ihm bereits am 18.3.1972. Die wirtschaftlich eher problemlosen Jahre gingen für die Kunstkeramik A.G. ab 1970 allmählich zu Ende. Hierfür gab es mehrere Gründe: Die Ölkrise, die sich ändernde MUBA und Bleilässigkeit der Glasur. Parallel zum Wertverfall des Dollars zwischen 1971 und dem Ende der Ölkrise 1973/1974 (Wertverlust ca. 25–30%) kam es zu einer deutlichen Abnahme amerikanischer Touristen in Luzern, so dass das Ladengeschäft erhebliche Einbussen erlitt. Gleichzeitig wurde der Import in die USA für die dortigen Abnehmer finanziell uninteressant und wurde schliesslich eingestellt.

1974 wechselte die Kunstkeramik A.G. von der MUBA zur kleineren, zweimal jährlich in Bern und Zürich stattfindenden Ornaris-Messe, zu deren Mitbegründern sie zählte. Der Wechsel war erfolgreich und brachte neue Kunden und eine grössere räumliche Nähe zu zahlreichen Abnehmern.

1970er-1980er-Jahre: Zahlreiche Kindertellerserien, u.a. auch von der Keramikmalerin Elsbeth Birnstiel-Marti, die sehr erfolgreich waren.

1975 neues Werkstatt-Signet neben der dreizeiligen Blindmarke und individuelle Stempelmarken für Margret und Franz Loder.

1972 bis 1975 wegen Problemen mit Bleilässigkeit allmähliche Umstellung auf einen zweiten Produktionsstrang mit Steinzeug aus importiertem französischem Ton. Es folgten Experimente mit Reduktionsbränden, Steinzeug- und Tenmokuglasuren.

Beeindruckend sind sowohl die celadonartigen, an asiatische Vorbilder erinnernden Glasuren, als auch die kupferroten Reduktionsbrände oder die Experimente mit Glasuren auf der Basis von Nephelinsyenit. Daneben wurde aber weiterhin Irdenware, aber mit anderen Fayenceglasuren (Schmelzglasuren) hergestellt.

1976 Es entstand der von Franz Loder auch selbst gemalte, kobaltblaue Dekor 241 auf Steinzeug. Erste Ausstellung mit Steinzeug-Verkaufsprodukten in Luzern.

1981 bis 1990: Entwicklung und Produktion der «Naturblatt-Serie» auf Steinzeug durch Franz Loder.

3. bis 17. Oktober 1982: Aus Anlass des 50. Geburtstages von Margret und Franz Loder zeigte die Werkgalerie Steinemann, Rippertschwand-Neuenkirch eine Einzelausstellung mit Luzerner Keramik. In der Presseorientierung findet sich der Hinweis auf 17 Mitarbeiter und die Bedeutung des Drehers Charles Cavin für die Werkstatt (Arbeitszeitraum ca. 1955–1985). Franz Loders Thema zur Ausstellung waren «Experimente mit Steinzeugglasuren». Margret Loder zeigte modellierte Einzelstücke, Narren und Hampelmänner, Figürliches, Stehendes und Hängendes. Dazu gehörten auch erste Frauenfiguren, bei denen es sich durchweg um Einzelobjekte handelte.

1984: Nur in diesem Jahr experimentierte Franz Loder auch mit sehr schwierigen weissen und schwarz eingefärbten Porzellanmassen.

Die zweite Hälfte der 1980er- und die frühen 1990er-Jahre füllten Steinzeugkeramiken mit blauen und braunen Glasuren und Bildern oder Beschriftungsfeldern, die durch Wachsreserven von der Glasur freigehalten wurden.

1985–1991: Figurenserie von Margret Loder mit limitierter Auflage mit jährlich einer neuen Figur. Als erste Figuren entstanden 1985 «Flora» und 1986 «Bella». Beide reisten 1987 zusammen mit einer dritten Einzelfigur und einer Steinzeugvase von Franz Loder zu einer Ausstellung nach Peking-Nanchang, die vom Musée Ariana beschickt wurde.

Zwischen 1985 und 1992: Franz Loder fertigte eine Gefässformenserie aus Steinzeug, die charakteristische ausgeschnittene Füsschen oder ansonsten ungewöhnliche Standvorrichtungen aufwies. Zwischen 1989 und 1992 trugen diese Schüsseln, Schalen und Schälchen sowie gleichzeitige Duftlämpchen und technisch aufwendig gearbeitete Teekannen kräftige rote, blaue oder türkisfarbene, streifenförmige Tauchglasuren über einer schwarzen Basisglasur.

 

1990-1996: Den zunehmenden Schwierigkeiten ihre hochpreisigen Produkte auf einem kleiner werdenden, schweizerischen Markt abzusetzen, setzten Franz und Margret Jahr für Jahr neue Formen und Dekore entgegen und zwar sowohl im Bereich des Steinzeugs als auch im Bereich der bunt bemalten Fayenceglasuren. In immer schnellerer Kadenz folgten für jede Ornaris-Messe neue Dekorserien oder Gefässformen, neben den mehr touristisch-schweizerisch bzw. figürlich-traditionell angehauchten Dekoren mit Edelweiss und Kühen (Dekor «Flüela», «Vroni und Lotti») oder dem frechen, schwarz-bunten Kuhdekor «Fläckli-Swiss», vor allem die dezent-zeitgemässen bunten Pinseldekore «Flambée» und «Fil» oder 1995 noch «Saturn» und «Sky». Für den sehr gelungenen, dezent zurückhaltenden Dekor «Fil» auf Steinzeug erhielt die Kunstkeramik A.G. auf der Ornarismesse im Herbst 1993 einen von zehn Preisen unter 650 Ausstellern.

1991 erhielt die Kunstkeramik A.G. noch einmal einen Grossauftrag für das 71. Eidgenössische Turnfest in Luzern.

Ab 1990: Mit Hilfe einer Plattenwalze und bemalt von Margret Loder entstanden nicht nur Engel und Weihnachtskrippen sondern im Laufe der nächsten Jahre ein ganzer Alpaufzug mit Heidi und dem Geissenpeter, einem Käseträger und Milchmädchen, Kühen, Schweinen und Ziegen, ein Jodler-Chörli, Volksmusiker und Volkstanz, Schwingern und Schwingerkönigen mit Muni und auf dieselbe Art auch Katzen, Fische, Schnecken, Vögel und Gartenzwerge.

1. Juli 1994: Kathrin Loder, die schon vorher ganz wesentlich das Büro der Kunstkeramik geleitet hatte, übernahm vollständig die Geschäftsführungsposition von Franz Loder. Die Anzahl der Firmenangestellten betrug zu diesem Zeitpunkt, die zwei Lehrlinge einberechnet, nur noch zwölf Personen.

1995 entwarf Franz Loder mit dem schlichten, aber beeindruckenden Dekor «Return» ein letztes Mal eine ganze Geschirrserie. Zusätzlich versuchte die Kunstkeramik in den Jahren 1995 und 1996 durch die Veranstaltung von Keramikkursen für Kinder und Erwachsene lokal neue Kunden zu gewinnen.

Margret und Franz Loder, 1995.

28. Mai 1996: Nach mehreren Jahren ohne Gewinn beschloss die Generalversammlung der Kunstkeramik AG die Schliessung der Produktion zum 31. August 1996, 71 Jahre nach der Gründung in Luzern und 48 Jahre nach dem Umzug nach Ebikon.

25.9.1997: Auf der Generalversammlung wurden die Liquidierung der A.G. und der Verkauf der Liegenschaft festgelegt. Franz und Margret Loder gingen in Pension, für alle Mitarbeiter wurden neue Stellen gefunden.

Bibliographie:

Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2023
Andreas Heege/Margret Loder-Rettenmund/Andreas Kistler, Luzerner Keramik 1925–1996, Teil 1: Loder-Schenk, Luzern, Kunstkeramik (1925–1933) und Kunstkeramik A.G. Luzern (1933–1948), in: Keramik-Freunde der Schweiz Revue 137, 2023, 1-101.

Heege/Loder-Rettenmund/Kistler 2024
Andreas Heege/Margret Loder-Rettenmund/Andreas Kistler, Luzerner Keramik 1925–1996, Teil 2: Kunstkeramik A.G. Luzern in Ebikon (1948-1996), in: Keramik-Freunde der Schweiz Revue 138, 2024, 7-101.

 

Luzern, Bauscher, Gebrüder

Keramik der Gebrüder Bauscher, Luzern in CERAMICA CH

Andreas Heege, 2021

Laut Schweizerischem Handelsamtsblatt (SHAB) 28, 1910, Nr. 53, gründen die Gebrüder August und Konrad Bauscher eine Kollektivgesellschaft mit Sitz in Luzern, behufs Vertrieb der Fabrikate der Porzellanfabrik Weiden, Gebrüder Bauscher G.m.b.H., Einzelprokura für Walter Bosshardt, Natur des Geschäftes: Hoteleinrichtungen.

Vermutlich bestand jedoch bereits vorher eine nicht eingetragene Filiale, da es Zeitungsanzeigen aus dem Jahr 1907 gibt.

Weitere Pressenotizen:

 

SHAB 35, 1917, Nr. 68, 17. 3.1917: Verlegung des Geschäftslokals in die Industriestrasse 17 in Luzern.

SHAB 37, 1919, Nr. 48, 21. Februar 1919: Firma wegen Ableben beider Gesellschafter aufgelöst. Übergang der Aktiven und Passiven auf die Firma Bosshardt & Co in Luzern.

Luzern, Keramik Luzern, Genossenschaft (1920-1925)

Die Töpferei im Rankhof, Maihofstrasse 30, Luzern, um 1925-1935. Die strassenseitige Fassade trägt noch den schwach lesbaren Schriftzug „Keramische Werkstätte Rank“ (aus dem Firmenarchiv der Kunstkeramik AG Luzern, jetzt im Staatsarchiv Luzern).

Keramik Luzern, Genossenschaft, Keramik in CERAMICA CH

Andreas Heege, Margret Loder, 2021

Mit Datum 1. Januar 1918 bildeten Bernard von Euw von Schwyz, Hans Schmid-Brunner von Waltenschwil und Julius Reber von Sempach, die alle drei in Luzern wohnten, die Kollektivgesellschaft «Euw, Schmid & Cie, Keramische Werkstätte». Das Geschäftslokal befand sich im Rankhof, Maihofstrasse 30 (SHAB 36, 1918, 454, 18.3.1918). Die Keramische Werkstätte war auf dem Grundstück jedoch in einer 1870 errichteten Schreinerwerkstatt mit Leimküche der Familie Vinzenz Peter, nur eingemietet (Stadtarchiv Luzern Häuserchronik, B3.31/A1.28 & B1.500/1870). Der etwas ungewöhnliche «hantelförmige» Werkstattbau hatte 1916 bereits einen angebauten Schuppen in Leichtbauweise und ein vorgelagertes Holzlager.  Mit Baubewilligung vom 17. Oktober 1916 liess Architekt Bernhard von Euw, wohl in Hinblick auf die Firmengründung, in der Werkstatt einen «Brennofen für den Betrieb einer keramischen Werkstätte» einbauen (Stadtarchiv Luzern, Häuserchronik, B3.31/A1.70-B1.103/1916). Hierbei handelt es sich nach den Bauzeichnungen um einen im Querschnitt rechteckigen, stehenden Töpferofen mit vertikalem Zug für Holzbefeuerung, wie er damals in der Schweiz Stand der Technik war. Nach einer weiteren Baugenehmigung vom 7. März 1918 wurde das Werkstattgebäude für die jetzt neu gegründete «Keramische Werkstätte» um einen Trockenraum aufgestockt und verbreitert (Stadtarchiv Luzern, Häuserchronik B3.31/A1.20&B1.35/1918). Wer dort ab diesem Zeitpunkt als Mitarbeiter oder technischer Leiter Keramik produzierte, ist unbekannt. Es lässt sich jedoch belegen, dass die Firma am 16. März 1918 im Tagblatt der Stadt Thun (42, Nummer 63) einen Freidreher auf elektr. Friktionsscheibe“ suchte, also offenbar Personal aus der Töpfereiregion Heimberg-Steffisburg rekrutieren wollte. Die Kollektivgesellschaft «Euw, Schmid & Cie, Keramische Werkstätte» wurde bereits am 1.6.1920 wieder liquidiert und die Firma inklusive Werkstatt an die Genossenschaft «Keramik Luzern» verkauft (SHAB 38, 1920, 2358, 9.12.1920). Produkte der Keramischen Werkstätte Luzern sind nicht bekannt, eine Firmenmarke wurde offenbar nicht eingetragen.

Die Genossenschaft «Keramik Luzern» war eine Neugründung mit teilweise denselben handelnden Personen. Die Statuten der Genossenschaft datieren vom 3. April 1920. Zweck der Genossenschaft sollte es sein «…das alte Schweizer keramische Kunsthandwerk wieder wachzurufen und zu neuer Blüte zu bringen, dies sowohl in künstlerischer als technischer Hinsicht…». Präsident des Verwaltungsrates wurde Hans Bossard (Privatier), Vizepräsident Theodor Fischer (Antiquar). Weitere Mitglieder des Vorstandes waren Bernard von Euw (Architekt) und Hans Schmid (Kaufmann). Nicht zum Verwaltungsrat gehörte der Kaufmann Oskar Gloggner aus Luzern. Die Produktion und das Geschäftslokal befanden sich weiterhin in der Maihofstrasse 30 (SHAB 38, 1920, 1682a, 17.6.1920. So auch in den «Neuen Zürcher Nachrichten» 16, Nummer 285, 18.10.1920). Bernard von Euw und Hans Schmid blieben nur bis zum 30. März 1921 im Verwaltungsrat. Sie wurden durch den in Zürich lebenden Antiquar Ernst Villiger aus Zofingen ersetzt (SHAB 39, 1921, 774).

Bereits im Jahr 1924 kam es zu ersten Verkaufsverhandlungen mit Emil Loder aus Steffisburg, die im Frühjahr 1925 erfolgreich abgeschlossen wurden. Unter dem Datum des 30. März 1925 wurde die Firma «Loder-Schenk Kunstkeramik» mit der Adresse Maihofstrasse 30 in das Schweizerische Handelsamtsblatt eingetragen (SHAB 43, 1925, 563). Die Generalversammlung der Genossenschaft «Keramik Luzern» beschloss am 12. Mai 1925 die Liquidation der Firma und bestimmte Hans Bossard zum Ausführenden. Die Firma wurde am 22. September 1926 schliesslich aus dem Handelsregister gelöscht (SHAB 43, 1925, 932; 44, 1926, 1701).

Mit Datum vom 16. Juni 1921 wurde im Schweizerischen Handelsamtsblatt unter Nr. 49844 die Fabrikmarke «KERALUZ» (für die Genossenschaft Keramik Luzern) eingetragen  (SHAB 39, 1921, 1417, 16.6.1921. Die Marke wurde erst am 6. Januar 1942 wegen Nichterneuerung wieder gelöscht: SHAB 60, 1942, No. 11, S. 123). Sie findet sich in gleicher Form auch auf erhaltenem Geschäftspapier.

Briefkopf der Genossenschaft „Keramik Luzern“ zwischen etwa 1921 und 1925 (aus dem Firmenarchiv der Kunstkeramik AG Luzern, jetzt im Staatsarchiv Luzern).

Ohne diese Marke wüssten wir über die Produktion der «Keramik Luzern» so gut wie nichts. Im Historischen Museum in Luzern werden heute vier Vasen und ein Teller verwahrt, die die eingestempelte Blindmarke «KERALUZ» tragen (ca. 15–16 x 7,5–8 mm).

Drei Gefässe stammen aus der Sammlung Rochat und zwei fanden sich auf dem Estrich des Nachfolgebetriebes der «Kunstkeramik A.G. Luzern» in Ebikon (HMLU 11732.187, 11732.215, 11732.785 und HMLU 13865.193 und 13865.211).

Das Ungewöhnliche bei vier dieser Gefässe ist die Tatsache, dass sie mit einem blauen oder kupferfarbenen Lüster bemalt wurden, der dreimal auf einer Fayenceglasur und einmal auf einer engobierten und glasierten Irdenware aufgetragen wurde. Weder zur Zeit von Emil Loder & Adolf Schweizer in Steffisburg (1919-1925) noch in den unmittelbar anschliessenden Jahren ab 1925 in Luzern lassen sich für Emil Loder und die Kunstkeramik AG Luzern Lüsterdekore nachweisen. Vieles spricht also dafür, dass es sich bei diesen Stücken um Produkte der „Keramik Luzern“ handelt, obwohl Emil Loder den Firmennamen KERALUZ in seinem ersten Geschäftspapier beibehielt  und zwischen 1932 und 1938 in seinem Betrieb eine abweichend gestaltete, einzeilige Blindmarke «KERALUZ» verwendet wurde.

Briefpapier der Kunstkeramik AG Luzern, nach dem Kauf der Keramik Luzern 1925. Man beachte den Schriftzug KERALUZ, der die Kontinuität zwischen den beiden Betrieben signalisiert.

Einzig in der Gruppe XV «Dekoratives und Kunstgewerbe» auf der Kantonalen Gewerbeausstellung des Jahres 1924 mit dem Titel «Luzernische Qualitätsarbeit aus alter und neuer Zeit» (28.Juni bis 3. August 1924) lässt sich die «Keramik Luzern» mit Aussteller Nummer 210 ansonsten noch nachweisen.

Zwei Lichtdrucktafeln im Ausstellungskatalog (Schwendimann 1924) belegen, dass die Firma auch grosse Wappenteller herstellte.

Quellen:

Staatsarchiv Luzern, A 1044/12348 von Euw, Schmid & Cie. \ Luzern, 1918-1920;
A 1044/8248 Genossenschaft Keramik \ Luzern, 1923-1928.

Stadtarchiv Luzern: Bauanträge 1916 und 1918.

Bibliographie:

Schwendimann 1924
Johannes Schwendimann, Luzernische Qualitätsarbeit aus alter und neuer Zeit. Katalog d. Kantonalen Gewerbe-Ausstellung 1924, Luzern 1924.

Maastricht NL

Keramik aus Maastricht in CERAMICA CH

Keramik aus Maastricht: Dies ist eine Bezeichnung für die Keramik einer Reihe bedeutender, industrieller Keramikfirmen, die ab ca. 1835 Porzellan, Steingut und Irdenwaren in Maastricht hergestellt haben:

N.A. Bosch (1853-1866)
Petrus Regout (1834-1899)
Société Céramique (1863-1958)
Mosa (1883-1996)
De Sphinx, Sphinx-Céramique en Koninklijke Sphinx (1899-1969)
Jema (1945-1984)

Bibliographie:

Knotter 2016
Ad Knotter, Keramiekstad – Maastricht en de aardewerkindustrie in de negentiende en twintigste eeuw, Zwolle 2016.

Meulman 2006
H. Meulman, Boerenbont uit Maastrichtse fabrieken, Petrus Regout, Lochem 2006.

Polling 1980
A. Polling, Maastrichtse ceramiek merken en dateringen : P. Regout (De Sphinx), N.A. Bosch, Claimont en Chainaye, Société Céramique, Guillaume Lambert, L. Regout (Mosa), F. Regout, Lochem 1980.